Tag Mithaftung

Was, wer die Mithaftung für die Verpflichtung aus einem Darlehensvertrag übernimmt (Schuldbeitritt), wissen sollte

Mit Urteil vom 21.09.2021 – XI ZR 650/20 – hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) darauf hingewiesen, dass auf einen 

  • Schuldbeitritt zu einem Darlehensvertrag 

die Vorschriften 

  • der §§ 491 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) 

über Verbraucherdarlehensverträge entsprechende Anwendung finden und dass, wenn für den gesicherten Darlehensvertrag 

  • ein Widerrufsrecht gemäß § 495 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 504 Abs. 2 Satz 1 BGB ausgeschlossen 

wäre, ein Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 Abs. 1 und 2 BGB auch bei dem

  • Schuldbeitritt eines Verbrauchers 

nicht besteht, 

  • also in einem solchen Fall der Verbraucher seine (Mit)Haftungserklärung nicht wirksam widerrufen kann.

Begründet hat der Senat dies damit, dass bei wertender Betrachtung ein Beitretender 

  • ebenso

schutzwürdig ist, als wenn er 

  • den Darlehensvertrag selbst abgeschlossen hätte oder 
  • im Wege der Vertragsübernahmevereinbarung an die Stelle des ursprünglichen Darlehensnehmers getreten wäre 

und aufgrund dessen der Schutz eines Beitretenden zu einer Verbindlichkeit 

  • nicht geringer sein, 
  • aber auch nicht weiter gehen kann, 

als der Schutz desjenigen, der eine 

  • solche Verbindlichkeit 

eingeht.

Autofahrer sollten wissen, welche Folgen das Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes im Falle eines Verkehrsunfalles für sie

…. auch dann haben kann, wenn der Unfall von ihnen nicht verursacht worden ist.

Auch dann, wenn nach einem Verkehrsunfall

  • aufgrund des Unfallhergangs

einer der Unfallbeteiligten zu 100% für die unfallbedingt, einem anderen unfallbeteiligten Autofahrer, entstandene Schäden haften würde, kann diesem,

  • im Fall von bei dem Unfall erlittener Verletzungen,

ein zu einer anspruchsmindernden Mithaftung führendes Mitverschulden

  • wegen der Nichtanlegung des Sicherheitsgurts (Verstoß gegen § 21a Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO))

vorzuwerfen sein, wenn aufgrund medizinischer Beurteilung die erlittenen Verletzungen,

  • wäre der verletzte Autofahrer zum Zeitpunkt des Unfalls angeschnallt gewesen,

nach der Art des Unfalls – wegen Fehlens einer wesentlichen Komponente des Rückhaltekonzepts im Fahrzeug –

  • tatsächlich verhindert worden oder
  • zumindest weniger schwerwiegend gewesen wären.

Das Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes kann sich auf einzelne Verletzungen nämlich verschieden ausgewirkt haben.

So kann beispielsweise bei bestimmten Verletzungen

  • – wegen eines anderen Verletzungsmechanismus – eine Ursächlichkeit des Nichtanlegens des Sicherheitsgurtes von vornherein auszuschließen sein

oder

  • – weil es keinen Unterschied macht, ob der Körper des Insassen durch den Airbag oder den Sicherheitsgurt zurückgehalten wird – nicht davon ausgegangen werden, dass diese Verletzungen im angegurteten Zustand nicht oder wesentlich geringfügiger ausgefallen wären,

während bei anderen Verletzungen es wiederum mit hoher Wahrscheinlichkeit sein kann, dass diese

  • – bei angelegtem Dreipunkt-Sicherheitsgurt –

nicht eingetreten oder deutlich geringer ausgefallen wären, wobei diesbezüglich dann,

  • wenn der Unfall einer der hierfür typischen Gruppen von Unfallabläufen zuzuordnen ist,

dem Geschädigten die Regeln des Anscheinsbeweises zugutekommen,

  • wie etwa im Fall einer frontalen Kollision zwischen zwei Fahrzeugen, bei der das Risiko, schwere Knieverletzungen zu erleiden bei einem angegurteten Fahrer deutlich geringer ist als bei einem nicht angegurteten Fahrer.

Hat der Geschädigte verschiedene Verletzungen erlitten, von denen nur ein Teil auf das Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes zurückzuführen ist, führt dies nicht dazu, dass der Geschädigte Schadensersatz nur für die Verletzungen verlangen kann, die er auch erlitten hätte, wäre er angegurtet gewesen.

Vielmehr wird dann, unter Abwägung aller Umstände,

  • insbesondere der von den Verletzungen ausgehenden Folgeschäden, deren vermögensrechtliches Gewicht je nach der Verletzung verschieden sein kann,

eine einheitliche Mitschuldquote gebildet.

Übrigens:
Eine solche Mitverschuldensquote wirkt sich auch aus auf einen erlittenen Haushaltsführungs- und Verdienstausfallschaden (vgl. dazu Oberlandesgericht (OLG) München, Urteil vom 25.10.2019 – 10 U 3171/18 –).

OLG Düsseldorf entscheidet: Überschreitung der Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen um 70 km/h (200 km/h statt 130 km/h)

…. erhöht die Betriebsgefahr und begründet im Falle eines Unfalls auch dann eine Mithaftung, wenn nur dem Führer des anderen unfallbeteiligten Fahrzeugs ein Verschulden nachgewiesen werden kann.

Mit Urteil vom 21.11.2017 – 1 U 44/17 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf in einem Fall, in dem ein mit 200 km/h auf der linken Fahrspur einer Autobahn fahrendes Fahrzeug mit einem vor ihm befindlichen Fahrzeug kollidiert war, weil

  • dessen Fahrer zwar links geblinkt hatte,
  • aber ohne sich zuvor zu vergewissern, dass er keinen anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet, zum Überholen von der rechten auf die linke Fahrspur gewechselt war,

entschieden, dass, wer die Richtgeschwindigkeit derart überschreite,

  • die Gefahr vergrößere, dass sich ein anderer Verkehrsteilnehmer auf diese Fahrweise nicht einstellen könne sowie die Geschwindigkeit unterschätze und

wegen der dadurch deutlich erhöhten Betriebsgefahr seines Fahrzeugs zu 30% für die Unfallschäden auch dann mithafte, wenn

Versetzt der Fahrer eines LKWs ein abgestelltes Motorrad und fällt dieses kurz danach um, haften für den dabei am Kraftrad

…. entstandenen Schaden der Halter des LKWs und dessen Haftpflichtversicherer aus § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG), § 115 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz – VVG),

  • wenn das Motorrad von dem LKW-Fahrer versetzt wurde,
  • um ihm das Abbiegen mit seinem LKW zu erleichtern bzw. zu ermöglichen.

Das hat das Amtsgericht (AG) Regensburg mit Urteil vom 14.03.2018 – 10 C 2535/17 – entschieden.

Danach liegt in einem solchen Fall ein Unfall vor, der sich bei Betrieb eines Kraftfahrzeugs i.S.v. § 7 Abs. 1 StVG ereignet hat, weil,

  • auch wenn das Kraftrad nicht durch einen direkten Anstoß des Lkw umgefallen ist,
  • wegen des Umsetzens des Kraftrades zur Erleichterung des Abbiegens,

ein unmittelbare Zusammenhang mit dem Betrieb des Kraftfahrzeugs bestanden hat und,

  • nachdem das Umfallen des Kraftrades kurz nach dem Versetzen erfolgte,

das Umfallen auf das Versetzen zurückzuführen ist und damit erklärt werden muss, dass das Kraftrad nicht sicher genug abgestellt wurde.

War das Kraftrad verkehrswidrig behindernd abgestellt, was der Schädiger beweisen müsste, könnte dieser Gesichtspunkt eine Mitberücksichtigung der Betriebsgefahr des abgestellten Kraftrades und damit eine Mithaftung des Eigentümers des Kraftrades begründen.

Überschreitung der Richtgeschwindigkeit auf der Autobahn muss im Falle einer Kollision mit einem anderen Fahrzeug keine Mithaftung begründen

Vielmehr steht, wenn ein

  • ohne ersichtlichen Grund und
  • ohne Betätigen des Fahrtrichtungsanzeigers

vom rechten auf den linken Fahrstreifen der Autobahn wechselnder Verkehrsteilnehmer einen Auffahrunfall verursacht,

  • weil er den rückwärtigen Verkehr nicht beachtet,

einem auffahrenden Verkehrsteilnehmer,

  • dem nicht nachgewiesen werden kann, dass er durch rechtzeitiges Abbremsen und/oder Ausweichen den Unfall hätte vermeiden können und
  • der mit einem plötzlichen Spurwechsel des anderen nicht rechnen musste, sondern darauf vertrauen durfte, dass der andere den rechten Fahrstreifen nicht grundlos verlässt,

auch bei maßvoller Überschreitung der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h vor dem Zusammenstoß 100 %-iger Schadensersatz zu, weil in einem solchen Fall

  • der Umstand, dass der Auffahrende durch das Überschreiten der Richtgeschwindigkeit den Unfall mitverursacht hat,
  • aufgrund des groben Verschuldens des Fahrstreifenwechslers (ohne rechtzeitige deutliche Ankündigung und ohne Ausschluss der Gefährdung Anderer), auch unter dem Gesichtspunkt der Betriebsgefahr, keine Mithaftung rechtfertigt.

Darauf hat der 7. Senat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschluss vom 21.12.2017 – 7 U 39/17 – hingewiesen.

Begründet hat der Senat dies damit, dass die mit der Überschreitung der Richtgeschwindigkeit für einen vorausfahrenden Verkehrsteilnehmer häufig verbundene Gefahr,

  • dass die Annäherungsgeschwindigkeit des rückwärtigen Verkehrs unterschätzt wird,

sich nicht verwirklicht, wenn

  • der den Fahrstreifen wechselnde Verkehrsteilehmer den rückwärtigen Verkehr gar nicht beachtet hat oder
  • die empfohlene Richtgeschwindigkeit von dem Auffahrenden nur maßvoll überschritten wurde (Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm vom 08.03.2018).

Nicht immer ist allein die unzulässige Nutzung einer Busspur im Falle einer Kollision Grund für eine (Mit)Haftung

Mit Urteil vom 14.12.2017 – 22 U 31/16 – hat der 22. Zivilsenat des Kammergerichts (KG) Berlin entschieden, dass wer

  • mit seinem zuvor geparkten Fahrzeug von der rechten, zum Parken benutzten Spur auf die mittlere Spur unter Verstoß gegen § 10 Straßenverkehrs-Ordnung anfährt,

auch dann den gesamten Schaden zu tragen hat, wenn er dabei mit einem PKW kollidiert,

  • dessen Fahrer unter Missachtung des Zeichens 245 der Anl. 2 zu § 41 Abs. 1 StVO unberechtigt die als Bussonderfahrstreifen ausgewiesene mittlere Fahrspur befährt.

Danach kann in einem solchen Fall derjenige, der sich unter Verstoß gegen § 10 Satz 1 StVO in den fließenden Verkehr einreihen will, nicht darauf berufen, dass der andere Unfallbeteiligte die Fahrspur unberechtigt befahren hat.

  • Denn das Verbot für den allgemeinen Verkehr, den durch Zeichen 245 ausgewiesenen Bussonderfahrstreifen zu befahren, dient, so das KG, nicht der Unfallverhütung.

Vielmehr solle mit der Einführung von Bussonderfahrstreifen Störungen des Linienverkehrs vermieden und der geordnete und zügige Betriebsablauf mit Taktfahrplänen gewährleistet werden.

Im Übrigen treffe einem aus einer Parkreihe Anfahrenden, so das KG weiter, die – besonderen – Anforderungen des § 10 Satz 1 StVO unabhängig davon, ob die Spur, auf die er einfahren will, zunächst nur für besonderen Verkehr zugelassen ist oder nicht und ein diese Spur benutzender Fahrer müsse, nachdem die Spur nicht für den Verkehr allgemein gesperrt, sondern für Sonderverkehr freigegeben ist, auch nicht damit rechnen, dass ein Fahrzeug aus der Parkreihe ohne ausreichende Versicherung über herannahenden Verkehr in die mittlere Spur einfährt.

Im Gegensatz zu diesem,

  • aber auch zu dem Fall, in dem ein Linksabbieger die mit einer Lichtzeichenanlage versehene Vorfahrtsstraße überqueren will, ohne auf den für ihn geltenden Räumpfeil zu warten und mit einem die Busspur nutzenden Fahrzeug zusammenstößt,

können sich die unzulässige Nutzung der Busspur und die damit zusammenhängenden Besonderheiten unfall-(mit-)verursachend jedoch dann auswirken, wenn beispielsweise

  • im gleichgerichteten Verkehr ein Rechtsabbieger den auf der Busspur Fahrenden übersieht, weil diesem das Durchfahrtsrecht nach § 9 Abs. 3 Satz 2 StVO nicht zusteht oder
  • ein Linksabbieger an einer Kreuzung oder Einmündung, in diese einfahren will und wegen des Staus auf der Vorfahrtsstraße sich eine Lücke bildet, weil hier der die Busspur Befahrende damit rechnen muss, dass jemand unzureichend aufmerksam in die Busspur einfährt oder
  • auf den Bussondersonderstreifen ausgewichen wird, um den gestauten Verkehr durch Rechtsüberholen zu entgehen und später wieder einzuscheren.