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Die Genehmigungsfähigkeit einer Unterbringung zur Durchführung einer Heilbehandlung.

Sofern sich ein Betroffener nicht behandeln lassen will, ist die Genehmigung der Unterbringung zur Durchführung der Heilbehandlung gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nur dann zulässig, wenn

  • die Voraussetzungen für die Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme nach § 1906 Abs. 3 BGB vorliegen und
  • diese rechtswirksam gemäß § 1906 Abs. 3a BGB genehmigt wird.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 30.07.2014 – XII ZB 169/14 – in einem Fall hingewiesen, in dem der Betreuer eines unter einer schizophrenen Psychose leidenden und Rahmen einer Maßregel nach § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachten Betroffenen die betreuungsgerichtlichen

  • Genehmigungen der Unterbringung und
  • der Einwilligung in eine medikamentöse Zwangsbehandlung

beantragt hatte, nachdem von dem Betroffenen die Einnahme von Medikamenten verweigert worden war, so dass die Psychose exazerbierte und der Betroffene aufgrund fremdaggressiver Verhaltensweisen schließlich getrennt von anderen Patienten untergebracht werden musste.

Wie der XII. Zivilsenat des BGH in dieser Entscheidung ausgeführt hat, ist nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB eine Unterbringung nur genehmigungsfähig, wenn eine erfolgversprechende Heilbehandlung durchgeführt werden kann (BGH, Beschluss vom 14.08.2013 – XII ZB 614/11 –).

Dies setzt voraus,

  • entweder einen die Heilbehandlung deckenden entsprechenden natürlichen Willen des Betroffenen
  • oder die rechtlich zulässige Überwindung seines entgegenstehenden natürlichen Willens mittels ärztlicher Zwangsbehandlung.

Die Genehmigung einer Unterbringung zur Heilbehandlung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist daher möglich,

  • wenn von vornherein zumindest nicht ausgeschlossen ist, dass sich der Betroffene in der Unterbringung behandeln lassen wird,
    • sein natürlicher Wille also nicht bereits der medizinisch notwendigen Behandlung entgegensteht,
    • er aber die Notwendigkeit der Unterbringung nicht einsieht.

Davon kann solange ausgegangen werden, wie sich die Weigerung des Betroffenen, sich behandeln zu lassen, nicht manifestiert hat (BGH, Beschlüsse vom 23.01.2013 – XII ZB 395/12 – und vom 08.08.2012 – XII ZB 671/11 –). In diesen Fällen scheidet die Einwilligung (des Betreuers) nach § 1906 Abs. 3 BGB (in die ärztliche Maßnahme) schon deshalb aus, weil die ärztliche Maßnahme dem natürlichen Willen des Betroffenen (noch) nicht widerspricht.

Ist hingegen – wie in den von § 1906 Abs. 3 BGB erfassten Fällen – auszuschließen, dass der Betroffene eine Behandlung ohne Zwang vornehmen lassen wird,

  • ist die Genehmigung der Unterbringung zur Durchführung der Heilbehandlung nur zulässig, wenn
    • die Voraussetzungen für die Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme im Sinn des § 1906 Abs. 3 BGB vorliegen und
    • diese nach § 1906 Abs. 3a BGB rechtswirksam genehmigt wird.

Denn nur dann besteht für die eine Freiheitsentziehung rechtfertigende Heilbehandlung auch gegen den Willen des Betroffenen eine rechtliche Grundlage.

Zu den materiell-rechtlichen Voraussetzung für die Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme gehört nach § 1906 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB auch, dass vor der Einwilligung in die ärztliche Zwangsmaßnahme versucht wurde, den Betroffenen von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen und seine auf Vertrauen gegründete Zustimmung zu erreichen.
Dieser Versuch muss

  • ernsthaft,
  • mit dem nötigen Zeitaufwand und
  • ohne Ausübung unzulässigen Drucks
  • durch eine überzeugungsfähige und -bereite Person unternommen worden sein,

was von dem Betreuungsgericht in jedem Einzelfall festzustellen und in seiner Entscheidung in nachprüfbarer Weise zu

  • Zeitpunkt,
  • äußerem Rahmen,
  • Beteiligten,
  • Umfang und
  • Inhalt des Überzeugungsversuchs

darzulegen ist (BGH, Beschluss vom 04.06.2014 – XII ZB 121/14 –). 

 

Wann kann zur Überwachung eines Bevollmächtigten ein Kontrollbetreuer bestellt werden?

Nach § 1896 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann ein Betreuer zur Geltendmachung von Rechten des Betreuten gegenüber seinem Bevollmächtigten bestellt werden.
Mit dieser so genannten Kontrollbetreuung kann im Falle einer wirksam erteilten Vorsorgevollmacht für eine Kontrolle des Bevollmächtigten gesorgt werden, wenn der Vollmachtgeber aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht mehr in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen.

Eine Kontrollbetreuung darf jedoch wie jede andere Betreuung (vgl. § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB) nur dann eingerichtet werden, wenn sie erforderlich ist.
Da der Vollmachtgeber die Vorsorgevollmacht gerade für den Fall bestellt hat, dass er seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann, um eine gerichtlich angeordnete Betreuung zu vermeiden, kann das Bedürfnis nach einer Kontrollbetreuung nicht allein damit begründet werden, dass der Vollmachtgeber aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr selbst in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen. Denn der Wille des Vollmachtgebers ist auch bei der Frage der Errichtung einer Kontrollbetreuung zu beachten (vgl. § 1896 Abs. 1 a BGB). Daher müssen weitere Umstände hinzutreten, die die Errichtung einer Kontrollbetreuung erforderlich machen. Notwendig ist der konkrete, d.h. durch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte untermauerte Verdacht, dass mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf nicht Genüge getan wird.

Dies kann der Fall sein,

  • wenn nach den üblichen Maßstäben aus der Sicht eines vernünftigen Vollmachtgebers unter Berücksichtigung des in den Bevollmächtigten gesetzten Vertrauens eine ständige Kontrolle schon deshalb geboten ist, weil Anzeichen dafür sprechen, dass der Bevollmächtigte mit dem Umfang und der Schwierigkeit der vorzunehmenden Geschäfte überfordert ist, oder
  • wenn gegen die Redlichkeit oder die Tauglichkeit des Bevollmächtigten Bedenken bestehen.

Ein Missbrauch der Vollmacht oder ein entsprechender Verdacht ist nicht erforderlich.
Ausreichend sind konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Bevollmächtigte nicht mehr entsprechend der Vereinbarung und dem Interesse des Vollmachtgebers handelt (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Beschlüsse vom 21.03.2012 – XII ZB 666/11 – und vom 30.03.2011 – XII ZB 537/10 –).

Darauf hat der XII. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 16.07.2014 – XII ZB 142/14 – hingewiesen.

 

Voraussetzungen für die Annahme einer arglistigen Täuschung bei Abschluss eines Versicherungsvertrages.

Von Arglist des Versicherungsnehmers kann bei einem Zusatzkrankenversicherungsantrag eines Versicherungsnehmers nicht ohne weiteres ausgegangen werden, wenn wegen Schwerhörigkeit des Versicherungsnehmers nicht ausgeschlossen werden kann, dass dieser die Aufklärung des Arztes über eine objektiv bestehende und im Antrag nicht angegebene Vorerkrankung nicht gewusst hat.

Darauf hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe mit Urteil vom 29.07.2014 – 12 U 159/13 – hingewiesen.

Ein arglistiges Verhalten (§ 123 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 22 Versicherungsvertragsgesetz (VVG)) ist anzunehmen, wenn der Täuschende

  • weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass er unzutreffende Angaben macht, und
  • dass dadurch bei dem Empfänger seiner Erklärung eine falsche Vorstellung entsteht und
  • diese ihn zu einer Erklärung veranlasst, die er bei richtiger Kenntnis der Dinge nicht oder nicht so abgegeben hätte.

Das Tatbestandsmerkmal der Arglist erfasst

Auf Arglist als innere Tatsache kann regelmäßig nur auf der Grundlage von Indizien geschlossen werden.

Voraussetzung für die Annahme einer arglistigen Täuschung ist somit, dass

  • der Versicherungsnehmer mit wissentlich falschen Angaben von Tatsachen bzw. dem Verschweigen anzeige- und offenbarungspflichtiger Umstände auf die Entschließung des Versicherers, seinen Versicherungsantrag anzunehmen, Einfluss nehmen will und
  • sich bewusst ist, dass der Versicherer möglicherweise seinen Antrag nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen werde, wenn er wahrheitsgemäße Angaben macht.

Arglistig täuscht im Sinne von § 123 BGB damit nur derjenige, dem bei der Beantwortung der Fragen nach dem Gesundheitszustand oder früherer Behandlungen auch bewusst ist, dass die Nichterwähnung der nachgefragten Umstände geeignet ist, die Entschließung des Versicherers über die Annahme des Versicherungsangebots zu beeinflussen.
Dabei gibt es keinen allgemeinen Satz der Lebenserfahrung des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung von Fragen nach dem Gesundheitszustand oder früheren Behandlungen immer oder nur in der Absicht gemacht zu werden pflegt, auf den Willen des Versicherers Einfluss zu nehmen.
Denn häufig werden unrichtige Angaben über den Gesundheitszustand auch aus falsch verstandener Scham, aus Gleichgültigkeit, aus Trägheit oder einfach in der Annahme gemacht, dass die erlittenen Krankheiten bzw. durchgeführten Behandlungen bedeutungslos seien.

Deshalb muss der Versicherer entsprechend den allgemeinen Beweislastregeln nachweisen,

  • dass der Versicherungsnehmer mit Hilfe der Abgabe einer falschen Erklärung auf den Willen des Versicherers einwirken wollte,
  • sich also bewusst war, der Versicherer werde seinen Antrag nicht oder möglicherweise nur unter erschwerten Bedingungen annehmen, wenn der Versicherungsnehmer die Fragen wahrheitsgemäß beantworten würde.

Da es sich bei dem Bewusstsein des Versicherungsnehmers um eine innere Tatsache handelt, kann der Beweis in der Praxis meist nur durch einen Indizienbeweis geführt werden.

Liegen objektive Falschangaben vor, ist es Sache des Versicherungsnehmers, substantiiert plausibel zu machen, warum und wie es zu diesen objektiv falschen Angaben gekommen ist (OLG Karlsruhe, Urteil vom 05.02.2013 – 12 U 140/12 –; OLG Saarbrücken, Urteil vom 08.03.2006 – 5 U 269/05 –).

 

Zur Verkehrssicherungspflicht bei Parkbuchten.

Die bei Parkbuchten als stirnseitige Begrenzung angebrachten Randsteine sind – was jeder Verkehrsteilnehmer weiß oder wissen muss – schon entsprechend ihrer Begrenzungsfunktion nicht ohne Weiteres stets zum „Darüber-Fahren“ oder auch nur zum „Überhangparken“ mit den vorderen Fahrzeugkarosserieteilen durch Anfahren der Fahrzeuge mit den Rädern bis zur Bordsteinkante geeignet beziehungsweise konzipiert.
Demgemäß bestehen auch keine generellen Amtspflichten der verkehrssicherungspflichtigen Körperschaft, für ein gefahrloses „Überhangparken“ Sorge zu tragen oder vor Gefahren beim freigabewidrigen Überhangparken zu warnen, wenn die mit der Höhe der Randsteine verbundenen Gefahren und Risiken für einen durchschnittlich aufmerksamen Kraftfahrer, der sein Fahrverhalten – wie geboten – den jeweils herrschenden Lichtverhältnissen anpasst, ohne weiteres erkennbar und beherrschbar sind.

Darauf hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 24.07.2014 – III ZR 550/13 – hingewiesen und deshalb die Klage des Eigentümers eines Fahrzeugs auf Zahlung von Schadensersatz gemäß § 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. Art. 34 Grundgesetz (GG) abgewiesen, der mit seinem tiefergelegten Pkw bei Dunkelheit beim Einfahren in eine unbeleuchtete Parkbucht mit dem vorderen Karosserieteil seines Fahrzeuges über den stirnseitig angebrachten, mindestens 20 cm hohen Randstein des Parkplatzes hinaus gefahren war und dabei die Verkleidung des vorderen Stoßfängers beschädigt hatte.

 

Keine Betreuung gegen den freien Willen eines Betroffenen.

Nach § 1896 Abs. 1 a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) darf gegen den freien Willen eines Volljährigen ein Betreuer nicht bestellt werden.

Wenn der Betroffene der Einrichtung einer Betreuung nicht zustimmt, ist neben der Notwendigkeit der Maßnahme stets zu prüfen, ob die Ablehnung durch den Betroffenen auf einem freien Willen beruht, also ob der Betroffene trotz seiner Erkrankung noch zu einer freien Willensbestimmung fähig ist.
Dabei ist der Begriff der freien Willensbestimmung im Sinne des § 1896 Abs. 1 a BGB mit dem des § 104 Nr. 2 BGB im Kern deckungsgleich. Die beiden entscheidenden Kriterien sind

  • die Einsichtsfähigkeit des Betroffenen und
  • dessen Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln.

Fehlt es an einem dieser beiden Elemente, liegt kein freier, sondern nur ein natürlicher Wille vor (Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 22.01.2014 – XII ZB 632/12 –).

Einsichtsfähigkeit setzt die Fähigkeit des Betroffenen voraus, im Grundsatz die für und wider eine Betreuerbestellung sprechenden Gesichtspunkte zu erkennen und gegeneinander abzuwägen.
Dabei dürfen jedoch keine überspannten Anforderungen an die Auffassungsgabe des Betroffenen gestellt werden. Auch der an einer Erkrankung im Sinne des § 1896 Abs. 1 BGB leidende Betroffene kann in der Lage sein, einen freien Willen zu bilden und ihn zu äußern. Abzustellen ist jeweils auf das Krankheitsbild des Betroffenen. Wichtig ist das Verständnis, dass ein gesetzlicher Vertreter (§ 1902 BGB) bestellt wird, der eigenständige Entscheidungen in den ihm übertragenen Aufgabenbereichen treffen kann.
Der Betroffene muss Grund, Bedeutung und Tragweite einer Betreuung intellektuell erfassen können, was denknotwendig voraussetzt, dass der Betroffene seine Defizite im Wesentlichen zutreffend einschätzen und auf der Grundlage dieser Einschätzung die für und gegen eine Betreuung sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abwägen kann.

Ist der Betroffene zur Bildung eines klaren Urteils zur Problematik der Betreuerbestellung in der Lage, muss ihm weiter möglich sein, nach diesem Urteil zu handeln und sich dabei von den Einflüssen interessierter Dritter abzugrenzen.

Die Feststellungen zum Ausschluss der freien Willensbestimmung müssen durch ein Sachverständigengutachten belegt sein.

Fazit:
Beruht die Entscheidung des Betroffenen gegen die Bestellung eines Betreuers auf einer nach den vorgenannten Maßstäben freien Willensbildung, muss diese Entscheidung auch dann respektiert werden, wenn die Einrichtung einer Betreuung für den Betroffenen objektiv vorteilhaft wäre.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 30.07.2014 – XII ZB 107/14 – hingewiesen.

 

Radfahren mit 1,6 Promille?

Wer mit 1,6 Promille Fahrrad fährtund anschließend auf Verlangen der Fahrerlaubnisbehörde das von ihm geforderte medizinisch-psychologische Gutachten (MPG) zur Frage seiner weiteren Fahreignung nicht fristgerecht beibringt, dem kann die Fahrerlaubnisbehörde, unter Anordnung der sofortigen Vollziehung,

  • nicht nur die Fahrerlaubnis entziehen,
  • sondern auch das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen (Fahrrad und Mofa) untersagen.

 

Darauf, dass in einem solchen Fall diese von der Fahrerlaubnisbehörde getroffenen Maßnahmen rechtmäßig sind, hat das Verwaltungsgericht (VG) Neustadt (Weinstraße) mit Beschluss vom 08.08.2014 – 3 L 636/14.NW – hingewiesen.

Ebenso entschieden hat auch schon das VG Bayreuth mit Beschluss vom 16.03.2012 – B 1 S 12.136 –.

 

Keine Videoaufzeichnung beim Autofahren

Darauf hat das Amtsgericht (AG) München mit Beschluss vom 13.8.14 – 345 C 5551/14 – in einem bei ihm anhängigen Zivilverfahren hingewiesen, in dem der an einem Unfall beteiligte PKW-Fahrer seine Unschuld mit Videoaufzeichnungen seiner Car-Cam bzw. Dash-Cam beweisen möchte.

Nach Auffassung des zuständigen Richters verstößt die permanente, anlasslose Überwachung des Straßenverkehrs durch eine im PKW installierte Autokamera („Car-Cam“ bzw. „Dash-Cam“) 

Auch liegen nach dieser Entscheidung keine überwiegenden Interessen des Beweisführers vor, die die Verwertung dieses rechtswidrig erlangten Beweismittels erlauben würden.

Die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit Videoüberwachung sei nach dem BDSG, dessen Zweck es ist, den Einzelnen davor zu schützen, dass er durch den Umgang mit seinen personenbezogenen Daten in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird (§ 1 Abs. 1 BDSG), nur zulässig, wenn sie für einen konkreten Zweck erforderlich ist und nicht andere schutzwürdige Interessen überwiegen.
Zwar sei der Zweck der Autokamera, Beweismittel bei einem möglichen Unfall zu sichern, hinreichend konkret, es würden aber die schutzwürdigen Interessen der Gefilmten überwiegen, nachdem es völlig unkontrollierbar sei, was mit den Aufzeichnungen geschehe und wem diese zugänglich gemacht würden.

Ein Verstoß gegen § 22 Satz 1 KunstUrhG liege vor, weil nach dieser Vorschrift Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden dürfen, die Bilder der Beweisführung in einer möglichen, gemäß § 169 S. 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) öffentlichen Gerichtsverhandlung dienen sollen, zu diesem Zweck gezielt permanent Fotos von Personen gefertigt werden, die außerhalb des KFZ des Verwenders am Straßenverkehr teilnehmen, sei es als Insassen eines anderen KFZ, sei es etwa als Fußgänger und die Einwilligung der Abgebildeten nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 KunstUrh deshalb auch nicht entbehrlich ist.
Im Übrigen erstrecke sich die Befugnis nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 KunstUrhG nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird (§ 23 Abs. 2 KunstUrhG). Die permanente, anlasslose Überwachung des Straßenverkehrs und der an ihm beteiligten oder sogar unbeteiligten Personen verletze die Betroffenen jedoch in ihrem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht.

Durch die unbefugte Erstellung der Aufnahmen werde das Recht dieser Personen auf informationelle Selbstbestimmung verletzt.
Dieses Recht könne zwar eingeschränkt werden durch konkurrierende Grundrechte anderer. Allein das allgemeine Interesse an einer funktionstüchtigen Straf- und Zivilrechtspflege reiche aber nicht aus, um im Rahmen der Abwägung stets von einem gleichen oder gar höheren Gewicht ausgehen zu können, als es dem Persönlichkeitsrecht zukomme. Hinzutreten müssten vielmehr weitere Aspekte, die ergeben, dass das Interesse an der Beweiserhebung trotz der Persönlichkeitsbeeinträchtigung schutzwürdig ist und die bloße Möglichkeit, dass eine Beweisführung notwendig werden könnte, genügt hierfür nicht, nachdem im Straßenverkehr generell die Gefahr besteht, in einen Unfall verwickelt zu werden.

 

Wenn ein in den AGB eines gewerblichen Kfz-Vermieters vorgesehener Haftungsvorbehalt für Fälle grober Fahrlässigkeit unwirksam ist.

Ist der in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) eines gewerblichen Kfz-Vermieters vorgesehene Haftungsvorbehalt für Fälle grober Fahrlässigkeit wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) unwirksam, weil

  • die Parteien in dem Kraftfahrzeugmietvertrag gegen Entgelt eine Haftungsreduzierung für den Mieter nach Art der Vollkaskoversicherung mit Selbstbeteiligung vereinbart haben,
  • der in den AGB des Kfz-Vermieters enthaltene Haftungsvorbehalt aber die volle Haftung des Mieters oder des berechtigten Fahrers bei grober Fahrlässigkeit vorsieht (Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 20.05.2009 – XII ZR 94/07 – und vom 11.10.2011 – VI ZR 46/10 –),

findet nach § 306 Abs. 2 BGB die Regelung des § 81 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) entsprechende Anwendung.

Damit richtet sich, wenn in einem solchen Fall ein gewerblicher Kfz-Vermieter den Mieter auf Ersatz des Schadens in Anspruch nimmt, den dieser bei einem von ihm verursachten Verkehrsunfall an dem angemieteten Kraftfahrzeug verursacht hat, das Maß der Haftung des Mieters im Falle grob fahrlässiger Schadensverursachung nach der Schwere des Fahrlässigkeitsvorwurfs.
Eine vollständige Haftungsfreistellung erfolgt in Anlehnung an die in § 81 Abs. 2 VVG getroffene Regelung grundsätzlich nicht. Zwar bewegt sich dort der Rahmen der zulässigen Kürzung in einem Bereich von 0 % bis 100 %, doch kommt eine Kürzungsquote von weniger als 10 % praktisch nicht in Betracht.

Die Beurteilung, ob die Fahrlässigkeit im Einzelfall als einfach oder grob zu werten ist, erfordert eine Abwägung aller objektiven und subjektiven Tatumstände (BGH, Urteile vom 29.01.2003 – IV ZR 173/01 – und vom 22.06.2011 – IV ZR 225/10 –).
Beispielsweise ist das Nichtbeachten des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage wegen der damit verbundenen erheblichen Gefahren in aller Regel als objektiv grob fahrlässig anzusehen. Nach den jeweiligen Umständen kann es jedoch auch schon an den objektiven oder an den subjektiven Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit fehlen. Dies kann etwa der Fall sein, wenn die Lichtzeichenanlage nur schwer zu erkennen oder verdeckt war (vgl. BGH, Urteil vom 29.01.2003 – IV ZR 173/01 –).

Darauf hat der VI. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 15.07.2014 – VI ZR 452/13 – hingewiesen.

 

Volle Haftung eines volljährigen Fahrradfahrers nach einem Verkehrsunfall mit einem Pkw?

Biegt ein Fahrradfahrer unter Missachtung der Vorfahrt eines entgegenkommenden Pkws nach links ab und ist ein Verkehrsverstoß des Autofahrers nicht feststellbar, weil dieser weder zu schnell gefahren ist, noch den Abbiegevorgang des Fahrradfahrers hätte früher erkennen und so eine Kollision vermeiden können, haftet der für den Verkehrsunfall allein verantwortliche Fahrradfahrer voll.
Die verbleibende allgemeine Betriebsgefahr des Pkws, die regelmäßig zu einem Haftungsanteil des Fahrzeughalters von 20 bis 25% führt, tritt in einem solchen Fall gegenüber dem eindeutigen Verstoß gegen die Vorfahrtsregeln durch einen volljährigen Fahrradfahrer zurück, so dass der Haftungsanteil für den Kfz-Halter entfällt.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg mit Urteil vom 31.07.2014 – 1 U 19/14 – hingewiesen und den Fahrradfahrer in dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld an einen Autofahrer verurteilt.

 

Keine Aufklärungspflicht der Bank über Vermittlungsprovision bei Finanzierungsberatung.

Eine beratende Bank ist aufgrund eines mit ihrem Kunden geschlossenen Finanzierungsberatungsvertrags nicht verpflichtet, diesen darüber zu informieren, dass ihr für die Vermittlung einer zur Tilgung eines Darlehens bestimmten Lebensversicherung eine Provision zufließt.

Darauf hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 01.07.2014 – XI ZR 247/12 – hingewiesen.

Danach sind die Grundsätze zu den Aufklärungspflichten einer anlageberatend tätigen Bank über von ihr vereinnahmte Rückvergütungen nicht auf Finanzierungsberatungen durch eine Bank übertragbar (BGH, Urteil vom 29.11.2011 – XI ZR 220/10 –), d. h. dann nicht übertragbar, wenn Gegenstand des zwischen Kunden und Bank geschlossenen Vertrages

  • nicht die Investition von Finanzmitteln durch den Kunden (Anlageberatung),
  • sondern die Beschaffung von Finanzmitteln für anderweitige Investitionen des Kunden ist.