Tag unwirksam

Wirksamkeitsvoraussetzung einer Verdachtskündigung ist u.a. (auch), dass der Arbeitnehmer angemessen Zeit hatte, zu den

…. ihm gegenüber erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen.

Das hat das Landesarbeitsgericht (LArbG) Schleswig-Holstein in Kiel mit Urteil vom 21.03.2018 – 3 Sa 398/17 – entschieden.

  • Danach kann eine vom Arbeitgeber ausgesprochene Verdachtskündigung allein schon deshalb unwirksam sein, weil dem Arbeitnehmer keine angemessene Zeit gegeben wurde, zu den ihm gegenüber erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen.

Begründet hat das LArbG dies damit, dass Arbeitgeber, die einem Arbeitnehmer gegenüber eine Kündigung aussprechen wollen,

  • die nicht auf Tatsachen,
  • sondern auf einem Verdacht beruht,

dies bei u.a. hinreichend schwerem Verdacht rechtlich wirksam tun können, den betroffenen Arbeitnehmer aber

  • vorher zu den Vorwürfen anhören und
  • ihm dabei eine angemessene Zeit für die Antwort einräumen müssen.

Ist die vom Arbeitgeber gesetzte Frist zu kurz und

  • kündigt der Arbeitgeber nach Ablauf einer zu kurzen Stellungnahmefrist,
  • ohne dass die Stellungnahme des Betroffenen vorliegt,

ist die Verdachtskündigung rechtsunwirksam (Quelle: Pressemitteilung des LArbG Kiel vom 13.04.2018).

BGH erklärt Bankenklausel, die die Aufrechnungsmöglichkeit von Kunden einschränkt, bei Bankgeschäften mit einem Verbraucher für unwirksam

Mit Urteil vom 20.03.2018 – XI ZR 309/16 – hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden, dass eine in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Sparkasse enthaltene Klausel,

  • nach der „ein Kunde Forderungen gegen die Sparkasse nur insoweit aufrechnen darf, als seine Forderungen unbestritten oder rechtskräftig festgestellt sind“,

bei Bankgeschäften mit Verbrauchern unwirksam ist.

Begründet hat der Senat dies damit, dass eine solche Klausel auch solche Forderungen erfasst,

  • die dem Verbraucher im Rahmen des Rückabwicklungsverhältnisses nach Ausübung eines ihm zustehenden Widerrufsrechts erwachsen und
  • die er den Ansprüchen der Bank aus diesem Verhältnis entgegensetzen kann

und dass,

  • durch die darin liegende Erschwerung ihres Widerrufsrechts,

Kunden unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB benachteiligt werden (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 20.03.2018).

Ärzte, die bei einer Operation eine noch nicht allgemein eingeführte Methode (Neulandmethode) anwenden möchten

…. müssen den Patienten in hinreichender Weise auch auf noch nicht abschließend bekannte Risiken der neuen Methode hinweisen.

Mit Urteil vom 23.01.2018 – 26 U 76/17 – hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm darauf hingewiesen, dass, wenn

  • bei einer Operation eine neue, noch nicht allgemein eingeführte Methode (Neulandmethode) angewendet wird und

der Patient vor der Operation nicht besonders darauf hingewiesen worden ist, dass

  • es sich um ein neues, noch nicht abschließend beurteilbares Verfahren handelt,
  • bei dem auch unbekannte Risiken sowie Komplikationen auftreten können,

die Einwilligung des Patienten in den operativen Eingriff unwirksam ist und

  • eine solche, mit einer unwirksamen Einwilligung vorgenommene Operation Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche des Patienten begründen kann.

Begründet hat der Senat dies damit, dass

  • die Wahl der Behandlungsmethode zwar primär Sache des Arztes sei, aber

die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten eine Unterrichtung über eine alternative Behandlungsmöglichkeit erfordere, wenn

  • für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die zu jeweils unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten

und Ärzte, die eine Neulandmethode wählen, Patienten explizit über diesen Umstand sowie darüber, dass auch bisher unbekannte Komplikationen auftreten können aufzuklären haben, weil

  • Patienten sonst nicht in der Lage sind, für sich sorgfältig abzuwägen, ob sie sich nach der herkömmlichen Methode mit bekannten Risiken operieren lassen wollen oder nach der neuen Methode unter Berücksichtigung der in Aussicht gestellten Vorteile und der noch nicht in jeder Hinsicht bekannten Gefahren (Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm vom 20.02.2018).

Banken dürfen nachträglich nicht einseitig Negativzinsen für Geldanlagen ihrer Privatkunden einführen

Das hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Tübingen mit Urteil vom 16.01.2018 – 4 O 187/17 – entschieden.

Danach können Banken

  • bei Altverträgen

nicht durch in einem veröffentlichten Preisaushang enthaltene Allgemeine Geschäftsbedingungen bestimmen, dass

  • künftig für bestimmte Geldanlageformen,
  • abhängig von der Anlagehöhe und der Laufzeit,

ein Negativzins von ihren Kunden zu entrichten ist.

Solche Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Banken verstoßen bei Altverträgen, so die Kammer,

  • weil durch sie nachträglich bei bereits mit Kunden abgeschlossenen Einlagegeschäften einseitig durch die Bank Entgeltpflichten für die Kunden eingeführt werden,
  • die es weder im Darlehensrecht noch beim unregelmäßigen Verwahrungsvertrag gibt,

gegen wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelung und sind deshalb

  • nach § 307 Absatz 3 Satz 1, Absatz 2 Nr. 1, Absatz 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

unwirksam (Quelle: Pressemitteilung des LG Tübingen vom 26.01.2018).

Versicherungsnehmer sollten wissen, dass von Versicherungen verwendete Versicherungsbedingungen auch unwirksam sein können

…. und deshalb im Zweifel immer einen Rechtsanwalt, am besten einen Fachanwalt für Versicherungsrecht zu Rate ziehen.

Auch für die von Versicherungen verwendeten Allgemeinen Versicherungsbedingungen gilt nämlich, dass Klauseln nach § 307 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam sind,

  • die den Versicherungsnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen und
  • sich eine solche unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben kann, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist, d.h. gegen das Transparenzgebot verstößt.

Ein solcher Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt

  • nicht nur vor, wenn Klauseln nicht nur in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Vertragspartner unverständlich sind,
  • sondern auch, wenn sie die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen nicht so weit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann,

weil die Rechte und Pflichten des Vertragspartners von dem Verwender Allgemeiner Versicherungsbedingungen möglichst klar und durchschaubar darzustellen sind.

Das Transparenzgebot verlangt ferner, dass Allgemeine Versicherungsbedingungen dem Versicherungsnehmer bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor Augen führen,

  • in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und
  • welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden,

weil ein potentieller Versicherungsnehmer nur dann die Entscheidung treffen kann,

  • ob er den angebotenen Versicherungsschutz nimmt oder nicht.

Ohne dass eine Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht, braucht der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht mit Lücken im Versicherungsschutz zu rechnen.

  • Bei der Beurteilung, ob Allgemeine Versicherungsbedingungen dem Transparenzgebot entsprechen oder nicht, sind diese so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht.

Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an, wobei

  • in erster Linie vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen ist und
  • der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln zusätzlich zu berücksichtigen sind, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind.

Darauf hat der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 13.09.2017 – IV ZR 302/16 – hingewiesen und im Fall eines Versicherungsnehmers,

  • der eine, um eine Forderungsausfalldeckung ergänzte private Haftpflichtversicherung abgeschlossen und
  • mit der Versicherung die Geltung der „Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung“ sowie die „Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen zur Privathaftpflicht KLASSIK“ vereinbart hatte,

entschieden, dass

  • in der Forderungsausfallversicherung die Klausel „Inhalt und Umfang der versicherten Schadensersatzansprüche richten sich nach dem Deckungsumfang der Privathaftpflichtversicherung dieses Vertrages“ gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstößt,
  • soweit durch eine berufliche Tätigkeit des Schädigers verursachte Schäden nicht versichert sein sollen.

BGH erklärt AGBs von Kreditinstituten, die bei Unternehmerdarlehen Bearbeitungsentgelte vorsehen, für unwirksam

Mit Urteil vom 04. 07.2017 hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in den Verfahren XI ZR 562/15 und XI ZR 233/16 entschieden, dass (auch) bei Darlehensverträgen zwischen Banken und Unternehmern im Sinne des § 14 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) von darlehensgebenden Kreditinstituten vorformulierte Bestimmungen,

  • nach denen der Darlehensnehmer ein laufzeitunabhängiges „Bearbeitungsentgelt“ bzw. eine „Bearbeitungsgebühr“ zu entrichten hat,

unwirksam sind.

Danach handelt es sich bei solchen Klauseln

  • um der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterliegende sogenannte Preisnebenabreden,

die den Vertragspartner gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unangemessen benachteiligen, weil

  • sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren sind und
  • sich ihre Angemessenheit auch nicht mit Besonderheiten des kaufmännischen Geschäftsverkehrs rechtfertigen lässt.

Hingewiesen hat der Senat ferner,

  • dass hinsichtlich der Frage, wann entsprechende Rückforderungsansprüche von Unternehmern verjähren,

die Grundsätze gelten, die der XI. Zivilsenat des BGH mit Urteil von 28.10.2014 – XI ZR 348/13 – zu Verbraucherdarlehen aufgestellt hat (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 04.07.2017 – Nr. 104/2017 –).

Wann kann ein Erbverzicht sittenwidrig und damit unwirksam sein?

Gemäß § 2346 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) können

  • Verwandte sowie der Ehegatte des Erblassers durch Vertrag mit dem Erblasser,
  • der gemäß § 2348 BGB der notariellen Beurkundung bedarf,

auf ihr gesetzliches Erbrecht verzichten.

Der Verzichtende ist in diesem Fall von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen, wie wenn er zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebte.
Er hat dann auch kein Pflichtteilsrecht mehr, sofern es nicht vom Erbverzicht ausgenommen wird.

Ein solcher Erbverzicht ist als Verfügungsgeschäft grundsätzlich wertneutral, kann aber dann nichtig sein, wenn

  • er gegen eine Abfindung erklärt wird,
  • Abfindungsvereinbarung und Erbverzicht nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Geschäftswillen der Parteien als ein einheitliches Rechtsgeschäft im Sinne des § 139 BGB verknüpft sein sollen und
  • sich aus der gebotenen Gesamtwürdigung mit der dem Verzicht zugrunde liegenden schuldrechtlichen Vereinbarung eine Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB ergibt,
    • was insbesondere der Fall ist, wenn die getroffenen Vereinbarungen ein erhebliches Ungleichgewicht zu Lasten des Verzichtenden ausweisen.

Darauf hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 08.11.2016 – 10 U 36/15 – hingewiesen und einen zwischen Vater und seinem gerade 18 Jahre alt gewordenen Sohn am 29.10.2013 vereinbarten umfassenden notariell beurkundeten Erb-, Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruchsverzicht für sittenwidrig und damit nichtig erklärt,

  • bei dem der Sohn als Gegenleistung für den Verzicht einem Sportwagen erhalten sollte,
  • jedoch unter der aufschiebenden Bedingung, dass er
    • sein 25. Lebensjahr vollendet sowie
    • seine Gesellenprüfung zum Zahntechniker bis zum 31.12.2017 und
    • seine Meisterprüfung zum Zahntechniker bis zum 31.12.2021 jeweils mit der Note 1 bestanden hat.