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Claudia Pechstein kann vor deutschen Gerichten nicht auf Schadensersatz klagen

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Urteil vom 07.06.2016 – KZR 6/15 – entschieden,

  • dass die Klage von Claudia Pechstein gegen die beklagte International Skating Union (ISU), dem internationalen Fachverband für Eisschnelllauf, auf Schadensersatz,
  • wegen nach ihrer Auffassung ungerechtfertigter zweijähriger Dopingsperre, die von der Disziplinarkommission der Beklagten gegen sie verhängt sowie auf die von Claudia Pechstein dagegen eingelegte Berufung von der Court of Arbitration for Sport (CAS) in Lausanne bestätigt worden war,

unzulässig ist,

  • weil ihrer Schadensersatzklage die Einrede der Schiedsvereinbarung entgegensteht.

Die Vereinbarung eines schiedsgerichtlichen Verfahrens vor dem CAS in Lausanne unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs war u.a. neben der Verpflichtung zur Einhaltung der Anti-Doping-Regeln der Beklagten

  • in einer von der Beklagten vorformulierten Wettkampfmeldung enthalten,
  • die Claudia Pechstein unterzeichnet hatte, weil sie ohne Unterzeichnung nicht zu den Eisschnelllauf-Weltmeisterschaften zugelassen worden wäre.

Der BGH hat diese Schiedsgerichtsvereinbarung für wirksam erachtet und dies damit begründet, dass

  • zwar die Beklagte bei der Veranstaltung von internationalen Eisschnelllaufwettbewerben marktbeherrschend sei,
  • sich aber erst aus einer umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen, nämlich dem Justizgewährungsanspruch von Claudia Pechstein sowie ihrem Recht auf freie Berufsausübung einerseits und der Verbandsautonomie der Beklagten andererseits, ergebe, ob das Verlangen nach Abschluss einer Schiedsabrede, die die ausschließliche Zuständigkeit des CAS vorsehe, einen Missbrauch dieser marktbeherrschenden Stellung darstellt und
  • bei dieser Abwägung ein missbräuchliches Verhalten der Beklagten nicht feststellbar gewesen sei.

Mitentscheidend war nicht zuletzt, dass der CAS nach Meinung des BGH ein „echtes“, unabhängiges und neutrales Schiedsgericht im Sinne der §§ 1025 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) ist (Quelle: Pressemitteilung des BGH 97/16 vom 07.06.2016).

An wen muss sich ein Wohnungseigentümer bei Beschädigung seines Sondereigentums halten?

Will ein Wohnungseigentümer einen Schaden an seinem Sondereigentum ersetzt haben,

  • der von einem Dritten, beispielsweise einem Handwerker, bei Ausführung der ihm von der Wohnungseigentümergemeinschaft in Auftrag gegebenen Arbeiten am Gemeinschaftseigentum verursacht worden ist,

ist der geschädigte Wohnungseigentümer verpflichtet,

  • vorrangig den von der Wohnungseigentümergemeinschaft beauftragten Handwerker auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen,
  • wenn nicht besondere Umstände vorliegen, die ausnahmsweise eine Inanspruchnahme der Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband rechtfertigen.

Das hat das Landgericht (LG) Stuttgart mit Urteil vom 11.05.2016 – 10 S 2/16 – entschieden.

Begründet hat das LG diese Entscheidung damit,

  • dass die zwischen den Mitgliedern einer Wohnungseigentümergemeinschaft bestehende Treue- und Rücksichtnahmepflicht auch eine Rücksichtnahmepflicht des einzelnen Wohnungseigentümers gegenüber der Gemeinschaft begründet,
  • aufgrund derer es einem Wohnungseigentümer verwehrt ist, die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband in Anspruch zu nehmen, wenn für den geltend gemachten Schaden ein Dritter – hier der Handwerker – in Anspruch genommen werden kann.

So,

  • wie bei bestehendem Versicherungsschutz durch eine Gebäudeversicherung aufgrund der zwischen Wohnungseigentümern bestehenden Treue- und Rücksichtnahmepflichten ein geschädigter Miteigentümer verpflichtet ist, nicht den schädigenden Miteigentümer auf Schadensausgleich in Anspruch zu nehmen, wenn der geltend gemachte Schaden Bestandteil des versicherten Interesses ist, der Gebäudeversicherer nicht Regress nehmen könnte und nicht besondere Umstände vorliegen, die ausnahmsweise eine Inanspruchnahme des Schädigers durch den Geschädigten rechtfertigen (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 10.11.2006 – V ZR 62/06 –),

könne ein geschädigter Wohnungseigentümer auch in einem Fall wie dem obigen, aufgrund der bestehenden Rücksichtnahmepflicht des einzelnen Wohnungseigentümers gegenüber der Gemeinschaft grundsätzlich nicht statt des Handwerkers die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband in Anspruch nehmen.

Gegen den Handwerker steht dem geschädigten Wohnungseigentümer, so das LG weiter, abgesehen von dem deliktischem Anspruch auch ein vertraglicher Schadensersatzanspruch zu, weil das Vertragsverhältnis zwischen der Wohnungseigentümergemeinschaft und dem Handwerker als Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter anzusehen ist und Schutzwirkung für die Wohnungseigentümer entfaltet.

Wen der Auftrag durch die Wohnungseigentümergemeinschaft erteilt wurde muss dem geschädigten Wohnungseigentümer bekannt sein, da der Auftragserteilung eine Beschlussfassung der Wohnungseigentümergemeinschaft vorausgeht.
Soweit ihm Namen und Anschrift des Handwerkers nicht von vornherein bekannt sein sollten, kann er dies durch einfache Nachfrage bei der Hausverwaltung klären.

Wann droht eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung?

Steht fest, dass

  • einem Fahrzeugführer die zulässige Höchstgeschwindigkeit bekannt war und
  • er diese um mehr als 40 % überschritten hat,

kann der Bußgeldrichter – ohne weitere Feststellungen zum Wissen und Wollen des Fahrzeugführers –

  • von einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung ausgehen,
  • also davon, dass der Fahrzeugführer nicht nur aus Unachtsamkeit fahrlässig, sondern wissentlich und willentlich zu schnell gefahren ist und diesen demzufolge wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilen.

Das hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschluss vom 10.05.2016 – 4 RBs 91/16 – entschieden und in einem Fall,

  • in dem ein Betroffener, der mit seinem Pkw, wie die Polizei mittels Lasermessung festgestellt hatte, innerorts statt 50 km/h, 78 km/h schnell gefahren und vom Amtsgericht deshalb wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit verurteilt worden war,
  • die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen dieses Urteil verworfen.

Begründet hat der Senat die Entscheidung, dass eine vorsätzliche Überschreitung der innerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit vorgelegen hat, damit, dass

  • vorsätzlich eine Geschwindigkeitsüberschreitung begeht, wer die Geschwindigkeitsbeschränkung kennt und bewusst dagegen verstößt,
  • jeder Autofahrer weiß, dass innerhalb einer geschlossenen Ortschaft man mit dem Pkw regelmäßig nur 50 km/h fahren darf,
  • für ein vorsätzliches Handeln der Grad der Überschreitung ein starkes Indiz sein kann, wobei es auf das Verhältnis zwischen der gefahrenen und der vorgeschriebenen Geschwindigkeit ankommt und
  • der Erfahrungssatz besteht, dass einem Fahrzeugführer die erhebliche Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit aufgrund der Fahrgeräusche und der vorüberziehenden Umgebung jedenfalls dann nicht verborgen bleibt, wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 40 % überschritten wird (Quelle Pressemitteilung des OLG Hamm vom 06.06.2016).

Da bei einer Verurteilung wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung

  • nicht nur ein höheres Bußgeld verhängt werden kann als im Bußgeldkatalog vorgesehen ist, dessen Bußgeldsätze von fahrlässiger Begehungsweise ausgehen,
  • sondern es auch Probleme mit der Verkehrs-Rechtschutzversicherung hinsichtlich der Kostenübernahme geben kann,

ist in solchen Fällen, nach Erhalt des Bußgeldbescheides, die Zuziehung eines Rechtsanwalts, insbesondere eines Fachanwalts für Verkehrsrecht, dringend zu empfehlen.

Wo kann ein Autokäufer nach Vertragsrücktritt und bzw. oder Vertragsanfechtung klagen?

Von den Gerichten werden dazu unterschiedliche Meinungen vertreten.

Die 31. Zivilkammer des Landgerichts (LG) München I hat mit Beschluss vom 27.05.2016 – 31 O 4974/16 – entschieden, dass

  • Gerichtsstand für die Klage des Käufers auf Rückzahlung des Kaufpreises – Zug um Zug gegen Rückgewähr des Kaufgegenstandes – der Wohn- bzw. Geschäftssitz des Verkäufers ist (§§ 269, 270 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB); §§ 12, 13, 17, 29 Zivilprozessordnung (ZPO)).

Anderer Auffassung ist das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG), das mit Urteil vom 04.09.2012 – 3 U 99/11 – entschieden hat, dass,

  • wenn der Käufer eines gebrauchten Pkws wegen eines Mangels am gekauften Fahrzeug nach § 349 BGB den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt und gegen den Verkäufer Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs erhebt, er Käufer diese Klage nicht gemäß §§ 12, 13 ZPO bei dem für den Wohnsitz des Verkäufers örtlich zuständigen Gericht erheben muss,
  • sondern auch in der Regel örtlich zuständig gemäß § 29 ZPO das Gericht ist, in dessen Bezirk der Käufer seinen Wohn- bzw. Betriebssitz hat,
  • der Käufer demzufolge gemäß § 35 ZPO wählen kann, wo er die Klage erhebt.

Eine örtliche Zuständigkeit des Gerichts am Wohn- oder Geschäftssitz des Käufers nach § 29 ZPO soll allerdings dann nicht gegeben sein, wenn die Rückabwicklung des Kaufvertrags nicht nach Rücktrittsrecht (§§ 346 ff. BGB), sondern die Rückabwicklung des Vertrages nach §§ 812 ff. BGB (ungerechtfertigte Bereicherung) – etwa wegen Sittenwidrigkeit des Vertrages oder nach Anfechtung – erfolgt oder wenn der Kaufpreis in Form einer Minderung teilweise zurückverlangt wird.

Das LG Amberg wiederum hat mit Urteil vom 27.06.2012 – 22 S 193/12 – entschieden, dass

  • generell für Rechtsstreitigkeiten wegen der Rückabwicklung eines beiderseitig erfüllten Kaufvertrages über einen PKW das Gericht örtlich zuständig ist, in dessen Zuständigkeitsbereich sich das Fahrzeug bzw. die Kaufsache vertragsgemäß zum Zeitpunkt des Rücktritts befindet, was regelmäßig der Wohnsitz des Käufers sein wird und
  • dass dies auch gilt, wenn die Rückabwicklungsansprüche auf Anfechtung gestützt werden, da auch bei der Rückabwicklung nach Anfechtung die jeweils empfangenen Leistungen wieder zurückzugewähren sind.

AG München erklärt Haftungsbeschränkung wegen Unverständlichkeit für unwirksam

Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) müssen Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), insbesondere auch haftungsbeschränkende Klauseln, klar und verständlich sein.

Darauf hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 15.04.2016 – 274 C 24303/15 – hingewiesen und die haftungsbeschränkende Klausel,

  • „Für Leistungsstörungen bei Pannen- und Unfallhilfe haften wir, wenn wir oder unsere Vertragspartner vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt haben, soweit es nicht die wesentlichen Hauptpflichten des Vertrages oder Körperschäden betrifft“,

die von einem Verein zur Wahrnehmung und Förderung der Interessen des Kraftfahrzeugwesens und des Motorsports, der sich seinen Mitgliedern gegenüber zur Pannen- und Unfallhilfe verpflichtet hatte, in seine allgemeinen Vertragsbedingungen aufgenommen worden war,

  • für unwirksam erklärt.

In dem dieser Entscheidung zugrunde liegendem Fall hatte

  • ein für den Verein tätiger Pannenhelfer im Rahmen einer Pannenhilfe den Pkw eines Vereinsmitglieds fahrlässig beschädigt,
  • das Vereinsmitglied deswegen von dem Verein Schadensersatz verlangt und
  • der Verein, unter Hinweis, dass kein grob fahrlässiges Verhalten des Pannenhelfers vorgelegen habe, sich auf die obige in seinen allgemeinen Vertragsbedingungen enthaltene Haftungsbeschränkung berufen.

Begründet hat das AG die Unwirksamkeit der haftungsbeschränkenden Klausel, mit der der Verein seine Haftung auf grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten zu beschränken versucht hatte, damit, dass die Klausel gegen das Verständlichkeitsgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoße.
Denn der Begriff „wesentliche Hauptpflichten“ sei zu vage und werde auch weder durch eine abstrakte Erklärung noch durch Regelbeispiele näher erläutert, so dass, was die Haftungsbeschränkung umfasse, für einen typischen Verbraucher nicht hinreichend verständlich sei (Quelle: Pressemitteilung des AG München 43/16 vom 03.06.2016).

Muss ein Juwelier ihm zur Reparatur übergebenen Kundenschmuck versichern?

Werden einem Juwelier von einem Kunden Schmuckstücke zur Reparatur oder zur Abgabe eines Ankaufangebots übergeben, ist dieser generell nicht verpflichtet, die entgegengenommenen Schmuckstücke gegen das Risiko des Verlustes durch Diebstahl oder Raub zu versichern.

Allerdings muss der Juwelier den Kunden bei der Entgegennahme des Schmucks über einen nicht bestehenden Versicherungsschutz dann aufklären, wenn

  • der Schmuck einen außergewöhnlich hohen Wert hat oder
  • der Kunde infolge Branchenüblichkeit eines Versicherungsschutzes eine Aufklärung erwarten darf.

Darauf hat der für das Werkvertragsrecht zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 02.06.2016 – VII ZR 107/15 – in einem Fall hingewiesen,

  • in dem das Geschäft eines Juweliers überfallen, dabei u.a. auch Schmuck eines Kunden im Wert von maximal 2.930 Euro, den der Juwelier reparieren sollte, entwendet und
  • der Juwelier von dem Kunden deshalb auf Wertersatz der geraubten Schmuckstücke in Anspruch genommen worden war, weil der Juwelier den Kundenschmuck weder versichert, noch den Kunden auf den mangelnden Versicherungsschutz hingewiesen hatte.

Nach Auffassung des Senats war der Wert des Schmuckes hier nicht so hoch, dass der Juwelier wegen des außerordentlichen Wertes zur Aufklärung über den fehlenden Versicherungsschutz verpflichtet gewesen wäre.

Da jedoch die Frage der Branchenüblichkeit einer Diebstahls- oder Raubversicherung bei Juwelieren zwischen den Parteien streitig und darüber noch kein Beweis erhoben war, hat der Senat die Sache zur Nachholung dieser Beweiserhebung an das Berufungsgericht zurückverwiesen (Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 94/2016 vom 02.06.2016).

Nicht immer muss bei einem Halte- oder Parkverstoß der Fahrzeughalter die Verfahrenskosten tragen

Das Amtsgericht (AG) Tiergarten hat mit Beschluss vom 27.04.2016 – 290 OWi 389/16 – entschieden, dass die Überbürdung der Kosten und Auslagen nach § 25a Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) in einem Bußgeldverfahren wegen eines Halt- oder Parkverstoßes auf den Fahrzeughalter,

  • falls der Führer des Kraftfahrzeugs, der den Verstoß begangen hat, nicht vor Eintritt der Verfolgungsverjährung ermittelt werden kann oder
  • seine Ermittlung einen unangemessenen Aufwand erfordern würde,

dessen rechtzeitige Befragung voraussetzt, die grundsätzlich innerhalb von zwei Wochen zu erfolgen hat.

Nach Auffassung des AG kann nach Ablauf von zwei Wochen nach Begehung der ihm zur Last gelegten Zuwiderhandlung gegen die StVO von einem Fahrzeughalter nämlich nicht mehr verlangt werden, der Verwaltungsbehörde den Fahrer seines Kraftfahrzeugs zum Tatzeitpunkt mitzuteilen (so bereits AG Tiergarten mit Beschluss vom 04.08.2015 – 290 Owi 675/15 –).

Auf eine etwaige schriftliche Verwarnung am Fahrzeug könne nicht abgestellt werden. Voraussetzung für die Kostenfolge des § 25 a StVG sei vielmehr die rechtzeitige Zusendung des Anhörungsbogens, d.h. dessen Zugang innerhalb von zwei Wochen.

Wann verjähren Mängelansprüche bei auf Gebäudedach errichteten Photovoltaikanlage?

Wird auf dem Dach einer Tennishalle nachträglich eine Photovoltaikanlage errichtet, die mit der Halle so fest verbunden ist, dass eine Trennung von der Halle nur mit einem erheblichen Aufwand möglich ist,

  • dient die Photovoltaikanlage der Funktion der Halle und
  • findet deshalb für Nacherfüllungsansprüche gemäß § 634 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die für Arbeiten „bei Bauwerken“ geltende lange Verjährungsfrist von fünf Jahren nach § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB Anwendung.

Das hat der u.a. für das Baurecht zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 02.06.2016 – VII ZR 348/13 – entschieden.

Wie der Senat ausgeführt hat, gilt die lange Verjährungsfrist „bei Bauwerken“ nach § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB, wenn

  • das Werk in der Errichtung oder grundlegenden Erneuerung eines Gebäudes besteht,
  • das Werk in das Gebäude fest eingefügt wird und
  • dem Zweck des Gebäudes dient.

In dem vom Senat entschiedenen Fall lagen diese Voraussetzungen vor, weil

  • die 335 gerahmten Module der Photovoltaikanlage sturmsicher und ohne Beeinträchtigung der Statik des Dachs der Tennishalle durch eine Unterkonstruktion sowie eine entsprechende Verkabelung, auch mit Kabelkanälen in das Innere der Halle, so mit der Tennishalle verbunden worden waren, dass eine Trennung von dem Gebäude nur mit einem erheblichen Aufwand hätte erfolgen können,
  • darin zugleich eine grundlegende Erneuerung der Tennishalle lag, die einer Neuerrichtung gleich zu achten war und
  • die Photovoltaikanlage schließlich dem weiteren Zweck der Tennishalle diente, Trägerobjekt einer solchen Anlage zu sein (Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 95/2016 vom 02.06.2016).

Auch bei Nichtantritt eines Fluges kann Anspruch auf Ausgleichsleistung wegen Flugverspätung bestehen

Anspruch auf die Ausgleichsleistung nach Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.02.2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen (im Folgenden: FluggastrechteVO) hat auch derjenige, der

  • einen Flug gebucht,
  • sich rechtzeitig zur Abfertigung über die bestätigte Flugbuchung am Flughafen eingefunden (Art. 3 Abs. 2 FluggastrechteVO),
  • aber wegen einer schon vor dem Abflug feststehenden, mehr als dreistündigen Verspätung den Flug nicht angetreten hat.

Das hat das Amtsgericht (AG) Hamburg mit Urteil vom 26.04.2016 – 12 C 238/15 – entschieden.

Nach Auffassung des AG ist Voraussetzung des Anspruchs gemäß Art. 5 Abs. 1, 7 Abs. 1 FluggastrechteVO nicht, dass der Fluggast den (verspäteten) Flug antritt.
Der Anspruch dient, so das AG, dem Ausgleich verspätungsbedingter Unannehmlichkeiten. Die FluggastrechteVO definiert nicht die Art der ausgleichspflichtigen Unannehmlichkeiten, insbesondere differenziert sie nicht danach, ob die Unannehmlichkeiten Folge eines angetretenen (verspäteten) Fluges sind oder sich aufgrund einer schon vor dem Abflug eingetretenen Verspätung ergeben, die eine mehr als dreistündige Verspätung am Zielort bedingt. Sinn und Zweck des Ausgleichsanspruchs spricht für die Einbeziehung auch des letzteren Falls in den Anwendungsbereich des Art. 7 Abs. 1 FluggastrechteVO.
Der irreversible Zeitverlust, der das Wesen der Unannehmlichkeiten ausmacht, ist bei einer sich schon vor Abflug ergebenden Verspätung (am Ankunftsort) von mehr als drei Stunden bei den am Flughafen wartenden Fluggästen bereits am Abflugort eingetreten. Angesichts des mit der FluggastrechteVO bezweckten hohen Schutzniveaus wäre eine Auslegung, die Fluggäste zwingt, einen derart verspäteten Flug anzutreten, um einen Ausgleich für die erlittenen Unannehmlichkeiten zu erhalten, mit dem Regelwerk der FluggastrechteVO nicht vereinbar, zumal eine erhebliche (mindestens dreistündige), schon vor dem Abflug feststehende Verspätung eine Reise widersinnig machen (Wochenendreise) oder den mit ihr verfolgten Zweck gänzlich vereiteln kann (Geschäftstermin).

Nicht entschieden hat das AG, ob etwas anderes zu gelten hat, wenn der Fluggast sich nicht auf den Weg zum Flughafen macht, etwa weil er rechtzeitig von der erheblichen Verspätung erfahren hat.

Hinweis:
Nach der Rechtsprechung besteht der Anspruch auf den in Art. 7 der FluggastrechteVO vorgesehenen Ausgleichsanspruch – sofern nicht der Ausschlusstatbestand nach Art. 5 Abs. 3 der FluggastrechteVO vorliegt – nicht nur wie in Art. 5 der FluggastrechteVO bestimmt, bei annullierten Flügen, sondern auch bei verspäteten Flügen, wenn sie infolge der Verspätung ihr Endziel erst drei Stunden nach der vorgesehenen Ankunftszeit oder noch später erreichen (Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 07.05.2013 – X ZR 127/11 – und vom 12.06.2014 – X ZR 121/13 –).

Wann kann wegen unzulässiger Telefonwerbung (auch) Schadensersatz verlangt werden?

Wird mit einem Telefonanruf

  • gegenüber einem Verbraucher ohne dessen vorherige Einwilligung oder
  • gegenüber einem sonstigen Marktteilnehmer ohne dessen zumindest mutmaßliche Einwilligung

geworben, liegt gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) eine unzumutbare Belästigung vor.

Möchte man wegen erfolgter Verletzung dieser Bestimmung in Verbindung mit § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB (vgl. zur unverlangten Zusendung von E-Mails Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 20.05.2009 – I ZR 218/07 – und Urteil vom 12.09.2013 – I ZR 208/12 –) – neben künftiger Unterlassung auch – Schadensersatz verlangen,

  • muss einem allerdings ein in den Schutzbereich des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG fallender Schaden entstanden sein,

weil ersatzfähig nur der Schaden ist, der vom Schutzbereich der verletzten Norm erfasst ist (BGH, Urteile vom 22.09.1999 – I ZR 48/97 – und vom 04.07.2014 – V ZR 229/13 –).

  • Eine Haftung besteht damit nur für diejenigen äquivalent und adäquat verursachten Schadensfolgen, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte Vertragspflicht übernommen wurde (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 26.02.2013 – VI ZR 116/12 –).

Bewahren soll die Bestimmung des § 7 UWG Verbraucher und Marktteilnehmer vor einer unzumutbaren Belästigung (§ 7 Abs. 1 Satz 1 UWG).
Gegenstand des Schutzes ist die Verhinderung des Eindringens des Werbenden in die Privatsphäre des Verbrauchers und die geschäftliche Sphäre, insbesondere die Ungestörtheit der Betriebsabläufe des sonstigen Marktteilnehmers.

Es soll verhindert werden,

  • dass dem Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer Werbemaßnahmen gegen seinen erkennbaren oder mutmaßlichen Willen aufgedrängt werden (vgl. BGH, Urteile vom 01.04.2004 – I ZR 227/01 –; vom 09.09.2004 – I ZR 93/02 –; vom 01.06.2006 – I ZR 167/03 –; vom 11.03.2010 – I ZR 27/08 – und vom 03.03.2011 – I ZR 167/09 –) und darüber hinaus,
  • dass die belästigende Werbung zu einer Bindung von Ressourcen des Empfängers (z.B. Zeitaufwand, Kosten für Faxpapier, Vorhaltekosten von Empfangseinrichtungen, Entsorgungskosten) führt.

Dagegen bezweckt § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG nicht den Schutz der Entscheidungsfreiheit der Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer.
Das Erfordernis einer über die Belästigung hinausgehenden Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit, etwa unter dem Gesichtspunkt der Überrumpelung, lässt sich dem Wortlaut der Bestimmung des § 7 UWG nicht entnehmen und die Einbeziehung der Entscheidungsfreiheit des Umworbenen in den Schutzbereich von § 7 UWG würde zudem die auch durch das Unionsrecht nahegelegten systematischen Grenzen zu § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG verwischen.

Darauf hat der I. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 21.04.2016 – I ZR 276/14 – hingewiesen.