Tag Persönlichkeitsrecht

BVerwG entscheidet: In extremen Ausnahmesituationen darf Zugang zu einem Betäubungsmittel zur Selbsttötung nicht verwehren werden

Da das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG)

  • eines schwer und unheilbar kranken Patienten,
  • der seinen Willen frei bilden und entsprechend handeln kann,

auch das Recht umfasst zu entscheiden,

  • wie und zu welchem Zeitpunkt sein Leben beendet werden soll,

darf ihm vom Staat in extremen Einzelfällen der Zugang zu einem verkehrs- und verschreibungsfähigen Betäubungsmittel nicht verwehrt werden, das dem Patienten eine würdige und schmerzlose Selbsttötung ermöglicht.

Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) mit Urteil vom 02.03.2017 – 3 C 19.15 – in einem Fall entschieden, in dem eine Frau beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Erlaubnis zum Erwerb einer tödlichen Dosis eines Betäubungsmittels beantragt hatte, weil sie

  • seit einem Unfall im Jahr 2002 unter einer hochgradigen, fast kompletten Querschnittslähmung litt,
  • vom Hals abwärts gelähmt war,
  • künstlich beatmet werden musste,
  • aufgrund häufiger Krampfanfälle starke Schmerzen hatte sowie
  • auf ständige medizinische Betreuung und Pflege angewiesen war und

wegen dieser von ihr als unerträglich und entwürdigend empfundenen Leidenssituation den Wunsch hatte, aus dem Leben zu scheiden.

Wie das BVerwG ausgeführt hat, müsse im Lichte des verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrechts eine Ausnahme

  • von den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes, nach denen es grundsätzlich nicht möglich sei, den Erwerb eines Betäubungsmittels zum Zweck der Selbsttötung zu erlauben,

für schwer und unheilbar kranke Patienten gemacht werden, wenn

  • sie wegen ihrer unerträglichen Leidenssituation frei und ernsthaft entschieden haben, ihr Leben beenden zu wollen und
  • ihnen keine zumutbare Alternative – etwa durch einen palliativmedizinisch begleiteten Behandlungsabbruch – zur Verfügung steht.

Ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt und deshalb die Erlaubnis zu erteilen ist, hat das BfArM nach der Entscheidung des BVerwG zu prüfen (Quelle: Pressemitteilung des BVerwG vom 02.03.2017 – Nr. 11/2017 –).

Was zu beachten ist, wenn von Suchmaschinenbetreiber verlangt wird Links zu einem persönlichkeitsrechtsverletzenden Artikel zu sperren

Wer sich durch einen auf einer Internetplattform erschienenen Artikel und durch zu diesem Artikel führende Links rechtswidrig in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt sieht, muss,

  • wenn er von einem Suchmaschinenbetreiber, beispielsweise Google, verlangt, die Links zu dem Artikel als Suchergebnis zu sperren,
  • diese Links konkret bezeichnen und dem Suchmaschinenbetreiber mitteilen.

Nicht verlangt werden kann von dem Suchmaschinenbetreiber, unabhängig von der Suchanfrage, gar kein auf die Hauptdomain der Internetplattform verweisendes Suchergebnis mehr anzuzeigen.

Das hat der unter anderem für Pressesachen zuständige 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe mit Urteil vom 14.12.2016 – 6 U 2/15 – entschieden.

Ein Suchmaschinenbetreiber haftet danach nur nach konkretem Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung auf Unterlassung und ist nicht verpflichtet, seinerseits von Dritten in das Netz gestellte Beiträge aufzuspüren und auf eventuelle Persönlichkeitsrechtsverletzungen zu überprüfen (Quelle: Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 22.12.2016).

Wird ein Foto ohne Zustimmung des darauf Abgebildeten veröffentlicht, sollte dieser wissen, dass er

….., sofern keiner der Fälle des § 23 Abs. 1 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (KunstUrhG) vorliegt, in denen Bilder bzw. Bildnisse auch ohne Einwilligung des Abgebildeten verbreitet und zur Schau gestellt werden dürfen,

  • nicht nur wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts aus § 1004 und § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. § 22 KunstUrhG die Unterlassung der Veröffentlichung verlangen (vgl. Bundesgerichtshofs (BGH), Urteil vom 21.04.2015 – VI ZR 245/14 – zur Frage der Zulässigkeit der Veröffentlichung von Bildern, die eine sich zufällig in der Nähe eines Prominenten befindliche nicht prominente Person identifizierbar zeigen),
  • sondern auch Strafantrag nach § 33 Abs. 2 KunstUrhG stellen kann.

Wer entgegen den §§ 22, 23 KunstUrhG ein Bildnis verbreitet oder öffentlich zur Schau stellt, kann nach § 33 Abs. 1 KunstUrhG nämlich, sofern Strafantrag gestellt ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft werden.

Eine Journalistin, die in einer Ausgabe einer Zeitschrift einem Textbeitrag über die Ehefrau eines Moderators,

  • ohne deren Einwilligung auch Bilder von der Ehefrau des Moderators beim privaten Einkauf beigefügt hatte und
  • von der deswegen Strafantrag gestellt worden war,

ist deshalb auch vom Amtsgericht (AG) München am 21.07.2016 – 1116 Cs 115 Js 115315/16 –

  • wegen der Verbreitung eines Bildes ohne Einwilligung des Abgebildeten nach § 33 Abs. 1 KunstUrhG
  • zu einer Geldstrafe von 3000 Euro verurteilt worden.

Begründet hat das AG die Verurteilung u.a. damit, dass

  • die Journalistin entgegen § 22 Abs. 1 Satz 1 KunstUrhG ohne ausdrückliche Einwilligung der Ehefrau des Moderators Fotos von ihr beim Einkaufen veröffentlicht und
  • keiner der Fälle des § 23 Abs. 1 KunstUrhG, in denen Bilder bzw. Bildnisse auch ohne Einwilligung des Abgebildeten verbreitet und zur Schau gestellt werden dürfen, vorgelegen hat.

Insbesondere habe es sich bei den veröffentlichen Fotos nicht um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte gehandelt,

  • die nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG, sofern dadurch ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten nicht verletzt wird,
  • auch ohne die nach § 22 KunstUrhG erforderliche ausdrückliche Einwilligung verbreitet und zur Schau gestellt werden dürfen.

Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte seien Bilder von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse und/oder einer im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehenden Person und der von der Journalistin veröffentlichte Artikel habe weder ein Ereignis der Zeitgeschichte betroffen, noch sei er von generellen Informationsinteresse gedeckt.
Auch habe es sich bei der Frau des Moderators um keine im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehende Person gehandelt, sondern lediglich die Begleitperson eines Prominenten und Indizien, dass sie sich selbst in die Öffentlichkeit gedrängt habe, lägen ebenfalls nicht vor. Vielmehr habe die Journalistin die Aufnahmen offensichtlich heimlich gefertigt, als die Frau des Moderators privat unterwegs gewesen sei (Quelle: Pressemitteilung des AG München vom 26.09.2016 – 76/16 –).

Was Mütter und von ihnen öffentlich der Vaterschaft bezichtigte Männer wissen sollten, wenn Streit über die Vaterschaft besteht

Behauptet eine Mutter

  • öffentlich, auch über sozialen Medien, von einem Mann, dass er der Vater ihres Kindes ist und
  • veröffentlicht sie im Internet Bilder des Mannes und Bilder ihres Kindes, die sie mit „Kind des (Name des Mannes)“ untertitelt,

kann der die Vaterschaft bestreitende Mann, dessen Vaterschaft nicht bewiesen ist,

  • wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts die Unterlassung sowie die Löschung und den Widerruf dieser Behauptungen verlangen.

Das hat das Amtsgerichts (AG) München mit Urteil vom 12.04.2016 – 161 C 31397/15 – entschieden.

Begründet hat das AG dies u.a. damit,

  • dass es sich bei der Vaterschaftsbehauptung um eine auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfbare und die Privatsphäre betreffende Tatsachenbehauptung handle,
  • dass, wenn eine Mutter eine solche Behauptung aufstelle, sie die Beweislast für den Wahrheitsgehalt ihrer Behauptung trage, sie also nachweisen müsse, dass der von ihr als Vater Bezichtigte auch tatsächlich der Vater ihres Kindes ist und
  • wenn der Mutter dieser Nachweis nicht möglich sei, dem durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Grundgesetz (GG) geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Mannes Vorrang einzuräumen sei vor der nach Art. 5 GG geschützten Meinungsfreiheit der Mutter.

Weiter hat das AG darauf hingewiesen, dass die Veröffentlichung von Bildern einer Person, bei der es sich um keine Person der Zeitgeschichte handelt, nur mit Einwilligung der abgebildeten Person zulässig ist (Quelle: Pressemitteilung des AG München vom 30.09.2016 – 77/16 –).

BGH entscheidet: Bildberichterstattung über einen privaten Restaurantbesuch kann bei Politikern zulässig sein

Im Zusammenhang mit der Presseberichterstattung über ein bedeutendes politisches Ereignis,

  • beispielsweise einer Misstrauensabstimmung im Abgeordnetenhaus,

kann

  • die ohne Einwilligung erfolgende Veröffentlichung von Fotos,

die den davon betroffenen Politiker am Vorabend in einer für sich genommen privaten Situation zeigen,

  • durch das Informationsinteresse der Allgemeinheit gerechtfertigt sein.

Darauf und dass in einem solchen Fall

  • unter Berücksichtigung des Kontextes der Bildberichterstattung die Fotos dem Bereich der Zeitgeschichte nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (KunstUrhG) zuzuordnen sein können und
  • der durch Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützten Pressefreiheit Vorrang vor dem Persönlichkeitsrecht des Politikers einzuräumen sein kann,

hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 27.09.2016 – VI ZR 310/14 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall, in dem die Fotos

  • den Politiker in einer eher unverfänglichen Situation beim Abendessen in einem bekannten, von prominenten Personen besuchten Restaurant zeigten und
  • mit dem Text versehen waren, dass der Politiker „am Vorabend der Abstimmung im Parlament ersichtlich entspannt wirkt … und sich einen Drink in einer Bar genehmigt“,

sah der Senat keine berechtigten Interessen des abgebildeten Politikers im Sinne des § 23 Abs. 2 KunstUrhG verletzt und wies deshalb dessen Klage auf Unterlassung der Veröffentlichung der Bilder ab (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 27.09.2016 – Nr. 167/2016 –).

Dürfen personenbezogene Daten veröffentlicht werden oder hat man einen Anspruch auf Unterlassung?

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht verleiht dem Einzelnen die Befugnis, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden.
Hierunter fällt auch das Recht, grundsätzlich selbst darüber zu bestimmen, ob und welche Informationen über seine Person, z.B. in einem Online-Lexikon, veröffentlicht werden.

Da personenbezogene Daten aber zugleich ein Teil der sozialen Realität einer Person sind, müssen bei Daten aus dem Bereich der Privatsphäre, zu denen auch das Geburtsdatum gehört, die Persönlichkeitsinteressen des Betroffenen dann regelmäßig hinter der Meinungsfreiheit zurücktreten, wenn

  • die verbreiteten Tatsachen richtig sind,
  • an der Veröffentlichung ein öffentliches Interesse im Sinn der Meinungsbildung besteht und
  • die Folgen der Veröffentlichung für den Betroffenen nicht schwerwiegend sind, wobei hier insbesondere zu berücksichtigen ist, ob die Informationen aus einer öffentlich zugänglichen Quelle stammen.

Liegen diese Voraussetzungen vor, werden Betroffene durch die Veröffentlichung nicht in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und haben deshalb, wenn die Löschung verweigert wird, auch keinen Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung.

Darauf hat das Amtsgerichts (AG) München mit Urteil vom 30.09.2015 – 142 C 30130/14 – hingewiesen und in einem Fall,

  • in dem ein Online-Lexikon in einem Beitrag über eine Drehbuchautorin und Regisseurin deren Geburtsdatum veröffentlicht und als Nachweis dafür die Dissertation der Regisseurin angegeben hatte, in der ihr Geburtsdatum genannt war,

deren Klage auf Unterlassung der Veröffentlichung ihres Geburtsdatums abgewiesen.

Begründet hat das AG seine Entscheidung u. a. damit, dass

  • ein öffentliches Interesse an dem Geburtsjahr der Klägerin bestehe, weil diese eine renommierte, in der Öffentlichkeit stehende und bekannte Dokumentarfilm-Produzentin sei und
  • keine Anhaltspunkte bestünden, dass die Klägerin durch die Veröffentlichung des Geburtsjahres (in ihrem Beruf) erheblich beeinträchtigt werde oder dadurch ihre soziale Ausgrenzung oder Isolierung drohe (Quelle: Pressemitteilung 66/16 des AG München vom 26.08.2016).

Wann kann die Unterlassung einer nicht erweislich wahren Tatsachenbehauptung verlangt werden und wann nicht?

Tatsachenbehauptungen die wahr sind müssen in der Regel hingenommen werden (vgl. hierzu Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 29.06.2016 – 1 BvR 3487/14 – sowie zur Abgrenzung wann eine Tatsachenbehauptung und wann ein Werturteil vorliegt BVerfG, Beschluss vom 29.06.2016 – 1 BvR 2732/16 –).

Nicht dagegen hingenommen werden müssen in der Regel

  • bewusst unwahre oder
  • erwiesenermaßen falsche

Tatsachenbehauptungen, weil es

  • für deren Verbreitung in der Regel keinen Rechtfertigungsgrund gibt und
  • deshalb die Meinungsfreiheit bei der Äußerung grundsätzlich hinter das Persönlichkeitsrecht zurücktritt.

Bei Tatsachenbehauptungen, die

  • weder erweislich wahr
  • noch erwiesenermaßen unwahr sind,

bei denen der Verbreiter die Wahrheit seiner Behauptung also nur nicht beweisen kann (sog. non liquet),

  • ist eine Abwägungsentscheidung zwischen Meinungsfreiheit und allgemeinem Persönlichkeitsrecht zu treffen.

Für diesen Fall der Verbreitung von Tatsachenbehauptungen,

  • deren Wahrheitsgehalt nicht festgestellt werden kann,

kann

  • trotz der über § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in das zivilrechtliche Äußerungsrecht übertragbaren Beweisregel des § 186 Strafgesetzbuch (StGB), die dem Verbreiter die Beweislast für die Wahrheit der das Persönlichkeitsrecht eines anderen beeinträchtigenden Tatsachenbehauptung auferlegt,

das Grundrecht der Meinungsfreiheit einem generellen Vorrang des Persönlichkeitsrechts entgegenstehen.

Jedenfalls in Fällen,

  • in denen es um eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit geht,

kann auch eine möglicherweise unwahre Behauptung denjenigen, die sie aufstellen oder verbreiten,

  • so lange nicht untersagt werden, wie sie im Vorfeld hinreichend sorgfältige Recherchen über den Wahrheitsgehalt angestellt haben.

Je schwerwiegender die aufgestellte Behauptung in das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen eingreift, desto höher sind die Anforderungen an die Erfüllung der Sorgfaltspflicht, wobei

  • sich der Umfang der Sorgfaltspflichten nach dem jeweiligen Einzelfall richtet und
  • den Aufklärungsmöglichkeiten der Äußernden und
  • für Äußerungen der Presse strenger ist als für Äußerungen von Privatpersonen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 25.06.2009 – 1 BvR 134/03 – und vom 23.02.2000 – 1 BvR 456/95 –).

Im Fall äußerungsrechtlicher Unterlassungsbegehren kann die Wahrheitspflicht zudem über die Verpflichtung hinausgehen, alle Nachforschungsmöglichkeiten auszuschöpfen.

Wird offenbar, dass die Wahrheit einer persönlichkeitsverletzenden Behauptung sich nicht erweisen lässt, ist es zuzumuten,

  • auch nach Abschluss umfassender Recherchen kenntlich zu machen,
  • wenn verbreitete Behauptungen durch das Ergebnis eigener Nachforschungen nicht gedeckt sind oder kontrovers beurteilt werden.

Darauf hat die 3. Kammer des Ersten Senats des BVerfG mit Beschluss vom 28.06.2016 – 1 BvR 3388/14 – hingewiesen.

Wovon hängt es ab, ob Werturteile durch die Meinungsfreiheit geschützt sind oder nicht?

Ob Werturteile und/oder Tatsachenbehauptungen

  • strafbar sind, beispielsweise als Beleidigung nach § 185 Strafgesetzbuch (StGB) bzw.
  • deren Unterlassung verlangt werden kann,

hängt,

  • weil das Grundrecht der Meinungsfreiheit, unter deren Schutz Werturteile und Tatsachenbehauptungen fallen, wenn und soweit sie zur Bildung von Meinungen beitragen, nicht vorbehaltlos gewährt wird,
  • sondern seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen findet, zu denen auch die Vorschrift des § 185 StGB gehört,

grundsätzlich ab vom Ergebnis der vorzunehmenden Einzelfallabwägung zwischen

  • der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und
  • der Einbuße an Meinungsfreiheit durch ihr Verbot andererseits.

Beachtet werden muss dabei, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG)

  • nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen schützt,
  • sondern gerade Kritik auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen darf.

Insoweit liegt die Grenze zulässiger Meinungsäußerungen nicht schon da, wo eine polemische Zuspitzung für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist.

Einen Sonderfall,

  • in dem ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig ist,
  • weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktreten wird,

bilden herabsetzenden Äußerungen, die sich als

  • Formalbeleidigung oder
  • Schmähung

darstellen.

Wegen dieses die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Formalbeleidigung bzw. Schmähkritik von Verfassung wegen allerdings eng zu verstehen.

  • Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik mit ehrbeeinträchtigendem Gehalt macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung.

Eine Äußerung nimmt diesen Charakter vielmehr erst dann an,

  • wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache,
  • sondern – jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik – die Diffamierung der Person im Vordergrund steht,
    • also der ehrbeeinträchtigende Gehalt der Äußerung von vornherein außerhalb jedes in einer Sachauseinandersetzung wurzelnden Verwendungskontextes steht oder
    • der Sachbezug nur als mutwillig gesuchter Anlass oder Vorwand genutzt wird, um den anderen zu diffamieren.

Sie liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt.

Darauf hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) mit Beschluss vom 29.06.2016 – 1 BvR 2646/15 – hingewiesen.

Wann hat man wegen Beleidigung (auch) Anspruch auf eine Geldentschädigung und wann nicht?

Wer von einem anderen beleidigt wird, hat gegen diesen einen Anspruch auf eine Geldentschädigung gemäß § 823 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. Art. 1 und 2 Grundgesetz (GG) wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dann, wenn

  • es sich um einen schwerwiegenden Eingriff gehandelt hat und
  • die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 15.09.2015 – VI ZR 175/14 – und vom 21.04.2015 – VI ZR 245/14 –).

Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden.
Hierbei sind insbesondere zu berücksichtigen,

  • die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs,
  • Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie
  • der Grad seines Verschuldens (vgl. BGH, Urteile vom 09.07.1985 – VI ZR 214/83 –; vom 24.11.2009 – VI ZR 219/08 –; vom 17.12.2013 – VI ZR 211/12 –; vom 21.04.2015 – VI ZR 245/14 – und vom 15.09.2015 – VI ZR 175/14 –).

Bei der gebotenen Gesamtwürdigung ist auch ein erwirkter Unterlassungstitel zu berücksichtigen, also wenn beispielsweise der Beleidiger auf eine entsprechende Klage des Beleidigten hin, verurteilt worden ist,

  • die Beleidigung zu unterlassen und
  • dem Beleidiger im Falle der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld angedroht worden ist.

Ein solcher Titel und die mit ihm verbundenen Vollstreckungsmöglichkeiten können den Geldentschädigungsanspruch

  • beeinflussen und
  • im Zweifel sogar ausschließen (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.1971 – VI ZR 26/70 –; Beschluss vom 30.06.2009 – VI ZR 340/08 – und Urteil vom 15.09.2015 – VI ZR 175/14 –).

Denn die Zubilligung einer Geldentschädigung im Fall einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung findet ihre sachliche Berechtigung in dem Gedanken, dass

  • ohne einen solchen Anspruch
  • Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde (vgl. BGH, Urteile vom 09.07.1985 – VI ZR 214/83 –; vom 15.11.1994 – VI ZR 56/94 –; vom 05.10.2004 – VI ZR 255/03 –; vom 06.12.2005 – VI ZR 265/04 –; vom 17.12.2013 – VI ZR 211/12 – und vom 15.09.2015 – VI ZR 175/14 –).

Darauf hat der VI. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 24.05.2016 – VI ZR 496/15 – hingewiesen und in einem Fall,

  • in dem der Kläger, von dem Beklagten, seinem ehemaligen Vermieter, insbesondere in Kurzmitteilungen (SMS) an zwei Tagen unter anderem als „Lusche allerersten Grades“, „arrogante rotzige große asoziale Fresse“, „Schweinebacke“, „feiges Schwein“, „feige Sau“, „feiger Pisser“, „asozialer Abschaum“ sowie „kleiner Bastard“ bezeichnet worden war und
  • er im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens gegen den Beklagten ein Urteil erwirkt hatte, wonach der Beklagte es unter Androhung eines Ordnungsgeldes zu unterlassen hatte, den Kläger zu beleidigen und zu ihm in irgendeiner Form – auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln – unmittelbaren Kontakt aufzunehmen,

die Klage auf Zahlung einer Geldentschädigung mit der Begründung abgewiesen, dass nach den obigen Grundsätzen die Zahlung einer Geldentschädigung nicht erforderlich ist, weil

  • es sich bei den beanstandeten Äußerungen zwar um grobe Beleidigungen handelt, allerdings im persönlichen Umfeld ohne Breitenwirkung in der Öffentlichkeit,
  • die mit den Beleidigungen verbundenen Beeinträchtigungen befriedigend durch den vom Kläger im einstweiligen Verfügungsverfahren erwirkten strafbewehrten Unterlassungstitel und das Ordnungsmittelverfahren aufgefangen werden können und
  • des Weiteren der Kläger, von dem auch Strafanzeige gegen den Beklagten erstattet und der von der Staatsanwaltschaft auf den Privatklageweg verwiesen worden war, Gelegenheit hatte wegen der Beleidigungen den Privatklageweg zu beschreiten und sich auch dadurch Genugtuung zu verschaffen.

Wenn die Grundstückserschließungsstraße den Namen „Am Lusthaus“ erhält

Eine Grundstückseigentümerin, die sich dadurch, dass die an ihr Grundstück erschließende Straße den Straßennamen „Am Lusthaus“ erhalten hatte, in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt sah und mit der Begründung, dass sie durch diese Anschrift in einen anstößigen Zusammenhang gebracht werde, gegen die Straßenbenennung Klage erhoben hatte, hatte damit keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht (VG) Köln wies die Klage mit Urteil vom 03.03.2016 – 20 K 3900/14 – ab.

Nach Auffassung des VG berührt eine Straßenbenennung – insbesondere eine Erstbenennung – regelmäßig nicht die Persönlichkeitsrechte der dort wohnenden Menschen, da es

  • zum einen allein darum gehe, dass eine öffentliche Sache, nämlich eine Straße, benannt werde und
  • zum anderen der für die Straßenbenennung zuständigen Bezirksvertretung ein weiter Gestaltungsspielraum zustehe, der nicht überschritten worden sei.

 

Diesbezüglich wies das VG darauf hin, dass hier bei der Straßenbenennung die Gewannbezeichnung d. h. die alte Gebietsbezeichnung aufgegriffen worden sei, die einen historischen Bezug zu einem früher in unmittelbarer Nähe gelegenen Herrensitz habe.

Das hat die Pressestelle des Verwaltungsgerichts Köln am 03.03.2016 mitgeteilt.