Tag Arzt

Wichtig zu wissen für Patienten, die einen Arzt wegen eines behaupteten Behandlungsfehlers auf Schadensersatz und/oder Schmerzensgeld

…. verklagen möchten sowie für Ärzte gegen die ein Haftungsprozess, beispielsweise wegen eines Hygieneverstoßes, geführt wird.

Mit Beschluss vom 18.02.2020 – VI ZR 280/19 – hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) darauf hingewiesen, dass im Arzthaftungsprozess,  

  • also wenn ein Patient Ärzte oder eine Klinik nach ärztlicher Behandlung auf Schadensersatz und/oder Schmerzensgeld in Anspruch nimmt, 

an die Substantiierungspflichten,

  • d.h. an den Sachvortrag, anhand dessen das Gericht beurteilen können muss, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolge, also an den Anspruch auf Schadensersatz und/oder Schmerzensgeld erfüllt sind, 

nur maßvolle Anforderungen zu stellen sind, da 

  • von Patienten keine genaue Kenntnis der medizinischen Vorgänge erwartet und gefordert werden kann,
  • Patienten die genaue Einsicht in das Behandlungsgeschehen und das nötige Fachwissen zur Erfassung und Darstellung des Konfliktstoffs fehlt und 
  • sie nicht verpflichtet sind, sich zur ordnungsgemäßen Prozessführung medizinisches Fachwissen anzueignen. 

Der Patient darf sich deswegen beschränken auf den Vortrag, der 

  • die Vermutung eines fehlerhaften Verhaltens der Behandlungsseite 
  • aufgrund der Folgen für ihn 

gestattet.

Genügt der Sachvortrag des Patienten diesen maßvollen Anforderungen und ist es der Behandlungsseite möglich und zumutbar den Sachverhalt näher aufzuklären, muss die Beklagtenseite, 

  • nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast, 

auf die Behauptungen des Patienten substantiiert, 

  • d.h. mit näheren Angaben erwidern, 

wenn das Bestreiten der Beklagtenseite nach § 138 Abs. 2 und 3 Zivilprozessordnung (ZPO) beachtlich sein soll, wobei sich die Anforderungen an diese Darlegungslast der Behandlungsseite 

  • weitgehend nach den Umständen des Einzelfalls bestimmt, 
  • sich richten nach der Art des im Raum stehenden Vorwurfs und 
  • im Wechselspiel zu der Tiefe des primären Vortrags des Patienten stehen. 

Beispielsweise ist, 

  • wenn der Behandlungsseite Hygieneverstöße vorgeworfen werden, die zu einer Infektion des Patienten geführt haben, 

der Patient nicht verpflichtet, 

  • mögliche Entstehungsursachen der Infektion zu ermitteln oder 
  • konkrete Anhaltspunkte für einen Hygieneverstoß vorzutragen. 

Vielmehr liegt ein schlüssiger Sachvortrag des Patienten bereits dann vor, wenn er 

  • vorgenommene Behandlungen oder 
  • Vorgänge

schildert, bei denen die Möglichkeit der Infektion bestanden hat, denn 

  • sowohl die Existenz möglicher Infektionsquellen etwa in Gestalt weiterer Patienten oder verunreinigter Instrumente, 
  • als auch die Maßnahmen, welche die Behandlungsseite im Allgemeinen und – bei Vorliegen konkreter Gefahrenquellen – im Besonderen zur Einhaltung der Hygienebestimmungen und zur Infektionsprävention unternommen hat, 

entziehen sich in aller Regel der Kenntnis des Patienten, 

  • während die Behandlungsseite ohne weiteres über die entsprechenden Informationen verfügt. 

In einem solchen Fall obliegt es, 

  • wenn die primäre Darlegung des Sachverhalts durch den Patienten den insoweit geltenden maßvollen Anforderungen genügt,

deshalb der Beklagtenseite konkret zu den von ihnen ergriffenen Maßnahmen zur Sicherstellung der Hygiene und zum Infektionsschutz bei der Behandlung des Patienten vorzutragen, etwa 

  • durch Vorlage von Desinfektions- und Reinigungsplänen sowie der einschlägigen Hausanordnungen und Bestimmungen des Hygieneplanes. 

Aufgabe des Gerichts ist es danach,  

  • zu prüfen, ob der Vortrag der Beklagtenseite ihrer sekundären Vortragslast genügt und 
  • gegebenenfalls in die Beweisaufnahme einzutreten. 

Was Patienten und Ärzte über die Pflicht des Arztes zur Information der Patienten über die voraussichtlichen Behandlungskosten sowie

…. die möglichen Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Pflicht wissen sollten.

Weiß der behandelnde Arzt,

  • dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten (insbesondere der gesetzlichen oder privaten Krankenkasse) nicht gesichert ist

oder ergeben sich hierfür

  • nach den Umständen hinreichende Anhaltspunkte,

muss der Arzt nach § 630c Abs. 3 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) den Patienten vor Beginn der Behandlung

  • über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung

in Textform informieren,

  • außer der Arzt kann im Streitfall darlegen und ggf. beweisen, dass es dieser Information aufgrund besonderer Umstände – wie etwa der Kenntnis des Patienten von der Unsicherheit der Kostenübernahme – bzw. insbesondere der Unaufschiebbarkeit der Behandlung oder dem ausdrücklichem Verzicht des Patienten, ausnahmsweise nicht bedarf (§ 630c Abs. 4 BGB).

Bei der Beurteilung, ob ein Arzt die Pflicht zur wirtschaftlichen Information der Patientin,

  • die den Zweck hat, den Patienten vor finanziellen Überraschungen zu schützen sowie ihn in die Lage zu versetzen, die wirtschaftliche Tragweite seiner Entscheidung zu überblicken und
  • deren Verletzung einen Schadensersatzanspruch der Patientin aus § 280 Abs. 1 BGB begründen kann,

erfüllt oder nicht erfüllt hat, ist zu differenzieren zwischen

  • gesetzlich und
  • privat

versicherten Patienten,

  • weil ein Vertragsarzt, der die für den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung maßgeblichen Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses (§ 92 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V)) aus seiner Abrechnungspraxis kennt, regelmäßig wissen wird, ob er für die eigenen Leistungen von der zuständigen Krankenkasse eine Vergütung erhält oder nicht,
  • während bei Patienten mit privater Krankenversicherung bzw. Beihilfeanspruch die Kenntnis vom Umfang des Versicherungsschutzes bzw. der Beihilfe, nachdem sich dieser aus den Bedingungen des konkreten Versicherungsvertrags, der Regulierungspraxis des im Einzelfall zuständigen Versicherers bzw. den Beihilferichtlinien ergibt, grundsätzlich im Verantwortungsbereich des Patienten liegt.

Allerdings muss ein Arzt

  • auch bei Patienten mit privater Krankenversicherung bzw. Beihilfeanspruch

jedenfalls dann, wenn er

  • ein neue, noch nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode anwendet,

die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass der private Krankenversicherer bzw. die Beihilfestelle die dafür erforderlichen Kosten nicht in vollem Umfang erstatten wird.

Verlangt ein Patient

  • wegen Verletzung der Pflicht zur wirtschaftlichen Information

von dem behandelnden Arzt Ersatz der Behandlungskosten, die

  • von ihm selbst zu tragen und
  • nicht von seinem Krankenversicherer übernommen worden sind,

muss der Patient im Streitfall darlegen und beweisen, dass

  • er sich bei ordnungsgemäßer Information über die voraussichtlichen Behandlungskosten gegen die in Rede stehende medizinische Behandlung entschieden hätte.

Eine Beweislastumkehr erfolgt in einem solchen Fall nicht (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 28.01.2020 – VI ZR 92/19 –).

OLG Frankfurt entscheidet: Arzt muss einer mit Botox-Spritzen behandelten Frau 1200 € Schmerzensgeld zahlen, weil

…. er ihr die Mahnung zur Zahlung der Behandlungskosten über ihre Arbeitgeberin geschickt und damit

  • gegen die ärztliche Schweigepflicht

verstoßen hat.

Mit Beschluss vom 05.12.2019 – 8 U 164/19 – hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main in einem Fall, in dem ein Arzt

  • eine Frau mit zwei Botox-Spritzen im Gesicht behandelt,
  • die Frau die Behandlungskosten nicht vollständig bezahlt und er

die Mahnung,

  • die restlichen Kosten für die Botox-Injektionen zu zahlen,

per Fax über die Arbeitgeberin der Frau an diese gesandt hatte, den Arzt,

  • wegen Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht,

zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 1.200 € an die Frau verurteilt.

Ein Schmerzensgeld in dieser Höhe erachtete der Senat deshalb für angemessen, da maßgebend für die Bemessung

  • allein die Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht sowie
  • dabei vorliegend zu berücksichtigen

war, dass

  • Kenntnis von dem Fax mit der Mahnung über eine Botox-Injektionen lediglich eine Mitarbeiterin der Arbeitgeberin der mit Botox behandelten Frau erhalten und
  • somit allein eine abstrakte Gefährlichkeit bestanden hatte, dass zu schützende Daten einem weiteren Personenkreis zugänglich waren (Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt).

Ärzte und Patienten sollten wissen wann, trotz fehlerfreier Behandlung, eine Arzthaftung wegen eines Aufklärungsversäumnisses

…. in Betracht kommt.

Vor Durchführung einer medizinischen Maßnahme, insbesondere eines Eingriffs in den Körper oder die Gesundheit, müssen Ärzte einholen

  • die Einwilligung des Patienten

und falls ein Patient einwilligungsunfähig ist,

  • die Einwilligung eines hierzu Berechtigten,
  • soweit nicht eine Patientenverfügung nach § 1901a Absatz 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Maßnahme gestattet oder untersagt.

Ohne wirksame Patienteneinwilligung,

  • die eine vorherige Aufklärung nach Maßgabe von § 630e Absatz 1 bis 4 BGB voraussetzt und
  • die jederzeit und ohne Angabe von Gründen formlos widerrufen werden kann,

darf ein ärztlicher Eingriff ausschließlich dann durchgeführt werden, wenn

  • eine durchzuführende Maßnahme unaufschiebbar ist,
  • die Einwilligung dafür nicht (mehr) rechtzeitig eingeholt werden kann und
  • die Durchführung der unaufschiebbaren Maßnahme demmutmaßlichen Willen des Patienten entspricht (vgl. § 630d BGB).

Liegt kein solcher Ausnahmefall,

  • in dem eine unaufschiebbare Maßnahme ohne Einwilligung durchgeführt werden darf,

vor und ist der Patient nicht

  • rechtzeitig vor einem Eingriff

von dem Arzt

  • nach Maßgabe von § 630e Absatz 1 bis 4 BGB

aufgeklärt worden,

  • also beispielsweise
    • nicht hinreichend verständlich über die Art und den Umfang des vorgenommenen Eingriffs sowie
    • eine mögliche Eingriffsalternative (§ 630e Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB)
  • bzw.
    • nicht in der erforderlichen Art und Weise über eine bei einem Fehlschlagen der geplanten und dann möglicherweise erforderlich werdende (vorhersehbare) Operationserweiterung
  • oder
    • ist eine ursprünglich geplante Operation in erweiterter und von der erteilten Patienteneinwilligung nicht mehr gedeckten Form fortgesetzt worden, ohne eine mögliche Unterbrechung vorzunehmen, um zunächst die Einwilligung des Patienten zu dem erweiterten Eingriff einzuholen,

haftet der Arzt,

  • weil dann keine wirksam erteilte Patienteneinwilligung in Bezug auf den vorgenommen Eingriff vorliegt (§ 630d Abs. 2 BGB),
  • auch dann, wenn ihm kein Behandlungsfehler vorgeworfen werden kann,

aus

  • 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den Vorschriften der §§ 630a ff. BGB und/oder
  • 823 Abs. 1 BGB

für alle den Gesundheitszustand des Patienten betreffenden nachteiligen Folgen, sofern

  • er sich nicht auf den Einwand der sogenannten hypothetischen Einwilligung berufen kann (§ 630h Abs. 2 Satz 2 BGB).

Behauptet der Arzt, dass der Patient auch dann,

  • wenn er vor dem vorgenommenen Eingriff ordnungsgemäß aufgeklärt worden wäre,

in die Maßnahme eingewilligt hätte,

  • trifft ihn die Beweislast dafür,

allerdings erst dann, wenn

BGH entscheidet: Arzt kann bei Schädigung eines Patienten aufgrund fehlerhafter Behandlung auch einem

…. dem Patienten nahestehenden Angehörigen gegenüber schadensersatz- und schmerzensgeldzahlungspflichtig sein.

Mit Urteil vom 21.05.2019 – VI ZR 299/17 – hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in einem Fall, in dem eine Ehefrau,

  • weil ihr Ehemann nach einer fehlerhaften ärztlichen Behandlung mehrere Wochen in akuter Lebensgefahr schwebte und
  • es infolge dessen bei ihr zu massiven psychischen Beeinträchtigungen gekommen war,

den Arzt wegen dieser Gesundheitsverletzung (aus originär eigenem Recht) auf materiellen und immateriellen Schadensersatz in Anspruch nimmt, entschieden,

  • dass die zum „Schockschaden“ entwickelten Grundsätze auch in dem Fall anzuwenden sind, in dem
    • das haftungsbegründende Ereignis kein Unfallereignis im eigentlichen Sinne ist,
    • sondern eine fehlerhafte ärztliche Behandlung

und

  • dass eine Rechtfertigung dafür, die Ersatzfähigkeit von „Schockschäden“ im Falle ärztlicher Behandlungsfehler weiter einzuschränken als im Falle von Unfallereignissen, grundsätzlich nicht besteht.

Danach kann einem nahen Angehörigen eines Patienten aus § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gegen den Arzt des Patienten dann zustehen, wenn

  • eine behandlungsfehlerbedingte Verschlechterung des Gesundheitszustands bei dem Patienten

ursächlich war

  • für solche psychische Beeinträchtigungen bei dem nahen Angehörigen des Patienten,

die

  • pathologisch fassbar sind

und

  • über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen hinausgehen, denen nahe Angehörige eines Patienten bei dessen Tod oder einer schweren Schädigung ausgesetzt sind.

Unterlässt ein Arzt bei einem Patienten eine erforderliche Darmspiegelung und erkennt er deshalb einen Darmkrebs

…. bei dem Patienten nicht, liegt ein grober Behandlungsfehler vor, der einen Anspruch des Patienten auf Schadensersatz und Schmerzensgeld begründen kann.

Darauf hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Braunschweig mit Urteil vom 28.02.2019 – 9 U 129/15 – hingewiesen und in einem Fall, in dem

  • ein Arzt bei einer Patientin, trotz zum Teil heftiger Blutungen aus dem Anus lediglich Hämorrhoiden und eine Analfissur diagnostiziert hatte, ohne eine Darmspiegelung zu machen

und

  • der Darmkrebs bei der Patientin erst neun Monate später entdeckt worden war, als sich diese wegen eines anderen Leidens im Krankenhaus befand,

der Patientin ein Schmerzensgeld von 70.000 Euro sowie Schadensersatz zugesprochen.

In dem Unterlassen der hier erforderlichen Darmspiegelung sah der Senat einen groben Behandlungsfehler, mit der Folge, dass zugunsten der Patientin eine Beweislastumkehr eingriff,

  • sie also nicht beweisen musste, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und ihren gesundheitlichen Folgen bestanden hat
  • sondern der Arzt hätte beweisen müssen, dass die um neun Monate verspätete Diagnose nicht für den weiteren Krankheitsverlauf der Patientin ursächlich geworden ist (Quelle: Pressemitteilung des OLG Braunschweig vom 11.04.2019).

OLG Celle entscheidet: Unterlassene Basisdiagnostik bei einem an akuten und extremen Schmerzen leidenden Patienten

…. stellt einen groben Behandlungsfehler dar, der Schadensersatz- sowie Schmerzensgeldansprüche des Patienten begründen kann.

Mit Urteil vom 09.04.2019 – 1 U 66/18 – hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Celle darauf hingewiesen, dass ein Arzt bei einem Patienten,

  • der sich bei ihm mit akuten und extremen Kopfschmerzen vorstellt,

auch dann,

  • wenn eine Untersuchung des Kopfs des Patienten mittels Computertomographie (CT) einen altersgerechten Normalzustand ergeben hat,

über die Computertomographie hinaus, eine (weitere) klinische Untersuchung durchführen muss,

  • die eine klinische Basisdiagnostik und
  • die Erhebung eines groben neurologischen Status umfasst,

um danach zu entscheiden, ob und welche weitere Diagnostik gegebenenfalls erforderlich ist und dass,

  • falls der Arzt dies unterlässt,

ein, eine Umkehr der Beweislast bewirkender, grober Behandlungsfehler vorliegt.

Begründet hat das OLG dies damit, dass

  • von extrem schmerzgeplagten Patienten, auch wenn es sich bei ihnen selbst um Ärzte handelt, nicht erwartet werden kann, dass sie dem behandelnden Arzt ohne Nachfragen eine vollständige Anamnese liefern,
  • es vielmehr Aufgabe des behandelnden Arztes ist und bleibt, entsprechend präzise Fragen zu stellen

und

  • ein Unterbleiben der gebotenen Diagnostik aus medizinischer Sicht in einem Fall schlichtweg nicht mehr verständlich ist, in dem das Ergebnis der Computertomographie keine Erklärung für die von dem Patienten so noch nicht erlebten Kopfschmerzen bietet (Quelle: Pressemitteilung des OLG Celle vom 04.04.2019).

Was Patienten wissen sollten, wenn bei der Aufklärung über Operationsrisiken die Formulierung

…. „vereinzelt“ verwendet wird.

Wird vor einer Operation bei der Aufklärung eines Patienten über bestehende (post)operative Risiken von dem Arzt oder in dem dem Patienten übergebenen Aufklärungsbogen darauf hingewiesen,

  • dass „vereinzelt“ bestimmte Zwischenfälle auftreten können,
  • die weitere Behandlungsmaßnahmen erfordern,

bedeutet dies,

  • dass derartige Zwischenfälle in etwa in jedem fünften Fall eintreten können.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main mit Urteil vom 26.03.2019 – 8 U 219/16 – entschieden.

Die Formulierung „vereinzelt“

  • bezeichnet danach „eine gewisse Häufigkeit, die zumindest kleiner als „häufig“ ist“ und
  • kann verwendet werden, wenn die Wahrscheinlichkeit für eine (post)operative Komplikation bei einem Wert bis zu 20% liegt (Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt vom 08.04.2019).

Zur Bedeutung von Wahrscheinlichkeitsangaben im Rahmen der ärztlichen Aufklärung und wie beispielsweise die verbale Risikobeschreibung „gelegentlich“ zu verstehen ist, vergleiche das Urteil des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 29.01.2019 – VI ZR 117/18 –).

Hinweis:
Nach der Rechtsprechung stellt es keinen Verstoß gegen die Aufklärungspflicht dar, wenn Ärzte keine Prozentzahlen über die Möglichkeit der Verwirklichung eines Behandlungsrisikos mitteilen. Geschieht dies im Aufklärungsgespräch nicht, sollten Patienten deshalb ausdrücklich danach fragen.

Patienten sollten wissen, dass eine in einer schwierigen Situation erteilte Einwilligung in eine Operation unwirksam

…. und in einem solchen Fall die Klinik bzw. der Arzt verpflichtet sein kann,

  • sich vor der Operation zu vergewissern,

ob die gegebene Einwilligung des Patienten nach wie vor seinem freien Willen entspricht.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln mit Urteil vom 16.01.2019 – 5 U 29/17 – hingewiesen.

Danach

  • muss die ordnungsgemäße Aufklärung eines Patienten so rechtzeitig erfolgen, dass dieser seine Entscheidung wohlüberlegt treffen kann (§ 630 e Abs.2 Satz 1 Ziffer 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)),
  • ist deswegen ein stationär aufgenommener Patient, sofern der Eingriff nicht medizinisch dringlich ist, regelmäßig mindestens einen Tag vor der Operation aufzuklären

und steht, wenn

  • keine notfallmäßige sofortige Operation erforderlich ist, aber

die Einwilligungserklärung einem Patienten unmittelbar im Anschluss an die Aufklärung

  • ohne jegliche Überlegungsfrist oder
  • ohne ausreichende Bedenkzeit

abverlangt

  • sowie von dem Patienten unter dem Eindruck einer großen Fülle von regelmäßig unbekannten und schwer verständlichen Informationen und in einer persönlich schwierigen Situation, wie etwa nach einem Unfall, getroffen

wird, unter dem Vorbehalt, dass der Patient die ihm verbleibende Zeit nutzt, um

  • die erhaltenen Informationen zu verarbeiten und
  • das Für und Wider des Eingriffes für sich abzuwägen und
  • sich ggf. anders zu entscheiden

und ist es in solchen Fällen, in denen ein Patient mangels ausreichender Bedenkzeit keine wohlüberlegte Entscheidung treffen konnte,

  • nicht Aufgabe des Patienten, sich durch eine ausdrückliche Erklärung von seiner zuvor gegebenen Einwilligungserklärung zu lösen,
  • sondern vielmehr Aufgabe der Ärzte, sich davon zu überzeugen, dass die gegebene Einwilligungserklärung nach wie vor dem freien Willen des Patienten entspricht.

Dies ist deshalb von wesentlicher Bedeutung für Patienten, weil,

  • wenn ein ärztlicher Eingriff nicht durch eine wirksame Einwilligung des Patienten gedeckt ist und
  • sich damit als nicht gerechtfertigte Körperverletzung darstellt,

auch bei einer fehlerfrei durchgeführten Operation Klinik bzw. Arzt für alle über den bloßen operativen Eingriff hinausgehenden, den Gesundheitszustand des Patienten betreffenden nachteiligen Folgen aus §§ 280 Abs.1, 630a, 823 Abs.1, 249, 253 Abs.2 BGB haften,

  • sofern sie sich nicht mit Erfolg auf den Einwand hypothetischer Einwilligung berufen können.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall, in dem es eine Klinik unterlassen hatte, sich vor der Operation einer Patientin zu vergewissern, ob deren Einwilligung in die Operation,

  • die der Patientin zuvor in einer schwierigen Situation, unter unzulässiger Einengung und Verkürzung ihrer Entscheidungsfreiheit, abverlangt worden war,

nach wie vor ihrem freien Willen entspricht

  • und die Patientin einen Entscheidungskonflikt plausibel machen konnte,

hat das OLG der Patientin wegen Schmerzen,

  • die Folge der fehlerfrei durchgeführten Operation waren,

10.000 Euro Schmerzensgeld zuerkannt.

Was arbeitsunfähig Erkrankte, die von ihrer Krankenkasse Krankengeld beziehen, wissen sollten, wenn

…. ein geplanter Urlaub im Ausland ansteht.

Mit Urteil vom 20.02.2018 – S 4 KR 2398/17 – hat das Sozialgericht (SG) Karlsruhe entschieden, dass eine Krankenkasse einem arbeitsunfähig Erkrankten

  • auch während eines Urlaubes im Ausland

Krankengeld zahlen muss, wenn

  • die Arbeitsunfähigkeit in Deutschland festgestellt,
  • durchgängig auch für die Zeit des Urlaubs bescheinigt worden ist und
  • der behandelnde Arzt keine Bedenken gegen den Auslandsurlaub hat.

Dass in einem solchen Fall der Anspruch auf Krankengeld während des Urlaubes im Ausland nicht nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ruht, hat das SG damit begründet, dass

  • die Vorschrift über das Ruhen des Krankengeldanspruchs bei einem Auslandsurlaub nur eine ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Krankengeld in den Fällen verhindern soll,
  • in denen die Arbeitsunfähigkeit im Ausland nur mit Schwierigkeiten festgestellt werden kann und

wenn

  • die Arbeitsunfähigkeit in Deutschland festgestellt worden ist sowie
  • feststeht, dass sie auch während des Urlaubes vorliegen wird,

für eine Ermessensentscheidung der Krankenkasse

  • hinsichtlich einer Zustimmung zu dem Auslandsaufenthalt nach § 16 Abs. 4 SGB V

kein Raum mehr bleibt, sondern die Zustimmung für den Auslandsaufenthalt zu erteilen ist.