Tag Vorrang

Wer haftet bei einer Kollision zwischen einem vom linken auf den rechten Fahrstreifen wechselnden und einem

…. aus einer Parkbucht vorwärts an- und in den fließenden Verkehr auf den rechten Fahrstreifen einfahrenden Kraftfahrzeug?   

Mit Urteil vom 08.03.2022 – VI ZR 1308/20 – hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) darauf hingewiesen, dass im Rahmen des § 7 Abs. 5 Satz 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO),

  • wonach ein Fahrstreifen nur gewechselt werden darf, wenn eine Gefährdung „anderer Verkehrsteilnehmer“ ausgeschlossen ist,

„anderer Verkehrsteilnehmer“ nur ein

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Was Autofahrer, die sich in einer Engstelle, in der ein gleichzeitiges Passieren unmöglich ist, entgegenkommen, über

…. ihre Verhaltenspflichten wissen sollten.

Macht eine Engstelle das gleichzeitige Passieren von zwei sich entgegenkommenden Fahrzeugen nicht möglich, müssen sich 

  • die Fahrzeugführer darüber verständigen, 

wie sie die vorhandene Situation auflösen wollen bzw. wer die Fahrt fortsetzen soll.

  • Geschieht das nicht, kann von einem oder beiden ein Verstoß gegen das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme vorliegen (§ 1 Abs. 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO).

Ist durch Zeichen 208 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO (roter und schwarzer Pfeil) geregelt, 

  • wer Vorrang hat, 

gilt dieser Vorrang 

  • nicht nur für den Zeitpunkt des Passierens des Schildes sondern auch 

für den 

  • weiteren (noch nicht übersehbaren) Streckenverlauf 

der Engstelle. 

Fährt derjenige, 

  • der nach dem Zeichen 208 nicht den Vorrang hat, 

in eine für ihn 

  • nicht oder 
  • nicht ganz einsehbare 

Engstelle ein, muss er 

  • durch Anpassung bzw. starken Reduzierung seiner Geschwindigkeit dem vorrangigen Gegenverkehr Rechnung tragen, 
  • notfalls anhalten und 
  • zurücksetzen.

Darauf hat der 7. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgerichts (OLG) mit Beschluss vom 20.04.2020 – 7 U 225/19 – hingewiesen.

Wichtig zu wissen für einen gemeinsamen Geh- und Radweg benutzende Fußgänger und Fahrer von Elektrokleinstfahrzeugen

…. wie E-Scootern oder Segways: Wer haftet bei einer Kollision?

Mit Beschluss vom 16.04.2019 – 12 U 692/18 – hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz in einem Fall, in dem eine Segway-Fahrerin

mit einem

  • gerade fotografierenden und sich dabei unachtsam rückwärts bewegenden

Fußgänger zusammengestoßen und gestürzt war, entschieden, dass der Fußgänger für die Folgen des Sturzes der Segway-Fahrerin,

  • die sich bei dem Sturz erheblich verletzt hatte,

nicht haftet und die Klage der Segway-Fahrerin gegen den Fußgänger

  • auf Schadensersatz und Schmerzensgeld

abgewiesen.

Begründet hat der Senat dies damit, dass

  • Fußgänger auf einem gemeinsamen Fuß- und Radweg gegenüber Elektrokleinstfahrzeugen (zum Beispiel Segways) absoluten Vorrang haben,
  • ein Segway-Fahrer seine Fahrweise und Fahrgeschwindigkeit so anpassen muss, dass es nicht zu einer Behinderung oder Gefährdung des Fußgängers kommt (vgl. § 11 Abs. 4 Sätze 3 und 4 Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV))

und dass

  • Elektrokleinstfahrzeuge-Fahrer, die diese erhöhten Sorgfaltspflichten nicht beachten, bei einer Kollision mit einem Fußgänger ein so hohes Verschulden am Zustandekommen des Unfalles treffen kann, dass ein etwaiges Mitverschulden des Fußgängers (unachtsames Rückwärtsgehen) zurücktritt.

Fußgänger, die auf einem gemeinsamen Geh-/Radweg unterwegs sind,

  • müssen sich danach nicht fortwährend nach Verkehrsteilnehmern umschauen, die einen gemeinsamen Fuß- und Radweg befahren dürfen, sondern

dürfen darauf vertrauen, dass die den Weg befahrenden Verkehrsteilnehmer auf sie Acht geben, also

  • ihre Fahrweise und -geschwindigkeit anpassen,
  • durch Warnsignale rechtzeitig auf sich aufmerksam machen und
  • sicherstellen, dass diese Warnsignale auch rechtzeitig wahrgenommen und verstanden werden, wozu ggf.
    • Blickkontakt herzustellen oder
    • auf andere Weise eine Verständigung zu suchen ist oder
    • das Fahrzeug angehalten werden muss, falls ein Fußgänger nicht auf Warnsignale achtet oder reagiert und nur so eine Behinderung oder Gefährdung des Fußgängers vermieden werden kann (Quelle: Pressemitteilung des OLG Koblenz).

Wer haftet wann (mit), wenn ein erwachsener Fußgänger angefahren wird, der an einer nicht vorgesehenen Stelle die Straße überqueren will?

Überquert ein erwachsener Fußgänger an einer nicht für Fußgänger vorgesehenen Stelle die Straße und wird er dabei von einem Kraftfahrzeug angefahren, spricht zunächst der Anschein

  • für einen unfallursächlichen Verstoß des Fußgängers gegen § 25 Abs. 3 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), nämlich

dafür, dass der Fußgänger unter Missachtung des Vorrangs des Kraftfahrzeugs die Straße überquert und dadurch den Unfall verursacht hat.

  • Gelingt es dem Fußgänger nicht diesen gegen ihn sprechenden Anschein zu erschüttern oder ergibt ein eingeholtes Sachverständigengutachten, dass der Fußgänger das herannahende Kraftfahrzeug hätte wahrnehmen und eine Kollision durch Stehenbleiben am Fahrbahnrand hätte vermeiden können, trifft den Fußgänger zumindest eine Mitschuld an dem Unfall.

Ob und ggf. in welchem Umfang, also mit welcher Quote auch

  • der Fahrzeugführer aus § 18 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG),
  • der Fahrzeughalter aus § 7 Abs. 1 StVG sowie
  • dessen Haftpflichtversicherer aus § 115 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz – VVG)

für die Unfallfolgen (mit) haften, hängt davon ab,

  • ob dem Kraftfahrer ein unfallursächliches Verschulden trifft, d.h.,
    • ob er die am Unfallort zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten oder
    • den die Fahrbahn betretenden Fußgänger zu spät bemerkt bzw. zu spät reagiert hat und
    • andernfalls der Unfall vermieden worden oder die Unfallfolgen milder ausgefallen wären

oder

  • ob auf Seiten des Autofahrers kein schuldhaftes unfallursächliches Verhalten feststellbar ist und
  • der Unfallverursachungsbeitrag nur in der von dem Fahrzeug ausgehenden Betriebsgefahr besteht,

Bei der Prüfung, ob dem Fahrzeugführer ein für den Fußgängerunfall ursächlicher schuldhafter Verkehrsverstoß anzulasten ist, ist übrigens,

  • sofern nicht gem. § 3 Abs. 2a StVO – wonach, wer ein Fahrzeug führt, sich gegenüber Kindern, hilfsbedürftigen und älteren Menschen, insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft, so verhalten muss, dass eine Gefährdung dieser Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist – eine frühere Reaktion bzw. Verlangsamung geboten ist,

davon auszugehen, dass Fahrzeugführer erst reagieren müssen, wenn für sie erkennbar wird,

  • dass ein Fußgänger unter Verstoß gegen § 25 Abs. 3 StVO (auf dessen Einhaltung grundsätzlich vertraut werden kann) nicht am Fahrbahnrand stehen bleiben,
  • sondern die von ihm befahrene Fahrbahn betreten wird, ohne ihnen Vorrang zu gewähren (OLG Hamm, Urteil vom 10.04.2018 – 9 U 131/16 –).

Wer hat Vorrang, wenn bei einer über die Straßenbahnschienen führenden Fahrspur die Ampel sowohl

…. für Kraftfahrzeuge als auch für die Straßenbahn Grünlicht zeigt?

Mit Urteil vom 13.04.2018 – 7 U 36/17 – hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm darauf hingewiesen, dass bei einer Ampelphasenschaltung

  • mit Grünlicht für linksabbiegende Kraftfahrzeuge, die die Straßenbahnschienen kreuzen, und
  • ebenfalls Grünlicht für die Straßenbahn

die Straßenbahn Vorrang hat und dass bei einer Kollision zwischen einem PKW und einer Straßenbahn in einem solchen Fall,

  • sollte dem Straßenbahnfahrer weder eine für den Unfall (mit)ursächliche Geschwindigkeitsüberschreitung, noch eine verspätete Reaktion nachgewiesen werden können,

der PKW-Fahrer für die Unfallfolgen zu 100 % verantwortlich sein kann.

Autofahrer, die bei Grünlicht einer Ampel für sie, Straßenbahnschienen kreuzen möchten, sollten deshalb,

  • bevor sie auf die Schienen fahren, Straßenbahnen passieren lassen und
  • sich nicht darauf verlassen, dass die Ampel so geschaltet ist, dass ein gleichzeitiges Befahren der Straßenbahnschienen durch den Individualverkehr und durch eine Straßenbahn ausgeschlossen ist (Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm vom 13.06.2018).

Vorfahrtsberechtigte Autofahrer, die beim Linksabbiegen in eine untergeordnete Straße die Kurve schneiden, haften (mit), wenn sie

…. statt den Mittelpunkt der Trichterbreite rechts zu umfahren, beim Abbiegen die dem ausfahrenden Gegenverkehr vorbehaltene Seite der Fahrbahn in Anspruch nehmen und

  • es deshalb zu einer Kollision mit einem wartepflichtigen PKW eines Fahrzeugführers kommt, der nach links in die bevorrechtigte Straße abbiegen möchte.

Vorrang genießt der Vorfahrtsberechtigte außerhalb des eigentlichen Einmündungs- bzw. Kreuzungsbereichs beim Abbiegen nämlich

  • nur auf der rechten Fahrbahn der untergeordneten Straße,
  • nicht dagegen auf der linken Fahrbahnseite der untergeordneten Straße.

Wer wartepflichtig ist bzw. von einer untergeordneten Straße nach links in eine vorfahrtsberechtigte Straße abbiegen möchte, darf zwar einen Vorfahrtsberechtigten bei dessen Linksabbiegen in die untergeordnete Straße nicht wesentlich behindern (§ 8 Abs. 2 Satz 4 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO)).

  • Er darf aber, ohne dass ihn ein Verstoß gegen § 8 StVO trifft, auf der für ihn rechten Fahrbahnseite grundsätzlich bis zur Schnittlinie der Einmündung vorfahren und muss sich nur darauf einstellen, vor dem Fahrbahnrand der bevorrechtigten Straße anhalten zu können.

Wegen Mitverursachung des Unfalls infolge von Unaufmerksamkeit haftet ein Wartepflichtiger in einem solchen Fall deswegen nur dann auch mit (neben demjenigen, der die Kurve geschnitten hat), wenn er bei der Annäherung an die Wartelinie,

  • bei Einhaltung einer der Verkehrssituation angepassten Geschwindigkeit und
  • Beobachtung des gesamten vorfahrtsberechtigten Verkehrs von rechts wie von links,

den Unfall durch ein rechtzeitiges Bremsmanöver hätte vermeiden können.

Darauf hat die 13. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Saarbrücken mit Urteil vom 27.04.2018 – 13 S 165/17 – hingewiesen.

Wichtig für Verbraucher zu wissen, wenn sie einen mit einer Bank geschlossenen Darlehensvertrag widerrufen haben

…. oder widerrufen möchten.

Ein Verbraucher, der mit einer Bank einen Darlehensvertrag geschlossen und den Darlehensvertrag nachfolgend widerrufen hat, kann,

  • wenn Streit über die Wirksamkeit des Widerrufs zwischen den Parteien besteht,

gegen die (die Wirksamkeit des Widerrufs nicht anerkennende) Bank negative Feststellungsklage erheben mit dem Antrag,

  • es werde festgestellt, dass der Bank aus dem (näher bezeichneten) Darlehensvertrag ab dem Zugang der Widerrufserklärung vom …….. kein Anspruch mehr auf den Vertragszins und die vertragsgemäße Tilgung zustehe.

Dass eine solche negative Feststellungsklage in Widerrufsfällen zulässig ist, hat der u.a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 16.05.2017 – XI ZR 586/15 – entschieden.

Begründet hat der Senat dies damit, dass auf den Vorrang der Leistungsklage,

  • also darauf, die Bank auf Rückgewähr der von ihm erbrachten Leistungen zu verklagen,

sich der Verbraucher dann verweisen lassen muss, wenn er

  • die positive Feststellung begehrt, der Verbraucherdarlehensvertrag habe sich in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt,
  • weil dann dieses Interesse sich wirtschaftlich mit dem Interesse an der Rückgewähr der auf den Verbraucherdarlehensvertrag erbrachten Leistungen deckt.

nicht dagegen, wenn er

  • die negative Feststellung begehrt, dass die Bank aufgrund des Widerrufs keine Ansprüche (mehr) aus § 488 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gegen ihn hat,
  • da sich dieses Begehren mit einer Klage auf Leistung aus dem Rückgewährschuldverhältnis nicht abbilden lässt (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 16.05.2017 – Nr. 75/2017 –).

Ob eine solche zulässige negative Feststellungsklage in der Sache Erfolg hat, also begründet ist, hängt wiederum davon ab, ob der Verbraucher zum Widerruf berechtigt war, beispielsweise aufgrund einer unwirksamen Widerrufsbelehrung.

Was, wer einen Verbraucherdarlehensvertrag nach Widerruf rückabwickeln will, wissen sollte

Wer nach einem mit einer Bank abgeschlossenen und noch valutierten Verbraucherdarlehensvertrag seine auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung widerrufen hat,

  • kann, wenn Streit über die Wirksamkeit des Widerrufs besteht, nicht auf Feststellung klagen, dass aufgrund des Widerrufs der Darlehensvertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt worden ist,
  • sondern muss die erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen, die er rückgewährt haben möchte, beziffern und eine entsprechende Leistungsklage erheben.

Das hat der u.a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 21.02.2017 – XI ZR 467/15 – entschieden.

In einem solchen Fall deckt sich nämlich

  • das Begehren, die Umwandlung eines Verbraucherdarlehensvertrags in ein Rückgewährschuldverhältnis feststellen zu lassen,
  • wirtschaftlich mit dem Interesse an der Rückgewähr der auf den Verbraucherdarlehensvertrag erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen, die beziffert werden können,

so dass,

  • weil eine Klage auf Leistung möglich sowie zumutbar ist und das Rechtsschutzziel erschöpft,

eine Feststellungsklage wegen des Vorrangs der Leistungsklage unzulässig ist

Wie der Senat weiter ausgeführt hat, gilt das jedenfalls dann, wenn die Vertragsparteien auch über die Höhe der Ansprüche streiten.
Denn in einem solchen Fall rechtfertigt die Bank die Erwartung nicht, sie werde auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil hin ihren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen, ohne dass es eines weiteren, auf Zahlung gerichteten Vollstreckungstitels bedürfe (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 21.02.2017 – Nr. 20/2017 –).