Tag Beweislast

Was juristische Laien wissen sollten, wenn sie als Kläger einen Zivilprozess führen (wollen) oder

…. Beklagte sind.

Wer als Kläger einen Anspruch gegen einen anderen geltend macht und

  • gegen den anderen, der dann Beklagter ist, Klage beispielsweise erhebt auf
    • Erfüllung eines Vertrages,
    • Rückabwicklung eines Vertrages,
    • Schadensersatz,
    • Herausgabe,
    • Unterlassung,
    • Beseitigung usw.,

muss diesen Anspruch nicht nur auf eine

  • vertragliche oder
  • gesetzliche

Anspruchsgrundlage stützen, sondern zur Begründung dieses Anspruchs auch die Tatsachen,

  • die die entsprechende Anspruchsgrundlage voraussetzt und
  • die, für die er die Behauptungslast trägt,

vortragen und diese Tatsachen,

  • sofern er für diese die Beweislast trägt und sie von dem Beklagen wirksam bestritten worden sind,

mit zulässigen sowie verwertbaren Beweismitteln beweisen können.

Die Darlegungs- und in der Regel auch die Beweislast für die Tatsachen, die nach der Anspruchsgrundlage, den Anspruch begründen

  • – also wenn der Kläger seine Forderung auf einen Vertrag stützt, die Tatsachen für den Abschluss dieses Vertrages –

und die Tatsachen, die diesen Anspruch erhalten

  • – also wenn der Beklagte die Einrede erhoben hat, dass der Anspruch verjährt ist und nach seinem Vortrag Verjährung eingetreten sein kann, die Tatsachen, die eine Unterbrechung bzw. Hemmung der Verjährung begründen –

trägt in der Regel der Kläger,

Der Beklagte trägt wiederum die Darlegungs- und Beweislast für rechtshindernde Tatsachen

  • – wie etwa die Minderjährigkeit bei Vertragsabschluss -,

für rechtsvernichtende Tatsachen

  • – wie die Vertragserfüllung, die wirksame Vertragsanfechtung oder eine erfolgte Aufrechnung sowie

für rechtshemmende Tatsachen

  • – wie die Stundung der geforderten Leistung oder die Verjährung des Anspruchs-.

Eine Tatsache bestreiten kann nur die Partei, die nicht die Behauptungslast hat.

Mit Nichtwissen bestritten werden können

  • von der behauptungsbelasteten Partei vorgetragene

Tatsachen wirksam nur dann, wenn diese

  • weder eigene Handlungen
  • noch Gegenstand eigener Wahrnehmung

gewesen sind (§ 138 Abs. 4 Zivilprozessordnung (ZPO)), außer die bestreitende Partei kann

  • nach der Lebenserfahrung glaubhaft machen, sich an gewisse Vorgänge nicht mehr erinnern zu können,
  • nähere Umstände hierzu dartun, die das Fehlen von Erinnerung glaubhaft machen und
  • diese näheren Umstände auch beweisen, wenn der Gegner sie bestreitet.

Erleichtert sein können Vortrag bzw. Beweis einer an sich darlegungs- und/oder beweispflichtigen Partei

  • durch den Umstand, dass zur Anspruchsbegründung eine negative Tatsache gehört,
    • wie beispielsweise in dem Fall, dass Voraussetzung für einen Anspruch das (arglistige) Verschweigen eines Mangels durch den Beklagte ist, weil
      • den Beklagten dann die sogenannte sekundäre Darlegungslast trifft, d.h., er dann darlegen muss, wo, wann und wie er seiner Aufklärungspflicht nachgekommen ist und
      • erst nach der diesbezüglichen hinreichenden Aufklärung diese spezifizierte Aufklärung vom Anspruchsteller ausgeräumt werden muss,
  • dadurch, dass die an sich darlegungspflichtige Parteiaußerhalb des darzulegenden Geschehensablaufs steht und die maßgebenden Tatsachen nicht kennt, während sie der anderen, eigentlich nicht darlegungspflichtigen Partei bekannt sind und ihr nähere Angaben zuzumuten sind, weil
    • diese Partei aufgrund dessen dann ausnahmsweise eine Substantiierungslast trifft,
  • durch tatsächliche Vermutungen,
    • wie z.B., dass eine über ein Rechtsgeschäft aufgenommene Urkunde die Parteivereinbarungen vollständig und richtig wiedergibt, weil
      • dann die Partei, die sich auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände – sei es zum Nachweis eines vom Urkundstext abweichenden übereinstimmenden Willens der Parteien, – sei es zum Zwecke der Deutung des Inhalts des Beurkundeten aus Sicht des Erklärungsempfängers – beruft,
      • die Beweislast für deren Vorliegen trifft,
  • durch den bei typischen Geschehensabläufen anwendbaren Grundsatzüber den Beweis des ersten Anscheins, weil dann
    • der Gegner Tatsachen für die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs behaupten und beweisen muss und
    • erst wenn ihm dies gelungen ist, die andere Partei die Beweislast trifft

sowie

  • durch eine gesetzliche Tatsachenvermutung,
    • – wie beispielsweise die Eigentumsvermutung für Besitzer in § 1006 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) -, weil
      • wenn sie zu Gunsten einer Partei eingreift, der Gegner die volle Behauptungs- und Beweislast für das Gegenteil hat.

Hat ein Kläger, unter Berücksichtigung des oben Ausgeführten,

  • die Tatsachen vorgetragen, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in seiner Person entstanden erscheinen zu lassen (= schlüssiger Sachvortrag)

und

  • die wirksam bestrittenen Tatsachen, für die er die Beweislast trägt, mit zulässigen, vom Gericht erhobenen Beweismitteln (Zeugen-, Sachverständigen-, Urkundenbeweis, Augenschein oder Parteivernehmung) bewiesen,

hat seine Klage Erfolg.

  • Andernfalls wird die Klage abgewiesen.

Behauptet der Vollkaskoversicherer, ein Unfall sei von dem Versicherungsnehmer vorsätzlich herbeigeführt worden, um

…. in den Genuss der Versicherungsleistung zu kommen

  • trägt er hierfür die Beweislast,

wobei der Versicherer dieser Beweislast allerdings auch dadurch genügen kann, dass er viele Indizien vorträgt,

  • für die es bei einem echten Unfall keine Erklärung gibt oder
  • die bei einem fingierten Unfall deutlich häufiger auftreten und
  • die bei einer Gesamtwürdigung und der sonstigen Umstände für eine vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalles sprechen.

Gelingt dem Vollkaskoversicherer der Beweis,

  • wird er von seiner Leistungspflicht frei,

gelingt der Beweis nicht,

  • bleibt der Vollkaskoversicherer leistungspflichtig.

Darauf hat das Landgericht (LG) Coburg mit Urteil vom 05.06.2018 – 24 O 360/16 – hingewiesen (Quelle: Pressemitteilung des LG Coburg).

OLG Celle entscheidet: Unterlassene Basisdiagnostik bei einem an akuten und extremen Schmerzen leidenden Patienten

…. stellt einen groben Behandlungsfehler dar, der Schadensersatz- sowie Schmerzensgeldansprüche des Patienten begründen kann.

Mit Urteil vom 09.04.2019 – 1 U 66/18 – hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Celle darauf hingewiesen, dass ein Arzt bei einem Patienten,

  • der sich bei ihm mit akuten und extremen Kopfschmerzen vorstellt,

auch dann,

  • wenn eine Untersuchung des Kopfs des Patienten mittels Computertomographie (CT) einen altersgerechten Normalzustand ergeben hat,

über die Computertomographie hinaus, eine (weitere) klinische Untersuchung durchführen muss,

  • die eine klinische Basisdiagnostik und
  • die Erhebung eines groben neurologischen Status umfasst,

um danach zu entscheiden, ob und welche weitere Diagnostik gegebenenfalls erforderlich ist und dass,

  • falls der Arzt dies unterlässt,

ein, eine Umkehr der Beweislast bewirkender, grober Behandlungsfehler vorliegt.

Begründet hat das OLG dies damit, dass

  • von extrem schmerzgeplagten Patienten, auch wenn es sich bei ihnen selbst um Ärzte handelt, nicht erwartet werden kann, dass sie dem behandelnden Arzt ohne Nachfragen eine vollständige Anamnese liefern,
  • es vielmehr Aufgabe des behandelnden Arztes ist und bleibt, entsprechend präzise Fragen zu stellen

und

  • ein Unterbleiben der gebotenen Diagnostik aus medizinischer Sicht in einem Fall schlichtweg nicht mehr verständlich ist, in dem das Ergebnis der Computertomographie keine Erklärung für die von dem Patienten so noch nicht erlebten Kopfschmerzen bietet (Quelle: Pressemitteilung des OLG Celle vom 04.04.2019).

Sportlehrer sind, wenn Schüler während des Sportunterrichts Erste-Hilfe-Maßnahmen benötigen, verpflichtet, die

…. erforderlichen und zumutbaren Erste-Hilfe-Maßnahmen rechtzeitig und in ordnungsgemäßer Weise durchzuführen.

Darauf und dass, falls es in einem Notfall, beispielsweise bei einem Zusammenbruch eines Schülers im Sportunterricht,

  • aufgrund unterlassener oder unzureichender Erste-Hilfe-Maßnahmen bei dem Schüler zu einem Gesundheitsschaden kommen sollte,

der dadurch geschädigte Schüler Schadensersatz- sowie Schmerzensgeldansprüche geltend machen kann,

  • gegen den Sportlehrer wegen Pflichtverletzung bzw.
  • wenn es sich bei diesem um einen Beamten handelt, gegen den Staat bzw. die Körperschaft, in deren Dienst der Lehrer steht, wegen Amtspflichtverletzung (§ 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), Art. 34 Grundgesetz (GG)),

hat der u.a. für das Staatshaftungsrecht zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 04.04.2019 – III ZR 35/18 – hingewiesen.

In einem solchen Fall ist beweispflichtig

  • für die (Amts)Pflichtverletzung des Sportlehrers und
  • deren Ursächlichkeit für den eingetretenen Gesundheitsschaden,

der geschädigte Schüler,

  • wobei sich die Beweislast hinsichtlich der Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den eingetretenen Gesundheitsschaden auch bei einer grober Verletzung der Amtspflichten nicht umkehrt.

Eine Haftung besteht

  • schon bei leichter bzw. einfacher Fahrlässigkeit und
  • nicht erst bei grober Fahrlässigkeit.

Das Haftungsprivileg für Nothelfer (§ 680 BGB) greift hier nicht ein (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 04.04.2019).

BGH entscheidet, wer was darlegen und beweisen muss, wenn von Wohnungsmietern die Heizkostenabrechnung bestritten wird und

…. wann bei von Wohnungsvermietern verweigerter Belegeinsicht im Zusammenhang mit der jährlichen Betriebskostenabrechnung Mieter eine geforderte Nachzahlung vorläufig verweigern dürfen.

Mit Urteil vom 07.02.2018 – VIII ZR 189/17 – hat der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) darauf hingewiesen, dass, wenn in einem Wohnraummietvertrag

  • gemäß § 556 Abs. 1 Satz 1 BGB vereinbart ist, dass der Mieter die Betriebskosten zu tragen sowie
  • hierauf bestimmte monatliche Vorauszahlung zu leisten hat und

der Vermieter bei der jährlichen Abrechnung eine Nachzahlung fordert, der Vermieter

  • die Darlegungs- und Beweislast für die erhobene Forderung,
  • also für die richtige Erfassung, Zusammenstellung und Verteilung der angefallenen Betriebskosten auf die einzelnen Mieter (in einem Mehrfamilienhaus)

trägt.

Danach sind Mieter, die beispielsweise bestreiten, dass die in einer vom Vermieter verlangten Nachzahlung auf die in den Betriebskosten enthaltenen Heizkosten nicht

  • richtig erfasst und/oder
  • verteilt worden sind,

nicht verpflichtet Anhaltspunkte vorzutragen, aus denen sich die Unrichtigkeit der ihnen in Rechnung gestellten Verbrauchswerte ergibt.

Vielmehr muss im Streitfall

  • der Vermieter die von ihm vorgenommene Verbrauchserfassung, Zusammenstellung und Verteilung darlegen und
  • unter Beweis stellen,

so dass das Gericht

  • die Zuverlässigkeit und Korrektheit beurteilen und
  • die dazu vom Vermieter angebotenen Beweise erheben kann.

Bei einer verbrauchsabhängigen Abrechnung der Heizkosten in einem gemeinsam versorgten Mietobjekt können, so der Senat, Mieter

  • auch die Einsichtnahme in die vom Vermieter erhobenen Einzelverbrauchsdaten anderer Nutzer hinsichtlich der Heizkosten verlangen, um sich Klarheit zu verschaffen,
    • ob der Gesamtverbrauchswert mit der Summe der Verbrauchsdaten der anderen Wohnungen übereinstimmt,
    • ob deren Werte plausibel sind oder
    • ob sonst Bedenken gegen die Richtigkeit der Kostenverteilung bestehen

und besteht für Mieter

  • solange keine Verpflichtung zur Leistung der geforderten Nachzahlung,
  • solange Vermieter unberechtigt eine entsprechend begehrte Belegeinsicht verweigern (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 07.02.2018).

Wichtig für Patienten und Ärzte zu wissen: Wann ist ein Behandlungsfehler als grob zu bewerten

…. mit der Folge, dass,

  • wenn der Fehler geeignet ist bei dem behandelten Patienten einen Schaden der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen,

regelmäßig der Arzt beweisen muss,

  • dass der Behandlungsfehler nicht ursächlich für den Gesundheitsschaden des Patienten gewesen ist,
  • es also zu einer Umkehr der objektiven Beweislast hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Behandlungsfehler und dem Gesundheitsschaden kommt.

Als grob zu bewerten ist ein Behandlungs- oder Befunderhebungsfehler, wenn der Arzt eindeutig

  • gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und
  • einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf.

Zu den gesicherten medizinischen Erkenntnisse, deren Missachtung einen Behandlungsfehler als grob erscheinen lassen, zählen dabei

  • nicht nur die Erkenntnisse, die Eingang in Leitlinien, Richtlinien oder anderweitige Handlungsanweisungen gefunden haben,
  • sondern auch die elementaren medizinischen Grundregeln, die im jeweiligen Fachgebiet vorausgesetzt werden.

Als grober Fehler kann sich im Einzelfall aber auch ein Verstoß des Krankenhausträgers gegen die ihm obliegenden Organisationspflichten darstellen, beispielsweise dann, wenn

  • infolge eines Organisations- und Übertragungsfehler zu Unrecht angenommen wird, dass eine Behandlungsmaßnahme nicht indiziert ist und
  • deswegen unterbleibt.

Zu berücksichtigen bei der Bewertung und Einstufung eines Fehlers sind jeweils alle Umstände des Einzelfalles,

  • so dass auch eine Häufung mehrerer an sich nicht grober Fehler die Behandlung insgesamt als grob fehlerhaft erscheinen lassen kann.

Darauf hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 07.11.2017 – VI ZR 173/17 – hingewiesen.

Patienten und Ärzte sollten wissen, dass und wann es wegen eines nach einer unterlassenen Befunderhebung

…. aufgetretenen Gesundheitsschadens im Arzthaftungsprozess zu einer Beweislastumkehr zugunsten des Patienten kommen kann.

Stellt die Unterlassung einer aus medizinischer Sicht gebotenen Befunderhebung, beispielsweise das Unterlassen einer postoperativen Röntgenkontrolle,

  • einen groben Behandlungsfehler dar,

führt dies zu einer Beweislastumkehr

  • hinsichtlich des Ursachenzusammenhangs zwischen ärztlichem Fehler und Gesundheitsschaden

zugunsten des Patienten,

  • wenn die grob fehlerhafte unterlassene Befunderhebung generell geeignet war, den eingetretenen Schaden zu verursachen;
  • wahrscheinlich muss der Eintritt eines solchen Erfolgs nicht sein.

Nur dann, wenn jeglicher haftungsbegründende Ursachenzusammenhang äußerst unwahrscheinlich ist, ist eine Umkehr der Beweislast ausgeschlossen.

  • Für die Feststellung der Geeignetheit der grob fehlerhaften unterlassenen Befunderhebung für den Schaden reicht es allerdings nicht aus, dass ein bloß theoretisch denkbarer Zusammenhang, der ohnehin fast nie ausgeschlossen werden kann, im Raum steht.

War die Unterlassung einer gebotenen Befunderhebung dagegen

  • nicht grob fehlerhaft,
  • sondern ist die Unterlassung lediglich als einfache Sorgfaltspflichtverstoß zu bewerten,

führt dies nach § 630h Abs. 5 S. 2 BGB dann zu einer Umkehr der Beweislast

  • hinsichtlich der Kausalität des Behandlungsfehlers für den eingetretenen Gesundheitsschaden,

wenn sich bei Abklärung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit – die bei mehr als 50 % angenommen werden kann –

  • ein reaktionspflichtiges positives Ergebnis gezeigt hätte und
  • sich die Verkennung dieses Befundes als fundamental oder die Nichtreaktion hierauf als grob fehlerhaft darstellen würde.

Darauf hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden mit Urteil vom 29.08.2017 – 4 U 401/17 – hingewiesen.

Wer muss was darlegen und beweisen, wenn streitig ist, ob die Vollkaskoversicherung den während eines Abschleppvorgangs

…. bei einem Auffahrunfall am abgeschleppten Fahrzeug entstanden Schaden regulieren muss.

Mit Urteil vom 24.03.2017 – 10 U 3749/16 – hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) München entschieden, dass, wenn es während eines Abschleppvorgangs mittels eines Abschleppseils zu einem Auffahrunfall zwischen

  • dem haftpflicht- sowie vollkaskoversicherten abgeschleppten PKW sowie
  • dem ziehenden Kraftfahrzeug

kommt, bei dem ein Schaden an dem abgeschleppten PKW entsteht und nach den Versicherungsbedingungen der Haftplicht- und Vollkaskoversicherung versichert sind

  • Unfälle aufgrund eines unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis,
  • nicht dagegen entstandene Unfallschäden zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug ohne Einwirkung von außen,

der Versicherer der Fahrzeug-Vollversicherung beweisen muss, dass

  • die Schäden zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug „ohne Einwirkung von außen“ entstanden sind,
  • der Unfall also andere Ursachen gehabt hat und somit

ein Unfallschaden vorliegt, bei dem der Versicherungsschutz ausgeschlossen ist.

Allerdings trifft den Versicherungsnehmer für das Vorliegen „einer Einwirkung von außen“ eine sekundäre Darlegungslast,

  • der der Versicherungsnehmer nicht schon dadurch genügt,

dass er beispielsweise (pauschal) behauptet,

  • der Fahrer eines das versicherte Fahrzeug abschleppenden Pkw habe wegen eines auf der eigenen Fahrspur entgegenkommenden Fahrzeugs eine Vollbremsung durchführen müssen,
  • infolge derer es zu einem Auffahren des versicherten Fahrzeugs auf das abschleppende Fahrzeug gekommen sei.

Vielmehr bedarf es in einem derartigen Fall regelmäßig über die eigene Unfalldarstellung des Geschädigten

  • hinausgehender objektiver Anhaltspunkte,
  • die auf die Beteiligung eines fremden Fahrzeugs schließen lassen.

BGH entscheidet, wann einem selbstständigen Reitlehrer und Pferdeausbilder, der ein Dressurpferd verkauft, die Unternehmereigenschaft fehlt

…. und der Käufer sich ihm gegenüber deshalb nicht auf die Beweislastumkehr des § 476 BGB berufen kann.

Mit Urteil vom 18.10.2017 – VIII ZR 32/16 – hat der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) darauf hingewiesen, dass ein Reitlehrer und Pferdetrainer, der ein Dressurpferd verkauft,

  • ohne Hinzutreten besonderer Umstände,

dann nicht als Unternehmer anzusehen ist,

  • wenn er das Pferd zuvor ausschließlich für private Zwecke erworben und ausgebildet hat und

dass in einem solchen Fall, wenn streitig ist, ob ein Mangel des Pferdes, wie beispielsweise „Rittigkeitsprobleme“ (Lahmheit, Schmerzen, Widersetzlichkeit)

  • bereits bei Übergabe des Pferdes vorhanden war oder
  • erst danach aufgetreten ist, hervorgerufen etwa durch eine falsche reiterliche Behandlung auf Seiten des Käufers,

der Käufer sich deswegen auch nicht auf die Beweislastumkehrvorschrift des § 476 BGB berufen kann,

  • da diese nur für Verbrauchsgüterkäufe, d.h. Verträge durch die ein Verbraucher von einem Unternehmer bewegliche Sachen kauft, gilt.

Begründet hat der Senat die fehlende Unternehmereigenschaft in einem solchen Fall damit, dass ein selbständiger Reitlehrer und Pferdeausbilder, wenn er ein Pferd verkauft,

  • das von ihm zuvor ausschließlich zu privaten Zwecken ausgebildet und trainiert worden ist,

bei dem Verkauf des Pferdes nicht „in Ausübung“ seiner selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt,

  • sondern der Zusammenhang zu seiner beruflichen Tätigkeit allenfalls äußerlicher Natur ist (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 18.10.2017 – Nr. 161/2017 –).

Eigentum durch Ersitzung erwerben, also dadurch, dass man eine bewegliche Sache längere Zeit in Besitz hat? Ist das möglich

…. und wer muss was beweisen, wenn ein solcher Eigentumserwerb strittig ist und gegen den, der sich auf Ersitzung beruft, Ansprüche aus Eigentum an der Sache geltend gemacht werden?

Durch Ersitzung nach § 937 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erwirbt man das Eigentum an einer beweglichen Sache, wenn man

  • diese zehn Jahre im Eigenbesitz hat,
    • h. die Sache zehn Jahre ununterbrochen (Ausnahme: § 940 Abs. 2 BGB) als einem gehörend besitzt (§ 872 BGB),
  • bei dem Erwerb des Eigenbesitzes in gutem Glauben war und
  • auch später nicht erfahren hat, dass einem das Eigentum nicht zusteht.

Liegen diese Voraussetzungen vor, hat man an der beweglichen Sache kraft Gesetzes

  • originäres Eigentum erworben und
  • der bisherige Eigentümer sein Eigentum daran verloren.

Wer sich darauf beruft, Eigentum an einer beweglichen Sache durch Ersitzung gemäß § 937 Abs. 1 BGB erlangt zu haben,

  • trägt die Darlegungs- und Beweislast

für seinen zehnjährigen ununterbrochenen Eigenbesitz,

  • muss also darlegen und beweisen, dass er die Sache länger als zehn Jahre in Eigenbesitz gehabt hat.

Die Darlegungs- und Beweislast

  • für den fehlenden guten Glauben (die Bösgläubigkeit) des Ersitzenden bei Begründung des Eigenbesitzes oder
  • für eine während der Dauer des zehnjährigen Eigenbesitzes erlangte positive Kenntnis der Nichtberechtigung

trägt hingegen der, der

  • die Ersitzung bestreitet und
  • gegen den Ersitzenden Ansprüche aus Eigentum an der Sache geltend machen will.

Allerdings trifft denjenigen, der sich auf Ersitzung beruft,

  • eine sekundäre Darlegungslast
  • hinsichtlich seiner Gutgläubigkeit für Erwerbsvorgänge in seiner Sphäre.

Darauf

  • und dass diese Beweislastverteilung auch gilt, wenn die Sache dem früheren Besitzer gestohlen wurde oder sonst abhandengekommen ist,

hat das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg mit Urteil vom 06.09.2017 – 12 U 2086/15 – hingewiesen.