Das Überholen mehrerer Fahrzeuge, die hintereinanderfahren, ist,
- sofern der Überholvorgang gemäß § 5 Abs. 2 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) über die volle Dauer überschaubar ist,
grundsätzlich statthaft und nicht verboten.
Insbesondere begründet allein der Umstand, dass ein Fahrzeugführer eine
- Kolonne von mehreren Fahrzeugen
überholt, noch keine
die das Überholen nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO unzulässig macht.
Eine unklare Verkehrslage besteht
wenn konkrete Anhaltspunkte aufgrund der Verkehrssituation, etwa
- dem Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer,
- wie beispielsweise ein gesetzter linker Fahrtrichtungsanzeiger eines Vorausfahrenden
oder
eine solche
- bei Beginn des Überholvorgangs
begründen.
Liegen solche konkreten Anhaltspunkte schon bei
- Beginn eines Überholvorgangs
vor, muss die Überholabsicht zurückgestellt werden.
Liegen solche,
- zur Zurückstellung der Überholabsicht verpflichtende
konkreten Anhaltspunkte bei
- Beginn des Überholvorgangs
(noch) nicht vor, darf der Überholende darauf vertrauen, dass kein vorausfahrender Fahrzeugführer
- sich verkehrswidrig verhält und vorschriftswidrig ausschert oder
- nach links abbiegt.
Ihm steht, weil von mehreren hintereinander fahrenden Fahrzeugen dasjenige
hat, das zuerst korrekt hierzu ansetzt, der
- Vorrang gegenüber den Vorausfahrenden
auch dann zu, wenn im
erst Anhaltspunkte, dass ein Vorausfahrender
will, erkennbar werden.
Das bedeutet:
Kommt es zu einem Zusammenstoß mit einem die Kolonne ordnungsgemäß Überholenden, weil ein aus der Kolonne
- beispielsweise nach links Abbiegender seine Pflichten aus § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO (doppelte Rückschaupflicht)
verletzt hat, trifft diesen jedenfalls die überwiegende Haftung.
Allerdings kann eine Mithaftung eines Überholenden,
- der korrekt zum Überholen angesetzt hat,
deshalb in Betracht kommen, weil
- bei der Bestimmung inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist,
auch berücksichtigt werden kann,
- dass, was die Vermeidbarkeit des Unfalls für ihn betrifft, einem Fahrzeugführer, der bei hoher Geschwindigkeit mehrere Kraftfahrzeuge überholt, eine erhöhte Sorgfaltspflicht trifft, so dass ihm eine sogenannte „Schrecksekunde“ nicht zusteht sowie
- dass das Überholen einer Kolonne einen die Betriebsgefahr des Fahrzeugs erhöhenden Umstand darstellt (vgl. Oberlandesgericht (OLG) Celle, Urteil vom 08.06.2022 – 14 U 118/21 –).
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