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Dieselgate: Wie Käufer eines Dieselfahrzeugs den Geldbetrag errechnen können, den sie sich für die Fahrzeugnutzung anrechnen

…. lassen müssen, wenn sie vom Fahrzeughersteller, wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aufgrund Einsatzes einer unzulässigen Abschalteinrichtung, Erstattung des Kaufpreises,

  • gegen Zurverfügungstellung des Fahrzeugs, 

verlangen können und worauf sie in einem solchen Fall achten sollten.

Mit Urteil vom 30.07.2020 – VI ZR 354/19 – hat der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) darauf hingewiesen, dass

  • der Wert der Nutzungsvorteile, die sich Fahrzeugkäufer auf ihren Schadensersatzanspruch, also auf ihren Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises, anrechnen lassen müssen, 

errechnet werden kann nach der Formel 

  • „Bruttokaufpreis“ mal „gefahrene Strecke seit Erwerb“ geteilt durch „erwartete Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt“,

wobei als „erwartete Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt“ anzusetzen ist,

  • die durchschnittliche Gesamtlaufleistungserwartung eines Fahrzeugs der gekauften Art, 
    • die von den Gerichten teilweise mit 250.000 Kilometer und teilweise mit 300.000 Kilometer angenommen wird,  
  • abzüglich der Kilometer, die das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses bereits auf dem Tacho hatte.

Abhängig ist die Höhe des Anrechnungsbetrages damit, einerseits davon, 

  • ob ein Fahrzeugkäufer mit dem Fahrzeug viel oder nur wenig gefahren ist,

andererseits aber auch davon,

  • ob bei dem Fahrzeug eine Gesamtlaufleistungserwartung angenommen wird,
    • von 250.000 Kilometern oder 
    • von 300.000 Kilometern.

Bei Zugrundelegung einer durchschnittlichen Gesamtlaufleistungserwartung 

  • von 250.000 Kilometern 

fällt der Anrechnungsbetrag höher aus als bei Zugrundelegung einer durchschnittlichen Gesamtlaufleistungserwartung

  • von 300.000 Kilometern.   

Hinwirken sollten Fahrzeugkäufer somit darauf, dass bei ihrem Fahrzeug von einer Gesamtlaufleistungserwartung

  • von mindestens 300.000 Kilometern 

ausgegangen wird, die bei Dieselmotoren auch realistisch ist.

Dazu ein (Vergleichs)Berechnungsbeispiel:
Wenn beispielsweise

  • der Bruttokaufpreis für das gebrauchte Fahrzeug 25.400 Euro betragen hat,
  • das Fahrzeug beim Kauf bereits 59.000 Kilometer am Tacho hatte,
  • der Käufer nach dem Kauf mit dem Fahrzeug (bis es dem Fahrzeughersteller zur Verfügung gestellt wurde) 44.000 Kilometer gefahren ist und
  • bei dem Fahrzeug von einer Gesamtlaufleistungserwartung von 300.000 Kilometern ausgegangen wird,

ergäbe das einen anzurechnenden Betrag von 4637,34 Euro, durch den somit der Kaufpreiserstattungsanspruch

  • von 25.400 Euro 

auf 20.762,66 Euro verringern würde.

  • Rechengang dazu:
    25.400 Euro (Bruttokaufpreis) multipliziert mit 44.000 (vom Käufer gefahrene) Kilometer = 1117600000
    und 
    1117600000 dividiert durch 241000 (= 300.000 Kilometer minus 59.000 Kilometer (= Tachostand beim Kauf) = 4637,34 Euro 

Würde in dem obigen Beispielsfall statt einer Gesamtlaufleistungserwartung von 300.000 Kilometern, eine Gesamtlaufleistungserwartung von 250.000 Kilometern angenommen, ergäbe das einen anzurechnenden Betrag von 5.851,31 Euro, der somit den Kaufpreiserstattungsanspruch von 25.400 Euro, abzüglich der 5.851,31 Euro, auf somit 19.548,69 Euro verringern würde.

  • Rechengang dazu:
    25.400 Euro (Bruttokaufpreis) multipliziert mit 44.000 (vom Käufer gefahrene) Kilometer = 1117600000
    und 
    1117600000 dividiert durch 191000 (= 250.000 Kilometer minus 59.000 Kilometer (= Tachostand beim Kauf) = 5.851,31 Euro 

Fazit:
Der Beispielsfall zeigt, dass der Fahrzeugkäufer sich anrechnen lassen muss, 

  • bei Zugrundelegung einer Gesamtlaufleistungserwartung von 250.000 Kilometern für das Fahrzeug 
    • 5.851,31 Euro

dagegen

  • bei Zugrundelegung einer Gesamtlaufleistungserwartung von 300.000 Kilometern nur 
    • 4637,34 Euro. 

Dieselgate: Jetzt hat auch das OLG Oldenburg entschieden, dass VW wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung

…. der Käuferin eines mit dem Dieselmotor EA 189 ausgestatteten, vom Abgasskandal betroffenen, Fahrzeuges den Kaufpreis,

  • zuzüglich Zinsen für die Zeit ab Vertragsschluss,

erstatten muss,

  • allerdings unter Vornahme eines Abzugs pro gefahrenen Kilometer.

Mit Urteil vom 02.10.2019 – 5 U 47/19 – hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg in einem Fall, in dem eine Käuferin 2014 zum Preis von rund 16.000 Euro einen gebrauchten Pkw Golf VI Diesel erworben hatte, in dem

  • der von der VW AG hergestellte Dieselmotor EA 189 verbaut

und

  • nachdem das Kraftfahrtbundesamt (KBA) die Programmierung des Motors als unzulässige Abschalteinrichtung gerügt hatte, im Jahr 2017 ein von der VW AG entwickeltes Software-Update aufgespielt

worden war, entschieden, dass der Fahrzeugkäuferin gegen die VW AG

  • aus § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung

ein Schadensersatzanspruch zusteht.

Die Käuferin hat danach,

  • gegen Rückgabe des Fahrzeugs,

Anspruch auf

  • Erstattung des Kaufpreises,

zuzüglich

  • Zinsen auf den Kaufpreis für die Zeit ab Vertragsschluss (§ 849 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)),
    • da die Käuferin ihr für das Auto ausgegebene Geld nicht habe anderweitig nutzen können,

allerdings muss sie sich

  • die bereits gezogenen Nutzungen anrechnen lassen, d.h.,
    • es wird, da die Käuferin das Fahrzeug tatsächlich genutzt und davon profitiert hat, für jeden gefahrenen Kilometer ein Abzug vorgenommen (Quelle: Pressemitteilung des OLG Oldenburg).

Übrigens:
Der Ansicht, dass die Käufer der vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge von den Fahrzeugherstellern vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden und die Fahrzeughersteller deswegen nach § 826 BGB schadensersatzpflichtig sind, sind auch,

Dieselgate: LG Nürnberg-Fürth beabsichtigt zu entscheiden, dass Käufer eines vom Diesel-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs, die

…. vom Hersteller des Fahrzeugs bzw. des Motors als Schadensersatz

  • die Rückzahlung des Kaufpreises gegen Übereignung des Fahrzeugs verlangen,

sich nur noch die Gebrauchsvorteile anrechnen lassen müssen, die dem Fahrzeugkäufer durch die Nutzung des Fahrzeugs

  • zwischen dem Zeitpunkt der Mitteilung des Fahrzeugs- bzw. Motorherstellers an den Fahrzeugkäufer, dass das Fahrzeug von der Rückrufaktion wegen der Software betroffen ist

und

  • dem vorgerichtlichen Rückabwicklungsverlangen bzw. der Rechtshängigkeit der Klage

entstanden sind.

Dass sie ihre Rechtsprechung dahingehend ändern will

  • und künftig von dem dem Fahrzeugkäufer zu erstattenden Kaufpreis eine Nutzungsentschädigung nicht mehr für die gesamte Zeit, in der das Fahrzeug seit dem Erwerb gefahren wurde, in Abzug gebracht werden soll,

hat die 9. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Nürnberg-Fürth mit Beschluss vom 30.04.2019 – 9 O 9117/18 – in einem Verfahren hingewiesen, in dem

  • der, von Herrn Rechtsanwalt Ingo-Julian Rösch, Inhaber der Kanzlei Härlein Rechtsanwälte, vertretene Käufer eines vom Diesel-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs wegen des Einbaus einer unzulässiger Abschaltvorrichtung die Volkswagen-AG auf Schadensersatz verklagt hat.

Danach

  • würden bei der Berechnung der dem Fahrzeugkäufer infolge der Fahrzeugnutzung entstandenen Gerbrauchsvorteile, die bis zum Zeitpunkt der Mitteilung der VW-AG an den Fahrzeugkäufer, dass das Fahrzeug von der Rückrufaktion wegen der Software betroffen ist, außer Betracht bleiben,
  • sollen, um die zu berücksichtigende nachfolgende Nutzung schätzen zu können, verpflichtet sein vorzutragen,
    • der Fahrzeugkäufer die aktuelle Laufleistung des Fahrzeugs und
    • die VW-AG wann die Rückrufmitteilung an den Käufer erfolgte

und

  • wäre, sollte kein Vortrag der VW-AG zum Zeitpunkt der Rückrufmitteilung an den Käufer erfolgen, kein Nutzungsvorteil von dem dem Fahrzeugkäufer zu erstattenden Kaufpreis abzuziehen.