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Dünndarmverschluss zu spät erkannt und behandelt.

Weil bei ihr ein Dünndarmverschluss zu spät erkannt und behandelt wurde und ihre Gesundheit aufgrund dieses groben Behandlungsfehlers dauerhaft erheblich beeinträchtigt ist, erhält eine Patientin vom Krankenhaus und vom verantwortlichen Arzt 90.000 Euro Schmerzensgeld.

Das hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 21.11.2014 – 26 U 80/13 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall

  • hatte sich die Klägerin Mitte Dezember wegen plötzlich aufgetretener Übelkeit in die stationäre Behandlung des beklagten Krankenhauses begeben und
  • musste dort Ende des Jahres, nachdem sich ihr Gesundheitszustand weiter verschlechtert hatte, notfallmäßig operiert werden,
  • wobei ein ausgeprägter Verschluss des Dünndarms festgestellt worden war, der bereits zum teilweisen Absterben eines Darmteils und zu einer Perforation des Darms geführt hatte.

Die Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gegen Krankenhaus und behandelnden Arzt, die die Klägerin damit begründete, dass

  • der Darmverschluss bei ihr zu spät erkannt und behandelt worden sei,
  • sie deswegen heute u.a. an einem Kurzdarmsyndrom, einer Osteoporose mit Wirbelbrüchen sowie einer reaktiven Depression leide,
  • sie arbeitsunfähig sei und über 10 kg an Körpergewicht sowie mehrere cm an Körpergröße verloren habe,

hatte weitgehend Erfolg.

Der 26. Zivilsenat des OLG Hamm sprach der Klägerin, nach der Anhörung eines medizinischen Sachverständigen, u. a. 90.000 Euro Schmerzensgeld zu.

Denn vor der Notoperation seien, wie der Senat ausführte, notwendige diagnostische und therapeutische Maßnahmen grob fehlerhaft unterlassen worden.

  • Aufgrund der anhaltenden Beschwerden der Klägerin und der noch nicht ermittelten Ursache hätte frühzeitig abgeklärt werden müssen, ob als Ursache für die Beschwerden ein Verschluss des Dünndarms in Betracht kommt, was unterblieben worden sei.

Unter Berücksichtigung der sich aus diesem groben Behandlungsfehler ergebenden Beweislastumkehr war davon auszugehen, dass

  • durch eine frühzeitigere chirurgische Behandlung des Darmverschlusses mit hoher Wahrscheinlichkeit das Absterben des Darmteils und die Perforation zu verhindern gewesen wäre.
  • Ferner waren auch die Schadensfolgen der Darmverkürzung, nämlich dass der Dünndarm der Klägerin Fette und fettlösliche Substanzen nicht mehr richtig aufnehmen kann, die Osteoporose mit den Wirbelbrüchen sowie die von der Klägerin erlittene Depression der grob fehlerhaften Behandlung zuzurechnen.

Dafür hafteten die Beklagten in vollem Umfang trotz weiterer denkbarer vom Behandlungsfehler unabhängiger Ursachen.
Denn eine Mitursächlichkeit des Behandlungsfehlers begründet die Haftung für den gesamten Schaden, wenn – wie im Fall der Klägerin – ein auf diese Ursache zurückzuführender abgrenzbarer Teil des Schadens nicht zu bestimmen ist.

Nicht als Folge des Behandlungsfehlers anzusehen war eine bei der Klägerin aufgetretene Geschmacksempfindungsstörung, weil es sich dabei um einen Folgeschaden handelte, für den die Beweislastumkehr zugunsten der Klägerin nicht galt.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 06.03.2015 mitgeteilt.

 

Sachverständigenkosten sind nicht unbegrenzt erstattungsfähig.

Tritt ein Unfallgeschädigter bei der Beauftragung eines Sachverständigen

  • an diesen seine Ansprüche gegenüber der Haftpflichtversicherung und dem Unfallverursacher ab,

erwirbt der Sachverständige die Forderungen nur,

  • soweit sie berechtigt sind.

Er kann also nicht ein unrechtmäßig überhöhtes Honorar verlangen.

Der Sachverständige darf das übliche Honorar allenfalls bestehend aus

  • Grundhonorar und
  • Nebenkosten.

Angemessene Nebenkosten sind solche, wie sie auch ein Gerichtsgutachter nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) berechnen kann.

Dementsprechend hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 22.08.2014 – 34 C 3510/14 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war es zu einem Unfall gekommen, an dem

  • das Fahrzeug des Geschädigten, ein Porsche 911 Turbo, sowie ein Pkw VW Sharan, der bei der beklagten Versicherung versichert ist, beteiligt waren und
  • der Fahrer des PKW Sharan die alleinige Schuld an dem Unfall trug, da er dem Porschefahrer die Vorfahrt genommen hatte.

Vom Geschädigten war darauf hin

  • ein Kraftfahrzeugsachverständigenbüro mit der Erstellung eines Gutachtens zum Unfallwagen beauftragt sowie
  • bereits bei Erteilung des Auftrags an den Sachverständigen seine Schadensersatzansprüche gegen den Fahrer des Sharan und dessen Haftpflichtversicherung an eine Verrechnungsstelle für KFZ-Sachverständige abgetreten und
  • die Haftpflichtversicherung des VW Sharan angewiesen worden, die Rechnung des Sachverständigen direkt an die Verrechnungsstelle zu bezahlen.

Von den von dem Sachverständigen für die Erstellung des Gutachtens berechneten Kosten

  • in Höhe von insgesamt 1880,50 Euro (1700 Euro Grundhonorar und 180,50 Euro Nebenkosten für Fahrtkosten, EDV-Abrufgebühr, Auslagen, Fotos Porto, Telefon)

zahlte die KFZ-Versicherung, bei der der PKW Sharan versichert ist,

  • 1771,00 Euro (1700 Euro Grundhonorar und 71 Euro Nebenkosten).

Die Restzahlung verweigerte sie mit der Begründung, dass die Höhe der Nebenkosten nicht angemessen, sondern massiv überhöht seien.

Die von der Abrechnungsstelle erhobene Klage auf Zahlung der restlichen Nebenkosten in Höhe von 109,50 Euro wies das AG München mit der Begründung ab, die geltend gemachten Nebenkosten seien überhöht, wenn ein Sachverständiger

  • für die Nebenkosten ein Vielfaches von dem verlangt,
  • was ein gerichtlich bestellter Sachverständiger, der nach dem JVEG abrechnen muss, erhalten würde.

Seine Entscheidung begründete das AG damit, dass die Situation der privaten Sachverständigen wenigstens im Hinblick auf die Nebenkosten mit der Situation der gerichtlich bestellten Gutachter vergleichbar sei, weil auch diese hinsichtlich ihrer Aufwendungen auf ihre Kosten kommen müssten.

Ferner hat das AG sich veranlasst gesehen, darauf hinzuweisen, dass die Rechtsprechung sich nicht ohne Grund zunehmend weigert die von Sachverständigen für Nebenkosten jeweils in Ansatz gebrachten Positionen ungekürzt zu übernehmen.

  • Schließlich ist in Fachkreisen allgemein bekannt, dass Fotokosten, Kosten für einen zweiten Fotosatz, Schreibkosten, Kopierkosten und Telefonpauschalen in Rechnung gestellt werden, obwohl inzwischen jeder Sachverständige über einen Computer verfügt, in den Fotos digital eingestellt werden, Textbausteine verwendet werden, Dokumente unproblematisch mehrfach ausgedruckt werden können und es Flatrates gibt.
  • Den jeweils geltend gemachten Positionen stehen damit keine entsprechenden Kosten gegenüber.

Dass dies über so lange Zeit und in dieser Form möglich war und ist, kann nur dadurch erklärt werden, dass es auf dem Markt der Sachverständigen in Verkehrsunfallsachen keine marktentwickelte Preisgestaltung gibt. Denn der Sachverständige wird vom Unfallgeschädigten bei Fremdverschulden beauftragt. Der Geschädigte bezahlt letztendlich die Rechnung nicht. Folglich ist die Preisgestaltung des Sachverständigen für den Unfallgeschädigten bei der Beauftragung nicht von Relevanz und auch üblicherweise kein Entscheidungskriterium.

Das hat die Pressestelle des Amtsgerichts München am 06.03.2015 – 12/15 – mitgeteilt.

Übrigens:
Dass der Haftpflichtversicherer verpflichtet ist unberechtigte Sachverständigenkosten zu kürzen, ergibt sich aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 19.07.2012 – I ZR 105/11 –, in dem es heißt:
„Denn  die  Begründung für die Kürzung von Schadenspositionen im Rahmen der  außergerichtlichen Schadensregulierung einer Haftpflichtversicherung steht im  unmittelbaren Zusammenhang mit der Rechtsverteidigung im Prozess. Dies ergibt sich  insbesondere aus § 100 VVG. Danach ist der Versicherer bei derHaftpflichtversicherung  verpflichtet den Versicherungsnehmer von Ansprüchen freizustellen, die von einem Dritten  auf Grund der Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache geltend gemacht werden, und unbegründete  Ansprüche abzuwehren.“ 

 

Physiotherapeut darf einen Patienten mobilisieren, aber nicht manipulieren.

Ein Physiotherapeut darf einen Patienten mit Verspannungen im Bereich des Nackens und des Rückens mobilisieren.
Eine Manipulation, das sog. Einrenken, ist einem Arzt vorbehalten.

Lässt sich (im Streitfall) nicht feststellen, dass eine physiotherapeutische Behandlung

  • bereits eine unzulässige Manipulation und
  • keine zulässige Mobilisation mehr war,

geht dies zu Lasten des für die Fehlbehandlung beweispflichtigen Patienten.

Das hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 19.12.2014 – 26 U 44/14 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der unter Verspannungen im Rücken- und Nackenbereich leidende Kläger

  • die ärztlich verordneten physiotherapeutischen Behandlungen in der Praxis der beklagten Physiotherapeutin durchführen lassen und
  • nach der vierten Behandlung linksseitige Lähmungserscheinungen verspürt, die auf einem Hirninfarkt beruhten, weil es zu einer Dissektion (Gefäßwandverletzung) der Arterie vertebralis (Wirbelaterie) gekommen war.

Da der Kläger der Ansicht war,

  • dass er den Schlaganfall erlitten habe, weil die ihn behandelnde Physiotherapeutin ein unzulässiges Einrenkmanöver durchgeführt und dabei die Arterie verletzt habe und
  • er zudem über die Risiken der Behandlung nicht hinreichend aufgeklärt worden sei,

erhob er Klage gegen die Physiotherapeutin auf Schadensersatz sowie Schmerzensgeld. 

Der 26. Zivilsenat des OLG Hamm wies die Klage, nach Anhörung eines medizinischen Sachverständigen, ab, weil eine physiotherapeutische Fehlbehandlung in der Praxis der Beklagten nicht feststellbar war.

Dass er mit einer nur den Ärzten vorbehaltenen Manipulation behandelt worden war, konnte der Kläger nicht nachweisen. 
Wie der 26. Zivilsenat des OLG Hamm ausführte, bestand die Möglichkeit, dass die feststellbaren Behandlungsweisen zulässige Mobilisationsbehandlungen gewesen sein könnten, die von der Physiotherapeutin fachgerecht mit einem Probezug, dem Release, begonnen und dann mangels feststellbarer Schmerzäußerungen des Klägers in richtiger Weise fortgesetzt worden waren.
Allein der zeitliche Zusammenhang zwischen der Behandlung und der Dissektion mit Hirninfarkt war kein Beleg für eine unzulässige Manipulation, weil die Arterie des Klägers bereits vorgeschädigt gewesen sein könnte.

Fehlende Aufklärung konnte der Beklagten ebenfalls nicht vorgeworfen werden, weil

  • eine gesunde Arterie durch eine Mobilisation nicht geschädigt werden kann und
  • eine Aufklärung deswegen nicht erforderlich war.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 06.03.2015 mitgeteilt.

 

Wenn Arbeitnehmer erst während der vorläufigen Insolvenzverwaltung eingestellt werden.

Auch diejenigen Arbeitnehmer, die erst während der vorläufigen Insolvenzverwaltung eingestellt werden, erhalten Insolvenzgeld.

Das hat der 3. Senat des Sächsischen Landessozialgerichts (LSG) mit Urteil vom 18.12.2014 – L 3 AL 13/13 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war

  • der Kläger während der vorläufigen Insolvenzverwaltung, die der Eröffnung des Insolvenzverfahrens regelmäßig vorgeschaltet ist und der Ermittlung der Zahlungsfähigkeit des Unternehmens dient, als Lagerarbeiter eingestellt und
  • nach dem ersten Monat seiner Tätigkeit über das Vermögen des Unternehmens das Insolvenzverfahren eröffnet worden.

Die für die Insolvenzversicherung zuständige Bundesagentur für Arbeit hatte die Zahlung von Insolvenzgeld für diesen ersten Arbeitsmonat des Klägers mit der Begründung abgelehnt,

  • der Kläger sei erst während der vorläufigen Insolvenzverwaltung eingestellt worden und
  • als Lagerarbeiter habe er keine Schlüsselposition eingenommen, die eine so späte Einstellung habe rechtfertigen können.

Sozialgericht (SG) und Landessozialgericht (LSG) folgten dem nicht und

wie sie ausführten,

  • nach dem eindeutigen Gesetzwortlaut, aber auch der vom Gesetzgeber mit der Insolvenzversicherung verfolgten Absichten für eine solche einengende Auslegung kein Raum ist.

Insolvenzgeld erhalten Arbeitnehmer insolventer Unternehmen für offene Lohnforderungen der letzten drei Monate vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§§ 3 Abs. 4 Nr. 5, 165 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III).
Danach haben auch Arbeitnehmer, die erst während der vorläufigen Insolvenzverwaltung (vgl. §§ 21 Abs. 2 Nr. 1, 22 Insolvenzordnung (InsO)) eingestellt werden, Anspruch auf Insolvenzgeld; geschützt seien nicht nur die Arbeitnehmer, die in Schlüsselpositionen eingesetzt würden.

Das hat die Pressestelle des Sächsischen Landessozialgerichts am 02.03.2015 mitgeteilt.

 

Auch Tierärzte haben eine vertragliche Aufklärungspflicht.

Bei besonders risikoreichen Behandlungen eines Tieres und finanziellen Interessen des Eigentümers müssen Tierärzte den Eigentümer

  • über Risiken einer tierärztlichen Behandlung und
  • über evtl. Behandlungsalternativen

aufklären.

Das hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 13.01.2015 – 26 U 95/14 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der beklagte Tierarzt,

  • dem der Kläger sein für ca. 300.000 EUR erworbenes Dressurpferd vorgestellt hatte, da dieses bei einem Turnier durch fehlende Elastizität und fehlenden Schwung aufgefallen war,

nach einer Röntgenuntersuchung die Verdachtsdiagnose der Ataxie gestellt und eine chiropraktische Maßnahme empfohlen, der vom Kläger im Rahmen eines Telefonats zugestimmt worden war.

Da das Pferd nach der chiropraktischen Behandlung, zu der es in der Praxis des Beklagten in Kurznarkose gelegt worden war, nicht mehr selbstständig aufstehen konnte und einen Tag später verstarb, verlangte der Kläger vom Beklagten, wegen unzureichende Aufklärung über Risiken und Behandlungsalternativen, Schadensersatz für den Verlust des Tieres in Höhe von ca. 500.000 EUR.

Der 26. Zivilsenat des OLG Hamm entschied, dass der Beklagte aufgrund eines Aufklärungsfehlers haftet.

Zwar sei, wie der Senat ausführte, die von einem Tierarzt zu fordernde Aufklärung nicht mit der in der Humanmedizin zum Schutz des Selbstbestimmungsrechts des Patienten gebotenen Aufklärung zu vergleichen.
Aber eine vertragliche Aufklärungs- und Beratungspflicht habe auch ein Tierarzt. Bei besonders risikoreichen Behandlungen und auch finanziellen Eigentümerinteressen müsse der Tierarzt den Eigentümer über die Risiken der Behandlung und über andere Behandlungsmöglichkeiten aufklären.

Vorliegend hatte es der beklagte Tierarzt versäumt, den Kläger ausreichend über Risiken und weitere Behandlungsmöglichkeiten aufzuklären.
Eine Vollnarkose bei einem ataktischen Pferd ist nämlich, wie der tiermedizinische Sachverständige ausführte, mit besonderen Risiken verbunden, weil die Tiere beim Aufstehen besondere Koordinierungsschwierigkeiten haben. Darüber hinaus hätte es auch andere Behandlungsmöglichkeiten in Form einer operativen, medikamentösen oder chiropraktischen Behandlung am stehenden Pferd gegeben, auf die der Kläger hätte hingewiesen werden müssen.
Denn es wäre Sache des Eigentümers gewesen, sich zwischen einer schnelleren, risikobehafteten Behandlung mittels eines unter Narkose ausgeführten chiropraktischen Eingriffs und einer länger dauernden, dafür aber risikoloseren Behandlungen, z.B. mittels Medikamenten, zu entscheiden.
Auch lies sich nicht feststellen, dass der Kläger bei ordnungsgemäßer Aufklärung in die vom Beklagten durchgeführte Behandlung eingewilligt hätte. Seine diesbezügliche Angabe, er hätte in diesem Fall zunächst einen Tierarzt seines Vertrauens in Dänemark konsultiert, war nachvollziehbar, zumal er vor der Behandlung durch den Beklagten von einer eher kleineren gesundheitlichen Beeinträchtigung bei dem Pferd ausgegangen war.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 06.03.2015 mitgeteilt.

 

Wenn Ehegatten getrennt leben (wollen), wem wird die Wohnung zugewiesen?

Gemäß § 1361b Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) findet eine Wohnungszuweisung statt,

  • wenn die Ehegatten getrennt leben oder getrennt leben wollen
  • und einer der Ehegatten verlangt, dass ihm der andere die Ehewohnung oder einen Teil zur Benutzung überlässt,
    • soweit dies auch unter Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten notwendig ist,
    • um eine unbillige Härte zu vermeiden.

Der Begriff der unbilligen Härte im Sinne des § 1361b Abs. 1 BGB ist gesetzlich nicht definiert und daher einzelfallbezogen auszufüllen.
Das Richtmaß „unbillige Härte“ weist über den Bereich der häuslichen Gewalt hinaus. Durch ausdrückliche Erwähnung herausgehoben sind als Tatbestände, die eine unbillige Härte begründen können,

Entsprechende eine unbillige Härte begründende Umstände muss der Antragsteller für sich geltend machen.
Dass einer der Ehegatten alleiniger Mieter der bisher von ihnen bewohnten Wohnung ist, ist dabei nicht von Bedeutung. Ein schuldrechtliches Verhältnis ist grundsätzlich unbeachtlich, wie aus dem Umkehrschluss des § 1361b Abs. 1 S. 3 BGB zu entnehmen ist.

Eine Vergütung für die Nutzung der Wohnung fordern kann ein Ehegatte von dem anderen, dem die Ehewohnung überlassen wurde, soweit dies der Billigkeit entspricht (§ 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB).
Der Vergütungsanspruch

  • wird in der Regel nur bei dinglicher Berechtigung an der Wohnung (Allein- oder Miteigentum) geltend gemacht,
  • kann aber auch bei einem Mietverhältnis in Betracht kommen.

Dabei kommt es für den Anspruch auf Nutzungsentschädigung des weichenden Ehegatten nach § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB zunächst nicht darauf an,

  • ob er freiwillig ausgezogen ist oder
  • ob dem in der Ehewohnung verbleibenden Ehegatten die Ehewohnung in einem gerichtlichen Verfahren zugewiesen wurde oder
  • ihm ein entsprechender gesetzlicher Anspruch zusteht.

Die überwiegende Rechtsprechung gewährt seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 15.02.2006 – XII ZR 202/03 – einen Anspruch auf Entrichtung einer Nutzungsvergütung entsprechend § 1316b Abs. 3 Satz 2 BGB, auch wenn eine Nutzungsberechtigung und die korrespondierende Überlassungsverpflichtung fehlen (Oberlandesgericht (OLG) Hamm, Beschluss vom 30.09.2010 – 3 UF 154/10 –).

Allerdings ist die Nutzungsentschädigung nicht schematisch und allein nach dem Mietwert der Wohnung zu bemessen, wie es im Fall zwischen Mieter und Vermieter der Fall wäre, wenn der Mieter trotz wirksamer Kündigung nicht rechtzeitig aus der Wohnung auszieht.

  • Der Nutzungsentschädigungsanspruch nach § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB wird vielmehr durch die ehelichen Lebensverhältnisse und die über die Trennung der Eheleute hinausgehende Pflicht zur ehelichen Solidarität überlagert.
  • Er ist nur insoweit zu gewähren, als es der Billigkeit entspricht.
  • Die Billigkeit einer Vergütung hängt
    • von der Leistungsfähigkeit des in der Wohnung verbliebenen Ehegatten sowie
    • den Belastungen durch gemeinschaftliche Kinder ab (vgl. OLG Bremen, Beschluss vom 31.03.2010 – 4 WF 32/10 –; OLG Naumburg, Beschluss vom 07.07.2009 – 3 WF 157/09 –).

Dabei ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass zwischen den Ehegatten

  • etwa bestehende Unterhaltspflichten

in die Billigkeitsabwägung nach § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB jedenfalls insoweit einzubeziehen sind,

  • als bereits rechtskräftig über sie entschieden wurde.

Das folgt aus dem Verbot der Doppelverwertung.
Insbesondere darf

  • kein zusätzlicher Nutzungsentschädigungsanspruch

ausgeworfen werden,

  • wenn bereits ein titulierter Unterhaltsanspruch besteht,
  • bei dem der Wohnwert anspruchsmindernd berücksichtigt wurde (OLG Naumburg, Urteil vom 23.04.2009 – 8 U 17/08 –).

Der Vorrang der Unterhaltsregelung gilt dann insoweit, als der Wohnvorteil tatsächlich unterhaltsrechtlich ausgeglichen wurde (OLG Bremen, Beschluss vom 03.03.2014 – 4 UF 181/13 –; OLG Karlsruhe, Urteil vom 05.06.2008 – 4 U 72/06 –).

Auch in Fällen, in denen

  • der an sich unterhaltsberechtigte Ehegatte auf die Geltendmachung eines entsprechenden Unterhaltsanspruchs verzichtet hat,

kann der Ehegatte nicht auf die Geltendmachung von Trennungsunterhalt verwiesen werden,

  • um die geschuldete Nutzungsentschädigung auf diesem Wege wieder zu vereinnahmen.

Vielmehr ist

  • beim Fehlen einer Unterhaltsregelung

im Rahmen der bei der Prüfung

  • des Anspruchs auf Nutzungsentschädigung

vorzunehmenden Billigkeitsabwägung eine einheitliche wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten, welche darauf abstellt,

  • ob der in der Ehewohnung verbliebene Ehegatte
  • im Falle der von ihm abgelehnten Zahlung einer Nutzungsentschädigung gegen den anderen Ehegatten – unabhängig von dessen tatsächlicher Geltendmachung – einen Anspruch auf Trennungsunterhalt hätte.
  • Ist dies der Fall, wird die begehrte Zahlung einer Nutzungsentschädigung in Höhe des (fiktiven) Anspruchs auf Trennungsunterhalt regelmäßig unbillig sein (OLG Frankfurt, Beschluss vom 09.05.2012 – 4 UF 14/12 –).

Allerdings kann die Einbeziehung etwa bestehender Unterhaltspflichten nicht so weit gehen, dass die im Unterhaltsverfahren zu klärenden tatsächlichen und rechtlichen Fragen im Ehewohnungsverfahren nach § 1361b BGB entschieden werden.

In Fällen,

  • in denen der in der Wohnung verbleibende Ehegatte wirtschaftlich potent und
  • eine besondere Schutzbedürftigkeit nicht gegeben ist,

spricht dies dafür,

  • bei bislang fehlender Unterhaltsregelung

dem Ehegatten, der die Ehewohnung verlassen hat, aber an den finanziellen Lasten aufgrund dinglicher Berechtigung oder schuldrechtlicher Verpflichtung im Außenverhältnis beteiligt ist, eine Nutzungsentschädigung zuzusprechen (insbesondere dann, wenn der ausziehende Ehegatte seinerseits in beengten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt: OLG Bremen, Beschluss vom 31.03.2010 – 4 WF 32/10 –).
Die gegebenenfalls später ergehende Unterhaltsregelung muss sodann die Vergütungsregelung berücksichtigen, d.h. regelmäßig ist der Wohnvorteil dann nicht mehr zu berücksichtigen.

Von einer

  • Nutzungsentschädigung abzusehen

ist aber in Fällen, in denen der allein nutzende Ehegatte

  • eine Entschädigung finanziell nicht leisten kann und
  • der nutzungsberechtigte Ehegatte die Wohnung aufgeben müsste,

weil dann der mit § 1361b Abs. 1 BGB beabsichtigte Schutz leer laufen würde.

Nicht nur die Höhe, sondern bereits das Bestehen des Vergütungsanspruchs selbst hängen nach dem Wortlaut des § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB („soweit“) von der Billigkeit ab.

Darauf hat der Senat für Familiensachen des Kammergerichts (KG) Berlin mit Beschluss vom 25.02.2015 – 3 UF 55/14 – hingewiesen.

 

Verbotswidrige Handybenutzung durch den Fahrzeugführer.

Ein Autofahrer, der während des Fahrens sein „Smartphone“ aufnimmt und es als Navigationshilfe bzw. zur Internetabfrage nutzt, handelt ordnungswidrig nach §§ 49 Abs. 1 Nr. 22, 23 Abs. 1a Straßenverkehrs-Ordnung (StVO). Denn die Nutzung des Geräts als Navigationshilfe beinhaltet einen Abruf von Daten und stellt sich damit zugleich als „Benutzung“ dar.

Darauf hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschluss vom 15.01.2015 – 1 RBs 232/14 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war der Betroffene, weil er als Führer eines Pkws während der Fahrt sein Mobiltelefon, ein sog. „Smartphone“,

  • für mehrere Sekunden in der Hand gehalten,
  • dessen Funktionen genutzt und
  • gegenüber den ihn kontrollierenden Polizeibeamten angegeben hatte, nicht telefoniert, sondern nur auf das Gerät „geguckt“ zu haben, weil die Motorkontrollleuchte aufgeleuchtet und er deshalb eine Werkstatt gesucht habe,

vom Amtsgericht (AG) wegen vorsätzlicher verbotswidriger Benutzung eines Mobiltelefons als Kraftfahrzeugführer zu einer Geldbuße verurteilt worden.
Das AG war dabei davon ausgegangen, dass der Betroffene entweder einen Hilfsdienst über das Mobiltelefon gesucht oder dessen Navigationsfunktion benutzt hatte.

Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen dieses Urteil wurde vom 1. Senat für Bußgeldsachen des OLG Hamm verworfen.

In seiner Entscheidung wies der 1. Bußgeldsenat darauf hin, dass eine Benutzung eines Mobiltelefons i. S. v. § 23 Abs. 1a StVO nicht nur dann vorliegt, wenn das Gerät zum Telefonieren verwendet wird, sondern auch jede andere bestimmungsgemäße Verwendung von Bedienfunktionen und damit auch die Nutzung der Navigationsfunktion eines Smartphone“ unter § 23 Abs. 1a StVO fällt.
So habe bereits der 5. Senat für Bußgeldsachen des OLG Hamm mit Beschluss vom 18.02.2013 – 5 RBs 11/13 – zutreffend ausgeführt, dass eine gemäß § 23 Abs. 1a StVO verbotene “Benutzung“ in jeder bestimmungsgemäßen Bedienung des Geräts liege, also neben dem Telefonieren auch den Abruf von Navigationsdaten erfasse.
§ 23 Abs. 1a StVO solle gewährleisten, dass der Fahrzeugführer auch dann, wenn er ein Mobiltelefon benutze, beide Hände frei habe, um die “Fahraufgabe“ zu bewältigen.
Dementsprechend falle auch der Einsatz des Mobiltelefons für Abfragen über das Internet o.ä. unter § 23 Abs. 1a StVO.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 05.03.2015 mitgeteilt.

 

Wenn Fußball-Vertragsamateure sich während eines Spiels für ihren Verein verletzen.

Fußball-Vertragsamateure können als Beschäftigte anzusehen sein und daher Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung (Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – SGB VII) genießen.

Das hat das Sozialgericht (SG) Leipzig am 07.07.2014 – S 23 U 20/11 – in einem Fall entschieden, in dem ein Sportverein, für den der Kläger als Fußball-Vertragsamateur in der fünfthöchsten Spielklasse spielte,

  • sich gegenüber diesem vertraglich zur Zahlung einer „Aufwandsentschädigung“ in Höhe von 800,00 € monatlich sowie von Siegprämien nach Maßgabe einer Prämienvereinbarung verpflichtet hatte, wobei der Mindestbetrag der monatlichen Aufwandsentschädigung inklusive eventueller Siegprämien 1.100,00 € betragen sollte und
  • diese Aufwandsentschädigung von dem Verein anfangs regelmäßig, später aber nur noch unregelmäßig und zuletzt in dem Monat, in dem der Kläger sich während eines Fußballspiels für den Verein eine Verletzung des linken Sprunggelenks zugezogen hatte, nur noch in einer Höhe von 40,00 € geleistet worden war.

Das SG Leipzig entschied, dass hier,

  • entgegen der Auffassung der Berufsgenossenschaft, von der die Anerkennung eines Arbeitsunfalls mit der Begründung abgelehnt worden war, im Verletzungsmonat sei lediglich eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 40,00 € gezahlt worden, die nicht als Arbeitsentgelt begriffen werden könne,   

ein den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung begründendes Beschäftigungsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV)) vorliegt.

  • Danach ist ein für einen Sportverein tätiger Fußball-Vertragsamateur als Beschäftigter anzusehen, wenn er sich gegenüber seinem Sportverein zur Erbringung sportlicher Tätigkeiten nach Weisung des Vereins, typischerweise gegen Zahlung eines Arbeitsentgelts verpflichtet, weil dann eine hierfür erforderliche weisungsgebundene Eingliederung des Sportlers vorliegt.
  • Dagegen fehlt es an einer Beschäftigung, wenn zwischen Sportler und Sportverein lediglich mitgliedschaftsrechtliche Bindungen bestehen.

In dem vom SG Leipzig entschiedenen Fall hatte der Kläger durch Vorlage des Vertrages mit dem Verein nachgewiesen, dass er zum Zeitpunkt des Unfallereignisses gegen ein monatliches Entgelt von mindestens 1.100,00 € tätig gewesen ist.
Angesichts dessen sei es, wie das SG ausführte, fernliegend, die Sportausübung des Klägers als bloße Ertüchtigung im Rahmen eines sportlichen Hobbys anzusehen; vielmehr handele es sich eindeutig um eine Beschäftigung zumindest im Nebenerwerb.
Dass dieser Vertrag jedenfalls in der ersten Saisonhälfte auch „gelebt“ worden sei, es sich also nicht bloß um ein Scheingeschäft gehandelt habe, sei durch die Zahlungen des Vereins zu Beginn der Vertragslaufzeit nachgewiesen. Weshalb die Zahlungen anschließend unregelmäßig geworden seien sei ohne Belang.
Angesichts der Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses als Dauerschuldverhältnis sei es nämlich sachwidrig, alleine darauf abzustellen, dass im Monat des Unfallereignisses ein geringeres Entgelt zugeflossen sei.
Entscheidend sei, wozu sich die Beteiligten vertraglich verpflichtet hätten. 

Das hat die Pressestelle des Sozialgerichts Leipzig am 27.02.2015 mitgeteilt.

 

Gesetzlicher Mindestlohn.

Der Arbeitgeber darf ein zusätzliches Urlaubsgeld und eine jährliche Sonderzahlung nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechnen. Eine Änderungskündigung, mit der eine derartige Anrechnung erreicht werden sollte, ist unwirksam.

Das hat das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin mit Urteil vom 04.03.2015 – 54 Ca 14420/14 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der Arbeitgeber einer Arbeitnehmerin,

  • die bei ihm gegen eine Grundvergütung von 6,44 EUR je Stunde zuzüglich Leistungszulage und Schichtzuschlägen beschäftigt war und die ferner ein zusätzliches Urlaubsgeld sowie eine nach Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelte Jahressonderzahlung erhielt,

gekündigt und ihr gleichzeitig angeboten, das Arbeitsverhältnis

  • mit einem Stundenlohn von 8,50 EUR bei Wegfall der Leistungszulage, des zusätzlichen Urlaubsgeldes und der Jahressonderzahlung

fortzusetzen.

Das ArbG Berlin erachte diese Änderungskündigung für unwirksam.

  • Danach solle, wie das ArbG ausführte, der gesetzliche Mindestlohn unmittelbar die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entgelten.
  • Daher dürfe der Arbeitgeber Leistungen, die – wie das zusätzliche Urlaubsgeld und die Jahressonderzahlung – nicht diesem Zweck dienten, nicht auf den Mindestlohn anrechnen.

Eine Änderungskündigung, mit der diese unzulässige Anrechnung erreicht werden solle, sei unzulässig.

Das hat die Pressestelle des Arbeitsgerichts Berlin am 05.03.2015 – Nr. 5/15 – mitgeteilt.

 

Kein Schadensersatz nach Unfall beim Motocross-Training?

Der Betreiber einer Motocross-Anlage muss bei einem freien Training die Piste nicht mit Streckenposten sichern.

Das hat der 11. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (OLG) mit Urteil vom 19.02.2015 – 11 U 91/14 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall war

  • der damals neun Jahre alte Kläger auf der vom beklagten Verein betriebenen Motocross-Bahn, während eines freien Kindertrainings, als das Gelände auch von Nichtvereinsmitgliedern gegen die Zahlung eines Entgelts benutzt werden konnte, mit seiner Kinder-Motocross-Maschine nach dem Überspringen einer Kuppe bei der Landung mit seiner Maschine gestürzt und
  • von dem nachfolgenden Fahrer, ebenfalls einem Kind, der die Unfallstelle nicht einsehen und deshalb nicht ausweichen konnte, überfahren und schwer an Kopf und Hals verletzt worden.

Die Klage des verletzten jungen Motocross-Sportlers gegen den beklagten Verein auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wies der 11. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen OLG ab.

Danach hatte der Betreiber der Motocross-Anlage hier keine ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt.
Der Betreiber einer Motocross-Anlage muss nämlich nicht allen denkbaren Gefahren vorzubeugen. Seine Verkehrssicherungspflicht erfordert lediglich den Schutz vor

  • den Gefahren, die über das übliche Risiko bei der Nutzung der Anlage hingehenden sowie
  • solchen Gefahren die vom Benutzer – oder bei Kindern von deren Eltern – nicht vorhersehbar und nicht ohne weiteres erkennbar sind.

Die Möglichkeit von Stürzen während einer Trainingsfahrt und von Kollisionen mit nachfolgenden Motocross-Fahrern liege, wie der Senat ausführte, grundsätzlich im Rahmen der von vornherein zu erwartenden Risiken der gemeinsamen Nutzung einer Motocross-Anlage.
Eine Motocross-Bahn sei eine unebene, nicht befestigte Strecke im Gelände, deren Beschaffenheit je nach Witterungsverhältnissen ganz andere Anforderungen an das fahrerische Können und die Beherrschung des Motorrades stelle als etwa die Teilnahme am Straßenverkehr. Bereits geringfügige Fahrfehler können zu Unfällen und Stürzen führen, durch die auch andere Fahrer gefährdet werden können.
Diese Umstände waren dem klagenden Kind und auch dessen Vater bekannt, da beide seit mehreren Jahren im Motocross-Sport aktiv waren.

  • Auch war der beklagte Verein nicht verpflichtet, die Kinder einzeln und zeitversetzt auf der Bahn fahren zu lassen.

Nach Ansicht des Senats würde eine solche Maßnahme den Charakter des Motocross-Fahrens einschneidend verändern. Den Teilnehmern gehe es auch im Rahmen eines Trainings nämlich gerade darum, sich mit anderen zu messen, andere zu überholen, mithin im Training eine Rennsituation zu simulieren und so das Fahren in Konkurrenz mit anderen auszuüben.

  • Zwar dürfe die Benutzung einer Motocross-Bahn nicht regellos oder vollständig unbewacht sein.
  • Doch reiche insoweit das Vorhandensein eines entsprechenden Reglements für die Anlage (Platzordnung) und vorliegend war die Einhaltung der notwendigen Ordnung auf der Motocross-Bahn durch die Anwesenheit eines Platzwartes sichergestellt.

Wie der vom Gericht bestellte Sachverständige ausführte ist es bei einem freien Training auch nicht verkehrsüblich, dass mehrere Streckenposten mögliche Gefahrenstellen einer Motocross-Piste überwachen. Das Reglement für Motocross des Deutschen Motorsportbundes, das ausdrücklich die Einrichtung einer ausreichenden Zahl von Flaggen- bzw. Streckenposten vorsieht, gilt lediglich für Wettbewerbsveranstaltungen.

Das hat die Pressestelle des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts am 04.03.2015 – 2/2015 – mitgeteilt.