Tag Wettbewerbsrecht

Verkäufer der die Amazon-Weiterempfehlungsfunktion nutzt handelt wettbewerbswidrig

Ein Verkäufer, der auf der Internetplattform Amazon Waren zum Verkauf anbietet, handelt wettbewerbswidrig, wenn

  • mittels Emails, die durch die Weiterempfehlungsfunktion der Plattform versandt werden, für sein Amazon-Verkaufsangebot gegenüber Dritten geworben wird,
  • die zuvor nicht ausdrücklich in den Erhalt der Werbe-E-Mails eingewilligt haben.

 

Das hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 09.07.2015 – 4 U 59/15 – entschieden und in einem Fall, in dem ein Unternehmen

  • auf der Verkaufsplattform Amazon Sonnenschirme zum Verkauf angeboten hatte und
  • auch über die Weiterempfehlungsfunktion der Plattform, die es Amazon-Kunden ermöglicht, Dritte mittels E-Mails auf ein in der E-Mail verlinktes Amazon-Angebot aufmerksam zu machen, auf sein Verkaufsangebot hingewiesen worden war,

 

es dem Unternehmen untersagt, seine Sonnenschirme mit der infrage stehenden Weiterempfehlungsfunktion auf der Verkaufsplattform Amazon anzubieten.

Wie der Senat u. a. ausgeführt hat, erfüllte das Zusenden der sog. Weiterempfehlungs-E-Mails den Tatbestand der unzumutbaren Belästigung nach § 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).
Ein Unternehmen, das seine Waren auf der Plattform Amazon bewirbt und verkauft, mache sich als Anbieter nämlich die dortigen Angaben und Funktionen zu Eigen und müsse sich diese zurechnen lassen, da es verpflichtet sei, seine Amazon-Angebotsseite auf Wettbewerbsverstöße hin zu kontrollieren und diese ggf. selbst abzustellen oder auf eine Änderung der Angaben beim Betreiber der Plattform hinzuwirken.

Dass eine Empfehlungs-E-Mail nicht von dem Unternehmen, sondern von einem Amazon-Kunden versandt wird, erachtete der Senat für unerheblich, da der Versand der E-Mail auf die gerade zu diesem Zweck von dem Unternehmen genutzte Weiterempfehlungsfunktion zurückgeht.

 

Irreführende Werbung für Kondome?

Auf der Verpackung von Kondomen darf nicht mit der Angabe „1 Tüte à 7 Stück entspricht bis zu 21 Orgasmen“ geworben werden, weil dadurch der Verbraucher darüber getäuscht werden kann, dass ein Kondom tatsächlich nur einmal verwendet werden darf.

Das hat die 14c. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Düsseldorf mit Urteil vom 26.11.2015 – 14c O 124/15 – entschieden.

Begründet hat die Kammer die Entscheidung u.a. damit, dass

  • Kondome Medizinprodukte im Sinne des § 3 Abs. 1 d) des Gesetzes über Medizinprodukte (MPG) sind und, wie sich aus der für Kondome anwendbaren EN ISO 4074: 2002 ergibt, nur einmal verwendet werden dürfen,
  • dieses Gebot zur Einmalverwendung einem erheblichen Teil der angesprochenen Verbraucher aller Altersklassen zwar bekannt sein mag,
  • aber gerade bei Jugendlichen der Aufklärungsbedarf zur richtigen Anwendung von Kondomen anhaltend hoch und bei mehrdeutigen Angaben die Gefahr der Irreführung gegeben ist.

 

Das hat die Pressestelle des Landgerichts Düsseldorf am 26.11.2015 – 15/2015 – mitgeteilt.

 

Die AGB-Klausel: „Die Abtretung von Mängelansprüchen ist ausgeschlossen“

Die Klausel „Die Abtretung von Mängelansprüchen ist ausgeschlossen“ in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) eines Internetversandhändlers ist

  • wegen Verstoßes gegen die Regelung des § 307 Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) unzulässig,
  • weil sie den privaten Käufer unangemessen benachteiligt.

 

Das hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm mit Urteil vom 25.09.2014 – 4 U 99/14 – entschieden.

Begründet hat der Senat dies damit, dass das Abtretungsverbot

  • den Weiterverkauf des Verbrauchers behindert, weil es die Gewährleistung gegenüber dem gewerblichen Erstverkäufer erschwert und
  • neben dem Wiederkäufer auch den wiederverkaufenden privaten Erstkäufer benachteiligt.

 

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 29.10.2015 mitgeteilt.

 

Produktpräsentation im Internet mit der ein Kunde zur Abgabe eines konkreten Angebots aufgefordert werden soll

Ein Händler, der auf der Angebotsseite seines Online-Shops ein Elektrofahrrad

  • mit dem Hinweis „nur noch wenige Exemplare auf Lager“ und
  • einer in Aussicht gestellten Lieferzeit von 2-4 Tagen anbietet,

 

muss das beworbene Rad

  • entweder selbst oder
  • abrufbar bei einem Dritten,

 

zur Lieferung innerhalb der beworbenen Lieferfristen vorrätig haben.
Ansonsten handelt es sich um eine wettbewerbswidrige unzulässige Lockvogelwerbung.

Darauf hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 11.08.2015 – 4 U 69/15 – in einem Fall hingewiesen, in dem der Händler das von einem Kunden nachgefragte Elektrofahrrad nicht vorrätig hatte und auch nicht kurzfristig beschaffen konnte.

Wie der Senat ausgeführt hat, ist es einem Unternehmer, der bestimmte Waren oder Dienstleistungen in einem angemessenen Zeitraum nicht in angemessener Menge zur Verfügung stellen kann, untersagt,

  • diese Waren oder Dienstleistungen zu einem bestimmten Preis anzubieten oder
  • Kunden durch Produktpräsentationen im Internet zur Abgabe eines konkreten Angebots aufzufordern,

 

ohne den Kunden auf seinen fehlenden Warenvorrat hinzuweisen und mit dem Hinweis im Angebot darauf, dass „nur noch wenige Exemplare auf Lager“ seien,

  • werde der Kunde nicht über einen fehlenden Warenvorrat aufgeklärt,
  • sondern der Eindruck erweckt, dass der Anbieter tatsächlich noch über entsprechende Waren – wenn auch nur wenige – verfüge und der Kunde animiert mit einer Kaufentscheidung nicht mehr allzu lange zu warten.

 

Taschenverkaufsverbot für Einzelhändlerin

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm hat mit Urteil vom 16.06.2015 – 4 U 32/14 – entschieden, dass

  • eine Dortmunder Einzelhändlerin keine Handtaschen verkaufen darf,
  • die Handtaschen der „Le-Pliage“-Serie des französischen Herstellers Longchamp ähnlich sehen.

 

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall

  • hatte der klagende französische Hersteller, der über ein deutsches Tochterunternehmen unter der Bezeichnung „Le-Pliage“ seit langen Jahren Taschen in verschiedenen Formen und Farben vertreibt,
  • von der beklagten Inhaberin eines Einzelhandelsgeschäfts, die Taschen eines anderen Herstellers anbietet, u.a.verlangt, den Verkauf der Handtaschen zu unterlassen, die nach seiner Auffassung eine unzulässige Nachahmung der Handtaschen der „Le-Pliage“-Serie darstellen.

 

Die Klage auf Unterlassung und Schadensersatz für bisherige Verkaufsgeschäfte hatte Erfolg.

Wie der 4. Zivilsenat des OLG Hamm feststellte, handelte es sich bei den von der Beklagten vertriebenen Taschen um eine wettbewerbswidrige Nachahmung der „Le-Pliage“-Handtaschen.
Die „Le-Pliage“-Handtaschen, mit denen der Kläger bereits seit 1994/1995 auf dem deutschen Markt vertreten ist, weisen, wie der Senat ausführte,

  • nämlich auch heute noch in Form, Farbe, Gestaltung und Material Produktmerkmale auf, die ihre wettbewerbliche Eigenart begründen und
  • die von der Beklagten vertriebenen Taschen stellten eine nahezu identische Nachahmung der „Le-Pliage“-Handtaschen dar.

 

Dass im Detail Unterschiede vorhanden sind, rechtfertigt nach Auffassung des Senats angesichts der Übereinstimmung der grundlegenden Gestaltungsmerkmale keine andere Bewertung.
Nach Ansicht des Senats wird mit dem Vertrieb der Taschen der Beklagten auch über die Herkunft des Produkts getäuscht,

  • weil ein durchschnittlicher Verbraucher aufgrund der Übereinstimmungen auch bei den Taschen der Beklagten davon ausgehe, dass es sich um die ihm bekannten Produkte der Klägerin oder um Produkte eines mit der Klägerin geschäftlich verbundenen Herstellers handele.

 

Durch den Kaufpreis, der mit 24,95 EUR zwar deutlich unter dem einer Tasche aus dem Sortiment der Klägerin liege, werde die Gefahr einer Herkunftsverwechslung nicht beseitigt, weil es nahe liege, dass ein Verbraucher mit einer Tasche der Beklagten die Vorstellung verbinde, es handele sich um eine günstigere Modellvariante aus dem Hause der Klägerin oder um ein günstiges Lizenzprodukt.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 01.09.2015 mitgeteilt.

 

Darf ein Händler unter Bezugnahme auf ein im Internet veröffentlichtes Testergebnis werben?

Der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg hat mit Urteil vom 31.07.2015 – 6 U 64/15 – entschieden, dass es einem Händler gestattet ist, mit einem im Internet veröffentlichten Testergebnis zu werben.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall hatte ein Händler in einem Bestellmagazin für einen Staubsauger geworben, diesen mit dem Testergebnis „sehr gut“ angepriesen und als Fundstelle für das Testergebnis ein Internetportal genannt.

Der 6. Zivilsenat des OLG Oldenburg erachtete eine solche Werbung unter Bezugnahme auf ein im Internet veröffentlichtes Testergebnis nicht als wettbewerbswidrig und wies die Klage eines Wettbewerbsverbands gegen den Händler auf Unterlassung der Werbung ab.
Zur Begründung seiner Entscheidung führte der Senat aus,

dass nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) die Werbung mit einem Testergebnis zulässig sei, wenn der Verbraucher deutlich auf die Fundstelle hingewiesen werde und leicht auf das Testergebnis zugreifen könne.
Ein leichter Zugriff sei grundsätzlich auch auf ein im Internet veröffentlichtes Testergebnis möglich. Das Internet sei in weiten Bevölkerungskreisen verbreitet. Ihm komme eine immer größere gesellschaftliche Bedeutung zu. Ein Verbraucher könne sich selbst dann ohne große Mühe Zugang zum Internet verschaffen, wenn er über keinen eigenen Anschluss verfüge. Ihm werde dabei nicht mehr abverlangt, als wenn er sich ein in einer Zeitschrift veröffentlichtes Testergebnis besorgen müsste.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Oldenburg am 10.08.2015 mitgeteilt.

 

Darf ein Unternehmen anbieten, Rabattgutscheine anderer Unternehmen einzulösen?

Mit Urteil vom 02.07.2015 – 2 U 148/14 – hat der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart entschieden, dass es sich bei der Ankündigung einer Drogeriemarktkette, Rabattgutscheine anderer Unternehmen einzulösen, um keine gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb verstoßende Werbemaßnahme handelt.

Danach ist die Ankündigung, fremde Rabattgutscheine einzulösen, nicht unlauter im Sinne der §§ 3, 4 Nr. 10 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und

  • zwar weder wenn dabei einzelne Unternehmen namentlich genannt würden,
  • noch wenn eine Abgrenzung durch eine Branchenangabe erfolge.

 

Begründet hat der 2. Zivilsenat des OLG Stuttgart seine Entscheidung damit, dass

ein Verbraucher, der einen Gutschein in Händen halte, noch nicht dem Unternehmen als Kunde zuzurechnen sei, das den Gutschein ausgegeben habe.
Außerdem sei die bloße Ankündigung, einen fremden Gutschein einzulösen, kein unangemessenes Einwirken auf den Verbraucher.
Das Unternehmen das ankündige, den fremden Gutschein einzulösen, eröffne dem Verbraucher lediglich einen zusätzlichen Weg, denselben prozentualen Preisnachlass zu erlangen, den ihm der Gutschein verspreche. Die Entschlussfreiheit des Verbrauchers bleibe unberührt.
Auch eine sogenannte unlautere Werbesabotage liege nicht vor.
Das Unternehmen, das einen Gutschein eines anderen Unternehmens einlöse, verhindere durch sein Vorgehen nicht den Wettbewerb zwischen ihm und seinem Konkurrenten, sondern verschärfe ihn.
Auch werde durch die Einlösungszusage der Zugang seiner Wettbewerber zum Kunden nicht beeinträchtigt.
Ferner werde dadurch weder die Gutscheinwerbung des anderen Unternehmens sinnlos, noch sei in dem Einlösevorgang eine gezielte Wettbewerberbehinderung durch die Werbung zu sehen. Eine unlautere Irreführung des Verbrauchers im Sinne des § 5 UWG sei gleichfalls nicht gegeben.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Stuttgart am 02.07.2015 mitgeteilt.

 

Dürfen Apotheker verschreibungspflichtige Arzneimitteln ohne Rezept abgeben?

Die Abgabe eines verschreibungspflichtigen Medikaments durch einen Apotheker ohne Vorlage eines Rezepts ist wettbewerbsrechtlich unzulässig.

Das hat der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 08.01.2015 – I ZR 123/13 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall hatte ein Apotheker beanstandet, dass von einem anderen Apotheker einer Patientin ein verschreibungspflichtiges Medikament ohne ärztliches Rezept ausgehändigt worden war und diesen auf Unterlassung, Auskunft, Feststellung der Schadensersatzpflicht und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch genommen.

Der BGH hat der Klage, trotz des Einwandes des Beklagten, in dem streitgegenständlichem Fall aufgrund der telefonisch eingeholten Auskunft einer ihm bekannten Ärztin geglaubt zu haben, davon ausgehen zu dürfen, zur Abgabe des Medikaments ohne Vorlage eines Rezepts berechtigt zu sein, stattgegeben.

Nach der Entscheidung des BGH dient die Verschreibungspflicht gemäß § 48 des Arzneimittelgesetzes (AMG), wonach verschreibungspflichtige Medikamente nicht ohne ärztliche Verordnung abgegeben werden dürfen, dem Schutz der Patienten vor gefährlichen Fehlmedikationen und damit gesundheitlichen Zwecken. Durch Verstöße gegen das Marktverhalten regelnde Vorschriften, die den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung bezwecken, würden die Verbraucherinteressen nach ständiger Rechtsprechung des BGH stets spürbar beeinträchtigt.
Auch sei, wie der BGH weiter ausführte, der Beklagte nicht aufgrund der besonderen Umstände des Streitfalls gemäß § 4 Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) ausnahmsweise zur Abgabe des Arzneimittels ohne Rezept berechtigt gewesen.
Zwar könne ein Apotheker sich grundsätzlich auf eine Entscheidung des Arztes über die Verordnung des verschreibungspflichtigen Medikaments verlassen.

  • Die Ausnahmevorschrift des § 4 AMVV setze aber eine Therapieentscheidung des behandelnden Arztes aufgrund eigener vorheriger Diagnose voraus, wobei es in dringenden Fällen allerdings ausreiche, wenn der Apotheker von dem Arzt über die Verschreibung telefonisch unterrichtet werde.
  • An der erforderlichen Therapieentscheidung fehle es, wenn ein Apotheker einen Arzt zu einer Verschreibung für einen dem Arzt unbekannten Patienten bewegt.

Da zum Zeitpunkt des Besuchs der Apotheke des Beklagten keine akute Gesundheitsgefährdung bestand, war der Patientin auch zuzumuten, den ärztlichen Notdienst im Nachbarort aufzusuchen.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 08.01.2015 – Nr. 3/2015 – mitgeteilt.

 

Optiker darf nicht mit kostenloser Zweitbrille werben.

Die Werbung für eine Brille

  • mit dem hervorgehobenen Hinweis auf die kostenlose Abgabe einer Zweitbrille

verstößt gegen das Gesetz über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens (Heilmittelwerberecht – HWG).

Das hat der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 06.11.2014 – I ZR 26/14 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte die Beklagte, die ein Optikerunternehmen mit zahlreichen Filialen betreibt, einen Werbeflyer verteilt, in dem

  • von ihr eine Brille mit Premium-Einstärkengläsern zum Preis von 239 € und mit Premium-Gleitsichtgläsern zum Preis von 499 € angeboten worden war und

blickfangmäßig hervorgehoben,

  • zudem angekündigt wurde, dass der Kunde zusätzlich eine kostenlose Zweitbrille im Wert von 89 € erhält.

Nach Auffassung des I. Zivilsenats des BGH verstößt diese Werbung gegen das Verbot von Zuwendungen in § 7 Abs. 1 S. 1 HWG.
Der Verbraucher fasse die Werbung als Angebot einer Brille zum angegebenen Preis zuzüglich eines Geschenks in Form einer Zweitbrille auf, weil der Umstand, dass die Zweitbrille kostenlos dazugegeben wird, blickfangmäßig hervorgehoben in der Werbung dargestellt wird. Es bestehe die Gefahr, dass sich Verbraucher zum Kauf der angebotenen Sehhilfe allein wegen des Geschenks einer Zweitbrille entschließen und ihre Entscheidung für den Erwerb der von der Beklagten angebotenen Sehhilfe nicht ausschließlich an ihren gesundheitlichen Belangen ausrichten.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 06.11.2014 – Nr. 160/2014 – mitgeteilt.

 

Mittelmeer-Kreuzfahrt & Badeurlaub – Werbung muss Gesamtpreis angeben – „Sternchenhinweis“ auf täglich an Bord anfallende Zusatzkosten verstößt gegen Wettbewerbsrecht.

Reiseveranstalter, die im Paket eine Schiffsreise und einen Hotelaufenthalt anbieten, müssen bei der Bewerbung ihres Angebotes den jeweiligen Endpreis der Reise benennen. 
Zum Endpreis gehören auch Entgelte für Leistungen Dritter, die von Reisenden zwangsläufig in Anspruch genommen werden müssen – insbesondere das an Bord täglich zu entrichtende sogenannte „Serviceentgelt“. Derartige Kosten sind bezifferbar und müssen in den ausgewiesenen Endpreis der Reise eingerechnet werden. Der Verweis auf die Serviceentgelte mittels „Sternchen“ unterhalb des beworbenen Reisepreises widerspricht den wettbewerbsrechtlichen Vorschriften.

Das hat der für Wettbewerbssachen zuständige 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz mit Urteil vom 04.06.2014 – 9 U 1324/13 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall machte der Kläger – ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs gehört – Unterlassungsansprüche wegen wettbewerbswidriger Werbung für Schiffsreisen geltend.
Die beklagte Gesellschaft hatte 2012 als Reiseveranstalter in der Zeitschrift „ADAC Motorwelt“ für eine „Mittelmeer-Kreuzfahrt & Badeurlaub“ geworben und dort als im Schriftbild hervorgehobenen Preis 999.- „ab € p.P. in der 2er Innenkabine * zzgl. Serviceentgelt an Bord“ angegeben. 
Im „Sternchenhinweis“ an anderer Stelle der Anzeige wird zu den Zusatzkosten pro Person und Tag auf „*Serviceentgelt an Bord ca. € 7.- (wird automatisch dem Bordkonto belastet)“ hingewiesen. 

Die beim Landgericht (LG) Koblenz zuständige Kammer für Handelssachen gab der Klage statt und drohte für den Fall der Zuwiderhandlung Ordnungsgeld bis zu 250.000 € an.

Das OLG Koblenz hat die Berufung der Beklagten weitestgehend zurückgewiesen.

Danach ergibt sich der Unterlassungsanspruch des Klägers aus §§ 8 Abs. 3 Nr. 2, 4 Nr. 11 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) i.V.m. § 1 Abs. 1 der Preisangabenverordnung (PAngVO).  Die letztgenannte Vorschrift ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG.

Durch die Werbeanzeige hat die Beklagte gegenüber Letztverbrauchern geschäftsmäßig unter Angabe von Preisen geworben, ohne den Endpreis anzugeben.
Sie hat damit gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und die Preisangabenverordnung verstoßen.

Die Beklagte war nach § 1 Abs. 1 PAngVO verpflichtet, das in der Werbeanzeige ausgewiesene Serviceentgelt, das an Bord erhoben und dem Bordkonto belastet wird, in die angegebenen Endpreise einzurechnen, denn es handelt sich um einen sonstigen Preisbestandteil im Sinne des § 1 Abs. 1 PAngVO. Dies sind alle Preise und Kosten, die der Verkäufer in die Kalkulation seiner Endpreise einbezieht. Dazu gehören auch die Entgelte für Leistungen Dritter, die zwangsläufig in Anspruch genommen werden müssen.
Entscheidend für die Einbeziehung ist, ob die Kosten auf jeden Fall und ohne Wahlmöglichkeit des Kunden anfallen.
Lediglich solche Leistungen, die als beliebig zu wählende Zusatzleistungen zu betrachten sind, müssen nicht in den Endpreis mit einbezogen werden (OLG Köln, Urteil vom 14.3.2014 – 6 U 172/13 –).
Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei dem Serviceentgelt um einen Preisbestandteil.
Es ist kein fakultatives Trinkgeld, sondern ein Entgelt für den während der Reise erbrachten und geschuldeten Service.
Der Umstand, dass das Serviceentgelt direkt an einen Dritten zu zahlen ist, rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Die Höhe des Serviceentgelts ist ohne weiteres zu berechnen, denn es beträgt nach der Anzeige 7,00 € pro Person und Tag. Die Qualifizierung als Preisbestandteil unterliegt danach keinem Zweifel (so auch Kammergericht (KG), Beschluss vom 12.02.2013 – 5 W 11/13 –).
Die Kenntlichmachung des Serviceentgelts in der beanstandeten Werbeanzeige durch einen sogenannten Sternchenhinweis ist nach der Preisangabenverordnung nicht zulässig.
Lediglich solche mit dem Vertrag verbundenen Kosten, die nicht bezifferbar sind, müssen nicht in einen einheitlichen Endpreis eingerechnet werden, sondern können, da sie trotzdem Bestandteil des Endpreises sind – auf andere Weise hinreichend deutlich kenntlich gemacht werden (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 29.04.2010 – I ZR 23/08 –).
Das Serviceentgelt ist vorliegend eindeutig bezifferbar, weil sowohl die Dauer der Reise als auch die Höhe des pro Person erhobenen Entgelts feststehen.

Dem Verstoß der Beklagten fehlt  nicht die geschäftliche Relevanz im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG. Der Umstand, dass der Endpreis durch eine einfache Rechenoperation ermittelt werden kann, steht der Annahme einer geschäftlichen Relevanz nicht entgegen.

Zweck der Preisangabenverordnung ist es, durch eine vollständige Verbraucherinformation Preiswahrheit und Preisklarheit zu gewährleisten und durch optimale Preisvergleichsmöglichkeiten die Stellung der Verbraucher gegenüber Handel und Gewerbe zu stärken. Dies ist nicht gewährleistet, wenn der Verbraucher den Endpreis erst durch einen mehr oder weniger schwierigen zusätzlichen Rechenvorgang ermitteln muss.

Außerdem ist die Angabe des Endpreises ein wesentlicher Umstand im Sinne des § 5 a Abs. 3 Nr. 3 UWG.
Der Anwendungsbereich des § 5 a Abs. 3 UWG ist eröffnet, denn durch die umfassenden Angaben in der Werbeanzeige wird die angebotene Reise so angeboten, dass ein durchschnittlicher Verbraucher das Geschäft abschließen kann. Dies hat zur Folge, dass die unterlassene Verbraucherinformation unwiderlegbar als „spürbare Beeinträchtigung“ der Entscheidungsfähigkeit des Verbrauchers gilt.

Der Senat hat der Beklagten zur Umstellung ihrer Werbung und Beachtung der festgestellten Unterlassungsansprüche eine sogenannte “Aufbrauchfrist“ bis zum 31.12.2014 zugebilligt, da deren Kataloge für die angebotenen Reisen langfristig und kostenaufwändig produziert werden und der derzeitig geltende Katalog eine Laufzeit bis Dezember 2014 ausweist.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Koblenz am 18.06.2014 mitgeteilt.