Tag Betreuungsrecht

Kontrollbetreuung bei bestehender Vorsorgevollmacht?

Nach § 1896 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann ein Betreuer zur Geltendmachung von Rechten des Betreuten gegenüber seinem Bevollmächtigten bestellt werden.
Mit dieser so genannten Kontrollbetreuung kann

  • im Falle einer wirksam erteilten Vorsorgevollmacht für eine Kontrolle des Bevollmächtigten gesorgt werden,
  • wenn der Vollmachtgeber aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht mehr in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen.

 

Eine Kontrollbetreuung darf jedoch wie jede andere Betreuung (vgl. § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB) nur dann eingerichtet werden,

  • wenn sie erforderlich ist.

 

Da der Vollmachtgeber die Vorsorgevollmacht gerade für den Fall erteilt hat, dass er seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann, um eine gerichtlich angeordnete Betreuung zu vermeiden,

  • kann das Bedürfnis nach einer Kontrollbetreuung
  • nicht allein damit begründet werden, dass der Vollmachtgeber aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr selbst in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen.
     

Denn der Wille des Vollmachtgebers ist auch bei der Frage der Errichtung einer Kontrollbetreuung zu beachten (vgl. § 1896 Abs. 1 a BGB).
Daher müssen weitere Umstände hinzutreten, die die Errichtung einer Kontrollbetreuung erforderlich machen.

 

Dies kann der Fall sein, wenn nach den üblichen Maßstäben aus der Sicht eines vernünftigen Vollmachtgebers unter Berücksichtigung des in den Bevollmächtigten gesetzten Vertrauens eine ständige Kontrolle schon deshalb geboten ist,

  • weil Anzeichen dafür sprechen, dass der Bevollmächtigte mit dem Umfang und der Schwierigkeit der vorzunehmenden Geschäfte überfordert ist, oder
  • wenn gegen die Redlichkeit oder die Tauglichkeit des Bevollmächtigten Bedenken bestehen.
     

Ein Missbrauch der Vollmacht oder ein entsprechender Verdacht ist nicht erforderlich.
Ausreichend sind konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Bevollmächtigte nicht mehr entsprechend der Vereinbarung und dem Interesse des Vollmachtgebers handelt.

Äußert ein Betroffener den konkreten Verdacht der unberechtigten Entnahme eines Geldbetrags durch den Vorsorgebevollmächtigten und kann die erteilte Vorsorgevollmacht von ihm nicht mehr wirksam widerrufen werden, ist eine Kontrollbetreuung erforderlich, um die ordnungsgemäße Verwendung der Mittel des Betroffenen – etwa durch Verlangen nach Auskunft und Rechenschaftslegung (§ 666 BGB) – zu klären und eventuelle Ersatzansprüche gegen den Bevollmächtigten geltend zu machen.

Lässt danach das Festhalten an der erteilten Vorsorgevollmacht eine künftige Verletzung des Wohls der Betroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in erheblicher Schwere befürchten,

 

Darauf hat der XII. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 09.09.2015 – XII ZB 125/15 – hingewiesen. 

 

Ohne ernsthaften Überzeugungsversuch keine medizinische Zwangsbehandlung

Eine von einem Betreuer beantragte Genehmigung einer medizinischen Zwangsbehandlung des Betreuten (hier: Augenoperation zur Regulierung des Augeninnendrucks zur Vermeidung einer nicht reversiblen Erblindung) ist im Hinblick auf die überragende Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dann zu verweigern,

  • wenn noch nicht mit der notwendigen Sorgfalt und Intensität versucht worden ist,
  • den Betreuten von der Notwendigkeit einer weniger belastenden Alternativbehandlung zu überzeugen (hier: regelmäßige Augentropfenapplikation zur Normalisierung des Augeninnendrucks, durch die eine operative Behandlung vermieden werden kann).

 

Darauf hat das Landgericht (LG) Saarbrücken mit Beschluss vom 07.12.2015 – 5 T 382/15 – hingewiesen.

Wie das LG ausgeführt hat, hat der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Genehmigung einer medizinischen Zwangsmedikation eine überragende Bedeutung. Dies wird daran deutlich, dass mit § 1906 Abs. 3 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) durch den Gesetzgeber die Überzeugung des Betroffenen vor die Ausübung des Zwangs gestellt worden ist.
Deshalb ist zu fordern, dass der ernsthafte Versuch unternommen wird, den Betroffenen von der Notwendigkeit einer ärztlichen Maßnahme zu überzeugen und seine auf Vertrauen gegründete Zustimmung zu erreichen.
Dieser Versuch muss

 

Zu fordern ist ein solcher ernsthafter Überzeugungsversuch

  • nicht nur hinsichtlich der beabsichtigten Operation,
  • sondern auch und erst recht für in Betracht kommende alternative Behandlungsmaßnahmen, die die beabsichtigte Operation entbehrlich machen.

 

Die Bestellung des Verfahrenspflegers in Betreuungssachen

Nach § 276 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) hat das Gericht dem Betroffenen im Betreuungsverfahren einen Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen erforderlich ist.
Ist die Bestellung eines Verfahrenspflegers erforderlich,

  • darf dieser nicht erst durch den Beschluss des Betreuungsgerichts bestellt werden,
  • durch den die Betreuung angeordnet oder verlängert wird.

 

Der Mindeststandard der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht vielmehr, dem zu bestellenden Verfahrenspfleger als Verfahrensbeteiligtem (§ 274 Abs. 2 FamFG)

  • grundsätzlich vor einem Eingriff in die Rechtssphäre des Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Ermittlungsergebnis zu geben.

 

Deshalb muss im Hauptsacheverfahren der Verfahrenspfleger

 

Darauf hat der XII. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 02.12.2015 – XII ZB 227/12 – hingewiesen.

 

Psychiatrische Klinik muss einem Betroffenen wegen rechtswidriger Unterbringung 25.000 EUR Schmerzensgeld zahlen

Weil Ärzte einer psychiatrischen Klinik

  • unter Missachtung grundlegender fachlicher Standards bei einem Betroffenen zu Unrecht Eigen- und Fremdgefährdung prognostiziert hatten und
  • dieser aufgrund dessen rechtswidrig gegen seinen Willen knapp zwei Monate in der Klinik nach dem Unterbringungsgesetz untergebracht und dort in dieser Zeit zwangsweise medikamentös behandelt worden war,

 

muss die Trägerin der Klinik dem Betroffenen 25.000 EUR Schmerzensgeld zahlen.

Das hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe mit Urteil vom 12.11.2015 – 9 U 78/11 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall war

  • von Ärzten einer psychiatrischen Klinik beim zuständigen Amtsgericht (AG) unter Vorlage entsprechender ärztlicher Zeugnisse die Unterbringung des betroffenen Klägers wegen einer „Psychose mit Verfolgungswahn“ und weil von „Fremd- und Eigengefährdung“ auszugehen sei, beantragt,
  • vom AG darauf hin dessen Unterbringung gegen seinen Willen sowie seine zwangsweise medikamentöse Behandlung angeordnet und
  • auf Antrag des Klägers im Beschwerdeverfahren nach seiner Entlassung festgestellt worden, dass die Unterbringung rechtswidrig war, weil die Voraussetzungen hierfür nach den Vorschriften des Unterbringungsgesetzes nicht vorgelegen haben.

 

Der nachfolgenden Klage des Klägers auf Schadensersatz wegen der durch die Unterbringung erlittenen Beeinträchtigungen gab der 9. Zivilsenat des OLG Karlsruhe statt und sprach dem Kläger für die knapp zweimonatige Unterbringung und die zwangsweise medikamentöse Behandlung dort ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 EUR zu.

Begründet hat der Senat seine Entscheidung damit, dass eine Amtspflichtverletzung der Ärzte vorgelegen habe, weil

  • bei der Ausstellung der für die Unterbringung notwendigen ärztlichen Zeugnisse von den Ärzten grundlegende fachliche Standards missachtet worden seien und
  • es für eine Gefährdungsprognose im Sinne einer Eigen- und Fremdgefährdung keine Grundlage gegeben habe.

 

Da Eigen- oder Fremdgefährdung Voraussetzung für eine zwangsweise Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik ist, kam es darauf, ob bei dem Kläger zum Zeitpunkt der Unterbringung eine psychische Erkrankung vorgelegen hat, nicht an.

Verlangt ein Betroffener in einem solchen Fall Schadensersatz für behauptete finanzielle Einbußen, muss er deren Verursachung durch die rechtswidrige Unterbringung nachweisen.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Karlsruhe am 19.11.2015 mitgeteilt.

 

Wenn von dem Betroffenen die Aufhebung der Betreuung beantragt wird

Ein Antrag auf Aufhebung der Betreuung kann nur abgelehnt werden, wenn im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sämtliche Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers noch vorliegen.
Deshalb erfordert die Ablehnung eines solchen Antrags die Feststellung, dass dem Betroffenen die Fähigkeit fehlt, einen freien Willen i.S.v. § 1896 Abs. 1 a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu bilden.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschlüssen vom 16.09.2015 – XII ZB 500/14 – und vom 07.10.2015 – XII ZB 58/15 – hingewiesen.

Wie der Senat ausgeführt hat, ist die Betreuung nach § 1908 d Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen wegfallen.
Daher kann ein Antrag auf Aufhebung der Betreuung nur abgelehnt werden, wenn

  • im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung
  • sämtliche Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers noch vorliegen.

 

Der Wegfall nur einer dieser Voraussetzungen reicht für die Aufhebung der Betreuung aus.

Da nach § 1896 Abs. 1 a BGB gegen den freien Willen des Volljährigen ein Betreuer nicht bestellt werden darf, ist bei der Ablehnung eines Antrags auf Aufhebung einer Betreuung erforderlich, festzustellen, dass der Betroffene nicht in der Lage ist, seinen Willen in den bestimmten Aufgabenkreisen frei zu bestimmen.
Das Gericht hat daher festzustellen, ob der Betroffene trotz seiner Erkrankung noch zu einer freien Willensbestimmung fähig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 09.02.2011 – XII ZB 526/10 –).
Dabei müssen die Feststellungen zum Ausschluss der freien Willensbestimmung durch ein noch aktuelles Sachverständigengutachten belegt sein (vgl. BGH, Beschluss vom 22.01.2014 – XII ZB 632/12 –).
Die Begriffe der freien Willensbestimmung in § 1896 Abs. 1 a BGB und in § 104 Nr. 2 BGB sind, wie der Senat bereits entschieden hat (BGH, Beschlüsse vom 09.02.2011 – XII ZB 526/10 – und vom 26.02.2014 – XII ZB 577/13 –), im Kern deckungsgleich. Die beiden entscheidenden Kriterien sind dabei

  • die Einsichtsfähigkeit des Betroffenen und
  • dessen Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln.

 

Einsichtsfähigkeit setzt die Fähigkeit des Betroffenen voraus, im Grundsatz die für und wider eine Betreuerbestellung sprechenden Gesichtspunkte

  • zu erkennen und
  • gegeneinander abzuwägen.

 

Dabei dürfen jedoch keine überspannten Anforderungen an die Auffassungsgabe des Betroffenen gestellt werden.
Auch der an einem Gebrechen im Sinne des § 1896 Abs. 1 BGB leidende Betroffene kann in der Lage sein, einen freien Willen zu bilden und ihn zu äußern.
Erforderlich ist sein Verständnis, dass ein gesetzlicher Vertreter (§ 1902 BGB) bestellt wird, der eigenständige Entscheidungen in den ihm übertragenen Aufgabenbereichen treffen kann. Der Betroffene muss Grund, Bedeutung und Tragweite einer Betreuung intellektuell erfassen können (BGH, Beschluss vom 26.02.2014 – XII ZB 577/13 –).
Die Einsichtsfähigkeit in den Grund der Betreuung setzt dabei denknotwendig voraus, dass der Betroffene seine Defizite wenigstens im Wesentlichen zutreffend einschätzen kann. Nur dann ist es ihm nämlich möglich, die für und gegen eine Betreuung sprechenden Umstände gegeneinander abzuwägen (BGH, Beschluss vom 09.02.2011 – XII ZB 526/10 –).

Ist der Betroffene zur Bildung eines klaren Urteils zur Problematik der Betreuerbestellung in der Lage, muss ihm weiter möglich sein,

 

Beruht die Entscheidung des Betroffenen gegen die Bestellung eines Betreuers schließlich auf einer nach den vorgenannten Maßstäben freien Willensbildung,

 

Für das Aufhebungsverfahren gelten die §§ 278 Abs. 1, 280 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG), die die persönliche Anhörung des Betroffenen und die Einholung eines Sachverständigengutachtens vorschreiben, nicht.
Die Durchführung eines Verfahrens auf Aufhebung einer Betreuung wird daher maßgebend von den Grundsätzen der Amtsermittlung (§ 26 FamFG) bestimmt. Nur nach den Maßstäben dieser Vorschrift bestimmt sich, ob im Einzelfall ein Sachverständigengutachten einzuholen ist (BGH, Beschluss vom 02.02.2011 – XII ZB 467/10 –). 

 

Betreuerauswahl

Maßstab für die Betreuerauswahl ist bei der Erstentscheidung und auch bei einer Verlängerung der Betreuung § 1897 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
Die Vorschrift des § 1908 b Abs. 1 BGB, die die Voraussetzungen regelt, unter denen ein Betreuer entlassen werden kann, ist nur anwendbar, wenn bei fortbestehender Betreuung eine isolierte Entscheidung über die Beendigung des Amtes des bisherigen Betreuers getroffen werden soll (Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 25.03.2015 – XII ZB 621/14 –).

Nach § 1897 Abs. 1 BGB ist zum Betreuer eine natürliche Person zu bestellen, die geeignet ist, in dem gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betroffenen rechtlich zu besorgen und ihn in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen.
Die Beurteilung, ob eine bestimmte Person als Betreuer eines konkreten Betroffenen geeignet ist, erfordert die Prognose, ob der potentielle Betreuer voraussichtlich die sich aus der Betreuungsführung und den damit verbundenen Pflichten im Sinne des § 1901 BGB folgenden Anforderungen erfüllen kann.

  • Diese Prognose muss sich jeweils auf die aus der konkreten Betreuung erwachsenden Aufgaben beziehen und zu der Einschätzung führen, dass die als Betreuer in Aussicht genommene Person das Amt zum Wohl des Betroffenen (§ 1901 Abs. 2 Satz 1 BGB) führen wird.
  • Dafür können unter anderem ihre intellektuellen und sozialen Fähigkeiten, ihre psychische und körperliche Verfassung, die persönlichen Lebensumstände – etwa räumliche Nähe zum Betroffenen, berufliche Auslastung oder finanzielle Verhältnisse -, bereits bestehende familiäre oder sonstige Beziehungen zum Betroffenen, aber auch besondere Kenntnisse oder Einstellungen zu für die Betreuungsführung relevanten Fragen von Bedeutung sein.
     

Weil es sich um eine rechtliche Betreuung handelt,

  • werden jedoch regelmäßig nicht Spezialwissen oder außergewöhnliche Fertigkeiten nötig sein,
  • sondern es wird in der Regel ausreichen, wenn der Betreuer sich erforderlichenfalls fachkundiger Hilfen bedienen kann.

 

Ob sich die tatrichterliche Prüfung darauf beschränken kann,

  • Umstände auszuschließen, die der Eignung einer bestimmten natürlichen Person für eine konkrete Betreuung entgegenstehen („negative Selektion“), oder
  • positiv das Vorliegen bestimmter Umstände ermitteln muss,

 

ist letztlich nur die Frage nach der zielführenden Methode des Einzelfalls.
Unabhängig davon, dass im Zweifel beide Vorgehensweisen bei vollständiger Berücksichtigung des maßgeblichen Sachverhalts zu identischen Ergebnissen führen werden, dürfte sich diese Frage einer allgemein gültigen Antwort entziehen.

  • Jedenfalls aber bedarf es der positiven Feststellung der Eignung, die nicht durch pauschale Annahmen auf der Grundlage eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses ersetzt werden kann.

 

Die vom Tatrichter vorgenommene Beurteilung der Eignung einer Person als Betreuer ist rechtlich fehlerhaft, wenn der Tatrichter

  • den unbestimmten Rechtsbegriff der Eignung verkennt,
  • relevante Umstände in unvertretbarer Weise bewertet oder
  • bei der Subsumtion wesentliche Umstände unberücksichtigt lässt.

 

Bei der Auswahl gemäß § 1897 Abs. 5 BGB zwischen mehreren geeigneten Personen räumt § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB dem Willen des Betroffenen Vorrang ein.

  • Schlägt er eine Person vor, die zum Betreuer bestellt werden kann – also die nach § 1897 Abs. 1 BGB erforderliche Eignung aufweist -, so ist diesem Vorschlag zu entsprechen, wenn es dem Wohl des Betroffenen nicht zuwiderläuft.
  • Schlägt der Betroffene hingegen niemanden als Betreuer vor, so ist aus dem Kreis der als Betreuer geeigneten und auch im Übrigen in Betracht kommenden Personen eine (bzw. sind in den von § 1899 BGB geregelten Fällen mehrere) auszuwählen.
    Nach § 1897 Abs. 5 BGB ist hierbei auf die verwandtschaftlichen und sonstigen persönlichen Bindungen des Betroffenen, insbesondere zu Eltern, zu Kindern, zum Ehegatten und zum Lebenspartner, sowie auf die Gefahr von Interessenkonflikten Rücksicht zu nehmen.

 

Dem Tatrichter steht bei der Auswahl zwischen mehreren geeigneten Personen ein Ermessen zu.
Die Auswahlentscheidung ist rechtsfehlerhaft, wenn der Tatrichter

  • sich des ihm zustehenden Ermessens nicht bewusst ist,
  • nicht alle wesentlichen Umstände berücksichtigt,
  • von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch macht oder
  • die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschreitet.

 

Darauf hat der XII. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 30.09.2015 – XII ZB 53/15 – in einem Fall hingewiesen, in dem die geschiedenen Eltern des Betreuten, mit dem eine Verständigung nicht möglich war und von dem ein Betreuerwunsch nicht vorlag, darüber stritten, wer von ihnen die Betreuung im Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge für ihren Sohn führen soll. 

Die Kontrollbetreuung

Nach § 1896 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann ein Betreuer auch zur Geltendmachung von Rechten des Betreuten gegenüber seinem Bevollmächtigten bestellt werden.
Mit dieser so genannten Kontrollbetreuung kann

  • im Falle einer wirksam erteilten Vorsorgevollmacht für eine Kontrolle des Bevollmächtigten gesorgt werden,
  • wenn der Vollmachtgeber aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht mehr in der Lage ist,

 

Eine Kontrollbetreuung darf jedoch wie jede andere Betreuung (vgl. § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB) nur dann eingerichtet werden, wenn sie erforderlich ist.
Da der Vollmachtgeber die Vorsorgevollmacht gerade für den Fall bestellt hat, dass er seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann, um eine gerichtlich angeordnete Betreuung zu vermeiden, kann das Bedürfnis nach einer Kontrollbetreuung nicht allein damit begründet werden, dass der Vollmachtgeber aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr selbst in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen. Denn der Wille des Vollmachtgebers ist auch bei der Frage der Errichtung einer Kontrollbetreuung zu beachten (vgl. § 1896 Abs. 1 a BGB). Daher müssen weitere Umstände hinzutreten, die die Errichtung einer Kontrollbetreuung erforderlich machen.

 

Dies kann der Fall sein, wenn nach den üblichen Maßstäben aus der Sicht eines vernünftigen Vollmachtgebers unter Berücksichtigung des in den Bevollmächtigten gesetzten Vertrauens eine ständige Kontrolle schon deshalb geboten ist,

  • weil Anzeichen dafür sprechen, dass der Bevollmächtigte mit dem Umfang und der Schwierigkeit der vorzunehmenden Geschäfte überfordert ist, oder
  • wenn gegen die Redlichkeit oder die Tauglichkeit des Bevollmächtigten Bedenken bestehen.

 

Ein Missbrauch der Vollmacht oder ein entsprechender Verdacht

  • ist nicht erforderlich.
  • Ausreichend sind konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Bevollmächtigte nicht mehr entsprechend der Vereinbarung und dem Interesse des Vollmachtgebers handelt.

 

Soll dem Kontrollbetreuer auch der Aufgabenkreis Vollmachtwiderruf übertragen werden, setzt dies tragfähige Feststellungen voraus, dass das Festhalten an der erteilten Vorsorgevollmacht eine künftige Verletzung des Wohls des Betroffenen

  • mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und
  • in erheblicher Schwere befürchten lässt.

 

Sind

  • behebbare Mängel bei der Vollmachtausübung festzustellen,
  • erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz grundsätzlich zunächst den Versuch, durch einen zu bestellenden (Kontroll-)Betreuer auf den Bevollmächtigten positiv einzuwirken, insbesondere durch Verlangen nach Auskunft und Rechenschaftslegung (§ 666 BGB) sowie die Ausübung bestehender Weisungsrechte.
     

Nur

  • wenn diese Maßnahmen fehlschlagen oder
  • es aufgrund feststehender Tatsachen mit hinreichender Sicherheit als ungeeignet erscheint, drohende Schäden auf diese Weise abzuwenden,

 

ist die Ermächtigung zum Vollmachtwiderruf, der die ultima ratio darstellt, verhältnismäßig (BGH, Beschluss vom 28.07.2015 – XII ZB 674/14 –).

Darauf hat der XII. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 23.09.2015 – XII ZB 624/14 – hingewiesen. 

 

Die persönliche Anhörung eines Betreuten im Beschwerdeverfahren

Nach § 278 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) hat das Gericht den Betroffenen vor der (erstmaligen) Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts persönlich anzuhören.
Die Pflicht zur persönlichen Anhörung des Betroffenen besteht nach § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren (Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 11.08.2010 – XII ZB 171/10 –).
Allerdings darf das Beschwerdegericht nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG von der persönlichen Anhörung absehen, wenn

  • diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen worden ist und
  • von einer erneuten Anhörung keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind.N

 

Diese Voraussetzung ist insbesondere dann erfüllt, wenn

  • die erstinstanzliche Anhörung des Betroffenen nur kurze Zeit zurückliegt,
  • sich nach dem Akteninhalt keine neuen entscheidungserheblichen Tatsachen oder rechtlichen Gesichtspunkte ergeben,
  • das Beschwerdegericht das in den Akten dokumentierte Ergebnis der erstinstanzlichen Anhörung nicht abweichend werten will und
  • es auf den persönlichen Eindruck des Gerichts von dem Betroffenen nicht ankommt (BGH, Beschluss vom 02.03.2011 – XII ZB 346/10 –).

 

Von einer erneuten Anhörung im Beschwerdeverfahren sind in der Regel jedoch dann neue Erkenntnisse zu erwarten, wenn

  • der Betroffene im Beschwerdeverfahren erstmals den Wunsch äußert, ihm einen bestimmten Betreuer zu bestellen (vgl. BGH, Beschluss vom 16.03.2011 – XII ZB 601/10 –).
  • Gleiches gilt, wenn der Betroffene im erstinstanzlichen Verfahren zur Person des Betreuers nicht angehört worden ist und sich für das Beschwerdegericht Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Betroffene mit seinem Rechtsmittel auch das Ziel eines Betreuerwechsels verfolgt, er also beispielsweise erklärt, dass falls die Betreuung auf seine Beschwerde nicht aufgehoben wird, er zumindest eine andere Person als Betreuer möchte.  

 

Darauf hat der XII. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 23.09.2015 – XII ZB 498/14 – hingewiesen. 

 

Wann ist Betreuung bei Möglichkeit einer Bevollmächtigung nicht erforderlich?

Leidet ein Betroffener

  • unter einer psychischen Krankheit im Sinne des § 1896 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), aufgrund derer er zumindest teilweise nicht in der Lage ist, seine Angelegenheiten zu besorgen und liegt ein Betreuungsbedürfnis vor,
  • ist er aber nach wie vor geschäftsfähig und damit in rechtlicher Hinsicht imstande, Vollmachten zu erteilen,

 

ist eine Betreuung nur dann gemäß § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht erforderlich,

  • wenn konkrete Alternativen im Sinne dieser Vorschrift bestehen.
  • Die Möglichkeit einer Bevollmächtigung steht der Erforderlichkeit der Betreuung daher nur entgegen, wenn es tatsächlich mindestens eine Person gibt,
    • welcher der Betroffene das für eine Vollmachterteilung erforderliche Vertrauen entgegen bringt und
    • die zur Übernahme der anfallenden Aufgaben als Bevollmächtigter des Betroffenen bereit und in der Lage ist.

 

Darauf hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 23.09.2015 – XII ZB 225/15 – hingewiesen.

 

Wenn eine Vorsorgevollmacht von dem Betroffenen widerrufen wird

Ist zweifelhaft, ob eine Vorsorgevollmacht wirksam widerrufen worden ist, können die Angelegenheiten des Betroffenen durch den Bevollmächtigten wegen der dadurch bedingt eingeschränkten Akzeptanz der Vollmacht im Rechtsverkehr regelmäßig nicht ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 19.08.2015 – XII ZB 610/14 – hingewiesen.

Wie der Senat ausgeführt hat, darf ein Betreuer gemäß § 1896 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zwar nicht bestellt werden, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können.

 

Das gilt auch dann, wenn die Wirksamkeit der Vollmachtserteilung nach den getroffenen Feststellungen außer Frage steht, es aber zweifelhaft ist,

  • ob sie von dem Betroffenen wirksam widerrufen worden ist,
  • weil zumindest begründete Zweifel daran bestehen, dass der Betroffene zur Zeit des Widerrufs geschäftsfähig war.

 

Zwar bleibt von diesen Zweifeln die Wirksamkeit der Vollmachtserteilung unberührt. Jedoch können die Angelegenheiten des Betroffenen auch in einem solchen Fall durch einen Bevollmächtigten nicht ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden. Denn die Akzeptanz der Vollmacht im Rechtsverkehr wird durch ihren Widerruf auch dann eingeschränkt, wenn Zweifel an der Wirksamkeit des Widerrufs verbleiben.