Tag Aufklärung

Wichtig zu wissen, wenn Streit zwischen Kaufvertragsparteien darüber besteht, ob ein Sachmangel vom Verkäufer arglistig

…. verschwiegen wurde.

Ein konkreter Mangel ist von einem Verkäufer dann arglistig verschwiegen worden, wenn 

  • er den Mangel 
    • gekannt oder 
    • mindestens für möglich gehalten hat, 
  • er verpflichtet gewesen wäre, den Käufer ungefragt auf den Mangel hinzuweisen, weil 
    • der verschwiegene Mangel für den (Kauf)Entschluss eines verständigen Käufers von wesentlicher Bedeutung war und dieser deswegen nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise eine Aufklärung erwarten durfte,

der Verkäufer gleichzeitig auch 

  • gewusst oder 
  • damit gerechnet und billigend in Kauf genommen 

hat, dass der Käufer den Mangel 

  • nicht kennt 

und bei Offenbarung bzw. Aufklärung 

  • den Vertrag nicht oder 
  • nicht mit dem vereinbarten Inhalt 

geschlossen hätte.

  • Das gilt auch dann, wenn der Arglistvorwurf darauf gestützt wird, der Verkäufer habe sein Wissen über eine in der Vergangenheit unzureichend vorgenommene Mangelbeseitigung nicht offenbart. 

Aufklären muss ein Verkäufer den Käufer beispielsweise

  • bei einem Kraftfahrverkauf über (nicht nur ganz geringfügige, äußere Lack-) Unfallschäden und deren Umfang 

sowie 

  • bei dem Verkauf eines Gebäudegrundstückes über
    • verborgene Mängel oder 
    • Umstände, die nach der Erfahrung auf die Entstehung und Entwicklung bestimmter Mängel schließen lassen, die beabsichtigte Nutzung erheblich zu mindern geeignet sind. 

Keine Offenbarungspflicht besteht dagegen bei den Mängeln, 

  • die einer Besichtigung zugänglich und 
  • damit ohne weiteres erkennbar sind, 

weil 

  • der Käufer diese bei der im eigenen Interesse gebotenen Sorgfalt selbst wahrnehmen und 
  • deswegen insoweit eine Aufklärung nicht erwarten kann. 

Beruft sich ein Käufer darauf, 

  • von dem Verkäufer arglistig getäuscht worden zu sein, 

ist er darlegungs- und im Streitfall auch beweispflichtig für

  • das Vorliegen sämtlicher Umstände, die den Arglisttatbestand ausfüllen, 

also bei einer Täuschung durch Verschweigen auch für 

  • die unterbliebene Aufklärung über offenbarungspflichtige Umstände bzw. Mängel. 

Allerdings kommen dem Käufer insoweit, da es sich bei einer behaupteten 

  • unterbliebenen Offenbarung 

um eine negative Tatsache handelt, 

  • Erleichterungen nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast 

zugute. 

Danach obliegt es 

  • dem Verkäufer 

nicht nur pauschal, sondern in räumlicher, zeitlicher und inhaltlicher Weise substantiiert darzulegen, dass und wie er seiner Aufklärungs- bzw. Offenbarungspflicht nachgekommen ist, während

  • der Käufer

diese vom Verkäufer dargelegte Aufklärung bzw. Offenbarung ausräumen, d.h. widerlegen muss.

  • Gelingt dem Käufer dies, ist der Beweis der negativen Tatsache (dass die Aufklärung bzw. Offenbarung nicht erfolgt ist) erbracht, mit der Folge, dass 
    • es dann wiederum Sache des Verkäufers ist, den Beweis dafür zu erbringen dass das arglistige Verschweigen des Mangels für den Kaufentschluss des Käufers nicht ursächlich gewesen ist.

Übrigens:
Steht ein arglistiges Handeln oder Verschweigen fest, 

  • kann sich der Verkäufer nicht auf einen vertraglich vereinbarten Ausschluss der Sachmängelhaftung berufen (§ 444 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) und
  • ist der Vertrag anfechtbar nach § 123 Abs. 1 BGB mit der Rechtsfolge, dass ein Anspruch des Käufers 
    • auf Rückabwicklung des Vertrages (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB) und 

Ärzte und Patienten sollten wissen, was einen Befunderhebungs-, was einen Diagnosefehler und was einen Fehler der

…. therapeutischen Aufklärung kennzeichnet und wann Ärzte wegen solcher Fehlverhalten für bei den Patienten eingetretene Gesundheitsschäden schadensersatz- und/oder schmerzensgeldzahlungspflichtig sein können. 

Ein 

  • Befunderhebungsfehler 

ist einem Arzt vorzuwerfen, wenn er 

  • die Erhebung medizinisch gebotener Befunde unterlassen hat,

eine 

  • unrichtige diagnostische Einstufung einer Erkrankung 

ihren Grund also bereits darin hatte, dass der Arzt 

  • die nach dem medizinischen Standard gebotenen Untersuchungen (erst) gar nicht veranlasst hat, 
  • er mithin aufgrund unzureichender Untersuchungen vorschnell zu einer Diagnose gelangt ist, ohne diese durch die medizinisch gebotenen Befunderhebungen abzuklären, 

bzw. wenn 

  • mehrere Krankheitsbilder in Betracht kommen oder 
  • sich nach einer Erstdiagnose eine darauf gegründete Therapie keine Wirkung zeigt oder 
  • sich weitere Krankheitserscheinungen zeigen, die für die diagnostizierte Erkrankung untypisch sind 

und

  • (differentialdiagnostische) Untersuchungsmaßnahmen unterblieben sind, durch die weiterer Aufschluss hätte gewonnen werden können.

Im Unterschied dazu ist einem Arzt ein 

  • Diagnoseirrtum

vorzuwerfen, wenn er

  • alle medizinisch notwendigen Befunde erhoben hat, um sich eine ausreichende Basis für die Einordnung der Krankheitssymptome zu verschaffen, 

die erhobenen oder sonst vorliegenden Befunde jedoch 

  • falsch interpretiert und 
  • deswegen die aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs gebotenen – therapeutischen oder diagnostischen – Maßnahmen nicht ergriffen hat.

Ein 

  • Fehler der therapeutischen Aufklärung 

ist einem Arzt vorzuwerfen, wenn sein Fehlverhalten 

  • in dem Unterlassen von Warnhinweisen zum Zwecke der Sicherstellung des Behandlungserfolgs

liegt, der Patient also beispielsweise 

  • zutreffend über das Vorliegen eines kontrollbedürftigen Befundes und die medizinisch gebotenen Maßnahmen einer weiteren Kontrolle informiert, 
  • aber auf die Dringlichkeit der gebotenen Maßnahmen nicht hingewiesen worden ist. 

Hat in einem solchen Fall auch ein Befunderhebungsfehler vorgelegen, kommt es für die Abgrenzung darauf an, ob der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit des ärztlichen Fehlverhaltens liegt

  • in der unterbliebenen Befunderhebung als solcher oder 
  • in dem Unterlassen von Warnhinweisen zum Zwecke der Sicherstellung des Behandlungserfolgs. 

Fehlt es beispielsweise  

  • sowohl an dem Hinweis, dass ein kontrollbedürftiger Befund vorliegt, 
  • als auch dass Maßnahmen zur weiteren Abklärung medizinisch geboten sind, 

liegt der 

  • Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit 

regelmäßig in der unterbliebenen Befunderhebung.

Darauf hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 26.05.2020 – VI ZR 213/19 – hingewiesen (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 26.01.2016 – VI ZR 146/14 –).

Was Patienten und Ärzte über die Zulässigkeit der Anwendung eines nicht allgemein anerkannten Behandlungskonzepts, also

…. einer Außenseitermethode und den Umfang der hierfür erforderlichen Aufklärung wissen sollten.

Wird bei einem Patienten eine nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode angewandt,

  • also beispielsweise nach einem Bandscheibenvorfall bei der durchgeführten Operation in die Fusion des von dem Bandscheibenvorfall betroffenen Segmentes auch ein symptomloses Nachbarsegment – wegen dort vorhandener Zeichen einer beginnenden Degeneration und der Vermeidung von Symptomen an diesem Segment – einbezogen,

stellt die Anwendung eines solchen nicht allgemein anerkannten, den Korridor des medizinischen Standards verlassenden und nur von einer Mindermeinung vertretenen Behandlungskonzepts, nicht schon ohne weiteres einen Behandlungsfehler dar.

  • Denn die Therapiewahl ist primär Sache des Arztes und der Arzt ist bei der Wahl der Therapie insbesondere nicht stets auf den jeweils sichersten therapeutischen Weg festgelegt.

Allerdings dürfen Ärzte eine nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode nur dann anwenden, wenn eine verantwortliche medizinische Abwägung, unter Vergleich

  • der zu erwartenden Vorteile dieser Methode und ihrer abzusehenden und zu vermutenden Nachteile
  • mit der standardgemäßen Behandlung unter Berücksichtigung des Wohles des Patienten

die Anwendung dieser Methode rechtfertigt.

Höhere Belastungen oder Risiken für den Patienten müssen dabei

  • in den Besonderheiten des konkreten Falles oder
  • in einer günstigeren Heilungsprognose

eine sachliche Rechtfertigung finden.

Wenn danach

  • die Anwendung einer nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode sachlich nicht gerechtfertigt war und
  • der Arzt nicht zur Einschätzung ihrer Zulässigkeit kommen durfte,

liegt ein Behandlungsfehler vor,

  • der den Arzt aus §§ 280 Abs. 1, 823 Abs. 1, 253 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zum Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens verpflichtet.

Außerdem erfordert die Anwendung einer nicht allgemein anerkannten Methode

  • zur Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten

dessen Aufklärung über das Für und Wider dieser Methode.

Dem Patienten müssen

  • nicht nur die Risiken und die Gefahr eines Misserfolges des Eingriffs erläutert werden,

sondern er ist

  • auch darüber aufzuklären, dass der geplante Eingriff nicht medizinischer Standard ist.

Der Patient muss wissen,

  • auf was er sich einlässt,

um abwägen zu können,

  • ob er die Risiken einer (eventuell nur relativ indizierten) Behandlung im Hinblick auf deren Erfolgsaussichten und auf seine Befindlichkeit vor dem Eingriff eingehen will.

Ist der Arzt seiner diesbezüglichen Aufklärungspflicht in dem erforderlichen Umfang nicht nachgekommen, kann er wegen unzureichender Aufklärung schadensersatzpflichtig sein (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 15.10.2019 – VI ZR 105/18 –).

OLG Düsseldorf entscheidet: Kfz-Werkstatt kann sich schadensersatzpflichtig machen, wenn sie ihre Kunden nicht auf

…. weiteren Reparaturbedarf hinweist.

Mit Urteil vom 17.10.2019 – I-21 U 43/18 – hat der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf in einem Fall, in dem eine Werkstatt

  • im Rahmen der Reparatur des SUVs eines Kunden

umfangreiche Arbeiten an dem Fahrzeugmotor durchgeführt,

  • dabei u.a. alle hydraulischen Ventilspielausgleichselemente und einen Kettenspanner erneuert,

aber den Zustand der

  • zu diesem Zeitpunkt bereits stark gelängten und austauschbedürftigen

Steuerketten nicht untersucht und deswegen der Motor

  • nach einigen hundert Kilometern

einen Totalschaden erlitten hatte, entschieden, dass,

  • weil es unterlassen worden war,
    • den Zustand der Steuerketten zu überprüfen und
    • dem Kunden einen Austausch zu empfehlen,

der Kunde von dem Betreiber bzw. Inhaber der Werkstatt,

  • wegen Verletzung der Prüfpflicht und unterlassener Aufklärung über den weiteren Reparaturbedarf bei seinem SUV,

ersetzt verlangen kann,

  • die entstandenen Kosten
    • für den Erwerb und Einbau eines Austauschmotors, abzüglich der Kosten, die ohnehin durch den Austausch der Steuerketten entstanden wären und
    • für das zur Aufklärung privat eingeholte Sachverständigengutachten

sowie

  • den Nutzungsausfall.

Danach muss eine Werkstatt auch auf Unzulänglichkeiten an den Teilen des Fahrzeugs achten,

  • mit denen sie sich im Zuge der durchgeführten Reparatur befasst und
  • deren Mängel danach nicht mehr ohne weiteres entdeckt und behoben werden können (Quelle: Pressemitteilung des OLG Düsseldorf).

Ärzte und Patienten sollten wissen wann, trotz fehlerfreier Behandlung, eine Arzthaftung wegen eines Aufklärungsversäumnisses

…. in Betracht kommt.

Vor Durchführung einer medizinischen Maßnahme, insbesondere eines Eingriffs in den Körper oder die Gesundheit, müssen Ärzte einholen

  • die Einwilligung des Patienten

und falls ein Patient einwilligungsunfähig ist,

  • die Einwilligung eines hierzu Berechtigten,
  • soweit nicht eine Patientenverfügung nach § 1901a Absatz 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Maßnahme gestattet oder untersagt.

Ohne wirksame Patienteneinwilligung,

  • die eine vorherige Aufklärung nach Maßgabe von § 630e Absatz 1 bis 4 BGB voraussetzt und
  • die jederzeit und ohne Angabe von Gründen formlos widerrufen werden kann,

darf ein ärztlicher Eingriff ausschließlich dann durchgeführt werden, wenn

  • eine durchzuführende Maßnahme unaufschiebbar ist,
  • die Einwilligung dafür nicht (mehr) rechtzeitig eingeholt werden kann und
  • die Durchführung der unaufschiebbaren Maßnahme demmutmaßlichen Willen des Patienten entspricht (vgl. § 630d BGB).

Liegt kein solcher Ausnahmefall,

  • in dem eine unaufschiebbare Maßnahme ohne Einwilligung durchgeführt werden darf,

vor und ist der Patient nicht

  • rechtzeitig vor einem Eingriff

von dem Arzt

  • nach Maßgabe von § 630e Absatz 1 bis 4 BGB

aufgeklärt worden,

  • also beispielsweise
    • nicht hinreichend verständlich über die Art und den Umfang des vorgenommenen Eingriffs sowie
    • eine mögliche Eingriffsalternative (§ 630e Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB)
  • bzw.
    • nicht in der erforderlichen Art und Weise über eine bei einem Fehlschlagen der geplanten und dann möglicherweise erforderlich werdende (vorhersehbare) Operationserweiterung
  • oder
    • ist eine ursprünglich geplante Operation in erweiterter und von der erteilten Patienteneinwilligung nicht mehr gedeckten Form fortgesetzt worden, ohne eine mögliche Unterbrechung vorzunehmen, um zunächst die Einwilligung des Patienten zu dem erweiterten Eingriff einzuholen,

haftet der Arzt,

  • weil dann keine wirksam erteilte Patienteneinwilligung in Bezug auf den vorgenommen Eingriff vorliegt (§ 630d Abs. 2 BGB),
  • auch dann, wenn ihm kein Behandlungsfehler vorgeworfen werden kann,

aus

  • 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den Vorschriften der §§ 630a ff. BGB und/oder
  • 823 Abs. 1 BGB

für alle den Gesundheitszustand des Patienten betreffenden nachteiligen Folgen, sofern

  • er sich nicht auf den Einwand der sogenannten hypothetischen Einwilligung berufen kann (§ 630h Abs. 2 Satz 2 BGB).

Behauptet der Arzt, dass der Patient auch dann,

  • wenn er vor dem vorgenommenen Eingriff ordnungsgemäß aufgeklärt worden wäre,

in die Maßnahme eingewilligt hätte,

  • trifft ihn die Beweislast dafür,

allerdings erst dann, wenn

Wer eine Rente wegen Erwerbsminderung beantragt, sollte beachten, dass, wenn er durch nicht ausreichende Mitwirkung

…. die Aufklärung des Sachverhaltes unmöglich macht, die Gewährung der begehrten Erwerbsminderungsrente versagt werden kann.

Mit Urteil vom 21.06.2019 – S 105 R 57/18 – hat das Sozialgericht (SG) Berlin darauf hingewiesen, dass, wer eine Rente wegen Erwerbsminderung beantragt (im Folgenden: Antragsteller), bei der daraufhin von der Rentenversicherung von Amts wegen vorzunehmenden Ermittlungen,

  • ob die medizinischen Voraussetzungen für die begehrte Rente vorliegen,

ausreichend mitwirken muss und dass,

  • sollte ein Antragsteller seinen Mitwirkungspflichten nicht ausreichend nachkommen und
  • dadurch die Aufklärung des Sachverhaltes unmöglich machen,

die Gewährung der Erwerbsminderungsrente versagt werden kann (§ 66 Abs. 1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I).

Ist beispielsweise zur Ermittlung des Vorliegens der Leistungsvoraussetzungen

  • eine Begutachtung des Antragstellers auf psychiatrischem Gebiet erforderlich und angeordnet,

muss der Antragsteller bereit sein, sich,

  • ohne Anwesenheit einer Begleitperson,

der diesbezüglichen Untersuchung zu unterziehen.

Besteht keine Bereitschaft dazu,

  • sondern will ein Antragsteller sich nur bei Anwesenheit einer Begleitperson psychiatrisch untersuchen lassen,

würde,

  • weil dann eine Begutachtung nicht erfolgen kann,

der Antragsteller die Aufklärung des Sachverhalts unmöglich machen.

Denn eine Untersuchung zur Begutachtung auf psychiatrischem Gebiet kann,

  • da die wichtigste Erkenntnisquelle dabei die Befragung der zu untersuchenden Person ist und
  • bei der Teilnahme einer Begleitperson an der Befragung – insbesondere wenn es sich bei ihr um einen Familienangehörigen oder Partner handelt – stets die Gefahr besteht, dass der Proband
    • aus Rücksicht auf die Erwartungen der Begleitperson
    • keine vollständigen oder wahrheitsgemäßen Angaben macht,

grundsätzlich nur ohne Begleitperson stattfinden (Quelle: Pressemitteilung des SG Berlin).

Was Patienten wissen sollten, wenn bei der Aufklärung über Operationsrisiken die Formulierung

…. „vereinzelt“ verwendet wird.

Wird vor einer Operation bei der Aufklärung eines Patienten über bestehende (post)operative Risiken von dem Arzt oder in dem dem Patienten übergebenen Aufklärungsbogen darauf hingewiesen,

  • dass „vereinzelt“ bestimmte Zwischenfälle auftreten können,
  • die weitere Behandlungsmaßnahmen erfordern,

bedeutet dies,

  • dass derartige Zwischenfälle in etwa in jedem fünften Fall eintreten können.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main mit Urteil vom 26.03.2019 – 8 U 219/16 – entschieden.

Die Formulierung „vereinzelt“

  • bezeichnet danach „eine gewisse Häufigkeit, die zumindest kleiner als „häufig“ ist“ und
  • kann verwendet werden, wenn die Wahrscheinlichkeit für eine (post)operative Komplikation bei einem Wert bis zu 20% liegt (Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt vom 08.04.2019).

Zur Bedeutung von Wahrscheinlichkeitsangaben im Rahmen der ärztlichen Aufklärung und wie beispielsweise die verbale Risikobeschreibung „gelegentlich“ zu verstehen ist, vergleiche das Urteil des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 29.01.2019 – VI ZR 117/18 –).

Hinweis:
Nach der Rechtsprechung stellt es keinen Verstoß gegen die Aufklärungspflicht dar, wenn Ärzte keine Prozentzahlen über die Möglichkeit der Verwirklichung eines Behandlungsrisikos mitteilen. Geschieht dies im Aufklärungsgespräch nicht, sollten Patienten deshalb ausdrücklich danach fragen.

Patienten sollten wissen, dass eine in einer schwierigen Situation erteilte Einwilligung in eine Operation unwirksam

…. und in einem solchen Fall die Klinik bzw. der Arzt verpflichtet sein kann,

  • sich vor der Operation zu vergewissern,

ob die gegebene Einwilligung des Patienten nach wie vor seinem freien Willen entspricht.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln mit Urteil vom 16.01.2019 – 5 U 29/17 – hingewiesen.

Danach

  • muss die ordnungsgemäße Aufklärung eines Patienten so rechtzeitig erfolgen, dass dieser seine Entscheidung wohlüberlegt treffen kann (§ 630 e Abs.2 Satz 1 Ziffer 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)),
  • ist deswegen ein stationär aufgenommener Patient, sofern der Eingriff nicht medizinisch dringlich ist, regelmäßig mindestens einen Tag vor der Operation aufzuklären

und steht, wenn

  • keine notfallmäßige sofortige Operation erforderlich ist, aber

die Einwilligungserklärung einem Patienten unmittelbar im Anschluss an die Aufklärung

  • ohne jegliche Überlegungsfrist oder
  • ohne ausreichende Bedenkzeit

abverlangt

  • sowie von dem Patienten unter dem Eindruck einer großen Fülle von regelmäßig unbekannten und schwer verständlichen Informationen und in einer persönlich schwierigen Situation, wie etwa nach einem Unfall, getroffen

wird, unter dem Vorbehalt, dass der Patient die ihm verbleibende Zeit nutzt, um

  • die erhaltenen Informationen zu verarbeiten und
  • das Für und Wider des Eingriffes für sich abzuwägen und
  • sich ggf. anders zu entscheiden

und ist es in solchen Fällen, in denen ein Patient mangels ausreichender Bedenkzeit keine wohlüberlegte Entscheidung treffen konnte,

  • nicht Aufgabe des Patienten, sich durch eine ausdrückliche Erklärung von seiner zuvor gegebenen Einwilligungserklärung zu lösen,
  • sondern vielmehr Aufgabe der Ärzte, sich davon zu überzeugen, dass die gegebene Einwilligungserklärung nach wie vor dem freien Willen des Patienten entspricht.

Dies ist deshalb von wesentlicher Bedeutung für Patienten, weil,

  • wenn ein ärztlicher Eingriff nicht durch eine wirksame Einwilligung des Patienten gedeckt ist und
  • sich damit als nicht gerechtfertigte Körperverletzung darstellt,

auch bei einer fehlerfrei durchgeführten Operation Klinik bzw. Arzt für alle über den bloßen operativen Eingriff hinausgehenden, den Gesundheitszustand des Patienten betreffenden nachteiligen Folgen aus §§ 280 Abs.1, 630a, 823 Abs.1, 249, 253 Abs.2 BGB haften,

  • sofern sie sich nicht mit Erfolg auf den Einwand hypothetischer Einwilligung berufen können.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall, in dem es eine Klinik unterlassen hatte, sich vor der Operation einer Patientin zu vergewissern, ob deren Einwilligung in die Operation,

  • die der Patientin zuvor in einer schwierigen Situation, unter unzulässiger Einengung und Verkürzung ihrer Entscheidungsfreiheit, abverlangt worden war,

nach wie vor ihrem freien Willen entspricht

  • und die Patientin einen Entscheidungskonflikt plausibel machen konnte,

hat das OLG der Patientin wegen Schmerzen,

  • die Folge der fehlerfrei durchgeführten Operation waren,

10.000 Euro Schmerzensgeld zuerkannt.

BGH entscheidet: Organspender, die vor einer Lebendspende unzureichend aufgeklärt worden sind, haben Anspruch auf

…. Schmerzensgeld und bei Eintritt eines späteren Gesundheitsschadens infolge der Organspende auch auf Schadensersatz.

Mit Urteilen vom 29.01.2019 – VI ZR 495/16 und VI ZR 318/17 – hat der unter anderem für das Arzthaftungsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden, dass die bei einer Lebendspende von einem Organspender

  • erteilte Einwilligung unwirksam und der Eingriff rechtswidrig ist,

wenn der Spender vor der Organentnahme

  • über die möglichen gesundheitlichen Folgen sowie möglichen Spätfolgen der Organentnahme für seine Gesundheit und
  • über die zu erwartende Erfolgsaussicht der Organübertragung, also beispielsweise bei Vorliegen eines erhöhten Risikos eines Transplantatverlustes beim Empfänger, auch über dieses Risiko,

nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden ist (vgl. hierzu § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b, Abs. 2 Satz 1 und 2 Transplantationsgesetz (TPG)), dass, wenn dies strittig ist, bei der Beweiswürdigung

  • Verstöße gegen die, die Pflicht des Arztes zur Selbstbestimmungsaufklärung des Spenders begleitenden, formalen Regelungen des § 8 Abs. 2 Satz 3 (Anwesenheit eines neutralen Arztes beim Aufklärungsgespräch) und Satz 4 (von den Beteiligten zu unterschreibende Niederschrift über das Aufklärungsgespräch) des TPG als starkes Indiz dafür herangezogen werden können, dass eine Aufklärung durch die – insoweit beweisbelastete – Behandlungsseite nicht oder jedenfalls nicht in hinreichender Weise stattgefunden hat

und dass, im Falle einer unzureichenden Aufklärung, von der deswegen auf Schadensersatz und/oder Schmerzensgeld in Anspruch genommenen Behandlungsseite,

  • mangels Übertragbarkeit der zum Arzthaftungsrecht entwickelten Grundsätze der hypothetischen Einwilligung auf die Lebendorganspende,

nicht den Einwand erhoben werden kann, dass der Organspender auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung in die Organentnahme eingewilligt hätte (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 28.01.2019).

Schwangere sollten wissen, wann sie in einer Entbindungssituation von dem geburtsleitenden Arzt über die Möglichkeit

…. einer Schnittentbindung aufgeklärt werden müssen und dass, wenn eine solche Aufklärungspflicht besteht und

  • unterlassen wird oder
  • verspätet erfolgt,

bei kausalem Zusammenhang zwischen

  • der Verletzung der Aufklärungspflicht und
  • einem bei der Mutter oder dem Kind eingetretenen Gesundheitsschaden

eine Haftung des Arztes in Betracht kommt.

Gemäß dem allgemeinen Grundsatz, dass ein Arzt Patienten über eine alternative Behandlungsmöglichkeit stets dann aufzuklären hat, wenn für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die

  • zu jeweils unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder
  • unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten,

braucht der geburtsleitende Arzt in einer normalen Entbindungssituation,

  • in der eine Schnittentbindung medizinisch nicht indiziert und
  • deshalb keine echte Alternative zur vaginalen Geburt ist,

ohne besondere Veranlassung die Möglichkeit einer Schnittentbindung nicht zur Sprache zu bringen.

Drohen allerdings für den Fall,

  • dass die Geburt vaginal erfolgt,

für das Kind ernstzunehmende Gefahren,

  • sprechen daher im Interesse des Kindes gewichtige Gründe für eine Schnittentbindung

und stellt eine Schnittentbindung unter Berücksichtigung

  • auch der Konstitution und
  • der Befindlichkeit der Mutter in der konkreten Situation

eine medizinisch verantwortbare Alternative dar, muss der Arzt die Schwangere aufklären

  • über die für sie und das Kind bestehenden Risiken sowie
  • über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Entbindungsmethoden aufklären

und sich ihrer Einwilligung für die Art der Entbindung versichern.

Auch erforderlich ist eine solche Aufklärung

  • über die unterschiedlichen Risiken und
  • Vorteile der verschiedenen Entbindungsmethoden,

wenn

  • aufgrund konkreter Umstände

die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass

  • im weiteren Verlauf eine Konstellation eintritt,
  • die als relative Indikation für eine Schnittentbindung zu werten ist,

wobei die Aufklärung,

  • weil nur so das Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren, die die natürliche Sachwalterin der Belange auch des Kindes ist, gewahrt wird,

dann – vorgezogen – bereits zu einem Zeitpunkt vorgenommen werden muss,

  • – zu dem sich die Schwangere noch in einem Zustand befindet, in dem diese Problematik mit ihr besprochen werden kann -,

wenn deutliche Anzeichen dafür bestehen,

  • dass sich der Geburtsvorgang so entwickeln kann,

dass die Schnittentbindung zu einer echten Alternative zur vaginalen Entbindung wird (Bundesgerichtshofs (BGH), Urteil vom 28.08.2018 – VI ZR 509/17 –).