Tag Insolvenzrecht

Wann sind Zahlungen in einem Arbeitsverhältnis unentgeltlich und nach § 134 InsO anfechtbar?

Vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vom Schuldner vorgenommene Zahlungen können, wenn einer der in §§ 129 ff. Insolvenzordnung (InsO) aufgeführten Tatbestände vorliegt, vom Insolvenzverwalter angefochten und auf diese Weise rückgängig gemacht werden.
So sind beispielsweise in den letzten vier Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte

  • unentgeltliche Leistungen des Schuldners,
  • also etwa Zahlungen des Schuldners, denen nach der ihnen zugrundeliegenden Vereinbarung keine Gegenleistung gegenübersteht,

 

nach § 134 Abs. 1 InsO ohne weitere Voraussetzungen anfechtbar.

Darauf hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) mit Urteil vom 17.12.2015 – 6 AZR 186/14 – hingewiesen und in einem Fall,

  • in dem der Insolvenzverwalter von der beklagten Ehefrau des Schuldners, über dessen Vermögen auf Antrag vom 09.10.2009 im Januar 2010 das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, die Rückzahlung des ihr vom Schuldner zwischen Oktober 2005 und August 2009 gezahlten Nettoentgelts von 29.696,01 Euro mit der Begründung begehrt hatte,

 

der Klage stattgegeben,

  • weil die im Betrieb ihres Ehemanns seit September 2003 angestellte beklagte Ehefrau des Schuldners, nach der Trennung der Eheleute ab Anfang Januar 2005 von der Arbeitsleistung freigestellt worden war und fortan das vereinbarte Entgelt von 1.100,00 Euro brutto monatlich ohne Gegenleistung erhalten hatte.

 

Wie der Senat in seiner Entscheidung ausgeführt hat,

  • sind Entgeltzahlungen, die in einem Arbeitsverhältnis als Gegenleistung für die geleistete Arbeit erfolgen, grundsätzlich zwar auch dann entgeltlich, wenn gesetzliche oder tarifliche Bestimmungen den Grundsatz „kein Entgelt ohne Arbeit“ durchbrechen und z.B. an Feiertagen, für die Zeit des Urlaubs, der Arbeitsunfähigkeit oder der Freistellung von der Arbeitspflicht wegen Arbeitsmangels eine Entgeltzahlungspflicht ohne Arbeitsleistung vorsehen, weil der Arbeitgeber dann mit derartigen Zahlungen gesetzliche oder tarifliche Verbindlichkeiten als Teil seiner Hauptleistungspflicht erfüllt,
  • jedoch sind Entgeltzahlungen dann unentgeltlich und damit nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar, wenn ein Arbeitnehmer, wie hier die Beklagte, trotz vorhandener Arbeit von der Arbeitspflicht freigestellt worden ist, weil in einem solchen Fall durch die Freistellung der Inhalt des Arbeitsverhältnisses dahingehend geändert wird, dass der Arbeitnehmer für das Arbeitsentgelt keine Gegenleistung erbringen muss.

 

Das hat die Pressestelle des Bundesarbeitsgerichts am 17.12.2015 – 65/15 – mitgeteilt.

 

Herausgabe von Steuerkontoauszügen an Insolvenzverwalter verletzt nicht das Steuergeheimnis

Insolvenzverwalter können vom Finanzamt regelmäßig Einsicht in die den insolventen Schuldner betreffenden steuerlichen Unterlagen verlangen, ohne dass das Steuergeheimnis dem entgegensteht.

Darauf hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster hat mit Urteilen vom 24.11.2015 – 8 A 1032/14, 8 A 1073/14, 8 A 1074/14, 8 A 1126/14 – in vier Fällen hingewiesen, in denen

  • Insolvenzverwalter unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG NRW) bei dem jeweils für den Insolvenzschuldner zuständigen Finanzamt beantragt hatten,
  • ihnen die Steuerkontoauszüge des Schuldners zu näher bezeichneten Zeiträumen zur Verfügung zu stellen, weil sie mit deren Hilfe ermitteln wollten, ob Zahlungen auf Steuerschulden gegebenenfalls der Insolvenzanfechtung unterliegen.

 

Der Offenbarung der steuerlichen Verhältnisse des insolventen Schuldners gegenüber dem Insolvenzverwalter, soweit diese die Insolvenzmasse betreffen, aufgrund des in derartigen Fällen nach dem IFG NRW bestehenden Informationsanspruchs, steht, wie der 8. Senat des OVG Münster ausgeführt hat, das Steuergeheimnis nach § 30 Abgabenordnung (AO) nicht entgegen, weil durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens

  • das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter übergeht (§ 80 Insolvenzordnung – InsO),
  • das auch die Verfügungsbefugnis über Informationen bzw. „Geheimnisse“ einschließt, deren Kenntnis zur Verwaltung der Insolvenzmasse und sachgerechten Wahrung der Gläubigerrechte erforderlich ist und
  • nach § 97 InsO der Schuldner ohnehin verpflichtet ist, dem Insolvenzverwalter über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben.

 

Das hat die Pressestelle des Oberverwaltungsgerichts Münster am 24.11.2015 mitgeteilt.

 

Bank muss nach sogenannter Vorsatzanfechtung freiwillige Leistungen eines Schuldners an Insolvenzverwalter zurückzahlen.

Die Anfechtungstatbestände in §§ 129 ff. Insolvenzordnung (InsO) ermöglichen es dem Insolvenzverwalter, vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene Schmälerungen der Insolvenzmasse rückgängig zu machen.
Ist eine Anfechtung erfolgreich und müssen infolge dessen Rückzahlungen geleistet werden erhöht sich dadurch die Insolvenzmasse und es profitieren alle Gläubiger des Schuldners entsprechend ihrer Quoten im Insolvenzverfahren.
Nach § 133 InsO können in den letzten 10 Jahren vor dem Insolvenzantrag erfolgte Zahlungen des Schuldners angefochten werden, wenn der Schuldner mit dem Vorsatz seine Gläubiger zu benachteiligen, gehandelt hat und der Gläubiger im Zeitpunkt der Handlung diesen Vorsatz kannte.

Aufgrund einer solchen sog. Vorsatzanfechtung hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg mit Urteil vom 16.10.2014 – 1 U 9/14 – eine Bank zur Rückzahlung von mehr als 8.000 € verpflichtet.

Im dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der Schuldner, bei dem bereits seit Jahren die Zahlungsunfähigkeit drohte, vor der Eröffnung des Privatinsolvenzverfahrens über sein Vermögen und der Einsetzung des Insolvenzverwalters durch das Amtsgericht, auf Druck einer Bank an diese in den Jahren 2006 bis 2010 unter Vermittlung des Gerichtsvollziehers Kreditrückzahlungen in Höhe von insgesamt 8.640 € geleistet, nachdem von der Bank der Kontokorrentkredit des Schuldners im Jahr 2005 gekündigt worden war und sie sich den Bemühungen des Schuldners zur Bewilligung weiterer Kreditmittel zur Umschuldung und Zusammenfassung seiner Verbindlichkeiten verweigert hatte.

Die 8.640 € muss die Bank jetzt an den Insolvenzverwalter zurückzahlen.

Der 1. Zivilsenat des OLG Oldenburg zeigte sich nach Durchführung einer Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Schuldner mit den Zahlungen an die Bank seine übrigen Gläubiger habe benachteiligen wollen.

  • Denn der Schuldner habe gewusst, dass er seine Schulden nicht vollständig wird begleichen können und nur an die Bank gezahlt, weil diese Druck auf ihn ausgeübt hätte. Andere Gläubiger erhielten hingegen kein Geld.

Die Bank wiederum habe Kenntnis davon gehabt, dass der Schuldner mit der Rückzahlung an sie die übrigen Gläubiger benachteiligen wollte.

  • Zwar wird ein einzelner Gläubiger, der von seinem Schuldner Leistungen erhält, zunächst nicht wissen können wie es um das Vermögen des Schuldners im Übrigen bestellt ist.
    Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs soll jedoch eine Kenntnis von drohender Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und einer Gläubigerbenachteiligung dann regelmäßig anzunehmen sein, wenn die Verbindlichkeiten des Schuldners über einen längeren Zeitraum hinweg ständig in beträchtlichem Umfang nicht ausgeglichen werden.
    Hier hatte die Bank den Kontokorrentkredit des Schuldners bereits im Jahr 2005 gekündigt und sich danach den Bemühungen des Schuldners zur Bewilligung weiterer Kreditmittel zur Umschuldung und Zusammenfassung seiner Verbindlichkeiten verweigert. Ferner hatte ein Vollstreckungsversuch wegen einer Forderung von 12.000 € im Jahr 2006 lediglich zu einer Zahlung von knapp 350 € geführt.
    Danach musste es sich der Bank aufdrängen, dass beim Schuldner eine Zahlungsunfähigkeit drohte und weitere Gläubiger vorhanden waren.

Die von der Bank vertretene Ansicht, die Verbindlichkeiten seien durch den Gerichtsvollzieher vollstreckt worden und müssten deshalb nicht zurückgezahlt werden, teilte der Senat nicht.
Nur im Falle der Zwangsvollstreckung sei eine Anfechtung nicht möglich. Vorliegend habe der Schuldner die Zahlungen aber freiwillig geleistet. Der Gerichtsvollzieher habe die Ratenzahlung lediglich vermittelt und nicht vollstreckt.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Oldenburg am 23.10.2014 mitgeteilt.

 

Zu den Verpflichtungen eines Schuldners im eröffneten Insolvenzverfahren wenn die selbständige Tätigkeit vom Insolvenzverwalter freigegeben ist und zu den Ansprüchen des Insolvenzverwalters in einem solchen Fall.

Zu den vom Schuldner nach einer Freigabe gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 Insolvenzordnung (InsO) zu beachtenden Pflichten gehört es, dass er die nach § 295 Abs. 2 InsO maßgeblichen Beträge schon im Laufe des Insolvenzverfahrens an den Insolvenzverwalter abführt. Hierbei handelt es sich nicht lediglich um eine Obliegenheit, die eine Versagung der Restschuldbefreiung zur Folge haben kann, sondern um eine eigenständige Abführungspflicht, auf deren Einhaltung der Insolvenzverwalter einen unmittelbaren Anspruch hat (Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 13.06.2013 – IX ZB 38/10 –).
Sie gebietet im Regelfall eine jährliche Zahlung (vgl. BGH, Beschluss vom 19.07.2012 – IX ZB 188/09 –; vom 13.06.2013 – IX ZB 38/10 –).

Diesen Anspruch gegen den Schuldner muss der Insolvenzverwalter gegebenenfalls im Klageweg verfolgen.
Zuständig für die Entscheidung, ob und in welcher Höhe sich ein Anspruch des Verwalters gegen den Schuldner aus der gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO entsprechenden Anwendung des § 295 Abs. 2 InsO ergibt, ist das Prozessgericht.

Verpflichtet, nach § 35 Abs. 2 Satz 2, § 295 Abs. 2 InsO etwas an die Insolvenzmasse abzuführen, ist der Schuldner nur dann, wenn er tatsächlich einen Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit erzielt hat, der den unpfändbaren Betrag bei unselbständiger Tätigkeit übersteigt.
Die Abführungspflicht ist zudem nach dem Maßstab des § 295 Abs. 2 InsO der Höhe nach beschränkt auf den pfändbaren Betrag, den er bei unselbständiger Tätigkeit erzielen würde.

Den Schuldner trifft im laufenden Insolvenzverfahren nach derzeit geltendem Recht nicht die Pflicht, ein abhängiges Dienstverhältnis oder eine selbständige Tätigkeit auszuüben, weil seine Arbeitskraft nicht in die Masse fällt (BGH, Urteil vom 11.05.2006 – IX ZR 247/03 –; Beschluss vom 18.12.2008 – IX ZB 249/07 –; vom 13.06.2013 – IX ZB 38/10 –).
Übt er eine unselbständige Tätigkeit aus, fällt gleichwohl der pfändbare Teil seines Arbeitseinkommens als Neuerwerb gemäß § 35 Abs. 1 InsO in die Masse.
Geht er einer selbständigen Tätigkeit nach, werden alle Einkünfte aus dieser Tätigkeit vom Insolvenzbeschlag erfasst (BGH, Beschluss vom 09.06.2011 – IX ZB 175/10 –).

Ist die selbständige Tätigkeit vom Insolvenzverwalter jedoch gemäß § 35 Abs. 2 InsO freigegeben, besteht gegenüber der Masse lediglich die Abführungspflicht entsprechend § 295 Abs. 2 InsO.
Maßstab für die Höhe der Abführungspflicht ist das nach § 295 Abs. 2 InsO zu bestimmende pfändbare fiktive Nettoeinkommen (BGH, Beschluss vom 13.06.2013 – IX ZB 38/10 –).

Der Schuldner ist dem Insolvenzverwalter gegenüber umfassend auskunftspflichtig hinsichtlich der Umstände, die für die Ermittlung des fiktiven Maßstabs erforderlich sind, aus denen sich die ihm mögliche abhängige Tätigkeit und das anzunehmende fiktive (Netto-)Einkommen ableiten lassen (BGH, Beschluss vom 14.05.2009 – IX ZB 116/08 –; vom 26.02.2013 – IX ZB 165/11 –; vom 13.06.2013 – IX ZB 38/10 –).

Im Prozess hat der Insolvenzverwalter für seine Leistungsanträge die hierfür erforderlichen Voraussetzungen, insbesondere die dem Schuldner mögliche Tätigkeit in abhängiger Stellung, darzulegen und zu beweisen.
Das schließt auch die Frage ein, ob entsprechende Stellen auf dem Arbeitsmarkt verfügbar sind.
Hinsichtlich seiner Qualifikation und Leistungsfähigkeit trifft den Schuldner jedoch im Umfang seiner im Insolvenzverfahren bestehenden Auskunftspflicht eine sekundäre Darlegungslast.

Liegt der tatsächliche Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit im fraglichen Zeitraum unterhalb des pfändbaren Betrages bei abhängiger Tätigkeit, besteht, wie dargelegt, keine Abführungspflicht.
Außerhalb des Rechtsstreits ist der Schuldner in diesem Falle hinsichtlich seiner Gewinnermittlung dem Verwalter umfassend auskunftspflichtig (BGH, Beschluss vom 13.06.2013 – IX ZB 38/10 –).
Im Streitverfahren trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast, dass sein Gewinn unterhalb des ermittelten pfändbaren Betrages bei abhängiger Tätigkeit bleibt und er deshalb von der Abführungspflicht entsprechend § 295 Abs. 2 InsO befreit ist.

Darauf hat der IX. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 13.03.2014 – IX ZR 43/12 – hingewiesen.

 

Wirkung der vom Insolvenzverwalter erklärten „Freigabe“ des Mietverhältnisses über die Wohnung des Insolvenzschuldners.

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Urteil vom 09.04.2014 – VIII ZR 107/13 – entschieden, dass der Vermieter nach dem Wirksamwerden der Freigabeerklärung gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO gegenüber dem Mieter kündigen kann, weil durch die Enthaftungserklärung des Insolvenzverwalters der Mieter die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis über das Mietverhältnis zurückerhält.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war der Kläger seit dem 01.04.2007 Mieter einer Wohnung der Beklagten in Hamburg.
Vor Abschluss des Mietvertrages hatte der Kläger (Mieter) von der Verwalterin der Beklagten (Vermieter) ein Formular einer „Vorvermieterbescheinigung“ erhalten. Darin sollte der bisherige Vermieter des Klägers bestätigen, wie lange das Mietverhältnis gedauert hat und ob der Mieter die Kaution und die Miete pünktlich gezahlt hat und seinen sonstigen Verpflichtungen aus dem Mietvertrag nachgekommen ist.
Der Kläger (Mieter) gab die Formulare vor Vertragsschluss ausgefüllt zurück. Danach hatte er seit 2003 von einem Dritten eine Wohnung zu einer Miete von 695 € gemietet und seine Pflichten aus dem Mietvertrag stets pünktlich erfüllt.

Am 05.11.2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers (Mieters) eröffnet. Der vom Gericht eingesetzte Treuhänder erklärte mit Schreiben vom 03.12.2009 die „Freigabe“ des Mietverhältnisses gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO.
Mit Schreiben vom 16.09.2010 erklärten die Beklagten (Vermieter) gegenüber dem Kläger (Mieter) die fristlose Kündigung des Mietvertrags, weil die Vorvermieterbescheinigung gefälscht gewesen sei. Weder habe der Kläger (Mieter) an der angegebenen Adresse gewohnt noch mit dem genannten Vermieter in dem genannten Zeitraum überhaupt einen Mietvertrag abgeschlossen.

Gegenstand des Revisionsverfahrens war allein der von den Beklagten (Vermietern) mit der Widerklage (unter anderem) geltend gemachte Räumungsanspruch.
Das Amtsgericht (AG) hatte die Widerklage insoweit abgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten (Vermieter) war das amtsgerichtliche Urteil vom Landgericht (LG) abgeändert und der Räumungsklage stattgegeben worden.

Die vom BGH zugelassene Revision, mit der der Kläger (Mieter) die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erstrebte, führte zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zur weiteren Sachaufklärung.

Nach der Entscheidung des VIII. Zivilsenats des BGH kann der Vermieter nach dem Wirksamwerden der Freigabeerklärung gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO gegenüber dem Mieter kündigen. Denn durch die Enthaftungserklärung des Insolvenzverwalters erhält der Mieter die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis über das Mietverhältnis zurück.
Auch ist in der Vorlage einer gefälschten Vorvermieterbescheinigung eine erhebliche Verletzung (vor-)vertraglicher Pflichten zu sehen, die die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses rechtfertigen kann.
Da vom Berufungsgericht allerdings das Vorbringen des Klägers (Mieters), die Beklagten (Vermieter) hätten bereits im Jahr 2007 Kenntnis von der Fälschung erlangt, so dass die im September 2010 ausgesprochene fristlose Kündigung wegen Verspätung unwirksam sei, rechtsfehlerhaft übergangen worden ist, hat der BGH die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 09.04.2014 – Nr. 61/2014 – mitgeteilt.

 

Zur Insolvenzanfechtung von im Wege des Bargeschäfts erfolgten Lohnzahlungen.

Die Anfechtungstatbestände in §§ 129 ff. Insolvenzordnung (InsO) ermöglichen es dem Insolvenzverwalter, vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene Schmälerungen der Insolvenzmasse rückgängig zu machen.
Nach § 133 InsO können in den letzten 10 Jahren vor dem Insolvenzantrag erfolgte Entgeltzahlungen angefochten werden, wenn der Arbeitgeber mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, gehandelt hat und der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Zahlung diesen Vorsatz kannte.
Eine solche sog. Vorsatzanfechtung ist auch möglich, wenn das Entgelt als Gegenleistung für die in engem zeitlichen Zusammenhang erbrachte gleichwertige Arbeitsleistung gezahlt wird und damit ein Bargeschäft i.S.d. § 142 InsO vorliegt.
Ob der Arbeitgeber mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt hat und der Arbeitnehmer davon Kenntnis hatte, kann nur aus Indizien hergeleitet werden.
Ein Indiz von besonderer Bedeutung ist die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers.
Allerdings sind die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nicht stets schon dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber zahlungsunfähig war und der Arbeitnehmer dies wusste. Vielmehr muss auch dieses Indiz einzelfallbezogen auf seine Beweiskraft hin geprüft werden.
Erfolgt die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts, kann sich auch bei Kenntnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit der Wille des Arbeitgebers darauf beschränken, eine gleichwertige Gegenleistung für die zur Fortführung des Unternehmens nötige Arbeitsleistung zu erbringen, ohne dass ihm eine damit verbundene Gläubigerbenachteiligung bewusst wird.

Darauf hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 29.01.2014 – 6 AZR 345/12 – hingewiesen.

In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall war die Beklagte bis zum 31.12.2007 bei der Schuldnerin als Alleinbuchhalterin beschäftigt. Über das Vermögen der Schuldnerin wurde auf Antrag vom 10.08.2007 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Die Schuldnerin war seit Anfang 2007 zahlungsunfähig. Die Beklagte erhielt gleichwohl wie alle Arbeitnehmer der Schuldnerin ihr Entgelt stets zum Fälligkeitszeitpunkt gezahlt.
Der Kläger begehrte unter dem Gesichtspunkt der Vorsatzanfechtung die Rückzahlung des für die Zeit von Januar bis Juli 2007 gezahlten Nettoentgelts von 10.023,30 Euro zur Insolvenzmasse.
Er machte geltend, auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Wege des Bargeschäfts lägen bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung vor.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Die Revision des Klägers hatte vor dem Sechsten Senat des BAG keinen Erfolg.
Im Hinblick auf den Bargeschäftscharakter der Entgeltzahlungen hat das Landesarbeitsgericht (LAG) rechtsfehlerfrei für den Einzelfall die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung verneint.
Der Senat konnte deshalb dahinstehen lassen, ob bei verfassungskonformer Auslegung der §§ 129 ff. InsO das Existenzminimum von der Anfechtung nicht erfasst wird.

Das hat die Pressestelle des Bundesarbeitsgerichts am 29.01.2014 – Nr. 6/14 – mitgeteilt.
 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

 

Insolvenzordnung (InsO) – Nullplan oder Fast-Nullplan ist zulässig und kann auch Gegenstand einer gerichtlichen Zustimmungsersetzung sein.

Der Bundesgerichtshof (BGH), der dies in seiner Rechtsprechung bisher offen gelassen hat, hat mit Beschluss vom 10.10.2013 – IX ZB 97/12 – entschieden, dass ein Nullplan oder ein Schuldenbereinigungsplan, der aufgrund seiner geringen Befriedigungsquote einem derartigen Plan gleichkommt, zulässig ist und auch Gegenstand einer gerichtlichen Zustimmungsersetzung nach § 309 InsO sein kann.

Danach sind Gründe, die der Zulässigkeit von Nullplänen entgegenstehen könnten, der Insolvenzordnung nicht zu entnehmen. Diese setzt keine bestimmte Mindestquote als Ergebnis einer konkursmäßigen Befriedigung voraus.
Bestimmte inhaltliche Vorgaben für den vom Schuldner nach § 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO vorzulegenden Schuldenbereinigungsplan enthält das Gesetz nicht. Die Gläubiger sollen vielmehr privatautonom bestimmen, ob sie mit dessen Inhalt einverstanden sind. Eine gerichtliche Inhaltskontrolle ist nicht vorgesehen.
Die Voraussetzungen für eine gerichtliche Zustimmungsersetzung werden allein durch § 309 InsO geregelt. Danach kommt eine Ersetzung der Zustimmung eines widersprechenden Gläubigers nur in Betracht, wenn mehr als die Hälfte der Gläubiger nach der Summe ihrer Ansprüche und der Zahl ihrer Köpfe dem Schuldenbereinigungsplan zugestimmt hat (§ 309 Abs. 1 S. 1 InsO).
Die Entscheidung, ob eine Annahme des Schuldenbereinigungsplans möglich ist oder dieser von vornherein abgelehnt wird, obliegt den Gläubigern und nicht dem Insolvenzgericht. Sie ist Ausfluss der Gläubigerautonomie im Insolvenzverfahren.

Lehnen die Gläubiger mehrheitlich den Plan ab, ist eine gerichtliche Zustimmungsersetzung ausgeschlossen.
Stimmen sie mehrheitlich dem Plan zu, besteht keine Veranlassung, über das Gesetz hinaus weitere Voraussetzungen zu schaffen, denen der vom Schuldner vorgelegte Schuldenbereinigungsplan genügen muss.

Der Gefahr, dass Gläubiger mehrheitlich für den Plan stimmen, denen es nicht um die Befriedigung ihrer eigenen Forderungen, sondern um die Erzwingung einer Restschuldbefreiung zum Nulltarif geht wird dadurch begegnet, dass die Zustimmung eines Gläubigers, der Tatsachen glaubhaft macht, aus denen sich ernsthafte Zweifel ergeben, ob eine vom Schuldner angegebene Forderung besteht, nicht nach § 309 Abs. 3 S. 1 InsO und auch dann nicht ersetzt werden kann, wenn davon abhängt, ob die Kopf- und Summenmehrheit der zustimmenden Gläubiger erreicht wird.
Werden solche Zweifel nicht erhoben und glaubhaft gemacht, gibt es keine gesetzliche Grundlage dafür weitere Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Schuldenbereinigungsplänen aufzustellen.

Der von Teilen der Rechtsprechung und des Schrifttums vertretenen Auffassung, wonach die Vorlage von Nullplänen oder Fast-Nullpänen zulässig, eine Zustimmungsersetzung gemäß § 309 Abs. 1 S. 1 InsO aber unzulässig sein soll, weil in diesen Fällen niemals ausgeschlossen werden könne, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners im Verlauf eines Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens verbesserten und der Schuldner schließlich doch eine Befriedigungsquote leisten könne, folgt der BGH nicht.
Aus dem Gesetz sind nämlich entsprechende Einschränkungen nicht zu entnehmen. Das Erfordernis von Besserungs- oder Anpassungsklauseln, die Zahlungen des Schuldners für den Fall vorsehen, dass es während eines bestimmten Zeitraums, der etwa dem eines durchzuführenden Insolvenzverfahrens entspricht, zu einer Verbesserung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse kommt, ist nach seiner Ansicht aus dem Gesetz heraus nicht zu begründen.

Nach der Begründung des Rechtsausschusses des Bundestages zu § 309 InsO (BT-Drucks. 12/7302 S. 192 zu § 357f EInsO) soll durch die Vorschrift die Entscheidung über die Frage erleichtert werden, ob der Gläubiger durch den Plan wirtschaftlich schlechter gestellt wird, und es soll vermieden werden, dass das Insolvenzgericht bei dieser Entscheidung langwierige Prüfungen und Beweisaufnahmen durchführen muss. Um dies zu gewährleisten, ist es Sache der Gläubiger, solche Gesichtspunkte vorzutragen und glaubhaft zu machen, welche der Zustimmungsersetzung entgegenstehen.
Würde man über die Regelung des § 309 InsO hinaus Bedingungen und Klauseln verlangen, mittels derer der Schuldner sicherstellt, dass zukünftige Entwicklungen berücksichtigt werden, unterliefe man die gesetzliche Fiktion des § 309 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 2. HS InsO, nach der im Zweifel von gleichbleibenden wirtschaftlichen Verhältnissen auszugehen ist.
Die Ersetzung der Zustimmung als wichtiges Instrument zur Förderung gerichtlicher Entscheidungen und damit zur Gerichtsentlastung bliebe wirkungslos, weil entgegen den Vorstellungen des Gesetzgebers die zukünftige Entwicklung der Eigentums- und Vermögensverhältnisse des Schuldners doch wieder in die Entscheidung einbezogen werden müsste.
Eine Berücksichtigung fiktiver künftiger Entwicklungsmöglichkeiten findet deshalb nicht statt.
Künftige Veränderungen sind nur dann in die Entscheidung einzubeziehen, wenn sie absehbar und von den Gläubigern vorgetragen und glaubhaft gemacht sind.
So kann etwa der bevorstehende Abschluss einer Berufsausbildung oder die Veränderung der persönlichen Verhältnisse – beispielsweise die Geburt eines Kindes – Veranlassung geben, dies in die Entscheidung, ob der Gläubiger durch den Schuldenbereinigungsplan schlechter gestellt wird, einbezogen werden, sofern Entsprechendes glaubhaft gemacht ist.
Bloß theoretische Änderungsmöglichkeiten müssen dagegen ebenso unberücksichtigt bleiben, wie abstrakte Klauseln, denen keine absehbare künftige Entwicklung zugrunde liegt.

 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

Insolvenzordnung (InsO) – Wann liegt eine anfechtbare unentgeltliche Leistung des Schuldners vor?

Nach § 134 Abs. 1 InsO ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners anfechtbar, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden.

Bei der Beurteilung, ob eine Leistung des Schuldners unentgeltlich im Sinne dieser Vorschrift erfolgte, ist zwischen

  • Zwei-Personen-Verhältnissen und 
  • Drei-Personen-Verhältnissen 

zu unterscheiden.

Im Zwei-Personen-Verhältnis ist eine Verfügung als unentgeltlich anzusehen, wenn ihr nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Leistung gegenübersteht, dem Leistenden also keine dem von ihm aufgegebenen Vermögenswert entsprechende Gegenleistung zufließen soll.

Wird eine dritte Person in den Zuwendungsvorgang eingeschaltet, kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Leistende selbst einen Ausgleich für seine Leistung erhalten hat; maßgeblich ist vielmehr, ob der Zuwendungsempfänger seinerseits eine Gegenleistung zu erbringen hat. 
Bezahlt der Leistende eine gegen einen Dritten gerichtete Forderung des Zuwendungsempfängers, liegt dessen Gegenleistung in der Regel darin, dass er mit der Leistung, die er gemäß § 267 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) nur bei Widerspruch seines Schuldners ablehnen kann, eine werthaltige Forderung gegen diesen verliert. 
Ist hingegen die Forderung des Zuwendungsempfängers wertlos, verliert dieser wirtschaftlich nichts, was als Gegenleistung für die Zuwendung angesehen werden kann. 
In solchen Fällen ist die Tilgung einer fremden Schuld als unentgeltliche Leistung anfechtbar. 
Der Zuwendungsempfänger ist gegenüber den Insolvenzgläubigern des Leistenden nicht schutzwürdig; denn er hätte ohne dessen Leistung, auf die er keinen Anspruch hatte, seine Forderung nicht durchsetzen können.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 17.10.2013 – IX ZR 10/13 – hingewiesen.

 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

Erbrechtlicher Erwerb vor oder während des Insolvenzverfahrens – Wann fällt was in die Insolvenzmasse – Wann Insolvenzanfechtung nicht möglich ist.

Ist ein Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder während des Verfahrens Erbe geworden, fällt der Nachlass bis zur Annahme oder zur Ausschlagung (§§ 1942 ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) vorläufig in die Masse (§ 1922 Abs. 1 BGB, § 35 Insolvenzordnung (InsO)).

Die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft steht wegen ihrer höchstpersönlichen Natur ausschließlich dem Schuldner zu (§ 83 Abs. 1 InsO). Die wirksame Ausschlagung beseitigt den Anfall der Erbschaft von Anfang an (§ 1953 Abs. 1 BGB ). Hat der Erbe die Erbschaft angenommen, kann er sie gemäß § 1943 BGB nicht mehr ausschlagen, es tritt hinsichtlich der Erbschaft Vollerwerb ein. Ab diesem Zeitpunkt ist der Nachlass endgültig Bestandteil der Insolvenzmasse, aus der die Nachlassgläubiger und die Eigengläubiger des Erben (Erbengläubiger) zu befriedigen sind, sofern nicht eine Trennung der Vermögensmassen durch Insolvenzverwalter, Erben oder Nachlassgläubiger herbeigeführt wird.

Die Ausschlagung einer Erbschaft ist der Insolvenzanfechtung entzogen, auch wenn der Ausschlagende im Einvernehmen mit dem an seine Stelle tretenden Erben mit dem Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung gehandelt hat.
Schlägt ein Erbe eine ihm in der Wohlverhaltensperiode angefallene Erbschaft aus, begeht er keine Obliegenheitsverletzung nach § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO.

Gleiches gilt für einen Erbverzicht (§§ 2346 ff BGB ) eines Schuldners. Dieser ist ebenfalls schon deshalb nicht anfechtbar, weil ein Verzichtender damit – bezogen auf die Erbenstellung – noch nicht einmal eine vorläufige Rechtsposition aufgibt, sondern nur die Aussicht auf ein künftiges Erbrecht

Für den Vermächtnisnehmer gilt entsprechendes. Seine Forderung kommt – wenn der Erblasser nichts anderes bestimmt hat – mit dem Erbfall zur Entstehung (§ 2176 BGB ) und fällt in die Masse. Der Vermächtnisnehmer kann das Vermächtnis jedoch – wie der Erbe die Erbschaft – annehmen oder ausschlagen (§ 2180 BGB ). Auch dieses Recht steht als höchstpersönlichem Recht in seiner Insolvenz allein dem Schuldner zu (§ 83 Abs. 1 InsO). Die Ausschlagung des Vermächtnisses ist ebenso wenig anfechtbar wie der Verzicht auf das Vermächtnis.
Auch die Ausschlagung des Vermächtnisses und der Verzicht stellen folgerichtig keine Obliegenheitsverletzung im Sinne von § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO dar.

Der Anspruch auf den Pflichtteil (§ 2303 BGB ) entsteht ebenfalls mit dem Erbfall (§ 2317 Abs. 1, § 1922 Abs. 1 BGB ). Von diesem Zeitpunkt an gehört er zum Vermögen des Pflichtteilsberechtigten. Gleichwohl ist § 852 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) so zu verstehen, dass vor der Anerkennung des Pflichtteilsanspruchs durch den Erben oder der Rechtshängigkeit des Anspruchs die Gläubiger des Pflichtteilsberechtigten den in seiner zwangsweisen Verwertbarkeit aufschiebend bedingten Pflichtteilsanspruch nur pfänden, nicht jedoch auf sich überweisen lassen können.
Als pfändbares Vermögen gehört der Anspruch nur vorläufig zur Insolvenzmasse (§ 35 Abs. 1, § 36 Abs. 1 InsO).
Wegen der familiären Verbundenheit zwischen dem Erblasser und dem Pflichtteilsberechtigten ist allein diesem die Entscheidung darüber vorbehalten, ob der Anspruch gegenüber dem Erben durchgesetzt werden soll. Dieses persönliche Entscheidungsrecht des Schuldners darf nicht durch Anwendung der Anfechtungsvorschriften unterlaufen werden.
Deswegen stellt der Verzicht auf die Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs in der Wohlverhaltensphase ebenfalls keine Obliegenheitsverletzung des Schuldners dar.

Darauf

  • und dass die vorgenannten Grundsätze auch dann gelten, wenn ein Schuldner an der Aufhebung seiner erbvertraglichen Einsetzung zum Erben mitwirkt (§ 2290 BGB ), weil auch diese Mitwirkung eine höchstpersönliche Entscheidung des Schuldners ist, ob und inwieweit er Erbe sein will und die Wirkungen dieser Entscheidung nicht durch die anfechtungsrechtliche Rückgewähr (§ 143 Abs. 1 InsO) unterlaufen werden dürfen,

hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 20.12.2012 – IX ZR 56/12 – hingewiesen.

 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

Insolvenzrecht – keine Pflicht zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Nach § 89 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO) sind während der Dauer des Insolvenzverfahrens Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig.
Dieses, während des Insolvenzverfahrens nach § 89 Abs. 1 InsO bestehende Vollstreckungsverbot, gilt auch für Anträge auf Abgabe einer eidesstattlichen Offenbarungsversicherung nach §§ 807, 899 ff ZPO.

Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 24.05.2012 – IX ZB 275/10 – entschieden und damit eine bislang umstrittene Rechtsfrage geklärt.
Die Entscheidung ist u. a. damit begründet worden, dass die eidesstattliche Offenbarungsversicherung nach §§ 807, 899 ff ZPO Bestandteil der Zwangsvollstreckung ist, die nur angeordnet werden darf, wenn die rechtlichen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung vorliegen.

 

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