Sofern sich ein Betroffener nicht behandeln lassen will, ist die Genehmigung der Unterbringung zur Durchführung der Heilbehandlung gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nur dann zulässig, wenn
- die Voraussetzungen für die Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme nach § 1906 Abs. 3 BGB vorliegen und
- diese rechtswirksam gemäß § 1906 Abs. 3a BGB genehmigt wird.
Darauf hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 30.07.2014 – XII ZB 169/14 – in einem Fall hingewiesen, in dem der Betreuer eines unter einer schizophrenen Psychose leidenden und Rahmen einer Maßregel nach § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachten Betroffenen die betreuungsgerichtlichen
- Genehmigungen der Unterbringung und
- der Einwilligung in eine medikamentöse Zwangsbehandlung
beantragt hatte, nachdem von dem Betroffenen die Einnahme von Medikamenten verweigert worden war, so dass die Psychose exazerbierte und der Betroffene aufgrund fremdaggressiver Verhaltensweisen schließlich getrennt von anderen Patienten untergebracht werden musste.
Wie der XII. Zivilsenat des BGH in dieser Entscheidung ausgeführt hat, ist nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB eine Unterbringung nur genehmigungsfähig, wenn eine erfolgversprechende Heilbehandlung durchgeführt werden kann (BGH, Beschluss vom 14.08.2013 – XII ZB 614/11 –).
Dies setzt voraus,
- entweder einen die Heilbehandlung deckenden entsprechenden natürlichen Willen des Betroffenen
- oder die rechtlich zulässige Überwindung seines entgegenstehenden natürlichen Willens mittels ärztlicher Zwangsbehandlung.
Die Genehmigung einer Unterbringung zur Heilbehandlung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist daher möglich,
- wenn von vornherein zumindest nicht ausgeschlossen ist, dass sich der Betroffene in der Unterbringung behandeln lassen wird,
- sein natürlicher Wille also nicht bereits der medizinisch notwendigen Behandlung entgegensteht,
- er aber die Notwendigkeit der Unterbringung nicht einsieht.
Davon kann solange ausgegangen werden, wie sich die Weigerung des Betroffenen, sich behandeln zu lassen, nicht manifestiert hat (BGH, Beschlüsse vom 23.01.2013 – XII ZB 395/12 – und vom 08.08.2012 – XII ZB 671/11 –). In diesen Fällen scheidet die Einwilligung (des Betreuers) nach § 1906 Abs. 3 BGB (in die ärztliche Maßnahme) schon deshalb aus, weil die ärztliche Maßnahme dem natürlichen Willen des Betroffenen (noch) nicht widerspricht.
Ist hingegen – wie in den von § 1906 Abs. 3 BGB erfassten Fällen – auszuschließen, dass der Betroffene eine Behandlung ohne Zwang vornehmen lassen wird,
- ist die Genehmigung der Unterbringung zur Durchführung der Heilbehandlung nur zulässig, wenn
- die Voraussetzungen für die Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme im Sinn des § 1906 Abs. 3 BGB vorliegen und
- diese nach § 1906 Abs. 3a BGB rechtswirksam genehmigt wird.
Denn nur dann besteht für die eine Freiheitsentziehung rechtfertigende Heilbehandlung auch gegen den Willen des Betroffenen eine rechtliche Grundlage.
Zu den materiell-rechtlichen Voraussetzung für die Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme gehört nach § 1906 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB auch, dass vor der Einwilligung in die ärztliche Zwangsmaßnahme versucht wurde, den Betroffenen von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen und seine auf Vertrauen gegründete Zustimmung zu erreichen.
Dieser Versuch muss
- ernsthaft,
- mit dem nötigen Zeitaufwand und
- ohne Ausübung unzulässigen Drucks
- durch eine überzeugungsfähige und -bereite Person unternommen worden sein,
was von dem Betreuungsgericht in jedem Einzelfall festzustellen und in seiner Entscheidung in nachprüfbarer Weise zu
- Zeitpunkt,
- äußerem Rahmen,
- Beteiligten,
- Umfang und
- Inhalt des Überzeugungsversuchs
darzulegen ist (BGH, Beschluss vom 04.06.2014 – XII ZB 121/14 –).
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