Tag Sorgfaltspflichten

Hundehalter sollten wissen, dass, wenn ihr nicht angeleinter Hund einen Menschen zu Fall bringt, sie der Körperverletzung

…. schuldig sein können.

Das Landgericht (LG) Osnabrück hat mit Urteil vom 20.01.2021 – 5 Ns 112/20 – den Besitzer eines Schäferhundes 

  • wegen fahrlässiger Körperverletzung 

zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sein Hund, 

  • als er mit ihm in einem Wohngebiet spazieren ging, ohne dass er ihn davon hatte abhalten können,

auf eine Frau zugesprungen, die Frau

  • als sie den Hund mithilfe ihrer Einkaufstasche versuchte abzuwehren, 

zu Fall gekommen war und sich dabei eine Halswirbeldistorsion und eine Kopfprellung zugezogen hatte.

Danach verletzt ein Hundehalter, der mit einem, 

  • nicht aufs Wort hörenden 

größeren Hund, 

  • ohne diesen vorsorglich anzuleinen, 

in einem Wohngebiet spazieren geht, 

  • die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten, 

schafft durch dieses sorgfaltswidrige Verhalten das absehbare Risiko, 

  • dass der Hund sich anderen Personen unkontrolliert nähern kann 

und dass diese Personen dann 

  • bei instinktiven Abwehrreaktionen stürzen und 
  • sich verletzten können, 

ist für ihn vorhersehbar (Quelle: Pressemitteilung des LG Osnabrück).

Warum es ratsam ist, beim Vorbeifahren an am Straßenrand haltenden oder parkenden Fahrzeugen einen ausreichenden

…. Seitenabstand einzuhalten.

Ein zu geringer Seitenabstand 

  • beim Vorbeifahren an anhaltenden oder parkenden Fahrzeugen 

kann nämlich, im Fall 

  • der Kollision mit einer sich öffnenden Fahrzeugtür,

zu einem Mitverschulden des passierenden Verkehrsteilnehmers führen. 

Darauf hat das Amtsgericht (AG) Frankental mit Urteil vom 26.06.2020 – 3c C 61/19 – hingewiesen. 

In dem dieser Entscheidung zugrunde liegendem Fall, in dem ein Fahrzeugführer mit seinem Kraftfahrzeug gegen die 

  • sich öffnende Fahrzeugtür eines am rechten Fahrbahnrand abgestellten PKWs 

gestoßen war, weil er an dem PKW,  

  • in dem Moment, als dessen Fahrer die Fahrzeugtür öffnete, 

mit einem Seitenabstand von lediglich 30–35 Zentimetern vorbeifuhr, hat das AG zwar 

  • das überwiegende Verschulden für die Kollision in dem Verhalten des Fahrers des abgestellten PKWs gesehen, weil der 
    • gegen die ihm nach § 14 Abs. 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) obliegenden Sorgfaltspflichten verstoßen und sich beim Öffnen der Fahrertür zum Aussteigen nicht so verhalten hatte, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war,

jedoch, 

  • weil aus §§ 1 Abs. 2, 5 Abs. 4 Satz 2 StVO folgt, dass beim Vorbeifahren an haltenden und parkenden Fahrzeugenein ausreichender Sicherheitsabstand einzuhalten ist, 

auch

  • das Vorbeifahren an dem PKW mit einem Seitenabstand von lediglich 30–35 Zentimetern als mitursächlich für die Kollision sowie deswegen 

den Führer des vorbeifahrenden Fahrzeugs für mitschuldig erachtet und ist aufgrund dessen zu eine Haftungsverteilung 

  • im Verhältnis 1/3 : 2/3 zu Lasten des die Fahrzeugtür öffnenden Fahrers des abgestellten PKWs 

gekommen (Quelle: Pressemitteilung des AG Frankenthal).

Hinweis:
Vergleiche auch unsere Blogs,

und

Was Besitzer von gebrauchten älteren, noch mit Lithium-Ionen-Akkus ausgestatteten Elektrogeräten und -spielzeugen wissen sollten

Mit Urteil vom 22.01.2020 – 23 O 464/17 – hat das Landgericht (LG) Coburg in einem Fall, in dem ein Brand ausgebrochen war, weil, kurz nachdem der Besitzer 

  • eines in einem Gebrauchtwarenladen, ohne Bedienungsanleitung und Originalverpackung für 8 Euro erworbenen 

Elektro-Spielzeughelikopters mit einem darin verbauten Lithium-Ionen-Akku, den Helikopter zum Aufladen des Akkus 

  • im Keller auf einem Wäschetrockner, auf dem sich auch ein Textilkoffer befand, 

unbeaufsichtigt hatte stehen lassen, 

  • der Akku explodiert war,

entschieden, dass der Besitzer des Spielzeughelikopters   

  • beim Aufladen des Akkus gegen seine Sorgfaltspflichten verstoßen und damit 

fahrlässig den Brand verursacht hat.

Begründet worden ist das vom LG damit worden, dass bei Lithium-Ionen-Akkus bei 

  • vorausgegangener sog. Tiefenentladung oder 
  • vorhandenen Vorschäden

eine deutlich erhöhte Brand- bzw. Explosionsgefahr bestehe und deswegen die Aufladung des Akkus 

  • zumal sein Zustand nicht bekannt gewesen sei,

nicht hätte

  • in brennbarer Umgebung ohne Beaufsichtigung 

erfolgen dürfen,

  • sondern allenfalls in einer sicheren, also nicht brennbaren Umgebung.

Hinweis:
Diese Rechtsprechung dürfte auf den Ladevorgang neuer Elektrogeräte nicht anwendbar sein (Quelle: Pressemitteilung des LG Coburg).

Wichtig zu wissen für einen gemeinsamen Geh- und Radweg benutzende Fußgänger und Fahrer von Elektrokleinstfahrzeugen

…. wie E-Scootern oder Segways: Wer haftet bei einer Kollision?

Mit Beschluss vom 16.04.2019 – 12 U 692/18 – hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz in einem Fall, in dem eine Segway-Fahrerin

mit einem

  • gerade fotografierenden und sich dabei unachtsam rückwärts bewegenden

Fußgänger zusammengestoßen und gestürzt war, entschieden, dass der Fußgänger für die Folgen des Sturzes der Segway-Fahrerin,

  • die sich bei dem Sturz erheblich verletzt hatte,

nicht haftet und die Klage der Segway-Fahrerin gegen den Fußgänger

  • auf Schadensersatz und Schmerzensgeld

abgewiesen.

Begründet hat der Senat dies damit, dass

  • Fußgänger auf einem gemeinsamen Fuß- und Radweg gegenüber Elektrokleinstfahrzeugen (zum Beispiel Segways) absoluten Vorrang haben,
  • ein Segway-Fahrer seine Fahrweise und Fahrgeschwindigkeit so anpassen muss, dass es nicht zu einer Behinderung oder Gefährdung des Fußgängers kommt (vgl. § 11 Abs. 4 Sätze 3 und 4 Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV))

und dass

  • Elektrokleinstfahrzeuge-Fahrer, die diese erhöhten Sorgfaltspflichten nicht beachten, bei einer Kollision mit einem Fußgänger ein so hohes Verschulden am Zustandekommen des Unfalles treffen kann, dass ein etwaiges Mitverschulden des Fußgängers (unachtsames Rückwärtsgehen) zurücktritt.

Fußgänger, die auf einem gemeinsamen Geh-/Radweg unterwegs sind,

  • müssen sich danach nicht fortwährend nach Verkehrsteilnehmern umschauen, die einen gemeinsamen Fuß- und Radweg befahren dürfen, sondern

dürfen darauf vertrauen, dass die den Weg befahrenden Verkehrsteilnehmer auf sie Acht geben, also

  • ihre Fahrweise und -geschwindigkeit anpassen,
  • durch Warnsignale rechtzeitig auf sich aufmerksam machen und
  • sicherstellen, dass diese Warnsignale auch rechtzeitig wahrgenommen und verstanden werden, wozu ggf.
    • Blickkontakt herzustellen oder
    • auf andere Weise eine Verständigung zu suchen ist oder
    • das Fahrzeug angehalten werden muss, falls ein Fußgänger nicht auf Warnsignale achtet oder reagiert und nur so eine Behinderung oder Gefährdung des Fußgängers vermieden werden kann (Quelle: Pressemitteilung des OLG Koblenz).

Fußgänger sollten wissen, dass sie beim Überschreiten eines Geh- und Radweges dieselben Sorgfaltspflichten treffen

…. wie beim Überschreiten einer Fahrbahn.

Darauf und dass es dazu gehört,

  • sich zu vergewissern, ob der Weg gefahrlos für sich und andere betreten werden kann,

hat der u. a. für Verkehrsunfallsachen zuständige 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Celle mit Urteil vom 20.11.2018 – 14 U 102/18 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall, in dem ein Fußgänger

  • beim Verlassen seines von einer Hecke eingefassten Grundstücks

auf den davor verlaufenden, kombinierten Geh- und Radweg getreten war,

  • – ohne zuvor vorsichtig geschaut zu haben, ob sich darauf Radfahrer seiner durch die Hecke sehr schlecht einsehbaren Grundstückseinfahrt nähern –

und dort mit einem Rennradfahrer zusammengestoßen war,

  • dem ein für den Zusammenstoß (mit)ursächliches sorgfaltswidriges Verhalten nicht nachgewiesen werden konnte,

hat der Senat entschieden, dass für die Unfallfolgen

BGH entscheidet: Wer ist (alles) „Anderer Verkehrsteilnehmer“ im Sinne der § 9 Abs. 5, § 10 Satz 1 StVO gegenüber dem

…. die besonderen Sorgfaltspflichten nach diesen Vorschriften beim Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren sowie beim Einfahren und Ausfahren bestehen.

Mit Urteil vom 15.05.2018 – VI ZR 231/17 – hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden, dass „Anderer Verkehrsteilnehmer“ im Sinne der § 9 Abs. 5, § 10 Satz 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO)

  • gegenüber dem die nach diesen Vorschriften gesteigerten Sorgfaltspflichten beim Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren sowie
  • beim Einfahren und Ausfahren gelten,

jede Person ist,

  • die sich selbst verkehrserheblich verhält,
  • d.h. körperlich und unmittelbar auf den Ablauf eines Verkehrsvorgangs einwirkt

und dass somit darunter

  • nicht nur der fließende Durchgangsverkehr auf der Straße, sondern

jedenfalls auch derjenige fällt, der

  • auf der anderen Straßenseite vom Fahrbahnrand anfährt bzw.
  • dort (selbst) ein Fahrmanöver durchführt, um vom Fahrbahnrand anzufahren.

Begründet hat der Senat dies damit,

  • dass nach dem Wortlaut der §§ 9 Abs. 5 und 10 Satz 1 StVO unterschiedslos die Gefährdung „Anderer Verkehrsteilnehmer“ auszuschließen ist,
  • dass diese besonderen Sorgfaltspflichten auch gegenüber Fußgängern Platz greifen und
  • dass nichts anderes im Verhältnis zu – wenngleich gegebenenfalls langsam – anderen auf die Straße einfahrenden oder am Straßenrand anfahrenden Kraftfahrzeugen gelten könne.

Danach haben in einem Fall, in dem

  • ein Fahrzeugführer mit seinem PKW rückwärts in einem Linksbogen ausparken möchte, um sodann auf der Gegenfahrbahn in Fahrtrichtung weiterzufahren,
  • während ein anderer Fahrzeugführer mit seinem am gegenüberliegenden Fahrbahnrand entgegen der Fahrtrichtung abgestellten PKW ebenfalls rückwärts fahren will, um ausparken zu können,

beide Fahrzeugführer gegenüber dem anderen die aus § 9 Abs. 5, § 10 Satz 1 StVO abzuleitenden besonderen Sorgfaltspflichten zu beachten.

Ein Bauunternehmer, der auf einem Grundstück einen Neubau errichtet, kann schadensersatzpflichtig sein

…. wenn nach seinen Arbeiten am Anwesen des Nachbargrundstücks Risse auftreten.

Darauf hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg mit Urteil vom 15.08.2017 – 12 U 61/16 – hingewiesen und in einem Fall,

  • in dem von einem Bauunternehmer bei der Errichtung eines Mehrfamilienhaus mit Tiefgarage bei den Tiefbauarbeiten zur Sicherung der ausgehobenen Baugrube in einem Abstand von zum Teil nur 60 cm zum Nachbargrundstück mehrere acht Meter lange Eisenträger durch Bohren und mit Hilfe eines großen Rammgeräts in den Boden eingebracht sowie nach Fertigstellung der Tiefbauarbeiten wieder entfernt worden waren und
  • sich nach diesen Arbeiten alte Risse in dem Gebäude auf dem Nachbargrundstück auf teilweise mehrere Zentimeter deutlich verbreitert und die gesamte Hauswand durchdrängt hatten,

entschieden,

  • dass der Bauunternehmer dem Eigentümer des Nachbargrundstücks den diesem durch die Verbreiterung der Risse entstandenen Schaden, der ca. 20.000 Euro betrug, ersetzen muss.

Begründet hat der Senat dies damit, dass

  • der zwischen dem Bauherrn des Mehrfamilienhauses mit Tiefgarage und dem Bauunternehmer geschlossene Werkvertrag Schutzwirkung zugunsten des Eigentümers des Nachbargrundstücks entfalte,
  • diesem gegenüber auch die vertraglichen Sorgfalts- und Obhutspflichten gälten und

der Bauunternehmer durch die Vibrationsarbeiten in unmittelbarer Nähe des Nachbaranwesens gegen die anerkannten Regeln der Technik verstoßen habe, da

Ein aus einer Grundstücksausfahrt Ausfahrenden, der durch eine vom bevorrechtigten Verkehr gebildete Lücke hindurch abbiegen will

…. wie muss er sich verhalten?

Herrscht auf einer Straße Kolonnenverkehr oder staut sich der Verkehr, beispielsweise vor einer Ampel und lässt ein Autofahrer,

  • um einen aus seiner Sicht rechts in einer Grundstücksausfahrt stehenden Fahrzeugführer das Ausfahren und Abbiegen nach links auf die Gegenfahrbahn zu ermöglichen,

eine Lücke in der sich nur langsam fortbewegenden oder wartenden Fahrzeugschlange, hat der Fahrzeugführer, der aus der Grundstücksausfahrt durch die ihm gewährte Lücke auf die Gegenfahrbahn fahren will,

  • die gesteigerten Sorgfaltspflichten gem. § 10 S. 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) wahrzunehmen und
  • sich so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.

Seine Sorgfaltspflichten gehen über die eines in eine bevorrechtigte Straße einbiegenden Kraftfahrers hinaus.

  • Insoweit ist anerkannt, dass ein Kraftfahrer, der an einer Einmündung durch eine ihm gewährte Lücke hindurch in einer wartenden Schlange die Gegenfahrbahn befahren will, um abzubiegen, allen Fahrzeugen auf allen dort befindlichen Fahrspuren die Vorfahrt gewähren muss.

Wer so nach links abbiegen will, darf,

  • wenn er den nicht von der Kolonne in Anspruch genommenen Fahrbahnteil nicht zuverlässig einsehen kann,

sich in diesen somit nur langsam hineintasten,

  • also nur sehr langsam („zentimeterweise“, „unter Schrittgeschwindigkeit“),
  • stets bremsbereit einfahren und
  • muss bei gegebenem Anlass sofort bremsen.

Damit soll erreicht werden, dass

  • einerseits der bevorrechtigte Verkehr genügend Zeit hat, sich auf dieses Eintasten einzurichten und
  • andererseits, dass der Wartepflichtige nahezu ohne Anhalteweg anhalten kann, wenn er einen bevorrechtigten Verkehrsteilnehmer wahrnimmt.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) München mit Urteil vom 31.03.2017 – 10 U 4716/16 – hingewiesen.