Tag Tätigkeit

Gesetzlich Unfallversicherte sollten wissen, wann ein Unfall als ein unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung

…. stehender Arbeits- bzw. Wegeunfall anzuerkennen ist.

Gemäß § 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) ist für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls im Regelfall der Nachweis erforderlich,

  • dass bei einem, zu diesem Zeitpunkt in der gesetzlichen Unfallversicherung Versicherten,
    • ein zeitlich begrenztes, von außen seinen Körper einwirkendes Ereignis (= Unfallereignis)
    • einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität),
  • dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfallereignisses
    • der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang),
      • der Versicherte also zum Zeitpunkt des Unfallereignisses einer versicherten Tätigkeit nachgegangen ist,
      • wozu gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch der Vorgang des Sichfortbewegens auf dem unmittelbaren Weg zählt, der erkennbar zu dem Zweck zurückgelegt wird, den Ort der Tätigkeit – oder nach deren Beendigung im typischen Fall die eigene Wohnung – zu erreichen
    • und dass diese Verrichtung zu dem Unfallereignis geführt hat (Unfallkausalität).

Bei einem Unfallereignis

  • auf dem Weg vom Ort der versicherten Tätigkeit nach Hause oder
  • von Zuhause zum Ort der versicherten Tätigkeit

handelt es sich nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII um einen unter dem Schutz der Unfallversicherung stehenden Wegeunfall, solange

  • der Versicherte den unmittelbaren Weg nach Hause oder zum Ort der versicherten Tätigkeit zurücklegt und
  • eine konkrete Verrichtung auf dem unmittelbaren Weg, unter Beachtung der objektivierten Handlungstendenz des Versicherten, noch der Fortbewegung vom Ort der versicherten Tätigkeit nach Hause oder von Zuhause zum Ort der versicherten Tätigkeit dient.

Nicht mehr den

  • unmittelbaren Weg

vom Ort der versicherten Tätigkeit nach Hause oder von Zuhause zum Ort der versicherten Tätigkeit, sondern einen

  • Abweg

legt ein Versicherter zurück, wenn

  • er von dem direkten Weg mehr als geringfügig abweicht.

Besteht in einem solchen Fall nicht ausnahmsweise auch Versicherungsschutz auf dem Abweg,

  • weil dieser im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, wie etwa, wenn
    • sich Versicherte aus betriebsbedingten Gründen fortbewegen, etwa um einen Gegenstand zu holen, den sie für die Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit benötigen oder
    • der unmittelbare Weg verlassen wird, um eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Verrichtung auszuüben,

endet der Versicherungsschutz

  • mit dem Verlassen des direkten Weges und dem Beginn des Abweges

und besteht Versicherungsschutz erneut erst,

Bei einem mobilen Pflegedienst beschäftigte Arbeitnehmer(innen) sollten wissen, dass sie, wenn sie einen Betriebsweg unterbrechen

…. beispielsweise um sich einen „Coffee-to-go“ zu besorgen, sie während dieser Besorgung nicht gesetzlich unfallversichert sind.

Mit Urteil vom 21.03.2019 – L 1 U 1312/18 – hat das Thüringer Landessozialgericht (LSG) in einem Fall, in dem eine bei einem mobilen Pflegedienst beschäftigte Arbeitnehmerin

  • als sie auf dem Weg zu einer Klientin eine Bäckerei in einer Nebenstraße aufsuchte, um dort einen „Coffee-to-go“ zu erwerben,
  • den sie nach Verrichtung der Pflegemaßnahme auf einem Parkplatz trinken wollte,

vor dem Betreten der Bäckerei gestolpert war und sich dabei am Knie verletzt hatte, entschieden, dass

  • es sich hierbei um keinen Arbeitsunfall gehandelt hat.

Begründet hat das LSG dies damit, dass

  • gesetzlich unfallversichert nicht alle Verrichtungen eines grundsätzlich versicherten Arbeitnehmers im Laufe eines Arbeitstages auf der Arbeitsstelle oder während eines Betriebsweges seien,
  • sondern nur Verrichtungen im Rahmen des dem Beschäftigungsverhältnis zu Grunde liegenden Arbeitsverhältnisses und

der als höchstpersönliche Verrichtung,

  • wie die Nahrungsaufnahme an sich oder sonstige eigenwirtschaftliche Handlungen,

beabsichtigte Erwerb des „Coffee-to-go“,

  • nicht im sachlichen Zusammenhang mit ihrer versicherten Tätigkeit als Pflegekraft gestanden sowie
  • zu einer mehr als nur geringfügigen Unterbrechung des versicherten Betriebsweges von einem Klienten zu einem anderen Klienten geführt habe

und der Unfall auch nicht durch eine spezifische Gefahr der versicherten Tätigkeit hervorgerufen worden sei (Quelle: juris Das Rechtsportal)

Arbeitnehmer auf Dienstreise sollten wissen, dass sie während des morgendlichen Duschens nicht gesetzlich unfallversichert sind

Mit Urteil vom 20.12.2018 – L 1 U 491/18 – hat das Thüringer Landessozialgericht (LSG) in Erfurt in einem Fall, in dem

  • ein als Projektentwickler Angestellter auf einer Dienstreise in einem Hotel übernachtet hatte,
  • dort beim morgendlichen Duschen beim Herausgehen aus der Dusche auf dem Fußboden ausgerutscht war und
  • sich dabei eine Fraktur des linken Knies zugezogen hatte,

entschieden,

  • dass es bei dem Unfall um keinen Arbeitsunfall i.S.v. § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) gehandelt hat.

Begründet hat das LSG dies damit,

  • dass nicht alle Verrichtungen eines grundsätzlich versicherten Arbeitnehmers im Laufe eines Arbeitstages auf der Arbeitsstätte oder während einer Geschäftsreise versichert sind,
  • sondern nur solche Tätigkeiten, die im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII stehen

und nach diesen Grundsätzen höchstpersönliche Verrichtungen wie z.B. die Nahrungsaufnahme oder sonstige eigenwirtschaftliche Handlungen wie das Duschen als Körperreinigung,

  • mangels sachlichem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit,

unversichert sind, sofern

  • der Unfall nicht ausnahmsweise durch eine spezifische Gefahr verursacht wurde, die der versicherten Tätigkeit aufgrund ihrer besonderen Beziehung zu dieser Gefahr zuzurechnen ist.

Wichtig für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu wissen: Home-Office-Arbeitsplatz darf Arbeitnehmern vom Arbeitgeber nicht einseitig

…. zugewiesen werden.

Mit Urteil vom 10.10.2018 – 17 Sa 562/18 – hat das Landesarbeitsgericht (LArbG) Berlin-Brandenburg entschieden, dass Arbeitnehmern,

  • deren Arbeitsvertrag keine Regelungen zu einer Änderung des Arbeitsorts enthält,

vom Arbeitgeber aufgrund seines arbeitsvertraglichen Weisungsrechts (§ 106 Gewerbeordnung (GewO)) nicht einseitig Telearbeit zugewiesen werden kann, so dass,

  • wenn Arbeitgeber Arbeitnehmern anbieten, ihre Tätigkeit im „Home-Office“ zu verrichten,

eine arbeitsvertragliche Verpflichtung der Arbeitnehmer zur Verrichtung der angebotenen Telearbeit nicht besteht und deswegen zu der Telearbeit nicht bereiten Arbeitnehmern

  • auch nicht wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung außerordentlich gekündigt werden kann,
  • sondern eine aus diesem Grund ausgesprochene Kündigung unwirksam ist.

Begründet hat das LArbG dies damit,

  • dass die Umstände der Telearbeit sich in erheblicher Weise von einer Tätigkeit unterscheiden, die in einer Betriebsstätte zu verrichten seien und
  • es nicht zu einer Erweiterung des Weisungsrechts des Arbeitgebers führe, dass Arbeitnehmer, z.B. zur besseren Vereinbarung von Familie und Beruf, an einer Telearbeit interessiert sein könnten (Quelle: Pressemitteilung des LArbG Berlin-Brandenburg vom 18.12.2018).

Verbraucher sollten wissen wann ein Messestand als beweglicher Geschäftsraum anzusehen ist und wann nicht

…. weil sie dann wissen, ob auf einen von ihnen dort geschlossenen Vertrag die Regelungen zum Widerrufsrecht Anwendung finden oder nicht.

Ein Widerrufsrecht gemäß § 355 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann einem Verbraucher nach § 312g Abs. 1 BGB nämlich zustehen

  • bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen,

d.h. dann, wenn ein Vertrag

  • bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und
  • des Unternehmers oder gemäß § 312 b Abs. 1 Satz 2 BGB einer Person, die im Namen des Unternehmers oder in seinem Auftrag handelt,

an einem Ort geschlossen worden ist,

  • der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist,

wobei nach § 312 b Abs. 2 Satz 1 HS 2 BGB ein Geschäftsraum auch

  • ein beweglicher (d.h. ein nur für eine vorübergehende Zeit betriebener) Geschäftsraum ist,
  • in dem der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt.

Für die Beurteilung, ob ein Unternehmer in einem für eine vorübergehende Zeit betriebenen Geschäftsraum,

  • also einem Stand auf einer Messe oder einem Markt

seine Tätigkeit

  • für gewöhnlich ausübt oder
  • nicht für gewöhnlich ausübt,

ist maßgeblich,

  • ob der Verbraucher auf der Messe oder dem Markt mit entsprechenden Vertragsangeboten rechnen musste oder
  • ob von einer Überrumpelung des Verbrauchers ausgegangen werden kann.

Musste der Verbraucher mit entsprechenden Vertragsangeboten rechnen war

  • der Betrieb des beweglichen Geschäftsraums „gewöhnlich“ im Sinne von § 312b Abs. 2 BGB,
  • h. der Messe- bzw. Marktstand ein Geschäftsraum (so auch Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe, Urteil vom 10.06.2016 – 4 U 217/15 –),

wobei bei der Frage, ob der Verbraucher auf der Messe bzw. dem Markt mit entsprechenden Angeboten rechnen musste oder nicht, abzustellen ist

  • zum einen auf den Charakter der Messe bzw. des Marktes und
  • zum andern auf das konkrete Angebot des Unternehmers, das zum Abschluss des streitgegenständlichen Vertrages geführt hat.

Beispielsweise muss auf einer Reisemesse

  • nicht mit dem Verkauf von hochwertigen Dampfstaubsaugern gerechnet werden,

so dass in einem solchen Fall

Darauf hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) München mit Urteil vom 15.03.2017 – 3 U 3561/16 – hingewiesen.

Was, wer eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen hat, wissen sollte

Mit Urteil vom 15.02.2017 – IV ZR 91/16 – hat der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden, dass die in Verträgen über eine Berufsunfähigkeitsversicherung verwendete Klausel

  • „Als versicherter Beruf im Sinne der Bedingungen gilt die vor Eintritt des Versicherungsfalls zuletzt konkret ausgeübte Tätigkeit mit der Maßgabe, dass sie zu mindestens 90 Prozent als Schreibtischtätigkeit in Büro, Praxis oder Kanzlei ausgeübt wird und im Falle einer BU-Leistungsprüfung die Bemessung der Berufsunfähigkeit ausschließlich auf dieser Basis erfolgt.“

wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam ist.

Begründet hat der Senat dies u.a. damit, dass die Berufsunfähigkeitsversicherung für einen Versicherungsnehmer erkennbar das Risiko abdecken soll, das für ihn infolge eines Einnahmeverlusts entsteht, wenn er seinem tatsächlich zuletzt in gesunden Tagen ausgeübten Beruf nicht mehr nachgehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 07.12.2016 – IV ZR 434/15 –),

  • im zweiten Halbsatz der obigen Klausel jedoch nicht mehr auf den tatsächlich zuletzt ausgeübten Beruf abgestellt wird, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet ist,
  • sondern dies dahin eingeschränkt wird, dass das lediglich mit der Maßgabe gilt, dass die Tätigkeit zu mindestens 90 % als Schreibtischtätigkeit in Büro, Praxis oder Kanzlei ausgeübt wird,

damit auf einen fingierten Beruf abgestellt wird, der mit der tatsächlichen Berufstätigkeit des Versicherungsnehmers nichts zu tun haben muss und

  • diese Abweichung vom allgemeinen Verständnis des versicherten Berufs sich einem durchschnittlichen Versicherungsinteressenten nicht hinreichend erschließt,
  • ihm insbesondere nicht mit der erforderlichen Klarheit die Gefahr einer Versicherungslücke verdeutlicht wird, die entsteht, wenn
    • er eine nicht sitzende oder zu weniger als 90 % sitzende Tätigkeit nicht mehr,
    • eine zu mindestens 90 % sitzende Tätigkeit indessen weiter ausüben könnte.

Meniskusschaden kann bei Profifußballern Berufskrankheit sein

Darauf hat die 5. Kammer des Sozialgerichts Dresden (SG) hingewiesen und am 10.02.2017 – S 5 U 233/16 – im Fall eines 32 Jahre alten, ehemaligen Profifußballspielers,

  • der seit dem siebten Lebensjahr Fußball gespielt hatte,
  • von 2003 bis 2014 als Profifußballer bei verschiedenen Vereinen der 1. und der 2. Bundesliga im Einsatz war,
  • dessen Kniegelenke in der Zeit seiner Tätigkeit als Berufsfußballer, wie der medizinische Sachverständige errechnet hatte, mehr als 5.700 Stunden überdurchschnittlich belastet waren und
  • der 2006 einen Meniskusriss erlitten hatte,

entschieden, dass

  • es sich bei dem Meniskusschaden um einen Schaden nach mehrjähriger andauernder oder häufig wiederkehrender, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastender Tätigkeiten handelt und
  • somit hier die Berufskrankheit 2102 vorliegt (vgl. § 9 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII).

Angesichts

  • der aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass bei Berufssportlern – insbesondere Fußballern – erhebliche Belastungen des Meniskus bestehen sowie
  • der 5.700 Stunden an kniebelastender Tätigkeit während seiner Trainings- und Wettkampfzeiten,

war der 2006 eingetretene Meniskusschaden nach Auffassung der Kammer durch die berufliche Tätigkeit des 32-Jährigen (mit-)verursacht.

Wird die Entscheidung rechtskräftig ist dem 32-Jährigen damit die Möglichkeit eröffnet, von der Berufsgenossenschaft medizinische Rehabilitation und finanzielle Entschädigung zu verlangen (Quelle: Pressemitteilung des SG Dresden vom 15.02.2017).