Tag Testament

BGH entscheidet: Dass ein Nachlassgegenstand vom Erben (bereits) veräußert worden ist, steht dem Anspruch eines Pflichtteilsberechtigten

…. auf Wertermittlung nicht entgegen. 

Mit Urteil vom 29.09.2021 – IV ZR 328/20 – hat der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in einem Fall, in dem der Erblasser, 

  • Eigentümer eines Hausgrundstücks 

war, nach seinem Tod der in seinem Testament eingesetzte Erben 

  • das Hausgrundstück veräußert 

und nachfolgend der Pflichtteilsberechtigte des Erblassers von dessen Erben verlangt hatte, 

  • den Wert des Hausgrundstücks durch Vorlage eines Wertgutachtens ermitteln zu lassen, 

entschieden, dass der Umstand, dass 

  • der Nachlassgegenstand vom Erben nach dem Erbfall veräußert wurde,

dem Anspruch eines Pflichtteilsberechtigten 

  • auf Wertermittlung gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB zum Zeitpunkt des Erbfalles

grundsätzlich nicht entgegensteht, sondern der Pflichtteilsberechtigte jedenfalls dann ein 

  • schutzwürdiges Interesse 

an einer derartigen Wertermittlung hat, wenn die vom Erben 

  • vorgelegten Unterlagen und Auskünfte 

nicht ausreichen, sich ein Bild über den Wert des Nachlassgegenstandes zu machen.

Begründet hat der Senat dies damit, dass andernfalls dem Pflichtteilsberechtigten,

  • der wirtschaftlich so zu stellen ist, als sei der Nachlass beim Tod des Erblassers in Geld umgesetzt worden und 
  • dazu abzustellen ist auf den so genannten gemeinen Wert, der dem Verkaufswert im Zeitpunkt des Erbfalles entspricht, 

der Nachweis verwehrt bzw. zumindest erschwert würde, dass der Veräußerungserlös nicht dem tatsächlichen Verkehrswert entspricht.

Ob ein derartiger nach dem Wortlaut von § 2314 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB einschränkungsloser Wertermittlungsnspruch in Ausnahmefällen 

  • nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB oder 
  • wegen Verstoßes gegen das Schikaneverbot gemäß § 226 BGB 

ausscheidet, wenn bereits beispielsweise im Rahmen einer vorgesehenen Teilungsversteigerung oder der Veräußerung 

  • mehrere Sachverständigengutachten zu dem Wert des Nachlassgegenstandes eingeholt wurden und 
  • zu demselben Ergebnis kamen, 

hat der Senat offengelassen.

Übrigens:
Anspruch auf Wertermittlung durch Vorlage eines Wertgutachtens eines 

  • öffentlich bestellten und vereidigten 

Sachverständigen hat der Pflichtteilsberechtigte nicht, sondern nur, dass die Wertermittlung durch einen 

  • unparteiischen

Sachverständigen erfolgt, unabhängig davon, ob er 

  • öffentlich bestellt und vereidigt ist oder 
  • nicht.

Und wenn das Hausgrundstück im Eigentum einer Erbengemeinschaft stand, an der der 

  • Erblasser mit einem Anteil von 1/2 beteiligt 

war und nur dieser Anteil des Erblassers an der Erbengemeinschaft in den Anlass fällt, kann sich auch der Wertermittlungsanspruch 

  • nur hierauf – also den Wert des Anteils des Erblassers an der im Eigentum der Erbengemeinschaft nach …. stehenden Immobilie – erstrecken und 
  • nicht auf die Ermittlung des Grundstücks als solchem.

Hinweis:
(Weitere) Infos dazu, was (Testaments)Erben und Pflichtteilsberechtigte, die nicht Erben sind, wissen sollten, finden Sie u.a. hier.

Was Erblasser, die einen Abkömmling nicht nur enterben, sondern diesem auch den Pflichtteil entziehen wollen,

…. wissen müssen.  

Einen Abkömmling, 

  • der nach dem Tod des Erblassers gesetzlicher Erbe würde, 

kann der Erblasser durch Testament oder Erbvertrag von der Erbfolge 

  • – ohne Begründung – 

ausschließen, beispielsweise 

  • indem der Erblasser in seinem Testament verfügt, dass ein (bestimmter) Abkömmling nicht Erbe werden soll oder 
  • dadurch, dass er einen anderen bzw. andere im Testament als Erben einsetzt, den Abkömmling also testamentarisch übergeht.

Darüber hinaus auch den Pflichtteil (vgl. § 2303 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) einem Abkömmling wirksam entziehen, kann der Erblasser nur dann, wenn der Abkömmling (vgl. § 2333 Abs. 1 BGB) 

  • dem Erblasser, dem Ehegatten des Erblassers, einem anderen Abkömmling oder einer dem Erblasser ähnlich nahe stehenden Person nach dem Leben getrachtet,
  • sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen eine dieser Personen schuldig gemacht,
  • die ihm dem Erblasser gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht böswillig verletzt hat oder
  • wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt oder seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt wegen einer ähnlich schwerwiegenden vorsätzlichen Tat rechtskräftig angeordnet und seine Teilhabe am Nachlass deshalb für den Erblasser unzumutbar ist. 

Das diesbezügliche maßgebliche Fehlverhalten, 

  • auf das der Erblasser den Entzug auch des Pflichtteils stützt, 

muss im Testament eindeutig geschildert werden. 

Soll der Pflichtteil beispielsweise wegen einer 

  • gegen den Erblasser oder dessen Ehefrau begangenen 

vorsätzlichen Körperverletzung entzogen werde, muss dieses Vergehen 

  • auch schwer 

gewesen sein.

War das nicht der Fall oder kann, 

  • wenn von dem ansonsten Pflichtteilsberechtigtem der Entzug des Pflichtteils nicht hingenommen wird,
  • die Wirksamkeit des Pflichtteilsentzugs also streitig ist, 

der bedachte Erbe nach dem Erbfall, also nach dem Tod des Erblassers nicht nachweisen, dass das begangene Vergehen des Pflichtteilsberechtigten schwer war, 

  • etwa weil dies im Gerichtsverfahren nicht aufgeklärt werden kann bzw. 
  • denkbar bleibt, dass sich die Körperverletzung bei einem spontanen Streit oder im Affekt zugetragen hat, 

würde das nicht zum Entfallen des Pflichtteilsanspruch führen, mit der Rechtsfolge, dass

  • der Pflichtteilsanspruch gegen den bedachten Erben geltend gemacht werden könnte.

Darauf hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Frankenthal in einem Fall hingewiesen, in dem Eltern ihren Sohn 

  • in einem notariellen Erbvertrag 

enterbt, mit der Begründung, dass der Sohn seine Mutter 

  • mehrfach geschlagen und sie hierbei eine Schädelprellung erlitten habe,

darüber hinaus angeordnet hatten, dass ihm 

  • der Pflichtteil entzogen 

werden soll und der Sohn nach dem Tode der Mutter 

  • die Pflichtteilsentziehung nicht akzeptieren wollte und 
  • gegen die als Erbin eingesetzte soziale Einrichtung auf Zahlung des Pflichtteils geklagt hatte (Quelle: Pressemitteilung des LG Frankenthal).

Übrigens:
Für die Entziehung des Eltern- oder Ehegattenpflichtteils (§ 2303 Abs. 2 Satz 1 BGB) gilt gemäß § 2333 Abs. 2 BGB § 2333 Abs. 1 BGB entsprechend.

Wichtig zu wissen: Wann ist ein unter Beachtung der Formvorschriften errichtetes Testament unwirksam?

Ein Testament, 

  • das gemäß § 2229 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) von Menschen ab Vollendung des 16. Lebensjahrs errichtet werden kann, 

ist,

  • auch wenn es unter Beachtung der Formvorschriften errichtet wurde,  

unwirksam, 

  • wenn die Person, die das Testament errichtet hat, zum Zeitpunkt der Errichtung testierunfähig war,
  • wenn das Testament gegen ein gesetzliches Verbot verstößt (§ 134 BGB) oder
  • wenn das Testament sittenwidrig ist (§ 138 Abs. 1 BGB).

Testierunfähig und damit unfähig ein Testament zu errichten ist nach § 2229 Abs. 4 BGB, wer bei Errichtung des Testaments 

nicht in der Lage war, 

dessen Erwägungen und Willensentschlüsse also bei Errichtung des Testaments 

beruhten, sondern durch krankhaftes Empfinden oder krankhafte Vorstellungen und Gedanken derart beeinflusst wurden, 

Diese Unfreiheit der Erwägungen und der Willensbildungen braucht nicht darin zu Tage zu treten, dass der Erblasser sich keine Vorstellung 

zu machen vermag.

Testierunfähig ist daher auch derjenige, der 

sich über die für und gegen die letztwillige Verfügung sprechenden Gründe 

Nach der Konzeption des § 2229 BGB, 

gilt allerdings jedermann, der das 16. Lebensjahr (§ 2229 Abs. 1 BGB) vollendet hat, 

bis das Gegenteil zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen ist, d.h. bewiesen ist, 

Damit ist ein Erblasser also 

als testierfähig zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments anzusehen (Oberlandesgericht (OLG) München, Beschluss vom 15.12.2016 – 31 Wx 144/15 –; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 17.8.2017 – 20  W 188/16 –).

  • Die Frage, ob die Voraussetzungen der Testierfähigkeit gegeben waren, lässt sich in der Regel nur mit Hilfe eines psychiatrischen Sachverständigen beantworten.

Unwirksam wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) ist ein Testament beispielsweise, wenn, 

  • unter Verstoß gegen § 14 Abs. 5 Heimgesetz (HeimG), 

die Leitung, die Beschäftigten oder sonstige Mitarbeiter eines Heimes i.S.v. § 1 Abs. 1 HeimG sich von Bewohnerinnen und Bewohnern zu Erben einsetzen lassen (Bayerisches Oberstes Landesgericht (BayObLG), Beschlüsse vom 22.06.2004 – 1Z BR 040/04 – und vom 13.09.2000 – 1Z BR 68/00 – sowie OLG Frankfurt, Beschluss vom 29.01.2001 – 20 W 71/99 –).

Sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB) kann ein Testament 

  • nicht nur hinsichtlich des Inhalts, 
  • sondern auch wegen der Umstände des Zustandekommens

sein, also beispielsweise auch dann, wenn Jemand bewusst 

  • seine Vertrauensstellung und seinen persönlichen Einfluss auf einen Erblasser 

dazu benutzt, gezielt darauf hinzuwirken, dass 

  • der leicht beeinflussbare Erblasser ohne reifliche Überlegung über erhebliche Vermögenswerte durch ein Testament in seinem Sinne verfügt (OLG Celle, Urteil vom 07.01.2021 – 6 U 22/20 – zur Sittenwidrigkeit eines zugunsten einer Berufsbetreuerin und eines „Seniorenbetreuers“ errichteten notariellen Testaments).

Wer ein Testament errichtet hat, sollte beachten, dass von ihm daran nachträglich vorgenommene Änderungen

…. immer (auch) der Unterschrift bedürfen.

Mit Beschluss vom 22.07.2020 – 2 Wx 131/20 – hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Köln in einem Fall, in dem von einer Erblasserin, 

  • die ein handschriftliches Testament verfasst hatte, das sie im Original in einem Bankschließfach verwahrte,

auf einer in ihrer Wohnung aufbewahrten 

  • Kopie

zwei handschriftliche Ergänzungen bzw. Streichungen, 

  • eine mit Unterschrift versehen, 
  • die andere ohne Unterschrift,   

vorgenommen worden waren, entschieden, dass 

  • die mit der Unterschrift der Erblasserin versehene Änderung wirksam und
  • die Änderung, unter der ihre Unterschrift fehlt, unwirksam ist.  

Begründet hat der Senat dies damit, dass 

  • ein formwirksames Testament 

auch dadurch hergestellt werden kann, dass der Testierende 

  • die Fotokopie eines von ihm eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Testaments eigenhändig ändert, wenn der im vorhandenen Original und auf der Kopie niedergelegte Text ein einheitliches Ganzes bilden 

und unter dieser Voraussetzung auch 

  • Änderungen in Form von eigenhändigen Durchstreichungen des fotokopierten Textes 

Teil eines formwirksamen Testaments sein können, es jedoch,

  • zur Wahrung der Formerfordernisse des § 2247 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), 

erforderlich sei, dass 

  • die Änderungen mit der Unterschrift des Erblassers 

versehen sind (Quelle: Pressemitteilung des OLG Köln).

Nacherben sollten wissen, dass und wann im Rahmen der Erbschaftsteuerfestsetzung die Erbfallkostenpauschale

…. nicht nur dem Vorerben, sondern auch ihnen gewährt werden muss.

Mit Urteil vom 24.10.2019 – 3 K 3549/17 – hat der 3. Senat des Finanzgerichts (FG) Münster entschieden, dass,

  • wenn ein Erblasser in seinem Testament als Erben einen Vor- und einen Nacherben eingesetzt hat,

der Pauschbetrag gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) i.H.v. 10.300 Euro (sog. Erbfallkostenpauschale) auch dem Nacherben dann zu gewähren ist, wenn dieser

  • zwar nicht die Kosten der Beerdigung des Erblassers, aber andere

(geringfügige) mit der Abwicklung des Erbfalls entstandene Aufwendungen getragen hat.

Dass einem Nacherben in einem solchen Fall im Rahmen der Erbschaftsteuerfestsetzung auf Antrag der Pauschbetrag nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG i.H.v. 10.300 Euro (sog. Erbfallkostenpauschale) gewährt werden muss, hat das FG damit begründet, dass es sich erbschaftssteuerrechtlich bei der Vor- und Nacherbschaft um zwei Erwerbsvorgänge handelt,

  • um den Erwerb des Vorerben beim Tod des Erblassers und um den Erwerb des Nacherben beim Tod des Vorerben,
  • die beiden Erwerbsvorgänge jeweils einen Erbanfall nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG darstellen, mit der Folge, dass beide Erwerbsvorgänge in ihrer zeitlichen Abfolge getrennt der Besteuerung unterliegen,

wegen dieser zwei voneinander getrennt zu beurteilenden Erbfälle somit die Erbfallkostenpauschale für den Vorerbfall sowie den Nacherbfall je einmal in Anspruch genommen werden kann, § 10 Abs. 5 Nr. 3 Sätze 1 und 2 ErbStG

  • neben den Kosten der Bestattung des Erblassers, den Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal und den Kosten für die übliche Grabpflege

auch die unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung und Regelung des Erwerbs entstandenen Kosten,

  • zu denen u. a. die Kosten für die Eröffnung der Verfügung von Todes wegen und die Kosten für die Erteilung des Erbscheins zählen,

umfasst und Voraussetzung, dass für diese Kosten insgesamt ein Betrag von 10.300 Euro ohne Nachweis abgezogen wird, lediglich ist, dass

  • dem Erwerber derartige Kosten entstanden sind und
  • nur die Höhe nicht nachgewiesen hat.

Danach liegen die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Pauschbetrags vor, wenn

  • ein Nacherbe beispielsweise durch Vorlage einer entsprechenden Rechnung nachweisen kann, dass ihm für die Eröffnung der Verfügung von Todes wegen, für die Beantragung und Erteilung des Erbscheins, Kosten entstanden sind,
  • selbst wenn es sich dabei im Verhältnis zum Pauschbetrag lediglich um geringe Kosten handelt

und scheidet ein Abzug des Pauschbetrags nur dann aus, wenn

  • Kosten im Sinne von § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG nicht entstanden sind.

Wer in seinem Testament verfügt, dass Erben seine Abkömmlinge sein sollen, sollte wissen, dass

…. der Begriff Abkömmlinge

  • neben den Kindern

auch die Enkel und Urenkel umfasst.

Darauf hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg hingewiesen und mit Urteil vom 11.09.2019 – 3 U 24/18 – entschieden, dass, wenn Eheleute in einem gemeinschaftlichen Testament,

  • sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzen sowie

verfügen, dass

  • Erben des Letztversterbenden „unsere gemeinschaftlichen Abkömmlinge zu gleichen Anteilen“ sein sollen,

Erben des Letztversterbenden werden

  • alle zum Zeitpunkt des Erbfalls lebenden Abkömmlinge der Eheleute – ob Kinder, Enkel oder Urenkel – zu gleichen Anteilen.

Danach ist der Begriff „Abkömmlinge“ nicht allein auf Kinder beschränkt,

  • sondern sind darunter auch die Enkel, Urenkel usw. zu verstehen (vgl. § 1924 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)),

so dass,

  • wenn nur die Kinder gemeint sein sollen,

Erblasser den Begriff „Kinder“ wählen müssen (Quelle: Pressemitteilung des OLG Oldenburg).

Was man wissen sollte, wenn nach dem Tod des Erblasser ein von ihm eigenhändig errichtetes Testament

…. nicht (mehr) auffindbar ist.

Ein nicht mehr vorhandenes Testament ist nicht allein wegen seiner Unauffindbarkeit ungültig.

Auch besteht im Falle der Unauffindbarkeit eines Testamentes keine Vermutung dafür, dass es

  • vom Erblasser vernichtet worden und deshalb gem. § 2255 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

als widerrufen anzusehen ist

  • Denn auch (Original-) Testamente werden unbeabsichtigt verlegt oder entsorgt und es ist auch nicht lebensfremd, dass Testamente oder Kopien von Testamenten auch bei sorgfältiger Suche nach dem Tod einer Person zunächst nicht, später aber zufällig an einem Ort gefunden werden, wo mit einem Testament oder einer Kopie eines Testamentes nicht unbedingt zu rechnen war.

Demzufolge gilt:

Ist ein Testament nicht mehr auffindbar, muss derjenige, der sich auf dieses unauffindbare Testament beruft,

  • die formgültige Errichtung (§§ 2247 Abs. 1, 2265 BGB) und den Inhalt des Testaments beweisen

und

  • trägt insoweit im Verfahren auf Erteilung eines Erbscheins die Feststellungslast.

Bewiesen werden kann die formgerechte Errichtung des Testaments und dessen Inhalt

  • mit allen zulässigen Beweismitteln,

wobei allerdings an diesen Nachweis,

  • wegen der für die Errichtung des Testaments geltenden Formvorschriften,

strenge Anforderungen zu stellen sind.

Ausreichen als Nachweis kann

  • eine Kopie des Originaltestamentes,

wenn mit ihr

  • und ggf. einem graphologischem Gutachten

die formgerechte Errichtung des Originaltestamentes nachgewiesen werden kann.

Ist nachgewiesen, dass

  • ein Testament ursprünglich wirksam in der Form der §§ 2247 Abs. 1, 2265 BGB errichtet wurde,

hat derjenige,

  • der aus dem Widerruf des Testaments Rechte herleiten will,

diesen Widerruf zu beweisen,

  • entweder mit Beweismitteln, mit denen sich der Widerruf direkt beweisen lassen kann, wie insbesondere etwa die zerstörte Urkunde
  • oder mittels Indizien, die den Schluss auf einen Widerruf zulassen.

Die bloße Tatsache der Unauffindbarkeit des Originaltestaments besagt für sich allein nämlich noch nicht und begründet insbesondere

  • keine tatsächliche Vermutung oder
  • einen Erfahrungssatz,

dass das Testament durch den Erblasser vernichtet worden ist.

Denn die Vermutung,

  • dass mit der Vernichtung eines Testaments dessen Aufhebung beabsichtigt ist (§ 2255 S. 2 BGB),

setzt ihrerseits voraus, dass

  • eine Vernichtung des Testaments festgestellt ist.

Übrigens:
Auch bei einem gemeinschaftlichen Testament steht den Testatoren für den Widerruf ihres Testaments die Form des § 2255 BGB zur Verfügung, so dass ein gemeinschaftliches Testament grundsätzlich auch durch Vernichtung aufgehoben werden kann.

Allerdings gilt dabei Folgendes:

Der Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen in einem Ehegattentestament (§ 2271 BGB) durch Vernichtung der Urkunde gemäß § 2255 BGB setzt voraus, dass

  • beide Ehegatten mit Testier- und Widerrufswillen an der Vernichtung der Urkunde mitgewirkt haben.

Da somit

  • eine einseitige Aufhebung wechselbezüglicher Verfügungen in der Form des § 2255 BGB oder
  • eine spätere „Genehmigung“ einer einseitigen Zerstörung

nicht möglich sind, setzt der Nachweis des Widerrufs insbesondere voraus, dass die Möglichkeit,

  • dass ein Ehegatte die Urkunde ohne Kenntnis und Mitwirkung des anderen vernichtet hat,

ausgeschlossen werden kann (Oberlandesgericht (OLG) München, Beschluss vom 31.10.2019 – 31 Wx 398/17 –, OLG Köln, Beschluss vom 02.12.2016 – 2 Wx 550/16 –).

Ehegatten die ein gemeinschaftliches Testament errichtet haben, sollten wissen, dass dieses dann unwirksam werden kann, wenn

…. die Scheidungsvoraussetzungen vorliegen.

Mit Beschluss vom 26.09.2018 – 3 W 71/18 – hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg darauf hingewiesen, dass ein von Ehegatten verfasstes gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Erben eingesetzt haben,

  • nach §§ 2268, 2077 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

nicht nur unwirksam wird, wenn die Ehe geschieden wird,

  • sofern nicht festgestellt werden kann, dass die Eheleute beim Abfassen des Testaments wollten, dass es auch im Scheidungsfall gültig bleibt (§ 2268 Abs. 2 BGB),

sondern ein gemeinschaftliches Testament seine Wirksamkeit schon dann verliert, wenn

  • die Voraussetzungen für eine Scheidung nach §§ 1565, 1566 BGB vorliegen

und der Erblasser

  • die Scheidung eingereicht oder
  • einem Scheidungsantrag des Ehepartners gemäß § 134 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) zur Niederschrift der Geschäftsstelle oder in der mündlichen Verhandlung zur Niederschrift des Gerichts zugestimmt hat.

Eine erklärte Zustimmung zur Scheidung entfällt dabei,

  • sofern nicht klargestellt wird, dass die Ehe Bestand haben solle,

auch nicht dadurch, dass der Zustimmende sich zur Durchführung eines Mediationsverfahrens bereit erklärt.

Was Ehegatten, die ein gemeinschaftliches Testament errichten möchten, wissen und gegebenenfalls beachten sollten

Setzen sich Ehegatten in einem von ihnen errichteten gemeinschaftlichen Testament lediglich gegenseitig als Alleinerben ein und

  • regeln sie die Erbfolge nach dem Ableben des überlebenden Ehegatten in dem gemeinschaftlichen Testament nicht, sondern lassen sie diese offen,

fällt dem Überlebenden der Nachlass des Erstversterbenden zu und dieser kann über das Gesamtvermögen – auch von Todes wegen – frei verfügen.
Errichtet der Überlebende nach dem Tod des Erstverstorbenen keine weitere letztwillige Verfügung,

  • tritt bei seinem Ableben gesetzliche Erbfolge ein,
  • d.h. in diesem Fall fließt das gesamte Vermögen beider Eheleute (nur) den gesetzlichen Erben des Überlebenden zu.

Wollen Ehegatten, die sich in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig als Erben eingesetzt haben, zusätzlich,

  • mit Bindungswirkung für den Überlebenden,
  • d.h. mit der Folge, dass dieser dann in seiner Testierfreiheit eingeschränkt ist und jede seine anderweitigen Verfügungen von Todes wegen unwirksam ist,

bestimmen, dass

  • nach dem Tod des Überlebenden der beiderseitige Nachlass an einen Dritten bzw. mehrere Dritte fallen soll,
  • beispielsweise an ein Kind oder an bestimmte Kinder der Ehegatten oder eines Ehegatten,

haben Ehegatten zwei Möglichkeiten.

Die Ehegatten können entweder,

  • den Überlebenden als befreiten oder nicht befreiten Vorerben (vgl. § 2136 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) des Erstversterbenden und
  • einen Dritten oder mehrere Dritte als Nacherben (vgl. § 2100 BGB) des Erstversterbenden einsetzen, wobei dann
    • mit dem Tod des erstversterbenden Ehegatten
      • der überlebende Ehegatte befreiter oder nicht befreiter Vorerbe (des Vermögens) des erstversterbenden Ehegatten und
      • der Dritte bzw. die Dritten Nacherbe(n) (des Vermögens) des erstversterbenden Ehegatten wird/werden sowie
    • mit dem Tod des längstlebenden Ehegatten
      • der Nacherbfall eintritt und der Dritte bzw. die Dritten Nacherbe(n) (des Vermögens) des Erstverstorbenen und
      • Erbe(n) (des Vermögens) des Längstlebenden wird/werden,

oder die Ehegatten können

  • den überlebenden Ehegatten als Vollerben und
  • einen Dritten oder mehrere Dritte wechselbezüglich im Sinne des § 2077 Abs. 1 BGB als Schlusserben einsetzen,
    • wobei in diesem Fall nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten, wenn es sich bei dem bzw. den Dritten um ein Kind bzw. Kinder des Erstverstorbenen handelt, dieses bzw. diese von der Erfolge ausgeschlossen ist/sind und
    • erst nach dem Tod des längstlebenden Ehegatten Erbe(n) des (noch) vorhandenen Vermögens wird/werden.

Im erstgenannten Fall, in dem der überlebende Ehegatte befreiter oder nicht befreiter Vorerbe des Vermögens des erstverstorbenen Ehegatten wird,

  • unterliegt er gewissen Verfügungsbeschränkungen und
  • können als Nacherben eingesetzte Kinder des erstverstorbenen Ehegatten ihren Pflichtteilsanspruch nach dem Tod ihres erstverstobenen Elternteils gegen ihn nur geltend machen, wenn sie die Nacherbschaft ausschlagen (vgl. § 2306 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Fall 1, Abs. 2 BGB),

während im zweitgenannten Fall, in dem der überlebende Ehegatte Vollerbe des Vermögens des erstverstorbenen Ehegatten wird,

  • er, abgesehen von, den eingesetzten Schlusserben beeinträchtigenden Schenkungen im Sinne des § 2287 Abs. 1 BGB, unter Lebenden völlig frei über den Nachlass verfügen kann,
  • von ihm als Schlusserben eingesetzte Kinder des erstverstorbenen Ehegatten in diesem Fall allerdings ihren Pflichtteil verlangen können und
    • die Ehegatten deshalb überlegen sollten, ob sie, um pflichtteilsberechtigte Kinder zu veranlassen, auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs zu verzichten, in das gemeinschaftliches Testament eine sog. Pflichtteilsstrafklausel aufnehmen, d.h. bestimmen wollen,
    • dass, wenn ein als Schlusserbe eingesetztes Kind nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils seinen Pflichtteilsanspruch geltend machen sollte, es auch nach dem Tod des Überlebenden nur den Pflichtteil erhalten soll.

Wollen Ehegatten,

  • die Kinder haben,

verhindern, dass,

  • wenn der überlebende Ehegatte wieder heiratet,

der neue Ehegatte mit in den Genuss des Teils des Nachlasses des erstverstorbenen Ehegatten kommt,

  • der bei gesetzlicher Erbfolge den Kindern zustehen würde,

können sie in dem gemeinschaftlichen Testament, wenn sie

  • den Überlebenden als befreiten oder nicht befreiten Vorerben (vgl. § 2136 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) des Erstversterbenden und
  • ein Kind bzw. Kinder als Nacherben (vgl. § 2100 BGB) des Erstversterbenden eingesetzt haben,

zusätzlich bestimmen,

  • dass der Nacherbfall auch im Fall der Wiederheirat des überlebenden Ehegatten eintreten soll

oder wenn sie

  • den überlebenden Ehegatten als Vollerben und
  • ein Kind bzw. Kinder als Schlusserben eingesetzt haben,

beispielsweise zusätzlich verfügen, dass,

  • falls der überlebende Ehegatte wieder heiratet, er Vorerbe und das Kind bzw. die Kinder Nacherben sein sollen.

Ihr Rechtsanwalt berät Sie gern über die Einzelheiten der verschiedenen Möglichkeiten die Ehegatten haben, die jeweiligen Vor- und Nachteile der einzelnen Möglichkeiten sowie die damit für den überlebenden Ehegatten verbundenen Rechtsfolgen und die Formulierungen, die Sie verwenden sollten, damit das Testament auch Ihrem Willen entspricht.