Tag Persönlichkeitsrecht

Darf ein vom Vorwurf der Vergewaltigung Freigesprochener die Frau, die ihn angezeigt hat, als „Kriminelle“ bezeichnen?

Wer vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen worden ist, weil keine für eine Verurteilung ausreichende Gewissheit gewonnen werden konnte, dass der Vergewaltigungsvorwurf der Frau die ihn angezeigt hat zutreffend war, darf in öffentlichen Äußerungen

  • den gegen ihn gerichteten Vergewaltigungsvorwurf zwar als unzutreffend bezeichnen,
  • die Anzeigeerstatterin jedoch nicht als „Kriminelle“ persönlich herabwürdigen.

Das hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe mit Urteil vom 22.10.2014 – 6 U 152/13 – entschieden.

Danach ist ein Freigesprochener bei einer Fallgestaltung wie der vorliegenden, in der beide Parteien an ihrer ursprünglichen Sachdarstellung festgehalten, berechtigt, den Tatvorwurf der Vergewaltigung in öffentlichen Äußerungen als unzutreffend zu bezeichnen, obwohl damit notwendigerweise der Vorwurf der falschen Beschuldigung durch die Anzeigeerstatterin verbunden ist, den der Freigesprochene seinerseits nicht bewiesen hat.

Dagegen hat der Senat den Freigesprochenen für nicht berechtigt erachtet, die Anzeigeerstatterin mit der Bezeichnung als „Kriminelle“ persönlich herabzuwürdigen, da in Situationen wie der vorliegenden, in der nicht nur zugunsten des Freigesprochenen, sondern auch zugunsten der Anzeigeerstatterin die Unschuldsvermutung gelte, gegenüber derartigen Zuspitzungen,

  • mit denen einerseits die Unrichtigkeit des gegen ihn erhobenen Vorwurfs, also eine Tatsachenbehauptung, bekräftigt werden soll und
  • andererseits eine stark abwertende Beurteilung der Anzeigeerstatterin zum Ausdruck gebracht wird,

Zurückhaltung geboten sei.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Karlsruhe am 30.10.2014 mitgeteilt.

 

Verwertung rechtswidrig beschaffter E-Mails zum Zwecke der Presseberichterstattung.

Rechtswidrig beschaffte, der Presse zugespielte (private) E-Mails dürfen zum Zwecke der Presseberichterstattung verwertet und in direkter oder indirekter Rede veröffentlicht werden, wenn das verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit das Interesse des Betroffenen am Schutz seiner Persönlichkeit überwiegt.

Darauf hat der u.a. für den Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 30.09.2014 – VI ZR 490/12 – hingewiesen.

Danach wird zwar durch die Veröffentlichung des Inhalts von E-Mails, die Kommunikationsteilnehmer miteinander gewechselt haben, in deren Vertraulichkeitssphäre und deren Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen, die als Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ihr Interesse daran schützen, dass der Inhalt privater E-Mails nicht an die Öffentlichkeit gelangt.

Allerdings ist ein solcher Eingriff dann nicht rechtswidrig, wenn

  • sich die Presseorgane bzw. Redakteure die E-Mails nicht durch vorsätzlichen Rechtsbruch verschafft haben, um sie zu publizieren,
  • die Presseorgane bzw. Redakteure sich an dem Einbruch in die Vertraulichkeitssphäre des Kommunikationsteilnehmers auch nicht beteiligt, sondern aus dem Bruch der Vertraulichkeit lediglich Nutzen gezogen haben

sowie

  • das Informationsinteresse der Öffentlichkeit und das Recht auf Meinungsfreiheit
  • das Interesse des Kommunikationsteilnehmers am Schutz seiner Persönlichkeit auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die veröffentlichten Informationen von einem Dritten in rechtswidriger Weise beschafft worden sind,

überwiegt.

So kann beispielsweise das Informationsinteresse der Öffentlichkeit und das Recht auf Meinungsfreiheit dann überwiegen, wenn, wie in dem der Entscheidung des BGH zugrunde liegendem Fall, der Presse zugespielte E-Mails einen zutreffenden Missstand von erheblichem Gewicht offenbaren, an dessen Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse besteht.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 30.09.2014 – Nr. 137/2014 – mitgeteilt.

 

Wann liegt Schmähkritik vor und wann nicht?

Auch überspitzte Kritik fällt grundsätzlich in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit.

Darauf hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) mit Beschluss vom 28.07.2014 – 1 BvR 482/13 – hingewiesen.

Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts hat das Bundesverfassungsgericht den in der Fachgerichtsbarkeit entwickelten Begriff der Schmähkritik eng definiert. Danach macht auch eine überzogene oder ausfällige Kritik eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung.
Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung

  • nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache,
  • sondern die Diffamierung der Person

im Vordergrund steht.
Sie muss jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der persönlichen Herabsetzung bestehen.
Wesentliches Merkmal der Schmähung ist mithin eine

  • das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende
  • persönliche Kränkung.

Nur dann kann im Sinne einer Regelvermutung ausnahmsweise auf eine den verfassungsrechtlichen Maßstäben genügende Abwägung zwischen Meinungsfreiheit einerseits sowie Ehrenschutz andererseits, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 29.02.2012 – 1 BvR 2883/11 –) verzichtet werden.

Aus diesem Grund wird Schmähkritik

 

Wenn der Bevollmächtigte eines im Krankenhaus liegenden Patienten ein Besuchsverbot erteilt.

Grundsätzlich kann und darf jeder Mensch selbst bestimmen, welche Personen er als Besucher duldet und zwar auch dann, wenn er sich nicht in seinem geschützten Eigentum aufhält, sondern etwa in einem Krankenhaus.
Dieses Recht folgt aus dem aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) abgeleiteten allgemeinen Persönlichkeitsrecht, welches durch die Verfassung zwar zunächst nur gegenüber staatlichen Eingriffen geschützt ist, über die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte von den Gerichten aber auch bei der Auslegung zivilrechtlicher Normen, etwa § 823 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), berücksichtigt werden muss.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist als „sonstiges Recht“ i. S. d. 823 Abs. 1 BGB anerkannt.
Gegenstand des allgemeinen Persönlichkeitsrechts muss auch die Befugnis sein, Personen aus dem unmittelbaren Nähebereich, insbesondere der Intimsphäre, fernzuhalten.
Auch wenn es sich bei Krankenhäusern grundsätzlich um öffentliche Einrichtungen handelt, die im Rahmen der Hausordnung frei zugänglich sind, muss der Patient aufgrund seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch das Recht haben, Personen den Zutritt zu seinem Zimmer zu versagen, die nach den allgemeinen Regeln in dem Krankenhaus grundsätzlich zutrittsberechtigt gewesen wären.
Gerade ein Krankenzimmer ist als besonders intimer Bereich anzusehen.
Im Rahmen des Krankenhausvertrags ist die Einrichtung auch verpflichtet, diesen Vorstellungen des Patienten Geltung zu verschaffen,

  • zum einen, weil sich der Patient mit Abschluss des Krankenhausvertrags in die Obhut der Einrichtung begibt, wo er sich oft in einer mehr oder weniger hilflosen Lage befindet, sich nicht ohne Weiteres entfernen kann, andererseits aber auch kein Hausrecht hat, und
  • zum anderen, weil ungebetene Besucher sich oft auch nachteilig auf das Wohlbefinden des Patienten und damit den Heilungserfolg auswirken können.

Deshalb hat das Krankenhaus den diesbezüglichen Patientenwillen in der Regel zu beachten und ihm, soweit der Patient dazu nicht selbst in der Lage ist, auch durchzusetzen bzw. den Patienten bei der Durchsetzung zu unterstützen.

Hat ein Patient, der nicht in der Lage ist, einen Willen dahingehend kundzutun, wer ihn in dem Krankenhaus besuchen können soll, einem Dritten eine General- oder Vorsorgevollmacht erteilt, ist der Bevollmächtigte,

  • sofern seine Vollmacht auch die Vertretung des Patienten im Hinblick auf Besuchsrechte umfasst,

grundsätzlich auch berechtigt, für ihn insoweit zu handeln.

Eine solche Vertretungsmacht hat ihre Grenzen allerdings

  • in dem tatsächlich geäußerten oder mutmaßlichen Willen des Vollmachtgebers sowie
  • in der Sittenordnung (§ 138 BGB) und
  • den zivilrechtlichen Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB).

Die einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung durch die eine erteilte Vertretungsmacht begründet. Als solche ist sie nach § 133 BGB auslegungsfähig.

Besteht Streit darüber, ob der Bevollmächtigte berechtigt ist, ein solches Besuchs- und Informationsverbot zu erteilen, ist deshalb

  • durch Auslegung der die Vollmacht begründende Willenserklärung (§ 133 BGB) zu erforschen, was der Vollmachtgeber bei Erteilung der Vollmacht im Sinn hatte und ob der Bevollmächtigte von seiner rechtsgeschäftlichen Vollmacht nur im Interesse des Vollmachtgebers, nur im Rahmen der guten Sitten und nach dem Gebot von Treu und Glauben (§§ 138, 242 BGB)

Gebrauch gemacht hat oder,

  • was rechtsmissbräuchlich wäre, zur Durchsetzung persönlicher Interessen.

Darauf hat das Amtsgericht (AG) Ellwangen mit Beschluss vom 16.05.2014 – 2 C 221/14 – in einem Fall hingewiesen,

  • in dem die Mutter eines volljährigen Sohnes, die über eine ihr erteilte notarielle General- und Vorsorgevollmacht verfügte, das Krankenhaus, auf dessen Intensivstation der entscheidungsunfähige Sohn behandelt wurde, unter Gebrauch der Vollmacht angewiesen hatte, dem Vater den Besuch zu untersagen

und entschieden,

  • dass der Vater, wenn die Erforschung des Willens des Sohnes ergibt, dass die Bevollmächtigte von ihrer rechtsgeschäftlichen Vollmacht nicht im Interesse ihres Sohnes Gebrauch gemacht hat, das Besuchsrecht durch einstweilige Verfügung gegen die Bevollmächtigte durchsetzen kann.

Hinweis:
Macht ein Bevollmächtigter von einer ihm erteilten Vorsorgevollmacht rechtsmissbräuchlich Gebrauch macht, kann aber auch beim Betreuungsgericht angeregt werden, für den Vollmachtgeber, wenn dieser nicht mehr in der Lage ist, seinen diesbezüglichen Willen kundzutun, einen Betreuer zu bestellen. Eine Vorsorgevollmacht steht in solchen Fällen der Bestellung eines Betreuers nicht entgegen (vgl. Bundesgerichtshof (BGH) Beschlüsse vom 28.03.2012 – XII ZB 629/11 –; vom 13.02.2013 – XII ZB 647/12 – und vom 26.02.2014 – XII ZB 301/13 –).

 

Haben Ärzte Anspruch auf Löschung ihrer Daten aus einem Ärztebewertungsportal?

Niedergelassene Ärzte,

  • die in einem Portal zur Arztsuche und Arztbewertung mit ihrem akademischen Grad, ihrem Namen, ihrer Fachrichtung und der Anschrift ihrer Praxis verzeichnet sind und
  • dort von den Nutzern bewertet werden können,

können, gestützt auf ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht, vom Betreiber des Portals nicht verlangen,

  • es zu unterlassen, die sie betreffenden Daten – also „Basisdaten“ und Bewertungen – auf der Internetseite des Portals zu veröffentlichen, und
  • ihr Profil vollständig zu löschen.

Das hat der unter anderem für den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 23.09.2014 – VI ZR 358/13 – in einem Fall entschieden, in dem von einem im Portal schon mehrfach bewerteten Arzt eine entsprechende Klage gegen den Betreiber des Portals erhoben worden war.

Begründet hat der Senat seine Entscheidung damit, dass das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung das Recht der Beklagten auf Kommunikationsfreiheit nicht überwiege. Der Beklagte sei deshalb nach § 29 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) zur Erhebung, Speicherung und Nutzung sowie nach § 29 Abs. 2 BDSG zur Übermittlung der Daten an die Portalnutzer berechtigt.
Zwar werde ein Arzt durch seine Aufnahme in ein Bewertungsportal nicht unerheblich belastet. Abgegebene Bewertungen könnten nämlich – neben den Auswirkungen für den sozialen und beruflichen Geltungsanspruch des Arztes – die Arztwahl behandlungsbedürftiger Personen beeinflussen, so dass er im Falle negativer Bewertungen wirtschaftliche Nachteile zu gewärtigen habe. Auch bestehe eine gewisse Gefahr des Missbrauchs des Portals.

Auf der anderen Seite sei im Rahmen der Abwägung aber zu berücksichtigen, dass das Interesse der Öffentlichkeit an Informationen über ärztliche Leistungen vor dem Hintergrund der freien Arztwahl ganz erheblich ist und das von der Beklagten betriebene Portal dazu beitragen kann, einem Patienten die aus seiner Sicht erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen.
Zudem berührten die für den Betrieb des Portals erhobenen, gespeicherten und übermittelten Daten den Arzt nur in seiner sogenannten „Sozialsphäre“, also in einem Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung von vornherein im Kontakt mit anderen Personen vollziehe.
Hier müsse sich der Einzelne auf die Beobachtung seines Verhaltens durch eine breitere Öffentlichkeit sowie auf Kritik einstellen.

Missbrauchsgefahren sei der betroffene Arzt im Übrigen nicht schutzlos ausgeliefert, da er von der Beklagten die Löschung unwahrer Tatsachenbehauptungen sowie beleidigender oder sonst unzulässiger Bewertungen verlangen kann.
Dass Bewertungen anonym abgegeben werden können, führe zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Möglichkeit zur anonymen Nutzung sei dem Internet immanent (vgl. § 13 Abs. 6 Satz 1 des Telemediengesetzes (TMG)).

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 23.09.2014 – Nr. 132/2014 – mitgeteilt.

 

Das heimliche Mithören eines Telefonats.

Lässt Jemand einen anderen heimlich ein Telefongespräch mithören, um ihn als Zeugen für den Inhalt des Gesprächs zu haben, kann er den Inhalt des Telefonats durch den heimlichen Mithörer nicht beweisen. Denn die Zeugenaussage eines solchen heimlichen Mithörers darf vom Gericht nicht verwertet werden.

Das hat, wie die Pressestelle des Amtsgerichts (AG) München am 29.08.2014 – 37/14 – mitteilte, das AG München mit Urteil vom 10.07.14 – 222 C 1187/14 – entschieden.

Das heimliche Mithören eines Telefonats verletzt nach dieser Entscheidung den Gesprächspartner in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und ist, wenn damit der alleinige Zweck verfolgt wird, ein Beweismittel zu bekommen, grundsätzlich auch nicht gerechtfertigt. Gerechtfertigt kann ein heimliches Mithören nur dann sein, wenn dadurch höherrangige Interessen gewahrt werden sollen.

Dieses Urteil des AG München entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). Mit Urteil vom 17.02.2010 – VIII ZR 70/07 – hat der BGH darauf hingewiesen, dass die Aussage eines Zeugen über den Inhalt eines Telefongesprächs, das er ohne Wissen des Gesprächspartners mitgehört hat, nicht verwertet werden darf.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt in der Erhebung und Verwertung der Aussage eines Zeugen, der ein Telefonat ohne Einwilligung des Gesprächspartners mitgehört hat, nämlich ein Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützte Recht des Gesprächspartners am gesprochenen Wort, für den es einer dem Rang des grundrechtlichen Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Rechnung tragenden Rechtfertigung bedarf (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.10.2002 – 1 BvR 1611/96 – 1 BvR 805/98 –; ebenso BGH, Urteil vom 18.02.2003 – XI ZR 165/02 –).

  • Dabei reicht das allgemeine Interesse an einer funktionstüchtigen Straf- und Zivilrechtspflege nicht aus, um im Rahmen der erforderlichen Abwägung von einem gleichen oder höheren Gewicht ausgehen zu können, als es dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zukommt.
  • Vielmehr müssen weitere Aspekte hinzutreten, die ergeben, dass das Interesse an der Beweiserhebung trotz der Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung schutzwürdig ist.

Das Bundesverfassungsgericht und die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verweisen insoweit auf notwehrähnliche Situationen wie die Anfertigung heimlicher Tonbandaufnahmen zur Feststellung der Identität eines anonymen Anrufers oder zur Feststellung erpresserischer Drohungen oder den Fall eines auf andere Weise nicht abwehrbaren Angriffs auf die berufliche Existenz (so BGH, Urteil vom 17.02.2010 – VIII ZR 70/07 –).

 

Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch Äußerungen in Presseveröffentlichungen?

Zu den Schutzgütern des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zählt die soziale Anerkennung des Einzelnen. Es umfasst den Schutz des Einzelnen vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf sein Bild in der Öffentlichkeit auszuwirken (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 25.10.2011 – VI ZR 332/09 –; BGH, Beschluss vom 16.10.2013 – XII ZB 176/12 –).

Ob eine in einer Presseveröffentlichung enthaltene Äußerung eine solche Eignung besitzt und demzufolge wegen eines Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) bestehen kann, hängt davon ab, welcher Aussagegehalt ihr zukommt.

  • Bei der mithin notwendigen Sinndeutung ist zu beachten, dass die Äußerung stets in dem Zusammenhang zu beurteilen ist, in dem sie gefallen ist.
  • Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (vgl. BGH, Urteile vom 22.09.2009 – VI ZR 19/08 – und vom 11.03.2008 – VI ZR 7/07 –).

 

Darauf hat der VI. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 27.05.2014 – VI ZR 153/13 – hingewiesen.

 

Bildberichterstattung über das Mieterfest einer Wohnungsbaugenossenschaft in deren an ihre Mieter gerichteten Informationsbroschüre – Ist sie (auch) ohne Einwilligung der Abgebildeten zulässig?

In dem vom VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 08.04.2014 – VI ZR 197/13 – entschiedenen Fall verlangten die Klägerinnen, Großmutter, Tochter und Enkelin, von der Beklagten, einer Wohnungsbaugenossenschaft, Zahlung einer Geldentschädigung und von Abmahnkosten wegen einer ohne ihre Einwilligung erfolgten Veröffentlichung und Verbreitung eines Fotos, das die Klägerinnen gemeinsam auf einem von der Beklagten veranstalteten Mieterfest zeigt.
Das beanstandete Foto war, neben anderen, bei dem jährlich stattfindenden Mieterfest der Beklagten gefertigt worden. Auf ihm waren im Vordergrund die Klägerinnen zu 1 und 2 zu sehen, wie sie die Klägerin zu 3, ein Kleinkind, füttern.
Dieses Foto hatte die Beklagte in ihrer Broschüre „Informationen der Genossenschaft“, Ausgabe 2010, neben weiteren neun Fotos, veröffentlicht, auf denen Teilnehmer des Mieterfestes, einzeln und in Gruppen, zu sehen sind. Die Broschüre war in einer Auflage von 2.800 Stück hergestellt und an Genossenschaftsmieter verteilt worden.

Nach der Entscheidung des VI. Zivilsenats des BGH haben die Klägerinnen gegen die Beklagte hier bereits deshalb keinen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1, Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i. V. m. §§ 22, 23 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bilden Künste und der Photographie (KUG), Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) auf Unterlassung der Veröffentlichung des beanstandeten Bildnisses, weil dieses Bild dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) und berechtigte Interessen der Abgebildeten nicht verletzt wurden (§ 23 Abs. 2 KUG).

Die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen ist nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen (vgl. grundlegend BGH, Urteile vom 06.03.2007 – VI ZR 51/06 –; vom 18.10.2011 – VI ZR 5/10 –; vom 22.11.2011 – VI ZR 26/11 –; vom 18.09.2012 – VI ZR 291/10 – und vom 28.05.2013 – VI ZR 125/12 –), das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 26.02.2008 – 1 BvR 1602/07, 1 BvR 1606/07, 1 BvR 1626/07 –) als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im Einklang steht (vgl. EGMR, Urteile vom 24.06.2004 – 59320/00 – sowie vom 07.02.2012 – 40660/08, 60641/08 – und – 39954/08 –).

  • Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG).
  • Hiervon besteht allerdings gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt.
  • Diese Ausnahme gilt aber nicht für die Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).

Nach diesen Grundsätzen war die von den Klägerinnen angegriffene Veröffentlichung der beanstandeten Bildberichterstattung auch ohne ihre Einwilligung zulässig.

Bei dem beanstandeten Foto der Klägerinnen handelte es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte.
Schon die Beurteilung, ob Abbildungen Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG sind, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten der Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) einerseits und den Rechten der Medien aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits (vgl. etwa BGH, Urteil vom 28.05.2013 – VI ZR 125/12 –).

Der für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, maßgebende Begriff des Zeitgeschehens umfasst alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse.
Dazu können auch Veranstaltungen von nur regionaler oder lokaler Bedeutung gehören (vgl. zu Sportveranstaltungen BGH, Urteil vom 28.05.2013 – VI ZR 125/12 –).

Ein Informationsinteresse besteht allerdings nicht schrankenlos,

  • vielmehr ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen und
  • es bedarf gerade bei unterhaltenden Inhalten im besonderen Maß einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen (vgl. BGH, Urteile vom 01. 07.2008 – VI ZR 67/08 –; vom 13.04.2010 – VI ZR 125/08 – und vom 28.05.2013 – VI ZR 125/12 –).
  • Der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung ist im Gesamtkontext, in den das Personenbildnis gestellt ist, zu ermitteln.

Die Bildberichterstattung in der Informationsbroschüre der Beklagten befasste sich mit dem – jährlich stattfindenden – Mieterfest der beklagten Wohnungsbaugenossenschaft im August 2010 und zeigte repräsentativ auf insgesamt zehn Bildern Teilnehmer, sowohl in Gruppen, als auch einzeln.
Die Bilder fingen Szenen des Mieterfestes ein, die ein harmonisches Zusammensein von Jung und Alt in fröhlicher und entspannter Atmosphäre zeigten.
Die Bildberichterstattung vermittelte den Eindruck, dass Mitbewohner aller Altersgruppen das Fest genossen haben und zwischen ihnen gute nachbarschaftliche Beziehungen bestehen. In diesen Zusammenhang passte gerade das Bild der Klägerinnen, welches drei Generationen vereint.
Zwar gab es – außer dem Hinweis auf das Mieterfest und der Ankündigung der entsprechenden Veranstaltung im Folgejahr – keine begleitende Textberichterstattung, doch bereits durch die Auswahl der gezeigten Fotos wurde dem Leser ein Eindruck über dessen Verlauf vermittelt.
Das Mieterfest ist ein Ereignis von lokaler gesellschaftlicher Bedeutung.
Die Informationsbroschüre der Beklagten, in der über das Fest berichtet wurde, war an ihre Mieter gerichtet, also an den (beschränkten) Personenkreis, der üblicherweise an dem Fest teilnahm und entsprechend der Ankündigung eingeladen war, im Folgejahr teilzunehmen.
Das Recht, über solche zeitgeschichtlichen Ereignisse aus dem gesellschaftlichen Bereich zu berichten, steht grundsätzlich auch der Beklagten zu, wenn sie eine Informationsbroschüre herausgibt; denn auch eine solche Broschüre gehört zu den Medien.

Die Beklagte kann sich unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG auf ein schützenswertes Interesse berufen, ihre Genossenschaftsmieter im Bild über den Ablauf und die Atmosphäre der Veranstaltung zu informieren.
Die Bildberichterstattung der Beklagten über das Mieterfest in ihrer Informationsbroschüre an ihre Mieter erfüllt eine wichtige Funktion, denn ein solches Fest pflegt und schafft gute nachbarschaftliche Beziehungen. Die Berichterstattung vermittelt den Eindruck, dass die Mitbewohner sich in der Wohnungsbaugenossenschaft wohlfühlen und es sich lohnt, dort Mitglied bzw. Mieter zu sein.

Die Beeinträchtigung der Rechte der Klägerinnen durch das – ohne Namensnennung – veröffentlichte Foto ist dagegen gering.
Es handelte sich um ein für alle Mieter und Mitbewohner zugängliches Fest, über welches die Beklagte schon in den Vorjahren in ihrer Mieterbroschüre in Bildern berichtet hatte. Insofern war zu erwarten, dass in entsprechender Weise auch über das Mieterfest 2010 berichtet werden würde.
Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass das Foto heimlich angefertigt wurde, auch wenn die Klägerinnen die Anfertigung der konkreten Aufnahmen möglicherweise nicht bemerkt haben.
Die Informationsbroschüre der Beklagten wurde schließlich nur an ihre Mieter verteilt, mithin an einen begrenzten Adressatenkreis, aus dem die Teilnehmer des Mieterfestes stammten.
Auch war nichts dafür ersichtlich, dass die Veröffentlichung des Bildes die kindgerechte Entwicklung der Klägerin zu 3 beeinträchtigen könnte.

Der Verbreitung des beanstandeten Bildnisses standen auch keine besonderen schützenswerten Interessen der Klägerinnen entgegen (§ 23 Abs. 2 KUG). Das Bild war in keiner Weise unvorteilhaft oder ehrverletzend.

War mithin die von den Klägerinnen angegriffene Veröffentlichung der beanstandeten Bildberichterstattung auch ohne ihre Einwilligung zulässig, besteht weder ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten noch ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. 

 

Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB – wegen Mitteilung belastender, psychischer Störungen auslösender Informationen? – wegen Verletzung des „Rechts auf Nichtwissen der eigenen genetischen Veranlagung“?

§ 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bezweckt nicht den Schutz eines sorgeberechtigen Elternteils vor den psychischen Belastungen, die damit verbunden sind, dass er von einer genetisch bedingten Erkrankung des anderen Elternteils und dem damit einhergehenden Risiko Kenntnis erlangt, dass die gemeinsamen Kinder auch Träger der Krankheit sein könnten.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst ein „Recht auf Nichtwissen der eigenen genetischen Veranlagung“, das den Einzelnen davor schützt, Kenntnis über ihn betreffende genetische Informationen mit Aussagekraft für seine persönliche Zukunft zu erlangen, ohne dies zu wollen.

Darauf hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 20.05.2014 – VI ZR 381/13 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall beanspruchte die Klägerin von dem beklagten Oberarzt einer Fachabteilung für Psychiatrie und Psychotherapie Ersatz materiellen und immateriellen Schadens wegen der Information über eine bei ihrem geschiedenen Ehemann festgestellte Erbkrankheit.
Der von der Schweigepflicht gegenüber der Klägerin entbundene beklagte Arzt ihres geschiedenen Ehemanns hatte auf dessen Wunsch die Klägerin über dessen Erkrankung an Chorea Huntington informiert und sie darauf hingewiesen, dass die – zu diesem Zeitpunkt 12 und 16 Jahre alten – gemeinsamen Kinder die genetische Anlage der Erkrankung mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% geerbt hätten. Diese Mitteilung hatte bei der Klägerin eine reaktive Depression zur Folge wegen der sie seit Anfang 2011 krankgeschrieben ist.
Mit der Klage begehrte die Klägerin Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 15.000 € sowie die Feststellung der Ersatzverpflichtung des Beklagten hinsichtlich der ihr entstandenen materiellen und immateriellen Schäden.

Nach der Entscheidung des VI. Zivilsenats des BGH stehen der Klägerin gegen den Beklagten keine Ansprüche auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens wegen der Mitteilung zu, dass ihr geschiedener Ehemann an Chorea Huntington erkrankt sei und ihre Kinder die genetische Anlage der Erkrankung mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% geerbt hätten.

Durch die Mitteilung belastender Informationen ausgelöste psychische Störungen von Krankheitswert können zwar eine Gesundheitsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB darstellen (vgl. BGH, Urteil vom 22.05.2007 – VI ZR 17/06 –).
Vorliegend fehlt es allerdings an dem für eine Haftung erforderlichen Zurechnungszusammenhang zwischen der Mitteilung des Beklagten und der von der Klägerin geltend gemachten Gesundheitsverletzung.
In der Rechtsprechung des BGH ist es anerkannt, dass die Schadensersatzpflicht durch den Schutzzweck der Norm begrenzt wird.
Dies gilt unabhängig davon, auf welche Bestimmung die Haftung gestützt wird.
Eine Schadensersatzpflicht besteht nur, wenn die Tatfolgen, für die Ersatz 
begehrt wird, aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte vertragliche oder vorvertragliche Pflicht übernommen worden ist (vgl. BGH, Urteile vom 22.05.2012 – VI ZR 157/11 –; vom 11.06.2010 – V ZR 85/09 –; vom 14.03.2006 – X ZR 46/04 –; vom 11.01.2005 – X ZR 163/02 –).

  • Die Schadensersatzpflicht hängt zum einen davon ab, ob die verletzte Bestimmung überhaupt den Schutz Einzelner bezweckt und der Verletzte gegebenenfalls zu dem geschützten Personenkreis gehört.
  • Zum anderen muss geprüft werden, ob die Bestimmung das verletzte Rechtsgut schützen soll.
  • Darüber hinaus muss die Norm den Schutz des Rechtsguts gerade gegen die vorliegende Schädigungsart bezwecken; die geltend gemachte Rechtsgutsverletzung bzw. der geltend gemachte Schaden müssen also auch nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm fallen (BGH, Urteil vom 14.03.2006 – X ZR 46/04 –).

An letzterem fehlt es in der Regel, wenn sich eine Gefahr realisiert hat, die dem allgemeinen Lebensrisiko und damit dem Risikobereich des Geschädigten zuzurechnen ist.
Der Schädiger kann nicht für solche Verletzungen oder Schäden haftbar gemacht werden, die der Betroffene in seinem Leben auch sonst üblicherweise zu gewärtigen hat (vgl. BGH, Urteil vom 22.05.2007 – VI ZR 17/06 –). Insoweit ist eine wertende Betrachtung geboten.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die Erkrankung der Klägerin dem Beklagten haftungsrechtlich nicht zuzurechnen.
Dass eine schwerwiegende – möglicherweise auch für die Gesundheit der gemeinsamen Kinder relevante – Krankheit eines Elternteils erkannt und dem anderen Elternteil bekannt wird, ist ein Schicksal, das Eltern jederzeit widerfahren kann. Es gehört zu den allgemeinen Lebensrisiken, fällt aber nicht in den Bereich der Gefahren, vor denen § 823 Abs. 1 BGB schützen will. Die Bestimmung bezweckt nicht den Schutz eines sorgeberechtigen Elternteils vor den psychischen Belastungen, die damit verbunden sind, dass er von einer genetisch bedingten Erkrankung des anderen Elternteils und dem damit einhergehenden Risiko Kenntnis erlangt, dass die gemeinsamen Kinder auch Träger der Krankheit sein könnten. Derartige Belastungen haben die Personensorgeberechtigten vielmehr grundsätzlich hinzunehmen, ohne den Überbringer der Nachricht dafür verantwortlich machen zu können.

Auch ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Ausprägung eines „Rechts auf Nichtwissen“ steht der Klägerin nicht zu.
Zwar schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch das Interesse des Einzelnen, nicht mehr über seine genetischen Eigenschaften wissen zu müssen, als er selbst will.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ergänzt als „unbenanntes“ Freiheitsrecht die speziellen Freiheitsrechte, die, wie etwa die Gewissens- oder die Meinungsfreiheit, ebenfalls konstituierende Elemente der Persönlichkeit schützen. Seine Aufgabe ist es, im Sinne des obersten Konstitutionsprinzips der Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG)) die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen zu gewährleisten, die sich durch die traditionellen Freiheitsgarantien nicht vollständig erfassen lassen; diese Notwendigkeit besteht namentlich auch im Blick auf moderne Entwicklungen und die mit ihnen verbundenen neuen Gefährdungen für den Schutz der menschlichen Persönlichkeit.
Die genetische Konstitution prägt die Persönlichkeit des Einzelnen und bestimmt wesentliche Rahmenbedingungen seiner Existenz. Die Kenntnis von Erbanlagen, insbesondere genetisch bedingten Krankheitsanlagen, kann maßgeblichen Einfluss auf die Lebensplanung und Lebensführung einer Person haben und berührt deshalb unmittelbar ihr in Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistetes Selbstbestimmungsrecht.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst deshalb ein „Recht auf Nichtwissen der eigenen genetischen Veranlagung“, das den Einzelnen davor schützt, Kenntnis über ihn betreffende genetische Informationen mit Aussagekraft für seine persönliche Zukunft zu erlangen, ohne dies zu wollen (vgl. §§ 1, 9 Abs. 2 Nr. 5 Gesetz über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnosegesetz – GenDG)).
Es kann dahinstehen, ob das „Recht auf Nichtwissen der eigenen genetischen Veranlagung“ bereits dadurch beeinträchtigt wird, dass einer Person der Hinweis gegeben wird, sie sei möglicherweise Trägerin einer Erbkrankheit.
Dies könnte deshalb zweifelhaft sein, weil eine freie Entscheidung, bestimmte Informationen nicht erhalten zu wollen, voraussetzt, dass der Betroffene weiß, dass es Informationen gibt, die er zur Kenntnis nehmen könnte. Auf diese Frage kommt es indes nicht an.
Denn die Klägerin ist in ihrem „Recht auf Nichtwissen der eigenen genetischen Veranlagung“ nicht betroffen.
Sie stützt die geltend gemachten Schadensersatzansprüche nicht auf eine Mitteilung ihrer eigenen genetischen Konstitution, sondern darauf dass der Beklagte sie über eine bei ihrem geschiedenen Mann bestehende Erkrankung informiert hat, deren genetische Anlage ihre Kinder möglicherweise geerbt haben.
Aus einer etwaigen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ihrer Kinder kann die Klägerin aber keine Schadensersatzansprüche ableiten.

Schadensersatzansprüche der Klägerin aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem GenDG scheiden ebenfalls aus. Das Gesetz enthält keine Bestimmung, wonach das Ergebnis einer diagnostischen genetischen Untersuchung trotz ausdrücklicher schriftlicher Einwilligung des von der Untersuchung Betroffenen solchen Personen nicht bekanntgegeben werden dürfte, die – wie die Klägerin – mit dem Betroffenen genetisch nicht verwandt sind. 

 

Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung eines Kindes durch Bekanntgabe des zwischen ihm und einem bekannten Fernsehmoderator bestehenden Kindschaftsverhältnisses?

Durch die Bekanntgabe seines Vornamens, seines Alters und des zwischen ihm und einem bekannten Fernsehmoderator bestehenden Kindschaftsverhältnisses wird das Kind in seinem in Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG), Art. 8 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gewährleisteten allgemeinen Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt.
Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist allerdings nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt.
Geht der Streit darum, ob in der Presse das Kindschaftsverhältnis zwischen einem Kind und einem bekannten Fernsehmoderator bekannt gegeben werden darf ist das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse des Kindes am Schutz seiner Persönlichkeit mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit abzuwägen.

Darauf hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 29.04.2014 – VI ZR 137/13 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall nahm die im Zeitpunkt der Berichterstattung 14 Jahre alte Tochter des Fernsehmoderators Günther J. die Beklagte auf Unterlassung der Bekanntgabe des zu Günther J. bestehenden Kindschaftsverhältnisses in Anspruch.
Im Jahr 2000 wurde die Klägerin von Günther J. und seiner Ehefrau Thea S.-J. als Kind angenommen. Die Klägerin trägt den Familiennamen S. Über das Kindschaftsverhältnis zwischen der Klägerin und Günther J. wurde bis in das Jahr 2009 in verschiedenen Presseveröffentlichungen unter Angabe des Vornamens der Klägerin, ihres Alters und des Namens ihrer Eltern berichtet.
In der Ausgabe der Zeitschrift „Frau im Spiegel“ vom 08.07.2011 veröffentlichte die Beklagte unter der Überschrift „Gefragt wie ein Popstar“ einen Bericht über einen Auftritt von Günther J. im Rahmen des sogenannten „Zeitcampus“ in der Frankfurter Goethe-Universität.
Darin hieß es unter voller Namensnennung u.a.:
„Zurückhaltender ist er, was sein Privatleben angeht. Er ist mit Diplompädagogin Thea S., 50, verheiratet. Das Paar hat vier Kinder, die leiblichen Töchter Svenja, 22, und Kristin, 18, dazu die Adoptivtöchter Katja, 14, und Mascha, 21.“

Der VI. Zivilsenat des BGH hat die Klage der Tochter von Günther J. abgewiesen.

Der Klägerin steht danach gegen die Beklagte kein Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) iVm § 823 Abs. 1 BGB, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG auf Unterlassung der Bekanntgabe des zwischen ihr und Günther J. bestehenden Kindschaftsverhältnisses zu.

Allerdings wird – wie der VI. Zivilsenat des BGH ausgeführt hat – die Klägerin durch die Bekanntgabe ihres Vornamens, ihres Alters und des zwischen ihr und Günther J. bestehenden Kindschaftsverhältnisses in ihrem in Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleisteten allgemeinen Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt.
Betroffenes Schutzgut ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das über den Schutz der Privatsphäre des Einzelnen hinausgeht und ihm die Befugnis gibt, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Es umfasst die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst darüber zu entscheiden, ob, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BGH, Urteile vom 05.11.2013 – VI ZR 304/12 – und vom 23.06.2009 – VI ZR 196/08 –). Allerdings gewährt es dem Einzelnen kein unbeschränktes dingliches Herrschaftsrecht über bestimmte Informationen, sondern findet seine Grenze in den Rechten Dritter – beispielsweise auf Meinungs- und Medienfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK.

Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin ist vorliegend aber nicht rechtswidrig. Das Interesse der Klägerin am Schutz ihrer Persönlichkeit überwiegt das von der Beklagten verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit nicht.
Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind.
Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. BGH, Urteile vom 17.12.2013 – VI ZR 211/12 – und vom 05.11.2013 – VI ZR 304/12 –).

Im Streitfall ist das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse der Klägerin am Schutz ihrer Persönlichkeit mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit abzuwägen.

Dabei war zu Gunsten der Klägerin in die Abwägung einzustellen, dass sie im Zeitpunkt der Veröffentlichung erst 12 Jahre alt war. Kinder bedürfen eines besonderen Schutzes, weil sie sich erst zu eigenverantwortlichen Personen entwickeln müssen. Ihre Persönlichkeitsentfaltung kann durch die Berichterstattung empfindlicher gestört werden als die von Erwachsenen. Dabei kann eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts eines Kindes nicht nur dann vorliegen, wenn das Kind die persönlichkeitserheblichen Einwirkungen Dritter bemerkt. Eine Beeinträchtigung ist vielmehr schon dann gegeben, wenn Dritte persönlichkeitsbezogene Informationen verbreiten und dies dazu führen kann, dass dem Kind in Zukunft nicht unbefangen begegnet wird oder es sich speziellen Verhaltenserwartungen ausgesetzt sieht (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.2013 – VI ZR 304/12 –).

Zu Gunsten der Beklagten fällt dagegen ausschlaggebend ins Gewicht, dass die in der angegriffenen Berichterstattung mitgeteilten Informationen über die Klägerin bereits vor der Veröffentlichung einer breiten Öffentlichkeit bekannt waren und die Sicht auf die Klägerin prägten. In den Jahren 2000, 2001 und 2006 bis 2009 waren nämlich jedenfalls elf Presseberichte in unterschiedlichen – jeweils auflagenstarken und breite Bevölkerungsschichten erreichenden – Medien erschienen, in denen im Zusammenhang mit einer Berichterstattung über den prominenten Vater der Klägerin ihr Vorname, Alter und das zwischen ihr und Günther J. bestehende Kindschaftsverhältnis mitgeteilt wurden und damit bereits vor der streitgegenständlichen Veröffentlichung einer großen Zahl von Personen bekannt geworden waren, die sie ihrerseits weitergeben konnten.
Die Klägerin hatte dadurch ihre Anonymität vor der angegriffenen Berichterstattung verloren; angesichts der Kürze der zwischen den letzten Vorveröffentlichungen und der angegriffenen Berichterstattung liegenden Zeit hatte sie ihre Anonymität noch nicht wieder erlangt.
Die angegriffene Berichterstattung fügte dem nichts Neues hinzu und hatte damit keinen eigenständigen Verletzungsgehalt.

Auch ist die Veröffentlichung der bereits bekannten Informationen nicht deshalb rechtswidrig, weil ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht bestehe und Veröffentlichungen über die persönlichen Verhältnisse des Vaters der Klägerin erfolgen könnten, ohne dass der Vorname und das Alter der Klägerin mitgeteilt würden.
Zwar wertet die Veröffentlichung der persönlichen Daten der Klägerin den Artikel über den Auftritt von Günther J. beim Campus-Talk an der Goethe-Universität nur in seinem Unterhaltungswert auf und macht ihn anschaulicher.
Es gehört aber zum Kern der Meinungs- und Medienfreiheit, dass die Medien im Grundsatz nach ihren eigenen publizistischen Kriterien entscheiden können, was sie des öffentlichen Interesses wert halten und was nicht. Dabei können auch unterhaltende Beiträge, etwa über prominente Personen oder über ihren sozialen Kontext, am Schutz der Meinungsfreiheit teilnehmen (vgl. BGH, Urteile vom 22.11.2011 – VI ZR 26/11 –; vom 10.03.2009 – VI ZR 261/07 –; vom 28.10.2008 – VI ZR 307/07 – und vom 14.10.2008 – VI ZR 256/06 –).
Denn die Meinungsfreiheit ist nicht nur unter dem Vorbehalt des öffentlichen Interesses geschützt, sondern garantiert primär die Selbstbestimmung des einzelnen Grundrechtsträgers über die Entfaltung seiner Persönlichkeit in der Kommunikation mit anderen. Bereits hieraus bezieht das Grundrecht sein in eine Abwägung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht einzustellendes Gewicht, das durch ein mögliches öffentliches Informationsinteresse lediglich weiter erhöht werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 25.10.2011 – VI ZR 332/09 –).