Tag Rückabwicklung

Dieselgate: OLG Karlsruhe entscheidet, dass VW den Käufern von vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeugen auch

…. die Kosten eines Kreditschutzbriefes erstatten und sog. Deliktszinsen zahlen muss.

Mit Urteil vom 19.11.2019 – 17 U 146/19 – hat der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe in einem Fall, in dem ein Käufer einen,

  • mit einem von der VW AG hergestellten sowie von ihr mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestatteten,

gebrauchten VW Touran, 2,0 l TDI, 103 kW erworben,

  • den Kaufpreis von 16.700 Euro teilweise durch ein Darlehen finanziert und
  • einen (mitfinanzierten) Kreditschutzbrief abgeschlossen

hatte, entschieden, dass der Käufer von der VW AG,

  • wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung,

aus § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB),

  • gegen Übereignung des VW Touran,

verlangen kann, sowohl

  • die Erstattung des gezahlten Kaufpreises – unter Anrechnung des für die gefahrenen Kilometer erlangten Nutzungsvorteils –

als auch

  • die an die finanzierende Bank erbrachten Raten,
  • den Ersatz der Kosten für den mit dem Darlehensvertrag abgeschlossenen Kreditschutzbrief und
  • „Deliktszinsen“ in Höhe von 4% jährlich (§ 849 BGB) ab Zahlung der Darlehensraten (Quelle: Pressemitteilung des OLG Karlsruhe).

Hinweis:
Da Käufer von vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeugen so gestellt werden müssen, wie sie stehen würden, wenn sie das betreffende Fahrzeug nicht erworben hätten, können sie

Ob Fahrzeugkäufer einen Anspruch auch auf sogenannte Deliktzinsen haben, wird von verschiedenen OLGs unterschiedlich beurteilt.

Möchten Verbraucher, die zur Finanzierung des Fahrzeugkaufs, egal ob Diesel oder Benziner, einen vom Verkäufer vermittelten Darlehensvertrag

…. abgeschlossen haben, das gekaufte Auto nicht behalten, sollten sie überprüfen (lassen),

  • ob die vertragliche Widerrufsinformation hinsichtlich der Rückabwicklung des Vertrags nach einem Widerruf ordnungsgemäß gewesen ist,

weil, wenn das nicht der Fall war, was häufig vorkommt,

  • die zweiwöchige Widerrufsfrist nicht in Lauf gesetzt worden ist und

sie dann, wie das Landgericht (LG) Ravensburg mit Urteil vom 07.08.2018 – 2 O 259/17 – entschieden hat,

  • berechtigt sind den Autokreditvertrag zu widerrufen und
  • nach dem wirksamen Widerruf gem. §§ 358 Abs. 1, Abs. 4 S. 5, 355, 357 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) von der Bank, gegen Rückgabe des Fahrzeugs, die bisher geleisteten Darlehensraten, sowie auch eine ggf. von ihnen an den Verkäufer geleistete Anzahlung zurückverlangen können,
    • ohne Wertersatz oder Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer zahlen zu müssen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall waren nach Auffassung des LG die vertraglichen Widerrufsinformationen hinsichtlich der Rückabwicklung des Vertrages nach einem Widerruf, mangels ausreichender Belehrung gemäß Art. 247 § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 b Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB)auf die Rechtsfolgen nach § 358 Abs. 1, Abs. 2 BGB deshalb nicht ordnungsgemäß, weil

  • es zwar in der dem Vertrag beiliegenden Widerrufsinformationa. hieß, dass,
    • wenn der Darlehensnehmer die aufgrund des Fahrzeug-Kaufvertrages überlassene Sache nicht oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren kann, er insoweit Wertersatz zu leisten hat, dies allerdings nur in Betracht kommt, wenn der Wertverlust auf einen Umgang mit den Waren zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Waren nicht notwendig war,“
  • allerdings im Widerspruch dazu in den Darlehensbedingungen unter der Unterschrift „Widerruf“ zum Wertverlust dem Darlehensnehmer mitgeteilt worden war, dass
    • der Darlehensnehmer im Fall des Widerrufs des Darlehensvertrages eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme des Fahrzeuges entstandene Wertminderung (zum Beispiel Wertverlust aufgrund der Zulassung eines Pkw) zu ersetzen hat,“

und

  • nachdem (auch) nicht ersichtlich war, dass die Ausführungen in der Widerrufsinformation denjenigen in den Kreditbedingungen vorgehen sollen,

der (inhaltlich falsche) Hinweis in den Darlehensbedingungen somit geeignet war,

  • bei dem Darlehensnehmer der Eindruck entstehen zu lassen, dass er auch dann Wertersatz für das mit dem verbundenen Kaufvertrag erworbene Fahrzeug leisten muss, wenn der Wertverlust auf einen Umgang mit dem Fahrzeug zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit der Eigenschaften und der Funktionsweise notwendig war und
  • ihn demzufolge von der Ausübung seines Widerrufsrechts abzuhalten.

Käufer einer Sache, die wegen eines Mangels der Kaufsache erwägen den Kaufpreis zu mindern, sollten wissen, dass sie

…. nach einer gegenüber dem Verkäufer wirksam erklärten Minderung,

  • nicht mehr unter Berufung auf denselben Mangel anstelle oder neben der Minderung den sogenannten „großen Schadensersatz“ und damit die Rückabwicklung des Kaufvertrages verlangen können,
  • sondern nur (noch) Ersatz eines ggf. zusätzlich zu dem mangelbedingten Minderwert der Sache erlittenen Schadens (etwa entgangenen Gewinn).

Das hat der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 09.05.2018 – VIII ZR 26/17 – entschieden.

Begründet hat der Senat dies damit, dass der Käufer einer mangelhaften Sache, der unter den Voraussetzungen des § 437 Nr. 2, § 441 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB),

  • statt vom Kaufvertrag zurückzutreten und diesen rückabzuwickeln,

die Kaufsache behalten will und den Kaufpreis durch Erklärung gegenüber dem Verkäufer mindert (durch anteiliges Rückzahlungsverlangen des Kaufpreises),

  • durch einseitiges Rechtsgeschäft eine Änderung des Vertragsverhältnisses (Herabsetzung des Kaufpreises) unmittelbar herbeiführt, damit

an die von ihm erklärte Minderung gebunden ist und er eine solche gegenüber dem Verkäufer wirksam erklärte Minderung einseitig

  • weder wieder zurücknehmen
  • noch widerrufen kann,

um stattdessen unter Berufung auf denselben Mangel nunmehr im Rahmen des sogenannten großen Schadensersatzes die Rückabwicklung des gesamten Kaufvertrages zu verlangen.

Auch ist der Käufer, so der Senat weiter,

  • weil er mit der wirksamen Ausübung der Minderung zugleich das ihm vom Gesetz eingeräumte Wahlrecht
  • zwischen Festhalten am und Lösen vom Kaufvertrag „verbraucht“ habe,

in einem solchen Fall ebenfalls gehindert, den sogenannten großen Schadensersatz,

  • zusätzlich zu der von ihm nicht mehr zu beseitigenden Gestaltungswirkung der Minderung,

geltend zu machen und auf diesem Wege im Ergebnis

  • nicht nur eine Herabsetzung des Kaufpreises zu erreichen,
  • sondern den (gegebenenfalls um Gegenforderungen reduzierten) Kaufpreis insgesamt zurückzufordern.

Wichtig zu wissen für einem Käufer,

  • der wegen der Mangelhaftigkeit der Kaufsache berechtigt ist Rechte gegen den Verkäufer nach § 437 Nr. 2 BGB und § 437 Nr. 3 BGB geltend zu machen,

ist deshalb, dass er sich entscheiden muss, ob

  • er die Kaufsache behalten und den Kaufvertrag (unter Liquidation entstandener Vermögenseinbußen) weitergelten lassen oder
  • sich von dem Kaufvertrag lösen will.

Will der Käufer die Kaufsache behalten, kann er

  • entweder durch eine Gestaltungserklärung den Kaufpreis unter den Voraussetzungen des § 437 Nr. 2, § 441 BGB mindern oder
  • im Wege der Geltendmachung eines Schadensanspruches statt der Leistung gemäß § 437 Nr. 3, § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB die Liquidation des mangelbedingten Minderwerts der Kaufsache erreichen (sogenannter kleiner Schadensersatz).

Will der Käufer sich hingegen vom Kaufvertrag lösen, kann er

  • entweder nach § 437 Nr. 2, § 323 BGB den Rücktritt vom Vertrag erklären und die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe der Kaufsache verlangen oder
  • aber Schadensersatz statt der ganzen Leistung nach § 437 Nr. 3, § 281 Abs. 1 Satz 3 BGB fordern,
    • der auf Ersatz des dem Käufer durch die Nichterfüllung des gesamten Vertrages entstandenen Schadens gerichtet ist und
    • die Rückgewähr bereits erbrachter Leistungen (§ 281 Abs. 5 BGB) zur Folge hat (großer Schadensersatz) (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 09.05.2018).

Dieselgate: Für Schadensersatzklagen der vom VW-Abgasskandal betroffenen Autokäufer gegen die Volkswagen-AG müssen Rechtsschutzversicherungen Deckungsschutz gewähren

Mit Beschluss vom 21.09.2017 – I-4 U 87/17 – hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf darauf hingewiesen, dass für auf Rückabwicklung der Kaufverträge gerichtete Schadensersatzklagen von vom sogenannten VW-Abgasskandal betroffenen Autokäufern gegen die Volkswagen-AG

  • hinreichende Erfolgsaussichten bestehen und

Rechtsschutzversicherer für solche Klagen eine Deckungszusage erteilen müssen.

Begründet hat der Senat dies damit, dass

  • bereits mehrere Landgerichte (LG) in erster Instanz einen Schadensersatzanspruch eines Kraftfahrzeugkäufers gegen die Volkswagen-AG wegen des Inverkehrbringens von Dieselfahrzeugen mit manipulierter Abgassoftware, unter anderem gemäß § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (wegen sittenwidriger vorsätzlichen Schädigung) bejaht haben (vgl. LG Krefeld, Urteile vom 04.10.2017 – 2 O 19/17 – und vom 19.07.2017 – 7 O 147/16 –; LG Osnabrück, Urteil vom 28.06.2017 – 1 O 29/17 –; LG Arnsberg, Urteil vom 14.06.2017 – 1 O 25/17 –; LG Offenburg, Urteil vom 12.05.2017 – 6 O 119/16 –; LG Baden-Baden, Urteil vom 27.04.2017 – 3 O 163/16 –; LG Paderborn, Urteil vom 07.04.2017 – 2 O 118/16 –; LG Kleve, Urteil vom 31.03.2017 – 3 O 252/16 – sowie LG Karlsruhe, Urteil vom 22.03.2017 – 4 O 118/16 –),
  • nach dem bisherigen Verhalten der Volkswagen-AG nichts dafür spreche, dass sie freiwillig Schadensersatzanspruch leisten werde und eine streitige Auseinandersetzung vermeidbar wäre und
  • es den vom sogenannten VW-Abgasskandal betroffenen Autokäufern nicht zuzumuten sei, trotz hinreichender Erfolgsaussichten mit rechtlichen Schritten gegen die Volkswagen-AG zuzuwarten (Quelle: Pressemitteilung des OLG Düsseldorf vom 26.10.2017).

LG Heilbronn entscheidet, dass Käufer eines PKW Audi Q 3, EURO-Norm 5, mit dem Dieselmotor EA 189

…. vom Verkäufer die Rückabwicklung des Kaufvertrages verlangen kann, jedoch im Rahmen der Rückgabe eine Nutzungsentschädigung zu berücksichtigen ist.

Mit Urteil vom 15.8.2017 – 9 O 111/16 – hat die 9. Kammer des Landgerichts (LG) Heilbronn entschieden, dass Käufer eines neuen PKW Audi Q3, EURO-Norm 5, mit einem Dieselmotor EA 189, berechtigt sind – ohne dass es hierzu einer vorherigen Aufforderung zur Nachbesserung bedarf –

  • vom Kauf zurückzutreten und
  • vom Verkäufer die Rückabwicklung des Kaufvertrages zu verlangen,

da

  • der Motor dieses Fahrzeugs mit einer Umschaltsoftware ausgestattet ist, die die Abgasrückführung in zwei verschiedenen Modi betreibt, je nachdem, ob es sich auf dem Prüfstand (Modus 1) oder im realen Fahrbetrieb (Modus 0) befindet und
  • bei dem die mit Hilfe dieser Vorrichtung auf dem Prüfstand erzielten Abgaswerte damit nicht nur deshalb von denjenigen im realen Fahrbetrieb abweichen, weil der durchgeführte Fahrzyklus nicht dem realen Fahrbetrieb entspricht, sondern weil die Abgasrückführungsrate im Prüfbetriebsmodus (Modus 1) höher ist, als auf der Straße (Modus 0)

und

  • diese beim Kauf eingebaut gewesene Software zu einem merkantilen Minderwert führt,
  • der nicht nachgebessert werden kann.

Zur Begründung ausgeführt hat die Kammer, dass ein bei der Übergabe mit einer solchen Umschaltsoftware ausgestattetes Fahrzeug nicht die Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache erwarten konnte und demzufolge mit einem nicht nur unerheblichen Sachmangel behaftet ist, § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

  • Der Durchschnittskäufer eines Neufahrzeuges darf nämlich objektiv erwarten, dass in dem von ihm erworbenen Fahrzeug eine solche, auf Täuschung der zuständigen Kontrollinstanzen angelegte und vorschriftswidrige Vorrichtung nicht vorhanden ist.

Beworben wurden die Fahrzeuge vom Hersteller, so die Kammer, mit den Abgaswerten, die sie im Testbetrieb (Modus 1) erreicht hatten. Dieses ist eine Beschaffenheitsgarantie im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB, da auch dem Verkäufer diese Werte bekannt waren.

  • Beim Käufer wurde dadurch nicht nur der Eindruck erweckt, dass diese Fahrzeuge im Realbetrieb zumindest ähnliche Werte erreichen – es wurde vor allem der Eindruck erweckt, die Motoren dieser Fahrzeuge würden im Realbetrieb betreffend die Abgasreinigung genauso betrieben, wie im Testbetrieb.

Dass dem nicht so war, ist eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit.

Ferner zeigt nach Auffassung der Kammer ein einfaches Gedankenexperiment, dass auch nach einem Software-Update das Fahrzeug die beim Verkauf zugesagte Beschaffenheit nicht erreicht und warum ein merkantilen Minderwert bei dem Fahrzeug verbleibt:

  • Die Ingenieure der Motorenentwicklung hätten, wenn sie durch das jetzige Update die Möglichkeit gesehen hätten, die zugesagten Abgaswerte zu erreichen, dieses Update gleich bei der Produktion des Motors eingebaut – sie hätten sich also die Entwicklung und Programmierung des Modus 0 schlicht erspart und die Fahrzeuge im Modus 1 hergestellt und ausgeliefert.
    Dass jemand zusätzlichen Aufwand betreibt um das zu erreichen, was er ohne vorherigen Aufwand bereits hatte, ist in der auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Automobilbranche nicht vorstellbar.
    Es wurde vielmehr „geschummelt“, um den Test zu bestehen, sodann das Fahrzeug mit den bei einem korrekten Test nicht erreichbaren Abgaswerten beworben und damit auch mit dieser – nicht erreichbaren – Beschaffenheit verkauft.
    Um diese Unkorrektheit bei Nachprüfungen zu verheimlichen, wurde weiter entschieden, diese „Schummel-Software“ in alle Fahrzeuge einzubauen und nicht nur in die Fahrzeuge, die offiziell getestet wurden.
  • Genau dieses System kann nur als flächendeckendes Betrugssystem bewertet werden, das zu einem so erheblichen Vertrauensverlust gegenüber Dieselmotoren des Herstellers VW führt, dass ein nicht nachbesserbarer merkantiler Minderwert nach den Gesetzen des freien Marktes offensichtlich gegeben ist.
    Die betroffenen Fahrzeuge sind auf dem Gebrauchtwagenmarkt nur mit erheblichem Abschlag zu veräußern.
  • Das tief sitzende Misstrauen der Kunden zeigt sich insbesondere in den rückläufigen Zulassungszahlen für neue Dieselfahrzeuge, obwohl diese der EURO-6-Norm entsprechen sollen.
    Dieses hat negative Auswirkung auf die Preisentwicklung der gebrauchten EURO-5-Diesel, wie dem streitgegenständlichen. Nach einem Bericht der Zeitschrift „Der Spiegel“ in der Ausgabe vom 05.08.2017 (dort Seite 15) sind die Preise für gebrauchte Dieselfahrzeuge um bis zu 25 % gefallen und sind die Zulassungszahlen für Dieselfahrzeuge im Vergleich zum Vorjahresmonat um 13 % gesunken.