Tag Impfung

Was Arbeitnehmer, die ein vom Arbeitgeber unterbreitetes, nicht verpflichtendes Impfangebot annehmen, wissen sollten

Mit Urteil vom 06.09.2021 – L 2 U 159/20 – hat der 2. Senat des Landessozialgerichts (LSG) Rheinland-Pfalz in einem Fall, in dem ein Arbeitgeber seinen Mitarbeitern ein

  • Impfangebot

unterbreitet hatte, 

  • zu dessen Annahme die Mitarbeiter nicht verpflichtet waren 

und es bei einem Mitarbeiter später zu einer 

  • auf die Impfung zurückzuführenden

autoinflammatorischen Erkrankung gekommen war, entschieden, dass kein Anspruch 

  • gegen die Berufsgenossenschaft 

auf Entschädigungsleistungen besteht.

Verneint hat der Senat hier das Vorliegen eines, eine Entschädigungsleistung begründenden 

  • Arbeitsunfalles im Sinne des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung

deswegen, weil die Teilnahme an der vom Arbeitgeber angebotenen Impfung nach den getroffenen Feststellungen 

  • nicht verpflichtend war,
    • weder nach dem Tarif- bzw. Arbeitsvertrag,
    • noch aufgrund einer vom Arbeitgeber im Rahmen des Direktionsrechts getroffenen Weisung,
  • keiner objektiv bestehenden Haupt- oder Nebenpflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis gedient und 
  • auch der Mitarbeiter selbst sie nicht aufgrund eines erhöhten Infektionsrisikos und damit seiner Tätigkeit als erforderlich angesehen hatte. 

Die allein subjektive Vorstellung eines Arbeitnehmers, 

  • durch eine angebotene Impfung auch den Interessen des Arbeitgebers zu dienen, 

genügt danach somit 

  • zur Begründung des Versicherungsschutzes 

nicht (Quelle: Pressemitteilung des LSG Rheinland-Pfalz).

Corona-Impfung: Wichtig zu wissen für gemeinsam sorgeberechtigte Eltern, die sich nicht einigen können, ob ihr 16jähriges Kind

…. geimpft werden soll oder nicht. 

Mit Beschluss vom 17.08.2021 – 6 UF 120/21 – hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main darauf hingewiesen, dass es,

  • auch bei vorhandener Einwilligungsfähigkeit in eine Corona-Schutzimpfung bei einer/einem fast 16-jährigen impfbereiten Jugendlichen,

eines Co-Konsenses mit den sorgeberechtigten Eltern bedarf und dass, wenn

  • die gemeinsam sorgeberechtigte Eltern sich in dieser Frage nicht einigen können und
  • deshalb jeder der beiden Elternteile beim Familiengericht gemäß § 1628 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) beantragt, ihm die Entscheidung darüber zu übertragen,

die Entscheidung über die Durchführung der Corona-Impfung mit einem mRNA-Impfstoff 

  • bei einer vorhandenen Empfehlung der Impfung durch die Ständige Impfkommission (STIKO) und 
  • bei einem die Impfung befürwortendem Kind, bei dem keine besonderen Impfrisiken vorliegen,

auf denjenigen Elternteil zu übertragen ist, der die Impfung befürwortet.

Das bedeutet:
Die Entscheidung über die 

  • Durchführung einer Impfung gegen das Corona Virus SARSCoV-2 

ist keine Entscheidung 

  • in einer Angelegenheit des täglichen Lebens nach § 1687 Abs.1 S. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB),

sondern eine Entscheidung von

  • erheblicher Bedeutung i.S.d. § 1628 Satz 1 BGB 

für das Kind.

Auch wenn es naheliegt, dass ein Kind, 

  • wie beispielsweise ein/e fast 16-Jährige/r, 

für einen solchen medizinischen Eingriff im Verhältnis zu der ärztlichen Impfperson selbst einwilligungsfähig ist,

bedarf es bei diesem nicht geringfügigen medizinischen Eingriff 

  • zur Wirksamkeit der Einwilligung des Patienten 
  • auch der Einwilligung der sorgeberechtigten Eltern im Wege eines sog. Co-Konsenses. 

Sollten sich Eltern bei gemeinsamer elterlicher Sorge über die Erteilung der Einwilligung hierzu nicht einigen können, kann das Familiengericht 

  • auf Antrag eines Elternteils gemäß § 1628 Satz 1 BGB, §§ 49 ff. FamFG 

die Entscheidungsbefugnis einem 

  • Elternteil allein 

übertragen und wird es, 

  • da hierbei vom Familiengericht auch der Wille eines Kindes zu beachten ist, 

jedenfalls in Fällen, in denen ein Kind 

  • aufgrund seines Alters und seiner Entwicklung im Stande ist, sich eine eigene Meinung über den Nutzen und die Risiken der Corona-Schutzimpfung zu bilden,
  • impfbereit ist und 
  • keine besonderen Impfrisiken vorliegen,

dem – bei der Entscheidung des Familiengerichts nach § 1697a BGB im Vordergrund stehenden – Wohl des Kindes besser gerecht, die Entscheidungsbefugnis demjenigen Elternteil zu übertragen, der die Impfung des Kindes 

  • entsprechend den Empfehlungen der STIKO 

befürwortet (Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt).

Wer darf und muss entscheiden, ob Zwölf- bis Fünfzehnjährige gegen Covid-19 mit dem jetzt für sie von der EMA zugelassenen

…. Impfstoff von BioNTech geimpft werden (sollen)?

Diese Entscheidung müssen die Elternteile, 

  • denen das Sorgerecht zusteht, 

treffen und zwar 

  • gemeinsam sorgeberechtigte 

Eltern im 

  • gegenseitigen Einvernehmen 

auch dann, wenn gemeinsam sorgeberechtigte Eltern 

  • getrennt

leben, da es sich bei einer Impfung um eine Angelegenheit 

  • von erheblicher Bedeutung i.S.v. § 1687 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

für das Kind handelt.  

Können sich gemeinsam sorgeberechtigte Eltern nicht einigen,

  • ob ihr Kind geimpft werden soll, 

kann 

  • jeder der Elternteile 

beim Familiengericht nach § 1628 Satz 1 BGB beantragen, ihm die 

  • (alleinige) Entscheidungsbefugnis bezüglich der Impfung 

zu übertragen. 

Das Familiengericht darf in einem solchen Fall nicht die 

  • Entscheidung anstelle der Eltern

treffen, sondern hat den im Rahmen der Sorgerechtsausübung aufgetretenen Konflikt 

  • der Eltern über die Impfung bzw. die Nichtimpfung 

zu lösen und zwar durch Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf den Elternteil, der 

  • das für das Kindeswohl bessere Konzept verfolgt, also 

besser geeignet ist, die Impffrage kindeswohlkonform zu entscheiden.  

In den ober- und höchstrichterlich entschiedenen Fällen, in denen Eltern uneinig darüber waren, 

  • ob bei ihrem Kind eine sog. Standard- oder Routineschutzimpfung (gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Pneumokokken, Rotaviren, Meningokokken C, Masern, Mumps und Röteln) durchgeführt werden soll

und wechselseitig die Alleinübertragung der Entscheidungsbefugnis über die Impffrage beantragt hatten, ist die Entscheidungsbefugnis dem Elternteil übertragen worden, der 

  • Impfungen offen gegenüberstand und 
  • seine Haltung an den als medizinischen Standard anerkannten Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) orientieren wollte,

nachdem von dem anderen Elternteil einzelfallbezogene Aspekte, 

  • die zu weiteren Ermittlungen Veranlassung hätten geben können,
  • wie etwa besondere bestehende Impfrisiken bei dem Kind, 

weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich waren (Beschlüsse des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt vom 08.03.2021 – 6 UF 3/21 – und des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 03.95.2017 – XII ZB 157/16 –).

Hinweis:
Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) ist zuständig für die 

  • Zulassung von Impfstoffen 

in der Europäischen Union. 

Für die 

  • Anwendungsempfehlung in Deutschland 

ist dagegen zuständig die beim Robert-Koch-Institut eingerichtete 

  • STIKO (vgl. dazu § 20 Abs. 2 und Abs. 2a Infektionsschutzgesetz (IFSG)), 

die prüfen wird, 

  • welchen Nutzen (welche) Kinder im Alter von zwölf bis fünfzehn Jahren (mit und ohne Vorerkrankungen) selber von der Impfung haben, also inwieweit (welche) dieser Kinder von einer Impfung profitieren sowie 
  • zu welchen, über das übliche Ausmaß einer Impfung hinausgehenden, Nebenwirkungen oder gesundheitlichen (Folge)Schädigungen es nach Datenlage bei (welchen) dieser Kinder im Fall einer Impfung kommen kann bzw. ob die derzeitige Datenlage schon zu einer solchen Beurteilung ausreicht

und anschließend unter Abwägung

  • des Nutzen-Risiko-Verhältnisses (auch für die Umgebung der Kinder und die Allgemeinheit)  

entscheiden wird, ob sie eine Empfehlung zur Durchführung der Impfung 

  • generell für alle Kinder im Alter von zwölf bis fünfzehn Jahren oder 
  • (nur) für bestimmte Kinder dieses Alters (unter bestimmten Voraussetzungen, wie etwa mit bestimmten Vorerkrankungen) 

gibt.

Wer entscheidet bei Uneinigkeit der gemeinsam sorgeberechtigten Eltern, ob ihr Kind geimpft wird?

Mit Beschluss vom 08.03.2021 – 6 UF 3/21 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem Fall, in dem Eltern eines 3-jährigen Kindes gemeinsam die elterliche Sorge ausübten und die Mutter das Kind 

  • gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) 

impfen lassen wollte, 

  • der Vater damit aber nicht einverstanden war und eine gerichtliche Prüfung der Impffähigkeit des Kindes verlangte,

der Mutter, 

  • auf ihren Antrag hin,

die alleinige Entscheidungsbefugnis über Standardimpfungen übertragen. 

Danach kann, wenn gemeinsam sorgeberechtigte Eltern uneinig darüber sind, 

  • ob bei ihrem Kind eine sog. Standard- oder Routineschutzimpfung durchgeführt werden soll,

nach § 1628 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB),

  • weil die Schutzimpfung eines Kindes auch dann eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind ist, wenn es sich um eine sogenannte Standard- oder Routineimpfung handelt,

die (alleinige) Entscheidungsbefugnis, 

  • ohne dass es, sofern im Einzelfall nicht, wegen besonderer bestehender Impfrisiken, Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht, der Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Impffähigkeit des Kindes bedarf, 

grundsätzlich auf den Elternteil übertragen werden, der seine Haltung 

  • an den Empfehlungen der STIKO 

orientiert, nach denen  

Begründet hat das OLG dies damit, dass 

  • bei einer Angelegenheit der Gesundheitssorge 

der Elternteil das für das Kindeswohl bessere Konzept verfolgt, der Impfungen 

  • offen gegenübersteht 

und diesbezüglich den fachlichen Empfehlungen der STIKO folgen will,

  • die am Kindeswohl orientierte Vorgehensweisen mit im Einzelnen dargestellten Handlungsvorschlägen vorsehen und 
  • denen die Funktion eines antizipierten Sachverständigengutachtens zukommt (Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt am Main).

Corona-Schutzimpfung: Was ist, wenn gemeinsam sorgeberechtigte Eltern uneinig darüber sind, ob ihr Kind geimpft werden soll

…. oder nicht?

Die (Schutz)Impfung eines Kindes ist eine 

  • Angelegenheit von erheblicher Bedeutung 

für das Kind.

Die Entscheidung darüber, 

  • ob ihr Kind geimpft werden soll oder nicht, 

muss von 

  • gemeinsam sorgeberechtigten Eltern, auch dann, wenn sie getrennt leben, 

im gegenseitigen Einvernehmen getroffen werden. 

Können sich gemeinsam sorgeberechtigte Eltern darüber, 

  • ob ihr Kind geimpft werden soll oder nicht, 

nicht einigen, kann 

  • jeder der Elternteile 

beim Familiengericht nach § 1628 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) beantragen, ihm die 

  • Entscheidungsbefugnis bezüglich der Impfung 

zu übertragen. 

Das Familiengericht trifft in einem solchen Fall 

  • nicht die Entscheidung anstelle der Eltern, 

sondern hat den im Rahmen der Sorgerechtsausübung aufgetretenen Konflikt der Eltern über die Impfung bzw. die Nichtimpfung dadurch zu lösen, dass es die 

  • Entscheidungsbefugnis dem Elternteil 

überträgt, dessen Lösungsvorschlag dem

  • Wohl des Kindes

besser gerecht wird (§ 1697a BGB). 

So der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH), der mit Beschluss vom 03.05.2017 – XII ZB 157/16 – in einem Fall, in dem Eltern uneinig darüber waren, 

  • ob bei ihrem Kind eine sog. Standard- oder Routineschutzimpfung (gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Pneumokokken, Rotaviren, Meningokokken C, Masern, Mumps und Röteln) durchgeführt werden soll,

entschieden hat, dass die Entscheidungsbefugnis über die Impffrage dem Elternteil, der die Impfung des Kindes 

  • entsprechend den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert-Koch-Institut (im Folgenden: STIKO)

befürwortet, jedenfalls dann übertragen werden kann, 

  • wenn bei dem Kind keine besonderen Impfrisiken vorliegen.

Begründet ist dies vom Senat damit worden, dass aufgrund der 

  • als medizinischer Standard anerkannten Empfehlungen der STIKO 

davon ausgegangen werden kann, dass 

  • der Nutzen der Impfungen 
  • deren Risiken 

überwiegt.