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Für mit dem eigenen Internetauftritt verlinkte Inhalte von Internetseiten Dritter

Die Haftung desjenigen, der auf seiner Internetseite einen Hyperlink auf eine Website mit rechtswidrigen Inhalten setzt, richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 18.10.2007 – I ZR 102/05 –)
Stellt das Setzen des Links, weil dadurch die fremde Internetseite für den eigenen werblichen Auftritt genutzt wird, eine geschäftliche Handlung dar, begründet dies allein eine Haftung für die Inhalte der über den Link erreichbaren Internetseite noch nicht.

  • Macht sich derjenige, der den Hyperlink setzt, die Inhalte, auf die er verweist, allerdings zu eigen, haftet er dafür wie für eigene Informationen.

 

Maßgeblich für die Frage, ob man sich mit seinem eigenen Internetauftritt verlinkte Inhalte zu Eigen macht, ist die objektive Sicht eines verständigen Durchschnittsnutzers auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller Umstände (vgl. BGH, Urteil vom 12.11.2009 – I ZR 166/07 –).

  • Darüber hinaus kann derjenige, der seinen Internetauftritt durch einen elektronischen Verweis mit wettbewerbswidrigen Inhalten auf den Internetseiten eines Dritten verknüpft,
    • im Fall der Verletzung absoluter Rechte als Störer (vgl. zum Urheberrecht BGH, Urteil vom 12.07.2012 – I ZR 18/11 –; zum Persönlichkeitsrecht Urteil vom 25.10.2011 – VI ZR 93/10 –) und
    • im Fall der Verletzung sonstiger wettbewerbsrechtlich geschützter Interessen aufgrund der Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2007 – I ZR 18/04 –) in Anspruch genommen werden,
    • wenn er zumutbare Prüfungspflichten verletzt hat, die sich aus dem Gesichtspunkt ergeben, dass Hyperlinks die Gefahr der Verbreitung etwaiger rechtswidriger Inhalte erhöhen, die sich auf den Internetseiten Dritter befinden.

 

Ist ein rechtsverletzender Inhalt der verlinkten Internetseite nicht deutlich erkennbar, haftet derjenige, der den Link setzt, für solche Inhalte, sofern er sich diese nicht zu eigen gemacht hat, grundsätzlich erst, wenn

  • er von der Rechtswidrigkeit der Inhalte
  • selbst oder durch Dritte Kenntnis erlangt.

 

Wer einen Hyperlink setzt, ist bei einem Hinweis auf Rechtsverletzungen auf der verlinkten Internetseite zur Prüfung verpflichtet, ohne dass es darauf ankommt, ob es sich um eine klare Rechtsverletzung handelt.

Darauf hat der I. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 18.06.2015 – I ZR 74/14 – hingewiesen.

 

Berufung auf ein, das Absehen von einem Regelfahrverbot rechtfertigendes Augenblicksversagen nach Geschwindigkeitsüberschreitung?

Von einem ein Absehen von einem an sich verwirkten Regelfahrverbot rechtfertigenden sog. Augenblicksversagen kann nur für den Fall

 

Für den Begriff des Augenblicksversagens ist deshalb kennzeichnend,

  • dass es sich um eine gleichsam spontane Fehlreaktion innerhalb eines Verkehrsgeschehens handeln muss.
  • Dies ist aber dann nicht der Fall, wenn das fragliche Fehlverhalten des Betroffenen jener Fehlreaktion bereits vorgelagert war.

 

Darauf hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts (OLG) Bamberg mit Beschluss vom 04.01.2016 – 3 Ss OWi 1490/15 – hingewiesen und in einem Fall, in dem

  • ein Betroffener, der als Führer eines Pkw’s mit Anhänger die nach § 3 Abs. 3 Nr. 2a Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) außerhalb geschlossener Ortschaften zulässige Höchstgeschwindigkeit von lediglich 80 km/h um 40 km/h überschritten und
  • sich im gerichtlichen Verfahren gegen das mit Bußgeldbescheid gegen ihn, neben einer Geldbuße, gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Verordnung über die Erteilung einer Verwarnung, Regelsätze für Geldbußen und die Anordnung eines Fahrverbotes wegen Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr (BKatV) i.V.m. lfd. Nr. 11.1.7 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BKatV sowie § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV wegen grober und beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers verhängte einmonatige Regelfahrverbot damit verteidigt hatte, geglaubt zu haben, mit dem von ihm ausgeliehenen Anhänger 100 km/h fahren zu dürfen, weil an diesem ein entsprechendes Schild angebracht gewesen sei,

 

entschieden, dass dieser Irrtum des Betroffenen über die erlaubte Höchstgeschwindigkeit bei der Übernahme des Anhängers deshalb kein so genanntes Augenblicksversagen darstellte, welches ein Absehen von dem Regelfahrverbot unter gleichzeitiger Erhöhung des als Regelsatz vorgesehenen Bußgeldes rechtfertigen kann, weil

  • in der Zulassungsbescheinigung eine Eintragung der 100-km/h-Zulassung nicht erfolgt war, der Betroffene die insoweit gebotene Überprüfung der Fahrzeugpapiere unterlassen hatte und
  • das Fehlverhalten des Betroffenen somit bereits bei Übernahme des Anhängers gegeben war.

 

Einladungs-E-Mail „Freunde finden“ des Internet-Dienstes „Facebook“ ist unzulässige Werbung

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Urteil vom 14.01.2016 – I ZR 65/14 – entschieden,

  • dass die mithilfe der Funktion „Freunde finden“ des Internet-Dienstes „Facebook“ versendeten Einladungs-E-Mails an Personen, die nicht als „Facebook“-Mitglieder registriert sind, eine wettbewerbsrechtlich unzulässige belästigende Werbung darstellt und
  • dass „Facebook“ im Rahmen des im November 2010 zur Verfügung gestellten Registrierungsvorgangs für die Funktion „Freunde finden“ den Nutzer über Art und Umfang der Nutzung von ihm importierter Kontaktdaten irregeführt hat.

 

Dass Einladungs-E-Mails von „Facebook“ an Empfänger, die in den Erhalt der E-Mails nicht ausdrücklich eingewilligt haben, eine unzumutbare Belästigung im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) darstellen hat der Senat damit begründet, dass

  • es sich dabei um Werbung des Betreibers der Internet-Plattform „Facebook“ handelt, auch wenn ihre Versendung durch den sich bei „Facebook“ registrierenden Nutzer ausgelöst wird, weil es sich um eine von dem Betreiber der Internet-Plattform „Facebook“ zur Verfügung gestellte Funktion handelt, mit der Dritte auf das Angebot von „Facebook“ aufmerksam gemacht werden sollen und
  • die Einladungs-E-Mails vom Empfänger auch nicht als private Mitteilung des „Facebook“-Nutzers, sondern als Werbung des Betreiber der Internet-Plattform „Facebook“ verstanden wird.

 

Durch die Angaben, die der Betreiber der Internet-Plattform „Facebook“ im November 2010 bei der Registrierung für die Facebook-Funktion „Freunde finden“ gemacht hat, hat er sich registrierende Nutzer entgegen § 5 UWG über Art und Umfang der Nutzung der E-Mail-Kontaktdaten deshalb getäuscht, weil

  • der im ersten Schritt des Registrierungsvorgangs eingeblendete Hinweis „Sind deine Freunde schon bei Facebook?“ nicht darüber aufklärt, dass die vom Nutzer importierten E-Mail-Kontaktdaten ausgewertet werden und eine Versendung der Einladungs-E-Mails auch an Personen erfolgt, die noch nicht bei „Facebook“ registriert sind und
  • die hinterlegten Informationen unter dem elektronischen Verweis „Dein Passwort wird von Facebook nicht gespeichert“ die Irreführung nicht ausräumen können, nachdem ihre Kenntnisnahme durch den Nutzer nicht sichergestellt ist.

 

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 14.01.2016 – Nr. 7/2016 – mitgeteilt.

 

Filesharing – Haftung für aus der Familie heraus begangene Urheberrechtsverletzungen?

Behauptet ein Rechteinhaber, beispielsweise von Musiktiteln, dass die Musiktitel über den Internetanschluss eines Ehepaars mittels einer Filesharing-Software im Rahmen einer Internettauschbörse unberechtigt zum Herunterladen angeboten worden sind und verlangt er von dem Ehepaar deshalb Schadensersatz sowie Ersatz der Abmahnkosten, muss der Rechteinhaber als Anspruchstellers, nachzuweisen, dass das von ihm auf Schadensersatz in Anspruch genommene Ehepaar für die behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter gemäß § 97 Abs. 2 Satz 1 Urheberrechtsgesetz (UrhG) verantwortlich ist.

Allerdings spricht dann, wenn feststeht, dass ein urheberrechtlich geschütztes Werk oder eine urheberrechtlich geschützte Leistung der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht wird, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, eine tatsächliche Vermutung, die einen sogenannten Anscheinsbeweis begründet, zu dessen Erschütterung nicht allein der Hinweis auf die Möglichkeit eines anderen Verlaufs genügt,

  • für eine Täterschaft des Anschlussinhabers und
  • wenn mehrere Personen, wie beispielsweise ein Ehepaar den Internetanschluss mit der betreffenden IP-Adresse gemeinsam halten, für die Täterschaft aller Anschlussmitinhaber,

 

wenn – im Fall der hinreichenden Sicherung des Anschlusses – der Anschluss nicht bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen worden war,

  • was der Anspruchsteller, der sich auf die tatsächliche Vermutung stützen will, grundsätzlich darzulegen und nötigenfalls zu beweisen hat.

 

Beweisen muss der Rechteinhaber seine Darlegung, dass der Anschluss von den in Anspruch genommenen Eheleuten nicht bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen worden ist, jedoch erst dann,

  • wenn die Eheleute dieser Darlegung mit konkreten Angaben entgegentreten und sie nicht nur pauschal bestreiten, wobei
  • der Anschlussinhaber dieser sogenannten sekundären Darlegungslast nur dann genügt, wenn er vorträgt,
    • ob und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter in Betracht kommen.
      In diesem Umfang ist er im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat.

 

Entspricht der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast,

  • ist es wieder Sache des Anspruchstellers, die für eine Haftung des Anschlussinhabers als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen.

 

Entspricht der Anschlussinhaber dagegen seiner sekundären Darlegungslast nicht,

  • so ist zugunsten des Anspruchstellers dessen Vorbringen zugrunde zu legen und
  • der Anschlussinhaber muss in diesem Fall zur Widerlegung der dann für den Anspruchsteller streitenden tatsächlichen Vermutung den Gegenbeweis erbringen.

 

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) München mit Urteil vom 14.02.2016 – 29 U 2593/15 – hingewiesen und in einem Fall,

  • in dem sich ein von einem Rechteinhaber wegen Urheberrechtsverletzung auf Schadensersatz und Ersatz der Abmahnkosten in Anspruch genommenes Ehepaar gegen diese Forderungen damit verteidigt hatte, dass, was von dem Rechteinhaber bestritten worden war, Zugang zu ihrem Internetanschluss auch ihre drei volljährigen Kinder gehabt haben, die Verletzungshandlung von einem der Kinder vorgenommen worden sein soll, sie auch wüssten von welchem, den Namen jedoch nicht benennen wollen,

 

entschieden,

  • dass das Ehepaar als Täter der begangenen Rechtsverletzung gemäß § 97 Abs. 2 Satz 1 Urheberrechtsgesetz (UrhG) anzusehen ist und auf Schadensersatz und Ersatz der Abmahnkosten haftet.

 

Begründet hat das OLG seine Entscheidung damit, dass die Eheleute ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt hätten,  

  • da es ihnen oblag mitzuteilen, welche Kenntnisse sie über die Umstände der Verletzungshandlung gewonnen haben,
  • sie sich trotz ihrer Kenntnis jedoch geweigert hätten den Namen des Kindes zu nennen, das die Verletzungshandlung begangen haben soll und
  • die Eheleute sich damit lediglich pauschal, ohne konkrete Angaben zur Verletzungshandlung zu machen, auf eine bloß generell bestehende Zugriffsmöglichkeit ihrer drei Kinder auf den Internetanschluss berufen hätten.

 

Nachdem die Eheleute ihrer sekundären Darlegungslast nicht entsprochen haben, ist das OLG von der tatsächlichen Vermutung ausgegangen, dass sie als Inhaber des Anschlusses auch die Täter der Rechtsverletzung waren.
Diese tatsachliche Vermutung war von den Eheleuten nämlich nicht widerlegt worden.
Denn die Eheleute waren diesbezüglich, da sich ihre als Zeugen benannten Kinder auf ihr ihnen jeweils gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zustehendes Zeugnisverweigerungsrecht berufen haben, beweisfällig geblieben.  

Nach Auffassung des OLG steht Art. 6 Abs.1 Grundgesetz (GG) der sekundären Darlegungslast mit der obigen Verpflichtung nicht entgegen, weil auch die gegenläufigen Belange der Inhaber urheberrechtlich geschützter Nutzungsrechte, deren Ansprüche ihrerseits den Schutz der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG genießen würden, zu berücksichtigen seien und diese ihre Ansprüche bei Rechtsverletzungen vermittels von Familien genutzter Internetanschlüsse regelmäßig nicht durchsetzen könnten, wenn sich Eltern als Internetanschlussinhaber nicht im Einzelnen dazu erklären muss, wie es über ihren Internetanschluss erfolgten Rechtsverletzungen aus der Familie heraus gekommen ist.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts München am 14.02.2016 – 2/16 – mitgeteilt.

 

Auch wer ein Handy zum Laden während der Fahrt anschließt handelt ordnungswidrig nach § 23 Abs. 1a StVO

Weil ein Lkw-Fahrer während der Fahrt ein Handy in der Hand hielt, um es zum Laden anzuschließen, muss er wegen vorsätzlichen Benutzens eines Mobiltelefons als Führer eines Kraftfahrzeugs eine Geldbuße von 60 Euro zahlen.

Das hat der für Bußgeldsachen zuständige Senat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg mit Beschluss vom 07.12.2015 – 2 Ss (OWi) 290/15 – entschieden.

Wie der Senat ausgeführt hat, verbietet § 23 Abs. 1a Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) die Nutzung eines Mobil- oder Autotelefons für denjenigen, der ein Fahrzeug führt, wenn er das Gerät hierfür aufnehmen oder halten muss.
Der Begriff des Benutzens im Sinne dieser Vorschrift umfasse sämtliche Bedienfunktionen (z.B. Versendung von Kurznachrichten) und auch Tätigkeiten zur Vorbereitung der Nutzung, wie das Anschließen zum Laden, weil durch § 23 Abs. 1a StVO gewährleistet werden solle, dass der Fahrzeugführer beide Hände für die Bewältigung der Fahraufgabe frei habe.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Oldenburg am 13.01.2016 mitgeteilt.

 

Auch wer die Kamerafunktion eines Mobiltelefons nutzt handelt ordnungswidrig nach § 23 Abs. 1a StVO

Der Begriff des Benutzens im Sinne des § 23 Abs. 1a Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) umfasst auch die Nutzung der Kamerafunktion eines Mobiltelefons.

Das hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Hanseatischen Oberlandesgerichts (OLG) Hamburg mit Beschluss vom 28.12.2015 – 2 – 86/15 (RB), 2 – 86/15 (RB) – 3 Ss 155/15 OWi – entschieden und in einem Fall, in dem gegen einen Betroffenen mit Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Altona wegen vorsätzlichen Benutzens eines Mobiltelefons als Führer eines Kraftfahrzeugs eine Geldbuße von 60 Euro verhängt worden war,

  • weil er ein Mobiltelefon in der Hand gehalten hatte, um während der Fahrt über die Funktionstasten des Geräts digitale Lichtbilder anzufertigen,

 

den Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen dieses Urteil verworfen.

Wie der Senat ausgeführt hat, handelt im Sinne des § 23 Abs. 1a StVO ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig als Fahrzeugführer ein Mobil- oder Autotelefon benutzt, indem er das Mobiltelefon oder den Hörer des Autotelefons aufnimmt oder hält.

 

Damit lässt sich das Halten des Mobiltelefons, um während der Fahrt über die Funktionstasten des Geräts digitale Lichtbilder anzufertigen, unzweifelhaft unter die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Nutzung von Mobiltelefonen im Sinne des § 23 Abs.1a StVO bereits aufgestellten Leitsätze subsumieren. 

 

Was Käufer, die einen Gebrauchtwagenkaufvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten wollen, wissen sollten

Wer nach dem Kauf eines gebrauchten Pkw’s einen bei Übergabe bereits vorhandenen Mangel feststellt und deshalb den schriftlichen Kaufvertrag, der unter Ausschluss der Sachmängelhaftung abgeschlossen worden ist, wegen arglistiger Täuschung mit der Begründung anfechten möchte, dass der Verkäufer ihm den Sachmangel verschwiegen hat, muss wissen,  

  • dass das Tatbestandsmerkmal der Arglist in § 444 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zwar nicht nur ein Handeln des Verkäufers, das von betrügerischer Absicht getragen ist, sondern auch solche Verhaltensweisen erfasst, die auf bedingten Vorsatz im Sinne eines „Fürmöglichhaltens und Inkaufnehmens“ reduziert sind, womit auch kein moralisches Unwerturteil verbunden sein muss,
  • dass Voraussetzung für ein vorsätzliches Verschweigen eines Mangels jedoch stets ist,
    • dass der Verkäufer den konkreten Mangel kennt oder
    • nach seinen (persönlichen) Kenntnissen zumindest für möglich hält (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 16.03.2012 – V ZR 18/11 –), wobei zu unterscheiden ist, zwischen den Kenntnissen eines privaten Autoverkäufers sowie den Kenntnissen eines Fachmanns und die Anforderungen an die Kenntnisse eines privaten Autoverkäufers nicht überspannt werden dürfen.    

 

Auch liegt ein arglistiges Vorspiegeln bestimmter Eigenschaften oder der Abwesenheit von Mängeln, das dem arglistigen Verschweigen von Mängeln gleichsteht, nicht schon dann vor, wenn eine Frage des Käufers durch den Verkäufer objektiv falsch beantwortet worden ist.

  • Zwar ist der Verkäufer verpflichtet, Fragen des Käufers richtig und vollständig zu beantworten.
    Jedoch handelt ein Verkäufer, der gutgläubig falsche Angaben über die Kaufsache macht, grundsätzlich nicht arglistig, mag der gute Glaube auch auf Fahrlässigkeit oder selbst auf Leichtfertigkeit beruhen.
  • Anders ist es (nur), wenn der Verkäufer auf Fragen des Käufers falsche Angaben ohne tatsächliche Grundlage – „ins Blaue hinein“ – macht, mit deren Unrichtigkeit er rechnet.
    Wer so antwortet, handelt grundsätzlich bedingt vorsätzlich (vgl. BGH, Urteil vom 16.03.2012 – V ZR 18/11 –).

 

Darauf hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) mit Beschluss vom 30.10.2014 – 1 U 862/12 – hingewiesen.

 

Zeugnisverweigerungsrecht des behandelnden Arztes eines Versicherungsnehmers nach dessen Tod?

Beruft sich ein Lebensversicherer im Rechtsstreit um die Todesfallleistung aus einer Lebensversicherung darauf, dass der verstorbene Versicherungsnehmer bei Abschluss des Vertrages über seinen Gesundheitszustand wissentlich falsche Angaben gemacht bzw. offenbarungspflichtige Tatsachen verschwiegen und er deswegen den Lebensversicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten hat, trägt er die Beweislast für das arglistige Verhalten des Versicherungsnehmers.

Der Versicherer muss also beweisen, dass der Versicherungsnehmer

  • die Unrichtigkeit seiner Angaben kannte und
  • es zumindest für möglich hielt, dass der Versicherer bei Kenntnis seines tatsächlichen Gesundheitszustandes den Vertrag über eine Risikolebensversicherung nicht oder nicht zu den erfolgten Bedingungen abgeschlossen hätte, wobei für ein solches Bewusstsein das Verschweigen schwerer, chronischer oder immer wieder auftretender Erkrankungen oder gesundheitlicher Beeinträchtigungen spricht (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 24.11.2010 – IV ZR 252/08 –).

 

Beantragt der Versicherer die Vernehmung des Arztes, der den verstorbenen Versicherungsnehmer behandelt hat, zum Beweis dafür, dass dieser mit dem Versicherungsnehmer einen bestimmten Untersuchungsbefund besprochen, der Versicherungsnehmer also den Befund gekannt hat, ist zu bedenken,

  • dass dem Arzt der den Versicherungsnehmer behandelt hat, sofern er vom Versicherungsnehmer zu dessen Lebzeiten nicht wirksam von der Schweigepflicht entbunden worden ist, gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 6 Zivilprozessordnung (ZPO) ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht und
  • von einer mutmaßlichen Entbindung von der Schweigepflicht deshalb nicht ausgegangen werden kann, weil auf Seiten des Verstorbenen, nachdem die Beweislast für den Anfechtungsgrund bei dem Versicherer liegt, kein Interesse an einer Aussage des Arztes auszumachen ist.
     

Treffen nämlich die Angaben des Versicherungsnehmers zu seinem Gesundheitszustand im Antragsformular und dem Fragebogen zu, so bedarf es aus Sicht des Versicherungsnehmers hierzu keiner Bestätigung durch den behandelnden Arzt.
Sind die Angaben unvollständig oder gar falsch, so geht das Interesse des Verstorbenen dahin, dass dies nicht in einer Beweisaufnahme geklärt wird (Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe, Beschluss vom 03.09.2014 – 12 W 37/14 –).
Somit ist in einem Fall wie dem obigen der Arzt zur Zeugnisverweigerung gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO berechtigt (vgl. hierzu auch OLG Naumburg, Beschluss vom 09.12.2004 – 4 W 43/04 –).

Darauf hat der 12. Zivilsenat des OLG Karlsruhe mit Urteil vom 03.12.2015 – 12 U 57/15 – hingewiesen.

 

Ohne ernsthaften Überzeugungsversuch keine medizinische Zwangsbehandlung

Eine von einem Betreuer beantragte Genehmigung einer medizinischen Zwangsbehandlung des Betreuten (hier: Augenoperation zur Regulierung des Augeninnendrucks zur Vermeidung einer nicht reversiblen Erblindung) ist im Hinblick auf die überragende Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dann zu verweigern,

  • wenn noch nicht mit der notwendigen Sorgfalt und Intensität versucht worden ist,
  • den Betreuten von der Notwendigkeit einer weniger belastenden Alternativbehandlung zu überzeugen (hier: regelmäßige Augentropfenapplikation zur Normalisierung des Augeninnendrucks, durch die eine operative Behandlung vermieden werden kann).

 

Darauf hat das Landgericht (LG) Saarbrücken mit Beschluss vom 07.12.2015 – 5 T 382/15 – hingewiesen.

Wie das LG ausgeführt hat, hat der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Genehmigung einer medizinischen Zwangsmedikation eine überragende Bedeutung. Dies wird daran deutlich, dass mit § 1906 Abs. 3 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) durch den Gesetzgeber die Überzeugung des Betroffenen vor die Ausübung des Zwangs gestellt worden ist.
Deshalb ist zu fordern, dass der ernsthafte Versuch unternommen wird, den Betroffenen von der Notwendigkeit einer ärztlichen Maßnahme zu überzeugen und seine auf Vertrauen gegründete Zustimmung zu erreichen.
Dieser Versuch muss

 

Zu fordern ist ein solcher ernsthafter Überzeugungsversuch

  • nicht nur hinsichtlich der beabsichtigten Operation,
  • sondern auch und erst recht für in Betracht kommende alternative Behandlungsmaßnahmen, die die beabsichtigte Operation entbehrlich machen.

 

Hat der Erbe eines Verstorbenen Anspruch auf Zugang zu dessen Facebook-Account?

Die Eltern einer minderjährig Verstorbenen können als deren Erben von Facebook die Zugangsdaten zu dem Benutzerkonto ihrer verstorbenen Tochter herausverlangen.

Das hat die 20. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Berlin mit Urteil vom 17.12.2015 in einem Fall entschieden,

  • in dem die Tochter der Klägerin mit 15 Jahren unter ungeklärten Umständen durch eine in einen Bahnhof einlaufende U-Bahn tödlich verletzt worden war,
  • vom Fahrer der U-Bahn, die die Verstorbene erfasst hatte, gegen die Erben Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche wegen Verdienstausfalls geltend gemacht worden waren und
  • Facebook Ireland Limited (im Folgenden: Facebook) der Klägerin, die sich erhoffte, über den Facebook-Account ihrer Tochter und die dort ausgetauschten Nachrichten und Posts mehr über den Tod ihrer Tochter zu erfahren, insbesondere auch, ob es sich um einen Selbstmord gehandelt haben könnte, die Zugangsdaten zu dem in einen Gedenkzustand versetzten Account verweigert hatte.

 

Auf die von der Klägerin gegen Facebook erhobenen Klage verurteilte die 20. Zivilkammer des LG Berlin Facebook dazu, den Eltern der Verstorbenen, als deren Erben, Zugang zu dem Benutzerkonto ihrer verstorbenen Tochter und dessen Kommunikationsinhalten zu gewähren.

Diese (noch nicht rechtskräftige) Entscheidung ist von der Kammer u.a. damit begründet worden,

  • dass ein zur Nutzung der Facebook-Dienste abgeschlossener Vertrag wie jeder andere schuldrechtliche Vertrag auf die Erben übergehe,
  • eine unterschiedliche Behandlung des digitalen und des „analogen“ Vermögens des Erblassers nicht gerechtfertigt sei, da dies dazu führen würde, dass persönliche Briefe und Tagebücher unabhängig von ihrem Inhalt vererblich wären, E-Mails oder private Facebook-Nachrichten hingegen nicht,
  • auch das Datenschutzrecht keine andere Beurteilung gebiete, da vertrauliche Briefe, die ein Dritter verschickt habe, nach dem Tod des Empfängers von den Erben gelesen werden können, ohne dass ein Eingriff in die Rechte dieser Dritten vorliege und für digitale Daten nichts Anderes gelte sowie ferner
  • weder schutzwürdige Interessen von Facebook noch das postmortale Persönlichkeitsrecht der Verstorbenen einer Zugangsgewährung entgegenstünden, nachdem Erziehungsberechtige für den Schutz des Persönlichkeitsrechtes ihrer minderjährigen Kinder, auch nach deren Ableben zuständig und jedenfalls dann, wenn besondere Umstände wie hier die ungeklärte Todesursache der Tochter vorliegen, die Eltern als Erben berechtigt seien, sich Kenntnis darüber zu verschaffen, was ihre Tochter im Internet geäußert hat.

 

Auf die Gedenkzustands-Richtlinie, wie sie Facebook vor 2014 verwandt hat, konnte sich Facebook nicht berufen, weil diese nach Ansicht der Kammer wegen unangemessene Benachteiligung der Nutzer bzw. deren Erben unwirksam ist.

Das hat die Pressestelle des Kammergerichts Berlin am 07.01.2016 mitgeteilt.