Tag rechtswidrig

Wichtig zu wissen für Arbeitnehmer, die schichtweise in der Nacht arbeiten

Mit Urteil vom 09.12.2020 – 10 AZR 334/20 – hat der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) entschieden, dass eine Regelung in einem Tarifvertrag, die    

  • für Arbeit in der Nachtschicht von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr einen Zuschlag von 25% zum Stundenentgelt und 
  • für Nachtarbeit, die in demselben Zeitraum außerhalb eines Schichtsystems erbracht wird, einen Zuschlag von 50% 

vorsieht, wegen 

  • Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) 

rechtswidrig sein kann und ein Schichtarbeit leistender Arbeitnehmer,

  • um mit den nicht regelmäßig nachts Arbeitenden gleichbehandelt zu werden,

dann (auch) den höheren Zuschlag verlangen kann (sog. Anpassung nach oben), wenn sich dem Tarifvertrag keine sachlichen Gründe entnehmen lassen, die die 

  • schlechtere Behandlung der Nachtschichtarbeitnehmer,
  • d.h. den geringeren Zuschlag bei ihnen,  

rechtfertigen können.

Der Senat hat dies damit begründet, 

  • dass Nachtarbeitnehmer und Nachtschichtarbeitnehmer miteinander vergleichbar sind 

und gleichzeitig darauf hingewiesen, dass ein höherer Zuschlag bei der Durchführung von Nachtarbeit außerhalb von Schichtsystemen 

  • nicht damit gerechtfertigt werden kann, 

dass hierbei auf private und kulturelle Wünsche der Beschäftigten weitgehend Rücksicht zu nehmen sei, 

Wichtig zu wissen für Arbeitnehmer, deren Entlassung nachträglich als rechtswidrig eingestuft wird

Mit Urteil vom 25.06.2020 hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in den verbundenen Rechtssachen C-762/18 und C-37/19 entschieden, dass ein rechtswidrig entlassener Arbeitnehmer für den Zeitraum 

  • bis zur Wiederaufnahme der Beschäftigung nach erfolgter Einstufung seiner Entlassung als rechtswidrig,

auch dann,

  • wenn ihm die Möglichkeit zu arbeiten vom Arbeitgeber verwehrt war,

Anspruch hat,

  • auf bezahlten Jahresurlaub 

oder 

  • bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses, auf eine Vergütung als Ersatz für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub.

Ist der Arbeitnehmer allerdings während dieses Zeitraums 

  • einer neuen Beschäftigung nachgegangen, 

kann er seine Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub, 

  • die dem Zeitraum entsprechen, in dem er der neuen Beschäftigung nachgegangen ist, 

nur gegenüber dem neuen Arbeitgeber geltend machen (Quelle: Pressemitteilung des EuGH).

BGH entscheidet: Organspender, die vor einer Lebendspende unzureichend aufgeklärt worden sind, haben Anspruch auf

…. Schmerzensgeld und bei Eintritt eines späteren Gesundheitsschadens infolge der Organspende auch auf Schadensersatz.

Mit Urteilen vom 29.01.2019 – VI ZR 495/16 und VI ZR 318/17 – hat der unter anderem für das Arzthaftungsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden, dass die bei einer Lebendspende von einem Organspender

  • erteilte Einwilligung unwirksam und der Eingriff rechtswidrig ist,

wenn der Spender vor der Organentnahme

  • über die möglichen gesundheitlichen Folgen sowie möglichen Spätfolgen der Organentnahme für seine Gesundheit und
  • über die zu erwartende Erfolgsaussicht der Organübertragung, also beispielsweise bei Vorliegen eines erhöhten Risikos eines Transplantatverlustes beim Empfänger, auch über dieses Risiko,

nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden ist (vgl. hierzu § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b, Abs. 2 Satz 1 und 2 Transplantationsgesetz (TPG)), dass, wenn dies strittig ist, bei der Beweiswürdigung

  • Verstöße gegen die, die Pflicht des Arztes zur Selbstbestimmungsaufklärung des Spenders begleitenden, formalen Regelungen des § 8 Abs. 2 Satz 3 (Anwesenheit eines neutralen Arztes beim Aufklärungsgespräch) und Satz 4 (von den Beteiligten zu unterschreibende Niederschrift über das Aufklärungsgespräch) des TPG als starkes Indiz dafür herangezogen werden können, dass eine Aufklärung durch die – insoweit beweisbelastete – Behandlungsseite nicht oder jedenfalls nicht in hinreichender Weise stattgefunden hat

und dass, im Falle einer unzureichenden Aufklärung, von der deswegen auf Schadensersatz und/oder Schmerzensgeld in Anspruch genommenen Behandlungsseite,

  • mangels Übertragbarkeit der zum Arzthaftungsrecht entwickelten Grundsätze der hypothetischen Einwilligung auf die Lebendorganspende,

nicht den Einwand erhoben werden kann, dass der Organspender auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung in die Organentnahme eingewilligt hätte (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 28.01.2019).

Arbeitnehmer, deren Versetzung an einen anderen Firmenstandort rechtswidrig war, können vom Arbeitgeber die Kosten

…. für eine angemietete Zweitwohnung und eines Teils der Heimfahrten erstattet sowie die Zahlung eines Tagegeldes verlangen.

Das hat das Hessische Landesarbeitsgericht (LArbG) mit Urteil vom 10.11.2017 – 10 Sa 964/17 – in einem Fall entschieden, in dem ein bei seiner Arbeitgeberin seit 1997 beschäftigter Arbeitnehmer,

  • von seiner Arbeitgeberin ab November 2014 in eine ca. 480 km entfernte Niederlassung versetzt worden,
  • dieser Versetzungsaufforderung auch gefolgt war,
  • jedoch gegen die Versetzung erfolgreich geklagt hatte, so dass er nach der rechtskräftigen Feststellung in einem vorausgehenden Rechtsstreit, dass die Versetzung rechtswidrig war, ab Oktober 2016 wieder an seinem ursprünglichen Beschäftigungsort arbeiten konnte und

während seines Einsatzes in der Niederlassung

  • eine Zweitwohnung angemietet hatte sowie
  • mit seinem Privatfahrzeug regelmäßig sonntags und freitags zwischen Hauptwohnsitz und Zweitwohnung gependelt war.

Der Schadensersatz, den die Arbeitgeberin in einem solchen Fall dem Arbeitnehmer schuldet, umfasst nach der Entscheidung des LArbG dem Grunde nach die Kosten der Zweitwohnung und des Pendelns,

  • wobei die Berechnung des Schadens nach dem Leitbild der öffentlich-rechtlichen Reisekostenregelungen, konkret der Trennungsgeldverordnung (TGV), zu berechnen sein soll

und danach der Arbeitnehmer

  • die Mietkosten, soweit diese angemessen sind, erstattet,
  • den Wert einer Zugfahrt an jedem zweiten Wochenende vergütet verlangen und
  • daneben für den höheren Aufwand auch einen monatlichen Ausgleich, ermittelt nach den Vorschriften für ein Trennungstagegeld, verlangen kann (Quelle: Pressemitteilung des LArbG Frankfurt vom 17.04.2018).

Operation eines Patienten mit Grundleiden unter Überschreitung der erteilten Einwilligung

Wer trägt im Schmerzensgeldprozess die Beweislast dafür, dass postoperative, auf die mangels Einwilligung rechtwidrige Operation zurückzuführende Beschwerden auch ohne den rechtswidrigen Eingriff aufgetreten wären?

Wird bei einem Patienten mit einem Grundleiden eine Operation ausgeführt,

  • die – mangels wirksamer Einwilligung – rechtswidrig ist und
  • die zu Beschwerden (Gesundheitsbeeinträchtigungen) führt,

ist es, wenn der Patient wegen dieser Beschwerden Schmerzensgeld (§ 823 Abs. 1, § 253 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) verlangt, Sache der Behandlungsseite zu beweisen,

  • dass der Patient ohne den rechtswidrig ausgeführten Eingriff dieselben Beschwerden haben würde,
  • weil sich das Grundleiden in mindestens ähnlicher Weise ausgewirkt haben würde (Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 13.01.1987 – VI ZR 82/86 –; vom 05.04.2005 – VI ZR 216/03 –).

Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz,

  • wonach der Schädiger zu beweisen hat,
  • dass sich ein hypothetischer Kausalverlauf bzw. eine Reserveursache ebenso ausgewirkt haben würde, wie der tatsächliche Geschehensablauf.

Darauf hat der VI. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 22.03.2016 – VI ZR 467/14 – hingewiesen und in einem Fall, in dem

  • von einer Patientin, nachdem die zystischen Tumoranteile bei einem bei ihr vorhandenen gutartigen Hirntumor stark zugenommen hatten, die Einwilligung zu einer Fensterung (Drainage) erteilt,
  • von dem Arzt aber unter Hinwegsetzung über die erteilte Einwilligung der Tumor entfernt worden und

es bei der Patientin zu einer postoperativen, kausal auf der Tumorentfernung beruhenden apallischen Schädigung gekommen war, festgestellt,

  • dass die Darlegungs- und Beweislast, dass eine Fensterung der Zyste zu den denselben Beeinträchtigungen geführt hätte, wie die tatsächlich durchgeführte rechtswidrige Operation, die Behandlungsseite trägt.