Tag Auslegung

LG Erfurt will die Frage, ob sich aus Art. 15 Abs. 1, Abs. 3 DS-GVO ein Auskunftsanspruch auch dann ergibt, wenn 

…. die begehrte Auskunft 

  • primär nicht dem Schutz der Daten, 
  • sondern einem „datenschutzfremden“ Anliegen 

dient, dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegen.

Mit Beschluss vom 07.07.2022 – 8 O 1280/21 – hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Erfurt in dem bei ihm anhängigen Fall, in dem ein Versicherungsnehmer, dem 

  • die Versicherungsscheine, 
  • die Nachträge zu Versicherungsscheinen und 
  • die Beiblätter aus den Jahren 2011 bis 2017 und 2020 

verloren gegangen sind, vom Versicherer,  

  • gestützt auf Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.04.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung – DS-GVO),

Auskunftserteilung über die ihn betreffenden, verarbeiteten, personenbezogenen Daten

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Wer eine Versicherung abschließt, sollte nicht nur die Versicherungsbedingungen genau lesen, sondern auch

…. wissen, wie Versicherungsbedingungen auszulegen, d.h. zu verstehen sind.

Auszulegen sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei

  • verständiger Würdigung,
  • aufmerksamer Durchsicht und
  • unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs

versteht.

Dabei kommt es

  • auf die Verständnismöglichkeiten und
  • auch auf die Interessen

eines Versicherungsnehmers

  • ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse

an, wobei Klauseln, die den Versicherungsschutz ausschließen (Ausschlussklauseln), da

  • das Versicherteninteresse in der Regel dahin geht, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck einer Klausel dies gebietet und
  • der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht mit Lücken im Versicherungsschutz zu rechnen braucht, ohne dass die Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht,

eng und nicht weiter auszulegen sind, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert.

Auszugehen bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen ist

  • in erster Linie stets vom Bedingungswortlaut.

Zusätzlich sind,

  • soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind,

zu berücksichtigen,

  • der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck sowie
  • der Sinnzusammenhang der Klauseln.

Eine Ausnahme erfährt dieser Grundsatz nur dann, wenn

  • die Rechtssprache

mit dem verwendeten Ausdruck eindeutig

  • einen fest umrissenen Begriff begrifflich festgelegten Inhalt

verbindet.

In diesen Fällen ist im Zweifel anzunehmen, dass auch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen darunter nichts anderes verstehen wollen, außer

Nachdem es über die Auslegung der Versicherungsbedingungen zwischen Versicherungsnehmern und Versicherern häufig zum Streit kommt, ist es empfehlenswert sich frühzeitig von einem Rechtsanwalt, insbesondere einem Anwalt der gleichzeitig die Qualifikation „Fachanwalt für Versicherungsrecht“ hat, beraten zu lassen.

OLG Koblenz entscheidet, dass, wenn ein als Mietwagen genutzter Pkw beim Verkauf als Werkswagen bezeichnet wird

…. der Käufer zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt ist.

Mit Urteil vom 25.07.2019 – 6 U 80/19 – hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz in einem Fall, in dem ein Kraftfahrzeughändler einen Gebrauchtwagen,

  • der vom Vorbesitzer, einer internationalen Autovermietung als Mietwagen genutzt worden war,

beim Verkauf

  • ausdrücklich als Werkswagen der betreffenden Fahrzeugherstellerin

bezeichnet hatte, entschieden, dass

  • das verkaufte Fahrzeug mangelhaft ist (§ 434 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)),
    • weil es nicht die vereinbarte Beschaffenheit eines Werkwagens aufweist und deswegen

der Fahrzeugkäufer vom Kaufvertrag zurücktreten kann.

Begründet hat das OLG dies damit, dass beim Autokauf der Begriff Werkswagen allgemein so verstanden wird, dass das Fahrzeug

  • entweder im Werk zu betrieblichen Zwecken genutzt wurde
  • oder von einem Mitarbeiter vergünstigt gekauft, eine gewisse Zeit genutzt und dann auf dem freien Markt wiederverkauft wird,

eine Nutzung als Mietwagen

  • hingegen üblicherweise mit dem Begriff Werkswagen nicht verbunden werde

und es für die Auslegung des Vertragsinhaltes grundsätzlich darauf ankomme,

Was, wer eine Lebensversicherung abschließt, beachten sollte

Legen Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung durch eine gegenüber dem Versicherer abzugebende Erklärung fest,

  • wem die Versicherungsleistung nach ihrem Tode zustehen soll,

sollten Sie

  • durch klare, eindeutige, nicht interpretationsbedürftige Formulierungen über dieses Bezugsrecht bestimmen.

Das hilft Streit zu vermeiden und Gerichte sind dann nicht gezwungen Erklärungen auszulegen, was zu für die Beteiligten nicht immer vorhersehbaren und dem Versicherungsnehmer möglicherweise gar nicht gewünschten Ergebnissen führen kann.

Schließt ein lediger Versicherungsnehmer eine Lebensversicherung ab und bestimmt er

  • dass die Versicherungsleistung nach seinem Tode den „Eltern, bei Heirat Ehegatte“ zustehen soll,

ist,

  • wenn der Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt seines Todes geschieden war und von seiner Tochter als testamentarischer Alleinerbin beerbt worden ist,

unklar, ob die Versicherungsleistung

  • seinen Eltern,
  • seiner geschiedenen Ehefrau oder
  • seiner Tochter als Alleinerbin

zusteht.

Vom 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm ist die Formulierung „Eltern, bei Heirat Ehegatte“ mit Beschluss vom 13.05.2016 – 20 W 20/16 – dahin ausgelegt worden, dass in dem obigen Fall Anspruchsberechtigte der Versicherungsleistung die Eltern des Versicherungsnehmers sind.

Aus der vom Versicherungsnehmer gewählten Formulierung „Eltern, bei Heirat Ehegatte“ komme zum Ausdruck, so der Senat, dass

  • die Bezugsberechtigung des potentiellen Ehegatten nur für die Dauer der Ehe bestehen, also die Ehefrau die Versicherungsleistung nach der Scheidung nicht mehr erhalten solle und
  • die Eltern als ursprünglich Bezugsberechtigte erneut bestimmt sein sollten, wenn es beim Tode des Versicherungsnehmers keinen vorrangig zu berücksichtigenden Ehegatten gebe.

Daraus, dass die Bezugsberechtigung der Eltern während der Dauer der Ehe zu Gunsten der Ehefrau entfallen sei, so der Senat weiter, folge nämlich nicht, dass die Eltern bei der Beendigung der Ehe nicht erneut berechtigt sein sollten.

Im Gegensatz dazu war von der Tochter des Versicherungsnehmers die Ansicht vertreten worden,

  • dass das Bezugsrecht der Eltern des Versicherungsnehmers mit dessen Heirat entfallen sei und
  • deshalb nunmehr ihr als Alleinerbin die Versicherungsleistung zustehe (Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm vom 14.12.2016).

Was Jeder wissen muss, der aus Gefälligkeit Nachbarschaftshilfe leistet

Wer es beispielsweise

  • während des Urlaubs des Nachbarn aus Gefälligkeit übernimmt, dessen Garten zu bewässern, es dabei fahrlässig versäumt zum Schluss den Außenwasserhahn zu schließen und dadurch einen Wasserschaden am Haus des Nachbarn verursacht,

ist nach § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) schadensersatzpflichtig,

  • wenn er durch Vereinbarung mit dem Nachbarn seine Haftung für von ihm verursachte Schäden nicht ausgeschlossen oder nicht zumindest auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt hatte.

Das bedeutet, ist in einem Fall wie dem obigen, nicht zumindest eine Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit vereinbart worden, steht

  • dem Nachbarn und
  • wenn dessen Gebäudeversicherung den Schaden reguliert hat, dieser gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) aus übergegangenem Recht,

ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB gegen den Gefälligen auch dann zu, wenn

  • dem Gefälligen nur einfache Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann.

Darauf hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 26.04.2016 – VI ZR 467/15 – hingewiesen.

Begründet hat der Senat dies damit,

  • dass für den bei der Ausführung einer Gefälligkeit entstandenen Schaden keine vertraglichen, sondern nur deliktische Ansprüche in Betracht kommen (BGH, Urteil vom 09.06.1992 – VI ZR 49/91 –),
  • dass gesetzliche Haftungsbeschränkungen, insbesondere solche, die für unentgeltliche Verträge gelten (z.B. §§ 521, 599, 690 BGB), auf die deliktische Haftung im Rahmen der unentgeltlichen Nachbarschaftshilfe nicht, auch nicht entsprechend, anwendbar sind,
  • dass nicht ohne weiteres angenommen werden kann, dass jemand, dem eine Gefälligkeit erwiesen wird, auf deliktische Schadensersatzansprüche verzichtet und
  • dass selbst der Gefälligkeitserweis in einer engen persönlichen Beziehung nicht ohne Weiteres die Annahme eines Haftungsverzichts rechtfertigt,

sondern dass für die Annahme einer Haftungsbeschränkung im Wege ergänzender Vertragsauslegung auf der Grundlage des § 242 BGB grundsätzlich erforderlich ist, dass

  • der Schädiger keinen Haftpflichtversicherungsschutz genießt,
  • für ihn (wegen der Gefahrengeneigtheit der Tätigkeit) ein nicht hinzunehmendes Haftungsrisiko bestehen würde und
  • darüber hinaus besondere Umstände vorliegen, die im konkreten Fall einen Haftungsverzicht als besonders nahe liegend erscheinen lassen (BGH, Urteile vom 10.02.2009 – VI ZR 28/08 – und vom 13.07.1993 – VI ZR 278/92 –).