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Strafverfahren – Anforderungen an Revisionsantrag, wenn mit dem angefochtenen Urteil ausschließlich Zuchtmittel gegen einen Jugendlichen oder Heranwachsenden verhängt worden sind.

Ein Urteil, das ausschließlich ein Zuchtmittel (§ 13 Abs. 2 Ziff. 3 Jugendgerichtsgesetz (JGG)) gegen einen Angeklagten anordnet, kann gemäß § 55 Abs. 1 S. 1 JGG nicht wegen des Umfangs der Maßnahme und nicht deshalb angefochten werden, weil andere Erziehungs- maßregeln oder (andere) Zuchtmittel hätten angeordnet werden sollen.
Dementsprechend kann ein Rechtsmittel gegen ein allein derartige Rechtsfolgen des Jugendstrafrechts verhängendes Urteil lediglich darauf gestützt werden, dass
die Schuldfrage aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen falsch beurteilt oder
die verhängte Sanktion selbst rechtswidrig ist.
Diese gesetzliche Beschränkung in dem zulässigen Angriffsziel eines gegen ein solches Urteil gerichteten Rechtsmittels wirkt sich bei der Revision auf die aus § 344 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) resultierenden Anforderungen an den vom Gesetz verlangten Revisionsantrag aus.
Um eine Umgehung der Begrenzung der im Rahmen von § 55 Abs. 1 Satz 1 JGG zulässigen Angriffsziele einer Revision zu verhindern, ergibt sich vor dem Hintergrund von § 344 Abs. 1 StPO, im Revisionsantrag anzugeben, inwieweit das Urteil angefochten werde, für den Revisionsführer die Notwendigkeit, eindeutig klarzustellen, dass mit dem Rechtsmittel ein zulässiges Ziel verfolgt wird.
Ein solches Erfordernis der Angabe eines zulässigen Angriffsziels ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die in § 400 Abs. 1 StPO enthaltenen Beschränkungen bei Rechtsmitteln des Nebenklägers seit langem anerkannt. Wie bei dem sachlich begrenzten Rechtsmittel des Nebenklägers kann auch bei dem gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 JGG beschränkt zulässigen Anfechtungsumfang die Einhaltung der Beschränkung durch das Rechtsmittelgericht wirksam vor allem über die aus § 344 Abs. 1 StPO resultierenden Anforderungen an den Revisionsantrag überprüft werden.

Zwar reicht außerhalb solcher gesetzlicher Beschränkungen sowohl der Aufhebungsantrag als auch – ohne ausdrücklichen entsprechenden Antrag – die Erhebung der allgemeinen Sachrüge aus, um den Voraussetzungen des § 344 Abs. 1 StPO zu entsprechen. Für die hier fragliche Konstellation der Begrenzung des zulässigen Angriffsziels bedarf es aber wegen der Kontrollierbarkeit der Einhaltung eines solchen Ziels höherer Anforderungen an den Revisionsantrag. Die Erhebung der allgemeinen, nicht ausgeführten Sachrüge genügt – wie bei der Revision des Nebenklägers – gerade nicht. Es lässt sich dem nämlich nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit die Anfechtung des Schuldspruchs entnehmen. Insoweit bleibt die Möglichkeit offen, dass entgegen dem durch § 55 Abs. 1 Satz 1 JGG eröffneten Anfechtungsumfang das Rechtsmittel sich lediglich gegen die Art und/oder die Höhe des verhängten Zuchtmittels richtet.
Deshalb ist das Verfolgen eines zulässigen Angriffsziels ausreichend deutlich zu machen und im Revisionsantrag klarzustellen, dass der Schuldspruch des angefochtenen Urteils und nicht lediglich (unzulässig) der Rechtsfolgenausspruch angegriffen werden soll.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 10.07.2013 – 1 StR 278/13 – hingewiesen.

 

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Strafrecht – Zur Körperverletzung durch Gesundheitsbeschädigung.

Nach § 223 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB ) wird wegen Körperverletzung mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer eine andere Person (vorsätzlich, d. h. wissentlich und willentlich) körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt.

Als Gesundheitsbeschädigung im Sinne dieser Vorschrift ist jedes Hervorrufen oder Steigern eines vom Normalzustand der körperlichen Funktionen des Opfers nachteilig abweichenden Zustandes anzusehen. Dabei kommt es nicht darauf an, auf welche Art und Weise die Beeinträchtigung erfolgt ist.

Rein psychische Empfindungen genügen bei keiner Handlungsalternative, um einen Körperverletzungserfolg gemäß § 223 Abs. 1 StGB zu begründen.
Wirkt der Täter auf sein Opfer lediglich psychisch ein, liegt eine Körperverletzung daher erst dann vor, wenn ein pathologischer, somatisch-objektivierbarer Zustand hervorgerufen worden ist, der vom Normalzustand nachteilig abweicht.
Bloß emotionale Reaktionen auf Aufregungen, wie etwa starke Gemütsbewegungen oder andere Erregungszustände, aber auch latente Angstzustände, stellen keinen pathologischen Zustand und damit keine Gesundheitsbeschädigung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB dar.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 18.07.2013 – 4 StR 168/13 – hingewiesen.

 

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Strafrecht – Insolvenzantragspflicht nach § 15a Insolvenzordnung (InsO) – Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit.

Nach § 17 Abs. 2 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen.
Entscheidend ist allein der Zeitpunkt der Fälligkeit einer Forderung, der nur durch eine Stundungsvereinbarung hinausgeschoben werden kann.

Von der Zahlungsunfähigkeit abzugrenzen ist die bloße Zahlungsstockung, d.h. der kurzfristig behebbare Mangel an flüssigen Mitteln. Dieser muss in einem Zeitraum von maximal drei Wochen zu beseitigen sein, da eine kreditwürdige Person in der Lage ist, sich binnen dieser Frist die benötigten Beträge darlehensweise zu beschaffen.
Sonst liegt Zahlungsunfähigkeit vor.

Die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit erfolgt in der Regel durch die sogenannte betriebswirtschaftliche Methode. Dies setzt eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen Verbindlichkeiten einerseits und der zu ihrer Tilgung vorhandenen oder kurzfristig herbeizuschaffenden Mittel andererseits voraus.

Zur Abgrenzung von der bloßen Zahlungsstockung ist diese Methode um eine Prognose darüber zu ergänzen, ob innerhalb der Drei-Wochen-Frist mit der Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit hinreichend sicher zu rechnen ist, etwa durch Kredite, Zuführung von Eigenkapital, Einnahmen aus dem normalen Geschäftsbetrieb oder der Veräußerung von Vermögensgegenständen.
Das geschieht durch eine Finanzplanrechnung, aus der sich die hinreichend konkret zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben der nächsten 21 Tage ergeben.

Die Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 InsO kann aber auch durch sogenannte wirtschaftskriminalistische Beweisanzeichen belegt werden.
Als wirtschaftskriminalistische Warnzeichen kommen u.a. in Betracht die ausdrückliche Erklärung, nicht zahlen zu können, das Ignorieren von Rechnungen und Mahnungen, gescheiterte Vollstreckungsversuche, Nichtzahlung von Löhnen und Gehältern, der Sozialversicherungsabgaben oder der sonstigen Betriebskosten, Scheck- und Wechselproteste oder Insolvenzanträge von Gläubigern.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 21.08.2013 – 1 StR 665/12 – hingewiesen.

 

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Strafrecht – Täuschung des Lesegeräts einer Selbstbedienungskasse durch Einscannen eines falschen Strichcodes.

Wer das Lesegerät einer Selbstbedienungskasse mit einem falschen Strichcode „täuscht“ und so für seine Ware einen zu geringen Preis bezahlt, begeht einen strafbaren Diebstahl nach § 242 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB ) und keinen Computerbetrug nach § 263 a Abs. 1 StGB.

Das hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschluss vom 08.08.2013 – 5 RVs 56/13 – entschieden und damit die Revision eines Angeklagten gegen das Berufungsurteil des Landgerichts – unter Korrektur des Schuldspruches – als unbegründet verworfen.

In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall hatte der Angeklagte in einem Supermarkt die Zeitschrift Playboy im Wert von 5 € an der Selbstbedienungskasse mit nur 1,20 € „bezahlt“, indem er an der Kasse nicht den Strichcode des Playboy, sondern den aus einer „WAZ“ herausgerissenen Strichcode über den geringeren Betrag von 1,20 € eingescannt hatte.
Auf dieselbe Art und Weise hatte er kurz darauf einen „Stern“ im Wert von 3,40 € für 1,20 € „eingekauft“.

Das Landgericht hatte dieses Vorgehen als strafbaren Computerbetrug bewertet und den Angeklagten zu einer Geldstrafe verurteilt.

Auf die Revision des Angeklagten hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm die verhängte Geldstrafe bestätigt, die Taten aber als strafbaren Diebstahl beurteilt.

Der Angeklagte habe zwar keinen Computerbetrug begangen, weil der manipulierte Datenverarbeitungsvorgang der Kasse noch keine Vermögensminderung bewirkt, sondern nur die Voraussetzungen für eine vermögensmindernde Tat – die nachfolgende Mitnahme der Zeitschriften – geschaffen habe.
Es liege aber ein strafbarer Diebstahl vor.
Der Angeklagte habe fremde Sachen weggenommen, um sich diese rechtswidrig zuzueignen. Die Zeitschriften seien ihm nicht übereignet worden, weil er diese zuvor nicht mit den ihnen zugewiesenen Strichcodes eingescannt habe.
Zu den tatsächlich eingescannten Preisen habe der Geschäftsinhaber nicht verkaufen wollen. Beide Zeitschriften habe der Angeklagte auch ohne Einverständnis des Geschäftsinhabers mitgenommen. Nachdem er zuvor einen nicht zu den Zeitschriften passenden Strichcode eingescannt hatte, seien die Bedingungen für einen vom Geschäftsinhaber gebilligten Gewahrsamswechsel beim Passieren der Kasse nicht erfüllt gewesen.

Das hat der Pressedezernent des Oberlandesgerichts Hamm am 01.10.2013 mitgeteilt.

 

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Strafrecht – Trunkenheit im Verkehr – Fahruntüchtigkeit.

Das Landgericht (LG) Gießen hat mit Beschluss vom 12.09.2013 – 7 Qs 141/13 – darauf hingewiesen, dass, auch wenn der für Alkohol existierende Grenzwert von 1,1 Promille nur knapp unterschritten und andere berauschende Mittel (beispielsweise THC, Amphetamin) nachgewiesen sind, Fahruntüchtigkeit nur bei Feststellung konkreter Ausfallerscheinungen gegeben ist.

Nach § 316 Strafgesetzbuch (StGB ) macht sich strafbar, wer infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht mehr in der Lage ist, sein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr sicher zu führen.
Dies ist – unabhängig von der Fahrweise – stets der Fall, wenn auf den Fahrer eines Kraftfahrzeugs zum Zeitpunkt der Fahrt ein Blutalkoholgehalt von 1,1‰ oder mehr einwirkt (beim Fahrradfahrer sind es 1,6‰).
Liegt die alkoholische Beeinflussung allerdings unter diesem Wert oder wirken auf den Fahrer „andere berauschende Mittel“ ein, müssen weitere Tatsachen hinzutreten, aus denen sich ergibt, dass die Gesamtleistungsfähigkeit des Fahrzeugführers infolge Enthemmung sowie geistig-seelischer und körperlicher Leistungsausfälle so erheblich herabgesetzt ist, dass er nicht mehr in der Lage ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr über eine längere Strecke, und zwar auch bei plötzlichem Auftreten schwieriger Verkehrslagen, sicher zu führen.

Dies gilt auch dann, wenn der für Alkohol existierende Grenzwert von 1,1‰ nicht erreicht ist und auf den Fahrer neben dem Alkohol zusätzlich andere berauschende Mittel – beispielsweise THC und Amphetamin – einwirken.

Das Zusammenwirken von Alkohol und Drogen kann zwar das Reaktionsvermögen eines Fahrers und seine Fähigkeit, die Verkehrslage richtig einzuschätzen, beeinträchtigen. Auch eine Überschätzung des eigenen Leistungsvermögens kommt in Betracht.
Dies allein genügt jedoch nicht zum Nachweis der Fahruntüchtigkeit.
Erforderlich ist vielmehr die Feststellung konkreter Ausfallerscheinungen wie etwa eine regelwidrige, unbesonnene, sorglose oder leichtsinnige Fahrweise oder die Beeinträchtigung der Körperbeherrschung, die sich beispielsweise im Stolpern oder Schwanken beim Gehen manifestieren kann.

Rechtsanwalt Ingo-Julian Rösch

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Jugendstrafrecht – Zur Bemessung einer Jugendstrafe.

Nach § 18 Abs. 2 Jugendgerichtsgesetz (JGG) ist die Jugendstrafe so zuzumessen, dass die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist.
Dies bedeutet nicht, dass die Erziehungswirkung als einziger Gesichtspunkt heranzuziehen ist. Vielmehr sind daneben andere Strafzwecke zu beachten, insbesondere bei Gewaltdelikten mit erheblichen Folgen für das Opfer auch das Erfordernis gerechten Schuldausgleichs.
Das Gewicht des Tatunrechts muss gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Verurteilten abgewogen werden.
Erziehungsgedanke und Schuldausgleich stehen dabei regelmäßig nicht im Widerspruch. Vielmehr stehen sie dann miteinander im Einklang, wenn die charakterliche Haltung und das Persönlichkeitsbild eines Täters, wie sie in seiner Tat zum Ausdruck gekommen sind, für das Erziehungsbedürfnis und für die Bewertung der Schuld gleichermaßen von Bedeutung sind.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 31.07.2013 – 2 StR 38/13 – hingewiesen.

 

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Strafrecht – Zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 Strafgesetzbuch (StGB).

§ 64 StGB lautet:
„Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen“.

Für einen Hang im Sinne dieser Vorschrift ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss.
Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betroffene auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint.
Nicht erforderlich ist, dass beim Täter bereits eine Persönlichkeitsdepravation eingetreten ist.

Dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum die Gesundheit sowie die Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betroffenen beeinträchtigt sind, kommt nur eine indizielle Bedeutung zu. Das Fehlen solcher Beeinträchtigungen schließt nicht notwendigerweise die Bejahung eines Hangs aus.
Dass bei einem Betroffenen die Voraussetzungen des § 21 StGB zur Tatzeit nicht vorgelegen haben, steht einer Maßregelanordnung nach § 64 StGB nicht entgegen.

Nicht erforderlich ist, dass der Hang die alleinige Ursache für die Anlasstat ist bzw. war. Vielmehr ist ein symptomatischer Zusammenhang auch dann zu bejahen, wenn der Hang neben anderen Umständen mit dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte eine erhebliche rechtswidrige Tat begangen hat, und dies bei unverändertem Suchtverhalten auch für die Zukunft zu besorgen ist.

Darauf hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 30.07.2013 – 2 StR 174/13 – hingewiesen.

Ist gegen ein Urteil nur vom Angeklagten Revision eingelegt worden, wird das angefochtene Urteil, auch wenn die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht angeordnet worden ist, im Rahmen der Sachrüge trotzdem vom Revisionsgericht daraufhin überprüft, ob von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB zu Recht abgesehen worden ist. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 Strafprozessordnung (StPO )).
Verhindern kann dies der Beschwerdeführer dadurch, dass er die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht vom Rechtsmittelangriff ausnimmt.

 

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Strafrecht – Wann ein Fahrverbot nicht mehr angeordnet werden darf.

Die Anordnung eines Fahrverbots nach § 44 Strafgesetzbuch (StGB ) begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, wenn sie als Warnungs- und Besinnungsstrafe für einen Angeklagten nicht mehr geeignet ist.
Als sogenannter Denkzettel für nachlässige und leichtsinnige Kraftfahrer kann ein Fahrverbot seine Funktion nur dann erfüllen, wenn es sich in einem angemessenen zeitlichen Abstand zur Tat auf den Täter auswirkt. Sind seit der von einem Angeklagten begangenen Tat bereits gut zwei Jahre vergangen, kann diese Denkzettelwirkung des Fahrverbots nicht mehr erreicht werden.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm mit Beschluss vom 23.07.2013 – 5 RVs 52/13 – hingewiesen und in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall die Revision eines wegen Nötigung im Straßenverkehr verurteilten Angeklagten mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Anordnung des Fahrverbots von einem Monat entfällt.

 

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Strafrecht – Keine Nötigung im Straßenverkehr bei nur kurzzeitig bedrängender Fahrweise.

Der Tatbestand der Nötigung gemäß § 240 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB ) setzt die Anwendung von Gewalt oder die Drohung mit einem empfindlichen Übel voraus, um eine Handlung, Duldung oder Unterlassung zu erzwingen.

Bei bedrängender Fahrweise liegt nicht Nötigung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel vor, sondern es kommt nur Nötigung durch Gewaltanwendung in Betracht, wenn das Fahrverhalten geeignet ist, einen besonnenen Fahrer in Sorge und Furcht zu versetzen und zu zwingen, seinen Willen demjenigen des Täters unterzuordnen, insbesondere ihn durch die Herbeiführung eines gefährlichen Zustandes zu ungewollten Reaktionen, möglichweise zu einem gefährlichen Ausweichen oder zur Herbeiführung einer anderen unfallträchtigen Situation zu veranlassen.

Maßstab ist hierbei die Intensität der Einwirkung, die zu bestimmen nur unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles möglich ist. Hierzu gehören namentlich die örtlichen Verhältnisse (Fahrbahnbreite, Ausweichmöglichkeit), die Geschwindigkeit beider Fahrzeuge, ein etwaiger Gebrauch der Lichthupe oder des Signalhorns zur Bekräftigung des bedrängenden Verhaltens und der eingehaltene Abstand.

Darüber hinaus kommt es für die Annahme von Gewalt i.S.d. § 240 StGB aber auch auf eine gewisse Dauer der gefährlichen Fahrweise an, die je länger sie sich fortsetzt, als um so unausweichlicher empfunden wird.
Der Tatbestand der Gewalteinwirkung ist nicht erfüllt, wenn die Dauer der bedrängenden Fahrweise unerheblich ist oder diese sich lediglich in einem einmaligen, kurzzeitigen Näherkommen an den anderen Verkehrsteilnehmer erschöpft.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln mit Beschluss vom 18.06. 2013 – III-1 RVs 111/13 – hingewiesen.

 

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Strafrecht – Zum immateriellen Schadensersatz wegen nachträglich verlängerter Sicherungsverwahrung.

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Urteil vom 19.09.2013 – III ZR 405 bis 408/12 – auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass das Land Baden-Württemberg vier Straftätern Schadensersatz wegen nachträglich verlängerter Sicherungsverwahrung zahlen muss.

In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall waren die Kläger zwischen 1977 und 1986 durch Urteile baden-württembergischer Landgerichte zu langjährigen Freiheitsstrafen (von fünf bis fünfzehn Jahren) verurteilt worden.
Den Verurteilungen lagen jeweils schwere Straftaten zugrunde, insbesondere solche gegen die sexuelle Selbstbestimmung. In allen Fällen hatte das Gericht anschließende Sicherungsverwahrung angeordnet. Diese wurde nach Verbüßung der Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt Freiburg vollzogen.

Nach der im Zeitpunkt der Verurteilung der Kläger geltenden Fassung des § 67d Abs. 1, Abs. 3 Strafgesetzbuch (StGB ) durfte die Dauer der erstmaligen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zehn Jahre nicht übersteigen; nach Ablauf dieser Höchstfrist war der Untergebrachte zu entlassen.
Durch das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26.01.1998 (BGBl. I S. 160) wurde diese Regelung geändert. Die Höchstfrist von zehn Jahren entfiel; § 67d Abs. 3 StGB bestimmte nunmehr, dass nach Ablauf von zehn Jahren das Gericht die Sicherungsverwahrung für erledigt erklärt, „wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Hanges erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden“.
Diese Bestimmung galt auch für Altfälle, d.h. für Straftäter, die ihre Tat vor Verkündung und Inkrafttreten des Gesetzes begangen hatten und vor diesem Zeitpunkt verurteilt worden waren.

Aufgrund der Gesetzesänderung wurden die Kläger nicht nach Ablauf der Zehn-Jahresfrist aus der Sicherungsverwahrung entlassen. Vielmehr ordnete das Landgericht Freiburg (Strafvollstreckungskammer) – jeweils auf der Grundlage eingeholter Gutachten von Sachverständigen – in Abständen von zwei Jahren, zuletzt mit Beschlüssen im Dezember 2009 und August 2010 an, dass die Sicherungsverwahrung fortzudauern habe, da von den Klägern weiterhin ein Risiko ausgehe.

Auf die jeweiligen sofortigen Beschwerden der Kläger hob das Oberlandesgericht Karlsruhe im Juli, September bzw. Oktober 2010 die angefochtenen Entscheidungen auf und stellte die Erledigung der Sicherungsverwahrung fest.
Die Kläger wurden jeweils noch am gleichen Tag aus der Sicherungsverwahrung entlassen.
Das Oberlandesgericht stützte seine Entscheidungen maßgeblich auf das im Rahmen eines Individualbeschwerdeverfahrens eines anderen sicherungsverwahrten Straftäters ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) – V. Sektion – vom 17.12.2009 – Beschwerde-Nr. 19359/04 –, wonach die Änderung des § 67d Abs. 3 StGB mit Art. 5 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) nicht vereinbar sei. Diese Entscheidung ist seit dem 10.05.2010 endgültig, nachdem ein Ausschuss der Großen Kammer den Antrag der Bundesregierung auf Verweisung an die Große Kammer nach Art. 43 Abs. 2 EMRK abgelehnt hat (Art. 44 Abs. 2 Buchst. c EMRK).

Mit Urteil vom 04.05.2011 – 2 BvR 2365/09 – erklärte das Bundesverfassungsgericht die gesetzlichen Regelungen zur nachträglichen Verlängerung der Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig.

Die Kläger haben das beklagte Land auf Ersatz ihres immateriellen Schadens für die auch nach Ablauf der Zehn-Jahresfrist weiter vollzogene Sicherungsverwahrung in Anspruch genommen.
Das Landgericht hat den Klägern – unter Abweisung der weiter gehenden Klagen – entsprechend der jeweiligen Dauer der nachträglich verlängerten Sicherungsverwahrung Entschädigungen in Höhe zwischen 49.000 € und 73.000 € nach Art. 5 Abs. 5 EMRK zuerkannt.
Die Berufung des beklagten Landes ist in allen Fällen erfolglos geblieben.

Der Bundesgerichtshof hat die Berufungsurteile bestätigt.
Danach mussten die Vorinstanzen, nach Maßgabe der in den Entscheidungen des EGMR vom 17.12.2009 und des Bundesverfassungsgerichts vom 04.05.2011 aufgestellten Rechtsgrundsätze mussten die Vorinstanzen davon ausgehen, dass die nachträgliche Verlängerung der Sicherungsverwahrung auch im Fall der Kläger rechtswidrig war und diesen ein Anspruch auf Schadensersatz zusteht.
Denn Art. 5 Abs. 5 EMRK gewährt dem Betroffenen einen unmittelbaren Schadensersatzanspruch wegen rechtswidriger Freiheitsbeschränkungen durch die öffentliche Hand, der vom Verschulden der handelnden Amtsträger unabhängig ist und auch den Ersatz immateriellen Schadens umfasst.
Deshalb spielte es keine Rolle, dass die mit der Verlängerung der Sicherungsverwahrung befassten Amtsträger keinerlei Schuldvorwurf trifft, da sie entsprechend dem klaren und eindeutigen Wortlaut der maßgeblichen Vorschriften des Strafgesetzbuchs und im Einklang mit der vormaligen höchstrichterlichen Rechtsprechung – das Bundesverfassungsgericht hatte die Anwendung der streitgegenständlichen Regelungen mit Urteil vom 05.02.2004 in Übereinstimmung mit der fachgerichtlichen Rechtsprechung zunächst als rechtmäßig beurteilt – gehandelt haben.

Der Bundesgerichtshof ist der Argumentation des Beklagten nicht gefolgt, eine etwaige nach Art. 5 Abs. 5 EMRK zu leistende Entschädigung sei (nur) von der Bundesrepublik Deutschland, aber nicht vom Land Baden-Württemberg geschuldet, da die Strafgerichte des Landes aufgrund der objektiven, vom Bundesgesetzgeber durch das Gesetz vom 26.01.1998 geschaffenen Normenlage gar keine andere Wahl gehabt hätten, als die Fortsetzung der Sicherungsverwahrung auch nach Ablauf der früheren Höchstfrist anzuordnen. Denn im Rahmen der innerstaatlichen Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs nach Art. 5 Abs. 5 EMRK ist der Hoheitsträger verantwortlich, dessen Hoheitsgewalt bei der rechtswidrigen Freiheitsentziehung ausgeübt wurde.
Der unmittelbare Eingriff in das Freiheitsrecht der Kläger ist hier jedoch durch die Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Freiburg und deren anschließenden Vollzug in der Justizvollzugsanstalt Freiburg erfolgt.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs a, 19.09.2013 – Nr. 153/2013 – mitgeteilt.

 

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