Tag Sachmängel

Was Käufer und Verkäufer wissen sollten, wenn strittig ist, ob die Kaufsache schon bei Übergabe mangelhaft war

Macht ein Käufer

  • unter Berufung auf das Vorliegen eines Sachmangels Rechte gemäß § 437 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geltend,
  • nachdem er die Kaufsache entgegen genommen hat (§ 363 BGB),

trifft ihn normalerweise im vollen Umfang die Darlegungs- und Beweislast für die einen Mangel begründenden Tatsachen,

  • also dass bei Gefahrübergang eine dem Verkäufer zuzurechnende Abweichung der Istbeschaffenheit von der (geschuldeten) Sollbeschaffenheit (vgl. § 434 Abs. 1 BGB) vorgelegen hat.

Nach § 476 BGB wird allerdings,

  • wenn ein Verbrauchsgüterkauf i.S.v. § 474 Abs. 1 BGB vorliegt und
  • sich bei der von einem Verbraucher bei einem Unternehmer gekauften Sache innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel zeigt,

vermutet,

  • dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war,
  • es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar.

Voraussetzung für das Eingreifen dieser Vermutung nach § 476 BGB im Rahmen des Verbrauchsgüterkauf ist, dass der Käufer darlegen und nachweisen kann,

  • dass sich innerhalb von sechs Monaten nach Lieferung der Sache
  • ein mangelhafter Zustand (eine Mangelerscheinung) gezeigt hat,
    • der – unterstellt, er hätte seine Ursache in einem dem Verkäufer zuzurechnenden Umstand – dessen Haftung wegen Abweichung von der geschuldeten Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 BGB) begründen würde.

Nicht darlegen und nachweisen muss der Käufer in einem solchen Fall,

  • auf welche Ursache dieser mangelhafter Zustand zurückzuführen ist und
  • dass diese Ursache in den Verantwortungsbereich des Verkäufers fällt,

Gelingt dem Käufer der Beweis,

  • dass sich innerhalb von sechs Monaten nach Lieferung der Sache ein mangelhafter Zustand (eine Mangelerscheinung) gezeigt hat,

muss der Verkäufer zur Widerlegung der Vermutung des § 476 BGB den Beweis des Gegenteils erbringen, also nachweisen, dass

  • die aufgrund eines binnen sechs Monaten nach Gefahrübergang eingetretenen mangelhaften Zustands eingreifende gesetzliche Vermutung,
  • bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs habe – zumindest ein in der Entstehung begriffener – Sachmangel vorgelegen,

nicht zutrifft.

Der Verkäufer hat dann darzulegen und nachzuweisen, dass der binnen sechs Monaten nach Gefahrübergang aufgetretene mangelhafte Zustand

  • auf eine nach Gefahrübergang eingetretene, ihm nicht zuzurechnende Ursache zurückzuführen ist,
  • sei es auf ein Verhalten des Käufers oder eines Dritten, sei es auf sonstige Umstände, wie etwa eine übliche Abnutzungserscheinung nach Gefahrübergang.

Gelingt dem Verkäufer dieser Beweis (des Gegenteils) nicht, greift zu Gunsten des Käufers die Vermutung des § 476 BGB auch dann ein, wenn

  • die Ursache für den mangelhaften Zustand oder der Zeitpunkt ihres Auftretens offen und
  • somit also letztlich ungeklärt bleibt, ob der eingetretene mangelhafte Zustand auf einer dem Verkäufer zuzurechnenden Ursache oder auf einem sonstigen Grund beruhte.

Daneben verbleibt dem Verkäufer die Möglichkeit, sich darauf zu berufen und nachzuweisen, dass das Eingreifen der Beweislastumkehr des § 476 BGB ausnahmsweise bereits deswegen ausgeschlossen ist, weil die Vermutung, dass bereits bei Gefahrübergang im Ansatz ein Mangel vorlag, mit der Art der Sache oder eines derartigen Mangels unvereinbar (§ 476 letzter HS. BGB) ist.

Das hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs BGH mit Urteil vom 12.10.2016 – VIII ZR 103/15 – in Abänderung seiner bisherigen Rechtsprechung – entschieden.

Was Käufer und Verkäufer wissen sollten, wenn beim Verbrauchsgüterkauf Streit über die Sachmängelhaftung besteht

Legt der Käufer bei einem Verbrauchsgüterkauf dar und weist er im Streitfall nach, dass

  • sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Mangelzustand gezeigt hat,
  • der – unterstellt er hätte seine Ursache in einem dem Verkäufer zuzurechnenden Umstand – dessen Haftung wegen Abweichung von der geschuldeten Beschaffenheit begründen würde,

wird nach § 476 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vermutet,

  • dass der binnen sechs Monate nach Gefahrübergang zu Tage getretene mangelhafte Zustand zumindest im Ansatz schon bei Gefahrübergang vorgelegen hat.

Der Käufer hat also in einem solchen Fall lediglich darzulegen und zu beweisen,

  • dass die erworbene Sache nicht den Qualitäts-, Leistungs- und Eignungsstandards einer Sache entspricht, die er zu erhalten nach dem Vertrag vernünftigerweise erwarten konnte und
  • dass diese Vertragswidrigkeit binnen sechs Monaten nach der Lieferung offenbar geworden ist.

Nicht beweisen muss der Käufer dagegen,

  • den Grund für die Vertragswidrigkeit,
  • dass sie dem Verkäufer zuzurechnen ist und
  • auch nicht, dass ein erwiesenermaßen erst nach Gefahrübergang eingetretener akuter Mangel seine Ursache in einem latenten Mangel hat.

Für den Verkäufer hat die Verschiebung der Beweislast nach § 476 BGB beim Verbrauchsgüterkauf zur Folge, dass er den Nachweis zu erbringen hat,

  • dass die aufgrund eines binnen sechs Monaten nach Gefahrübergang eingetretenen mangelhaften Zustands eingreifende gesetzliche Vermutung nicht zutrifft,
  • dass bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs – zumindest ein in der Entstehung begriffener – Sachmangel vorgelegen habe.

Der Verkäufer muss also darzulegen und nachzuweisen, dass ein Sachmangel zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs noch nicht vorhanden war,

  • weil der Sachmangel seinen Ursprung in einem Handeln oder Unterlassen nach diesem Zeitpunkt hat, also auf eine nachträgliche Ursache (Bedienungsfehler) zurückzuführen ist und
  • ihm damit nicht zuzurechnen ist.

Gelingt dem Verkäufer diese Beweisführung – also der volle Beweis des Gegenteils der vermuteten Tatsachen – nicht hinreichend, greift zu Gunsten des Käufers die Vermutung des § 476 BGB auch dann ein,

  • wenn die Ursache für den mangelhaften Zustand oder der Zeitpunkt ihres Auftretens offengeblieben ist,
  • also letztlich ungeklärt geblieben ist, ob überhaupt ein vom Verkäufer zu verantwortender Sachmangel vorlag.

Daneben verbleibt dem Verkäufer noch die Möglichkeit, sich darauf zu berufen und nachzuweisen, dass das Eingreifen der Beweislastumkehr des § 476 BGB ausnahmsweise bereits deswegen ausgeschlossen sei,

  • weil die Vermutung, dass bereits bei Gefahrübergang im Ansatz ein Mangel vorlag,
  • mit der Art der Sache oder eines derartigen Mangels unvereinbar ist.

Auch kann der Käufer im Einzelfall gehalten sein, Vortrag zu seinem Umgang mit der Sache nach Gefahrübergang zu halten.

Das hat der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 12.10.2016 – VIII ZR 103/15 – entschieden und seine Rechtsprechung damit in Einklang gebracht mit den Erwägungen in dem zwischenzeitlich ergangenen Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 04.06.2015 – C-497/13 – (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 12.10.2016 – Nr. 180/2016 –).

Käufer eines vom Abgasskandal betroffenen PKWs sollten wissen, dass

….. die Rechtsprechung dazu, ob bzw. ggf. unter welchen Voraussetzungen sie vom Kaufvertrag zurücktreten können, derzeit noch äußerst uneinheitlich ist.

Wer einen vom Abgasskandal betroffenen PKW gekauft hat,

  • in den vom Hersteller eine manipulierte Abgassoftware verbaut worden ist, die Stickstoffoxidwerte auf dem Prüfstand in gesetzlich unzulässiger Weise optimiert,

hat einen mit einem Sachmangel nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) behaftetes Fahrzeug erworben und kann deshalb

  • vom Verkäufer nach §§ 437 Nr. 1, 439 BGB die Beseitigung des Mangels verlangen.

Das dürfte zwischenzeitlich unstreitig sein.

Zurücktreten vom Kaufvertrag und Rückzahlung des gezahlten Kaufpreises verlangen, abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe des PKWs nach §§ 433, 434, 437 Nr. 2, 323, 346, 348 BGB,

  • ohne zuvor vom Verkäufer erfolglos unter Fristsetzung die Mangelbeseitigung gefordert zu haben,

kann der Käufer dagegen nur, wenn

  • eine Fristsetzung zur Mängelbeseitigung nach § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich ist bzw. war und
  • eine nicht nur unerhebliche Pflichtverletzung i.S.v. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB vorgelegen hat.

Dazu, ob es sich bei der manipulierten Abgassoftware um einen unerheblichen oder einen erheblichen Mangel handelt und ob der Rücktritt vom Kaufvertrag eine erfolglose Fristsetzung zur Mängelbeseitigung voraussetzt oder nicht, werden von den Gerichten derzeit unterschiedliche Auffassungen vertreten.

Die 11. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Münster (Urteil vom 14.03.2016 – 11 O 341/15 –) und die 2. Zivilkammer des LG Bochum (Urteil vom 16.03.2016 – 2 O 425/15 –) sind beispielsweise der Ansicht,

  • dass der Mangel unerheblich,
  • demzufolge ein Rücktritt vom Kaufvertrag nach § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ausgeschlossen ist und

der Käufer also nur einen Anspruch auf Mangelbeseitigung hat.

Die 6. Zivilkammer des LG Düsseldorf (Urteil vom 23.08.2016 – 6 O 413/15 –) erachtet

  • eine Fristsetzung zur Mängelbeseitigung nur in denen Fällen für entbehrlich,
  • in denen der Verkäufer eine Mängelbeseitigung endgültig verweigert.

Dagegen sehen die 23. Zivilkammer des LG München I (Urteil vom 14.04.2016 – 23 O 23033/15 –), die 4. Zivilkammer des LG Lüneburg (Urteil vom 02.06.2016 – 4 O 3/16 –), die 16. Zivilkammer des LG Oldenburg (Urteil vom 01.09.2016 – 16 O 790/16 –) und die 2. Zivilkammer des LG Krefeld (Urteil vom 14.09.2016 – 2 O 83/16 –)

  • den Mangel als erheblich und
  • einen Rücktritt somit dadurch auch nicht nach § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB für ausgeschlossen an.

Die 2. Zivilkammer des LG Krefeld (Urteil vom 14.09.2016 – 2 O 83/16 –) ist darüber hinaus der Auffassung, dass,

  • wenn Käufer ihren vom sog. Abgasskandal betroffenen PKW bei einem Vertragshändler gekauft haben,

sie,

  • weil ihnen dann eine Nachbesserung durch den Verkäufer unzumutbar ist,
  • ohne Fristsetzung zur Mängelbeseitigung vom Kaufvertrag zurücktreten können.

Die 7. Zivilkammer des LG Braunschweig (Urteil vom 27.09.2015 – 7 O 585/16 –) wiederum hat

  • die Klage eines Journalisten abgewiesen,
  • der das Fahrzeug direkt bei der Herstellerfirma erworben und die Rückabwicklung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung über die Fahrzeugeigenschaften begehrt hatte,

während die 23. Zivilkammer des LG München I (Urteil vom 14.04.2016 – 23 O 23033/15 –) in dem seiner Entscheidung zugrunde liegendem Fall

  • in dem Verkäufer des Fahrzeugs ein Vertragshändler des Herstellers war,
  • dem Käufer einen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages nach Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gemäß §§ 812 Abs. 1, 123 Abs. 1, 142 Abs. 1 BGB zuerkannt hat.

Ist bei einem gekauften Gebrauchtwagen nach der Übergabe festgestellter Rost (k)ein Sachmangel?

Ein Sachmangel im Sinne des § 434 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB),

  • der nach § 437 BGB unter den dort genannten Voraussetzungen einen Anspruch auf Nacherfüllung begründen, zum Rücktritt vom Kaufvertrag, zur Minderung des Kaufpreises oder zum Schadensersatz berechtigen kann,

liegt vor, wenn eine gekaufte Sache bei Gefahrübergang

  • nicht die vereinbarte,
  • soweit eine Beschaffenheitsvereinbarung nicht getroffen worden ist, nicht die nach dem Vertrag vorausgesetzte,
  • im übrigen nicht die bei Sachen der gleichen Art übliche Beschaffenheit

aufweist.

Das bedeutet, werden vom Käufer bei einem gebraucht gekauften PKW nach der Übergabe

  • zum Beispiel An- und Durchrostungen feststellt,

ist,

  • wenn insoweit keine ausdrückliche Vereinbarung beim Kauf getroffen worden ist,

das Fahrzeug dann nicht mangelhaft,

  • wenn die An- und Durchrostungen angesichts von Alter und Laufleistung des Fahrzeugs
  • der üblichen Beschaffenheit eines derartigen Fahrzeugs entsprechen,

weil Korrosion eine typische Abnutzungs- und Alterserscheinung ist.

In einem solchen Fall geht das Rostrisiko somit zu Lasten des Käufers.

Sind dagegen die Rostschäden

  • für den konkreten Fahrzeugtyp ungewöhnlich stark

liegt gemessen an den Kriterien des § 434 Abs. 1 S. 2 BGB ein Sachmangel vor (Amtsgericht (AG) Pankow-Weißensee, Urteil vom 11.07.2016 – 4 C 101/16 –).

Weist ein bei einem Händler gekauftes Fahrzeug einen Sachmangel auf muss es der Käufer zur Reparatur zum Verkäufer bringen

Bleibt ein bei einem Händler gekaufter, gebrauchter Motorroller wegen eines Defekts liegen, der auf einen bereits bei Gefahrübergang vorhandenen Grundmangel zurückzuführen ist, ist der Verkäufer,

  • auch wenn der Käufer aufgrund dessen nach § 439 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) einen Anspruch auf Mangelbeseitigung hat,

grundsätzlich nicht verpflichtet, den liegengebliebenen Roller für die Reparatur abzuholen.

Darauf hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 29.02.2016 – 274 C 24594/15 – hingewiesen und in einem Fall,

  • in dem der Käufer der Firma, bei der er den Motorroller für 1.800 Euro gekauft hatte, den Standort des liegengebliebenes Motorrollers mitgeteilt und
  • den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt hatte, als der Roller nach längerer Zeit nicht zur Reparatur abgeholt worden war,

die Klage des Käufers gegen den Verkäufer auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Motorrollers abgewiesen.

Begründet hat das AG die klageabweisende Entscheidung damit, dass,

Nochmals zu den Möglichkeiten die Käufer von vom Dieselgate betroffenen Fahrzeugen haben

Wer einen vom sogenannten Abgasskandal betroffenen Pkw gekauft hat,

  • in den vom Hersteller eine manipulierte Abgassoftware verbaut worden ist,
  • die Stickoxidwerte im Prüfstandlauf in gesetzlich unzulässiger Weise optimiert,

hat ein mit einem Sachmangel behaftetes Fahrzeug erworben (vgl. § 434 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

Der Käufer kann deshalb,

  • sofern seine diesbezüglichen Gewährleistungsansprüche noch nicht verjährt sind (vgl. hierzu §§ 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Satz 1, 195 BGB und die dem Kaufvertrag zugrunde liegenden AGBs), bzw.
  • sofern bereits Verjährung eingetreten ist, der Verkäufer die Einrede der Verjährung nicht erhebt oder vor Eintritt der Verjährung auf die Erhebung der Einrede der Verjährung verzichtet hat,

gemäß § 439 Abs. 1 BGB Nacherfüllung binnen einer angemessenen Frist verlangen.

Ein Rücktritt vom Kaufvertrag, ohne ein solches vorheriges erfolgloses Nacherfüllungsverlangen, setzt voraus,

  • dass der Mangel an der Abgassoftware beispielsweise mittels eines Software-Updates nicht folgenlos beseitigt werden kann,
  • sondern eine technische und/oder merkantile Wertminderung des Fahrzeugs zurückbleibt.

Ein sofortiges Rücktrittsbegehren ohne vorheriges erfolgloses Nacherfüllungsverlangen

  • hat demzufolge nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn die Überprüfung durch einen Sachverständigen ergibt, dass eine Nachbesserung wegen des Verbleibs nachteiliger Folgen für das Fahrzeug objektiv unmöglich ist und
  • wird, falls der Mangel folgenlos behoben werden kann, erfolglos bleiben.

Darauf hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Celle mit Beschluss im Verfahren 7 W 26/16 hingewiesen (Quelle: Pressemitteilung des OLG vom 08.08.2016).

Kann bei langen Standzeiten zwischen Herstellung und Erstzulassung eines Pkws ein Fahrzeugmangel vorliegen?

Erwarten i. S. v. § 434 Abs. 1 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) darf ein Autokäufer eine zwölf Monate nicht überschreitende Standzeit vor der Erstzulassung eines Pkws

  • nur beim Kauf eines Neu- oder Jahreswagen,
  • nicht aber bei älteren Gebrauchtwagen,

weil dem durch die Standzeit voranschreitenden Alterungsprozess nur bei neuen Fahrzeugen und noch „jungen Gebrauchtwagen“ besonderes wirtschaftliches Gewicht zukommt.

Welche Standzeiten bei älteren Fahrzeugen üblich sind und ein Käufer – ohne zusätzliche Verkäuferangaben – erwarten darf, hängt dagegen von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab, wie etwa der Dauer der Zulassung zum Verkehr und der Laufleistung des Fahrzeugs, der Anzahl der Vorbesitzer und der Art der Vorbenutzung.

War ein erworbenes Gebrauchtfahrzeug zum Zeitpunkt des Verkaufs bereits längere Zeit zum Straßenverkehr zugelassen und ist durch eine relativ hohe Laufleistung eine nicht unerhebliche Abnutzung des Fahrzeugs eingetreten, verlieren eine vor der Erstzulassung eingetretene Standzeit und der hierauf entfallende Alterungsprozess nämlich zunehmend an Bedeutung.

Darauf hat der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 29.06.2016 – VIII ZR 191/15 – hingewiesen und in einem Fall,

  • in dem ein Gebrauchtwagen mit einer Laufleistung von 38.616 km zwei Jahre und vier Monate nach seiner Erstzulassung zu einem Preis von 33.430 € verkauft worden und
  • vor der Erstzulassung 19 ½ Monate beim Händler gestanden war,

entschieden,

  • dass die Standzeit von 19 ½ Monaten zwischen Herstellung und Erstzulassung hier deshalb keinen Fahrzeugmangel begründete,
  • weil sie nicht dazu führte, dass sich der erworbene Gebrauchtwagen zum Zeitpunkt der Übergabe nicht für die gewöhnliche Verwendung eignete und nicht die übliche, vom Käufer berechtigterweise zu erwartende Beschaffenheit aufwies (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB).

Dadurch, dass in dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall im Kaufvertragsformular das Baujahr nicht genannt, sondern unter der Rubrik „Datum der Erstzulassung lt. Fzg.-Brief“ nur der Tag der Erstzulassung eingetragen war, war, so der Senat, zwischen den Parteien auch keine stillschweigende Beschaffenheitsvereinbarung über ein bestimmtes Herstellungsdatum oder Baujahr zwischen den Parteien getroffen worden (§ 433 Abs. 1 Satz 2, § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB), da der Verkäufer durch den einschränkenden Zusatz „lt. Fzg.-Brief“ lediglich mitgeteilt hat, aus welcher Quelle er die entsprechenden Angaben entnommen (Wissensmitteilung) und damit deutlich gemacht hat, dass er weder für die Richtigkeit des Erstzulassungsdatums noch – darüber hinausgehend – für ein bestimmtes Baujahr des Fahrzeugs einstehen will (Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 109/2016 vom 29.06.2016).

Was ist die Folge, wenn ein Sachmängelhaftungsausschluss vereinbart wurde und einer von mehreren Verkäufern einen Mangel arglistig verschwiegen hat?

Verschweigt einer von mehreren Verkäufern einen Mangel der Kaufsache arglistig, können sich sämtliche Verkäufer gemäß § 444 Alt. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht auf den vertraglich vereinbarten Ausschluss der Sachmängelhaftung berufen.

Das hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 08.04.2016 – V ZR 150/15 – entschieden.

Danach ist es bei einer solchen Fallgestaltung allen Verkäufern, also auch einem nicht arglistig handelnden Mitverkäufer verwehrt, sich auf den vertraglich vereinbarten Haftungsausschluss zu berufen.

Allerdings ist ein nicht arglistig handelnder Mitverkäufer schadensersatzpflichtig gemäß §§ 437 Nr. 3, 280 BGB nur dann, wenn das für die Schadensersatzpflicht erforderliche und auf den Verkauf der mangelhaften Sache bezogene Verschulden im Sinne von § 276 BGB (auch bei ihm) vorliegt, wobei

  • dieses Verschulden gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB zunächst vermutet wird und
  • der nicht arglistig handelnde Mitverkäufer die Vermutung, zumindest fahrlässig gehandelt zu haben, entkräften muss.