Tag Überholen

OLG Oldenburg entscheidet: Radfahrer muss anderen Radfahrer nach Unfall beim Überholvorgang u.a.

…. 3.500 Euro Schmerzensgeld zahlen.

Mit Urteil vom 21.09.2021 – 2 U 121/21 – hat der 2. Senat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg in einem Fall, in dem es deswegen zu einer 

  • Kollision zwischen zwei Radfahrern 

gekommen war, weil, als der eine den vor ihm auf einem 

  • nur optisch von einem Fußweg abgegrenzten, zum Überholen ausreichend breiten

Radweg langsam und unsicher Fahrenden gerade überholen wollte, dieser

  • mit seinem Fahrrad 

erheblich nach links ausschwenkte, gegen den anderen, 

  • der überholen wollte, 

gestoßen, dieser dadurch gestürzt war und  

  • sich dabei seine Schulter verrenkt sowie eine Sehne abgerissen hatte, 
  • deswegen zwei Tage im Krankenhaus behandelt werden musste und 
  • nachdem er eine Woche krankgeschrieben war, sich einer längeren Physiotherapie hatte unterziehen müssen,

entschieden, dass der nach links ausschwenkende Radfahrer, 

  • der dadurch die Kollision und den Sturz des anderen verursacht hatte, 

dem Gestürzten 

  • ein Schmerzensgeld von 3.500 Euro 

zahlen sowie

  • die Hälfte seines Sachschadens (Fahrten zur Physiotherapie, beschädigte Kleidung)

ersetzen muss.

Begründet hat der Senat dies damit, dass der nach links ausschwenkende Radfahrer durch seinen Linksschwenk, 

  • der zu der Kollision und zum Sturz des anderen führte, 

gegen das Gebot der Rücksichtnahme (§ 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO)) verstoßen habe,

  • nach dem sich jeder Verkehrsteilnehmer so verhalten müsse, dass kein anderer gefährdet oder behindert werde, 

den gestürzten Radfahrer aber, 

  • weil er hätte erkennen können, dass der, den er überholen wollte, unsicher fuhr, 

ein Mitverschulden von 50% treffe (Quelle: Pressemitteilung des OLG Oldenburg).

Warum Radfahrer beim Überholen von Pferden einen Sicherheitsabstand von wenigstens eineinhalb bis zwei Metern

…. einhalten sollten.

Mit Urteil vom 05.06.2020 – 4 O 10/19 – hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Frankenthal entschieden, dass Fahrradfahrer beim Überholen von Pferden, 

  • da mit einer unvorhergesehenen Verhaltensweise immer gerechnet werden müsse, 

einen Sicherheitsabstand von 

  • wenigstens eineinhalb bis zwei Metern 

einhalten müssen und in einem Fall, in dem der Fahrer eines Liegefahrrads 

  • beim Überholen von zwei Reiterinnen auf einem Radweg lediglich einen Abstand von circa 40 Zentimetern eingehalten und 
  • als eines der Pferde mit den Hufen ausgeschlagen hatte, 

zum Sturz gebracht worden war, dem Radfahrer 

  • nach § 254 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eine hälftige Mitschuld an den Folgen seiner Sturzes angelastet und ihm 

wegen der erlittenen Prellungen, Schürfwunden und Handverletzung daher nur 

  • ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000 Euro 

zugesprochen.

Begründet hat die Kammer dies damit, dass einerseits Tierhalter 

  • nach § 833 Satz 1 BGB 

zwar grundsätzlich für sämtliche Schäden einzustehen haben, die ihr Tier verursacht und

  • die Pferdehalterin sich hier, weil sie wusste, dass sie einen nur für Radfahrer zugelassenen Radweg benutzt, auch nicht nach § 833 Satz 2 BGB hatte entlasten können,

andererseits der Radfahrer sich vorwerfbar falsch verhalten habe, da, nachdem

  • die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung (StVO) zum Überholen für Radfahrer auch dann gelten, wenn sich – wie hier – verbotswidrig Pferde auf einem Radweg befinden und 
  • bei einem Pferd immer mit einer unvorhergesehenen Verhaltensweise gerechnet werden muss,

er nach § 5 Abs. 4 Satz 2 StVO beim Überholen der Pferde einen Sicherheitsabstand von 

  • wenigstens eineinhalb bis zwei Metern 

hätte einhalten und sich auch über das Überholen,

  • was problemlos möglich gewesen wäre, 

mit den Reiterinnen hätte verständigen müssen (Quelle: Pressemitteilung des LG Frankenthal).

OLG Düsseldorf entscheidet: Überschreitung der Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen um 70 km/h (200 km/h statt 130 km/h)

…. erhöht die Betriebsgefahr und begründet im Falle eines Unfalls auch dann eine Mithaftung, wenn nur dem Führer des anderen unfallbeteiligten Fahrzeugs ein Verschulden nachgewiesen werden kann.

Mit Urteil vom 21.11.2017 – 1 U 44/17 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf in einem Fall, in dem ein mit 200 km/h auf der linken Fahrspur einer Autobahn fahrendes Fahrzeug mit einem vor ihm befindlichen Fahrzeug kollidiert war, weil

  • dessen Fahrer zwar links geblinkt hatte,
  • aber ohne sich zuvor zu vergewissern, dass er keinen anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet, zum Überholen von der rechten auf die linke Fahrspur gewechselt war,

entschieden, dass, wer die Richtgeschwindigkeit derart überschreite,

  • die Gefahr vergrößere, dass sich ein anderer Verkehrsteilnehmer auf diese Fahrweise nicht einstellen könne sowie die Geschwindigkeit unterschätze und

wegen der dadurch deutlich erhöhten Betriebsgefahr seines Fahrzeugs zu 30% für die Unfallschäden auch dann mithafte, wenn

Wer haftet, wenn zwei Fahrzeuge während des Überholens einer Fahrzeugkolonne kollidieren

Kommt es während des Überholens einer Fahrzeugkolonne deshalb zu einer Kollision zwischen zwei Fahrzeugen aus der Kolonne, weil

  • der Führer des zweiten in der Kolonne fahrenden Fahrzeugs (im Folgenden A genannt) nach links ausschert, um das erste Fahrzeug der Kolonne zu überholen,
  • während gerade der Führer eines zuvor weiter hinten in der Kolonne fahrenden Fahrzeugs (im Folgenden B genannt) im Begriff ist die Kolonne und ihn zu überholen,

trifft A ein Verschulden an dem Verkehrsunfall, weil er gegen das in § 5 Abs. 4 Satz 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) normierte Gebot verstoßen hat, sich beim Überholen so zu verhalten, dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist,

  • wobei dahin gestellt bleiben kann,
    • ob er sich nicht hinreichend vergewissert hatte, dass er zum Überholen ausscheren kann, ohne den nachfolgenden Verkehr zu gefährden oder
    • ob er geglaubt hatte, noch vor dem sich von hinten nähernden Fahrzeug seinerseits das erste Fahrzeug der Kolonne überholen zu können.

Ob B ebenfalls ein Verschulden angelastet werden kann ist dagegen fraglich.

Denn das Überholen einer Kolonne als solches stellt noch keinen Fall des Überholens bei unklarer Verkehrslage i.S.d. § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO dar.

Anderes kann gelten, wenn besondere Umstände hinzukommen, wie etwa, wenn

  • die zu überholenden Fahrzeuge langsamer werden und nach links blinken oder
  • die Kolonne nur mit ca. 25 km/h fährt und ein Überholen zuvor durch eine durchgezogene gerade Linie auf der Fahrbahnmitte untersagt war.

Allerdings kann, auch wenn B kein Verschulden nachgewiesen werden kann,

  • angesichts der mit dem Kolonnenspringen verbundenen abstrakten Selbst- und Fremdgefährdung,

das Überholen einer Kolonne der Annahme entgegenstehen, der Überholende habe sich dem Idealfahrer entsprechend verhalten, mit der Folge,