Tag Vertrag

Fitnessstudiomitglieder sollten wissen, dass die Gerichte die Frage, ob bei einer ordentlichen Vertragskündigung während einer

…. infolge der Covid 19-Pandemie behördlich angeordneten Studioschließung 

  • sich der Fitnessstudiovertrag um die Dauer der Schließung verlängert oder 
  • ob das nicht der Fall ist und für den Zeitraum der Schließung weiterhin eingezogene Mitgliedsbeiträge zu erstatten sind, 

unterschiedlich entscheiden.

Das Landgericht (LG) Osnabrück hat mit Urteil vom 09.07.2021 – 2 S 35/21 – beispielsweise entschieden, dass bei einer,  

  • auf behördliche Anordnung 

erfolgten, coronabedingten Schließung eines Fitnessstudios, dem Studiobetreiber die 

  • den Mitgliedern 

gegenüber geschuldete Leistung 

  • unmöglich wird und 
  • nicht nachgeholt werden kann, 

so dass der Anspruch des Studiobetreibers auf Entrichtung der Monatsbeträge 

  • für den Zeitraum der Schließung 

entfällt und bei einer ordentlichen (fristgerechten) Kündigung der Mitgliedschaft 

  • während der Schließung 

der Studiobetreiber nicht 

  • die Anpassung des Mitgliedvertrages in der Weise 

verlangen kann, dass 

  • der Schließungszeitraum an das Ende der Vertragslaufzeit (kostenfrei) angehängt wird, 

sondern

  • die während der Studioschließung eingezogenen Beiträge erstatten muss.

Das Amtsgericht (AG) Frankenthal hat mit Urteil vom 30.07.2021 – 3c C 4/21 – entschieden, dass bei einer

  • staatlich angeordneten pandemiebedingten 

Schließung eines Fitnessstudios ein Fall 

  • vorübergehender Leistungsunmöglichkeit

vorliegt, mit der Folge, dass für die Zeit eines „Lockdowns“ 

  • sowohl der Studiobetreiber, 
  • als auch der Kunde 

von ihren 

  • wechselseitigen Leistungspflichten 

anteilig befreit sind und dass 

  • jedenfalls

bei einer erfolgten ordentlichen (fristgerechten) Kündigung der Mitgliedschaft  

  • vor Ausbruch der Pandemie und 
  • vor Schließung des Studios 

keine Vertragsanpassung 

  • nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht kommt,

sondern 

  • während der Studioschließung eingezogenen Beiträge erstattet werden müssen.

Das AG Paderborn wiederum hat mit Urteil vom 09.07.2021 – 57 a C 245/20 – entschieden, dass, wenn infolge der Covid 19-Pandemie 

  • ein Fitnessstudio behördlich geschlossen und 
  • während der Schließung eine ordentlich Mitgliedschaft gekündigt wird, 

der Betreiber des Fitnessstudios die Berechtigung hat, den Fitnessstudiovertrag anzupassen,

indem er ihn 

  • um die Dauer der infolge der Covid 19-Pandemie behördlich angeordneten Schließung verlängert,

mit der Folge, dass 

  • ein Anspruch auf Erstattung von Mitgliedsbeiträgen nicht besteht.

Was privatversicherte Pflegebedürftige, die einen Pflegeheimvertrag abgeschlossen haben oder abschließen wollen, wissen sollten

Mit Urteil vom 15.07.2021 – III ZR 225/20 – hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden, dass Vereinbarungen einer 

  • Platz-/Reservierungsgebühr für die Zeit vor dem tatsächlichen Einzug eines Pflegebedürftigen in das Pflegeheim 

auch gegenüber Privatversicherten unzulässig sind und dass Platz-/Reservierungsgebühren, 

  • die einem privatversicherten Pflegebedürftigen für die Zeit vor dem tatsächlichen Einzug in das Pflegeheim berechnet wurden, 

nach Bereicherungsrecht

  • – auch rückwirkend –

 zurückverlangt werden können.

Die Verjährungsfrist für solche Rückforderungsansprüche beträgt drei Jahre.

Begründet hat der Senat dies damit, dass der Anwendungsbereich von § 15 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung von Verträgen über Wohnraum mit Pflege- und Betreuungsleistungen (Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz – WBVG), der vorsieht,

  • dass in Verträgen mit Verbrauchern, die Leistungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch nehmen, die Vereinbarungen den Regelungen des Siebten und Achten Kapitels des Elften Buches Sozialgesetzbuch sowie den aufgrund des Siebten und Achten Kapitels des Elften Buches Sozialgesetzbuch getroffenen Regelungen entsprechen müssen und 
  • dass Vereinbarungen, die diesen Regelungen nicht entsprechen, unwirksam sind,

nicht nur Verbraucher, 

  • die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung im Sinne des § 28 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) unmittelbar beziehen, 

sondern auch Verbraucher umfasst, 

  • die Leistungen einer privaten Pflegepflichtversicherung erhalten und 
  • damit mittelbar Leistungen auf der Basis des Vierten Kapitels des SGB XI in Anspruch nehmen 

und die Vereinbarung einer Platz-/Reservierungsgebühr mit § 15 Abs. 1 Satz 1 WBVG in Verbindung mit § 87a Abs. 1 Satz 1 SGB XI, 

  • wonach die Pflegesätze, die Entgelte für Unterkunft und Verpflegung sowie die gesondert berechenbaren Investitionskosten (Gesamtheimentgelt) für den Tag der Aufnahme des Pflegebedürftigen in das Pflegeheim sowie für jeden weiteren Tag des Heimaufenthalts berechnet werden (Berechnungstag) 

unvereinbar und daher gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 WBVG, § 87a Abs. 1 Satz 4 SGB XI unwirksam ist (Quelle: Pressemitteilung des BGH).

Was Fitnessstudiomitglieder wissen sollten, wenn das Studio auf behördliche Anordnung coronabedingt schließen muss(te)

Mit Urteil vom 09.07.2021 – 2 S 35/21 – hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Osnabrück darauf hingewiesen, dass bei einer,  

  • auf behördlicher Anordnung 

erfolgter, coronabedingten Schließung eines Fitnessstudios, dem Studiobetreiber die 

  • den Mitgliedern 

geschuldete Leistung unmöglich wird, so dass 

  • der Anspruch des Studiobetreibers auf Entrichtung der Monatsbeträge für den Zeitraum der Schließung entfällt 

und 

  • dennoch für den Zeitraum der Schließung weiterhin eingezogene Mitgliedsbeiträge den Mitgliedern erstattet werden müssen.  

Kündigt ein Mitglied seine Mitgliedschaft noch während der Schließung, kann, so die Kammer, da

  • dann die geschuldete Leistung nicht nachgeholt werden kann 

und der Gesetzgeber 

ein Studiobetreiber auch nicht die Anpassung des Mitgliedvertrages in der Weise verlangen, dass 

Was, wer einen Online-Partnervermittlungsvertrag abschließen will, wissen sollte

Mit Urteil vom 17.06.2021 – III ZR 125/19 – hat der unter anderem für das Dienstvertragsrecht zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) darauf hingewiesen, dass 

  • § 656 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) 

der bestimmt, dass

  • durch das Versprechen eines Lohnes für den Nachweis der Gelegenheit zur Eingehung einer Ehe oder für die Vermittlung des Zustandekommens einer Ehe eine Verbindlichkeit, d.h. ein Vergütungsanspruch des Vermittlers nicht begründet wird, 
  • das auf Grund des Versprechens Geleistete jedoch nicht deshalb zurückgefordert werden kann, weil eine Verbindlichkeit nicht bestanden hat,

zwar

  • auf Eheanbahnungs- und auch auf Partnerschaftsanbahnungsverträge 

nicht aber

  • auf Online-Partnervermittlungsverträge 

entsprechend anwendbar ist, mit der Rechtsfolge, dass durch den Abschluss eines Online-Partnervermittlungsvertrags,

  • im Gegensatz zu dem Abschluss eines Eheanbahnungs- oder Partnerschaftsanbahnungsvertrages, 

die Agentur einen Vergütungsanspruch erlangt.

Für einen Kunden,

  • der bei einer Agentur einen Online-Partnervermittlungsvertrag abschließt, 
    • beispielsweise in Form einer Mitgliedschaft mit einer Laufzeit von 12 Monaten zum Preis von 265,68 €,

bedeutet das, dass durch den 

  • Abschluss eines solchen Vertrags 

die Agentur Anspruch auf die vereinbarte Vergütung erwirbt, der Kunde aber,  

  • wenn er den Widerruf des Vertrages rechtzeitig und wirksam erklärt,

gemäß § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB Rückzahlung einer bereits geleisteten Vergütung verlangen kann, sich hiervon allerdings, 

  • sofern er von der Partnervermittlungsagentur verlangt hat, mit der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist zu beginnen, 

abziehen lassen muss, den 

  • gemäß § 357 Abs. 8 Satz 1 BGB 

geschuldeten Wertersatz 

  • für die von der Partnervermittlungsagentur bis zum Widerruf erbrachte Leistung, 

der, 

  • unter Berücksichtigung des vereinbarten Preises für die Gesamtheit der vertragsgegenständlichen Leistungen, 

in der Regel zeitanteilig zu berechnen ist (hierzu und zur Hauptleistungspflicht einer Online-Partnervermittlungsagentur vgl. BGH, Urteil vom 06.05.2021 – III ZR 169/20 –).

Demnach würde, 

  • bei Zugrundelegung der Daten in dem obigen Beispielsfall und 
  • einem erfolgten Widerruf 2 Tage nach Vertragsschluss,

der Wertersatz 

  • den der Kunde der Agentur schuldet bzw. sich abziehen lassen muss 

(265,68 € : 365 Tage x 2 Tage =) 1,46 € betragen (Quelle: Pressemitteilung des BGH). 

Wichtig zu wissen, wenn das kaskoversicherte Auto bei einem Verkehrsunfall beschädigt wird und mit der

…. eintrittspflichtigen Versicherung Streit über die Höhe der versicherungsrechtlichen Leistungspflicht (hier: die Höhe des Restwerts des unfallgeschädigten Fahrzeugs) besteht.

Ist ein kaskoversichertes Kraftfahrzeug bei einem Verkehrsunfall beschädigt worden und in den 

  • Versicherungsbedingungen des Kfz-Kaskoversicherungsvertrages 

bestimmt, dass bei einer Beschädigung des Fahrzeugs 

  • für dessen Reparatur, bis zu folgenden Obergrenzen,

bezahlt werden,

  • bei einer vollständigen und fachgerechten Reparatur des Fahrzeugs, die hierfür 
    • erforderlichen Kosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts 
      • (d.h. bis zur Höhe des Preises, den der Versicherungsnehmer für den Kauf eines gleichwertigen Fahrzeugs am Tag des Schadensereignisses bezahlen müsste), 
    • wenn dies durch eine Rechnung nachgewiesen wird,
  • sowie, falls das Fahrzeug nicht, nicht vollständig oder nicht fachgerecht repariert wird oder die vollständige Reparatur nicht durch eine Rechnung nachgewiesen werden kann, 
    • die erforderlichen Kosten einer vollständigen Reparatur bis zur Höhe 
      • des um den Restwert (d.h. um den Veräußerungswert des Fahrzeugs im beschädigten bzw. zerstörtem Zustand) 
      • verminderten Wiederbeschaffungswerts,

errechnet sich, wenn

  • die Versicherung eintrittspflichtig ist und 

beispielsweise ein Versicherungsnehmer die vollständige Reparatur des Fahrzeugs nicht durch eine Rechnung nachweisen kann,

  • z.B., weil er sein Fahrzeug in Eigenregie hat instandsetzen lassen und eine Rechnung darüber nicht existiert, 

der versicherungsrechtliche Leistungsanspruch des Versicherungsnehmers, indem von dem festzustellendem

  • Wiederbeschaffungswert,
    • also dem Betrag, den der Versicherungsnehmer für den Kauf eines gleichwertigen Fahrzeugs am Tag des Schadensereignisses bezahlen müsste, 

abgezogen werden, der

  • Restwert (Veräußerungswert) des Fahrzeugs im beschädigten bzw. zerstörtem Zustand

sowie eine

  • etwaige im Versicherungsvertrag vereinbarte Selbstbeteiligung des Versicherungsnehmers.  

Als Restwert des versicherten Fahrzeugs im unfallgeschädigten Zustand

  • den der Versicherungsnehmer für die Wiederbeschaffung einsetzten kann bzw. könnte und 

den er sich vom Wiederbeschaffungswert, 

  • der Regulierungsgrundlage ist, 

abziehen lassen muss, ist dabei anzusetzen,

und

  • wenn der Versicherungsnehmer sich entschließt das unfallgeschädigte Fahrzeug nicht zu verkaufen,
    • der dann fiktiv zu ermittelnde Verkaufserlös, d.h. der erzielbare Verkaufserlös für das unfallgeschädigte Fahrzeug, 
      • am regionalen Markt für den Ankauf solcher Fahrzeuge am Sitz des Versicherungsnehmers und 

LG München I entscheidet, wer wann die Kosten einer wegen Corona abgesagten Hochzeitsfeier tragen muss

Mit Urteil vom 29.04.2021 – 29 O 8772/20 – hat die 29. Zivilkammer des Landgerichts (LG) München I in einem Fall, in dem von einem Hochzeitspaar für ihre 

  • Hochzeitsfeier Räumlichkeiten 

angemietet worden waren, die geplante Hochzeitsfeier aber,

  • wegen der durch die nachfolgend erlassene Infektionsschutzmaßnahmenverordnung auferlegten Kontaktbeschränkungen, 

nicht hatte stattfinden können, entschieden, dass das Hochzeitspaar die 

  • für die Räumlichkeiten vereinbarte 

Miete jedenfalls dann zahlen muss, wenn 

  • es sich an vom Vermieter angebotenen Ersatzterminen nicht interessiert zeigt.      

Begründet hat das LG dies damit, dass bei einer bloßen Anmietung von Räumlichkeiten für eine Hochzeitfeier der Vermieter 

  • nicht zur Ausrichtung der Hochzeit, sondern

allein zur Überlassung der dafür angemieteten Räumlichkeiten verpflichtet ist, ihm dies, 

  • durch die zur Pandemiebekämpfung angeordneten Kontaktbeschränkungen 

nicht unmöglich geworden ist, das Risiko, die angemieteten Räume nicht 

  • zu dem im Vertrag festgehaltenen Zweck 

nutzen zu können, beim Mieter liegt und 

  • wegen der schwerwiegenden Veränderung der Umstände nach Vertragsschluss durch die Corona-Maßnahmen,

ein Recht der Mieter zum Rücktritt vom Mietvertrag, ausnahmsweise nur dann bestehen könnte, wenn 

  • die primäre Folge einer solchen schwerwiegenden Veränderung der Geschäftsgrundlage, nämlich 

eine Anpassung des Vertrages in gegenseitiger Kooperation, 

  • hier durch die Vereinbarung eines Ersatztermins, wie vom Vermieter angeboten, 

unzumutbar für die Mieter wäre (Quelle: Pressemitteilung des LG München I). 

Was, wer einen Autoleasingvertrag mit Kilometerabrechnung abschließt, wissen sollte

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Urteil vom 24.02.2021 – VIII ZR 36/20 – in einem Fall, in dem von einem Verbraucher (§ 13 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) mit einer Leasinggeberin ein Leasingvertrag über ein Neufahrzeug 

  • mit Kilometerabrechnung (so genannter Kilometerleasingvertrag) 

abgeschlossen und nachfolgend 

  • aufgrund eines von ihm erklärten Widerrufs 

Rückerstattung sämtlicher zwischenzeitlich erbrachter Leasingzahlungen verlangt worden war, entschieden, dass bei einem 

  • Kilometerleasingvertrag

dem Leasingnehmer ein 

  • Recht zum Widerruf des Vertrags (nach §§ 506 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3, 495 Abs. 1 BGB) 

nicht zusteht.

Begründet hat der Senat dies damit, dass ein Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung, weil dieser

  • weder eine Erwerbspflicht des Leasingnehmers oder ein Andienungsrecht des Leasinggebers 
  • noch eine Restwertgarantie des Leasingnehmers 

vorsieht, die Voraussetzungen der Vorschrift des § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BGB nicht erfüllt, dass,  

  • da die Vorschrift des § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BGB im Wege einer abschließenden Aufzählung regelt, dass bei entgeltlichen Nutzungsverträgen nur in den genannten Fällen eine sonstige entgeltliche Finanzierungshilfe vorliegt, bei der gemäß § 506 Abs. 1 BGB ein Recht des Leasingnehmers zum Widerruf des Leasingvertrags nach den Vorschriften des Verbraucherkreditrechts besteht,

sich ein Widerrufsrecht des Leasingnehmers bei einem Kilometerleasingvertrag auch nicht aus § 506 Abs. 1 BGB ergibt und dass, 

  • nachdem der Gesetzgeber bei der Einführung des § 506 BGB nicht sämtliche Finanzierungsleasingverträge dem Verbraucherkreditrecht unterwerfen wollte,
  • sondern die Interessenbewertung der europäischen Verbrauchgüterkaufrichtlinie übernommen hat, die Leasingverträge lediglich im Falle einer – auch einseitig vom Leasinggeber auslösbaren – Erwerbspflicht des Leasingnehmers dem Verbraucherkreditrecht zu unterstellen,  

mangels einer planwidrigen Regelungslücke auch ein Widerrufsrecht des Leasingnehmers in entsprechender Anwendung des – die Fälle einer Restwertgarantie regelnden – Vorschrift des § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB ausscheidet.

Übrigens:
Erteilt bei einem Kilometerleasingvertrag der Leasinggeber dem Leasingnehmer eine „Widerrufsinformation“ stellt dies allein noch kein Angebot auf Einräumung eines (von den gesetzlichen Voraussetzungen unabhängigen) vertraglichen Widerrufsrechts dar (Quelle: Pressemitteilung des BGH).

OLG Frankfurt entscheidet: Hat ein bevollmächtigter Ehepartner von einem Versicherungsvertrag des anderen keine Kenntnis,

…. kann eine verspätete Anzeige eines Versicherungsfalles durch ihn unverschuldet und die Versicherung rückwirkend leistungspflichtig sein.

Mit Urteil vom 11.11.2020 – 7 U 36/19 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem Fall, in dem es in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen einer 

  • von einer Frau (im Folgenden: Versicherungsnehmerin) für den Fall der Schwerstpflegebedürftigkeit (Pflegestufe III) abgeschlossenen 

Pflegetagegeldversicherung hinsichtlich der Leistungserbringung u.a. hieß, dass

  • bei Stellung des Antrags nach Ablauf des Monats, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist, der Leistungsanspruch vom Beginn des Monats der Antragstellung gegeben ist und
  • bei einer unverschuldet verspäteten Anzeige des Versicherungsfalls die Leistungen jedoch rückwirkend erbracht werden,

die Versicherungsnehmerin 

  • nach einem schweren Schlaganfall mit halbseitiger Lähmung, vollständigem Verlust der Sprachfähigkeit sowie erheblichen Beeinträchtigung des Erinnerungsvermögens 

die Pflegestufe III erhalten hatte und zwei Jahre später vom Ehemann der Versicherungsnehmerin,

  • der von ihr eine Vorsorgevollmacht hatte, 

der Versicherungsfall gemeldet sowie eine Leistungserbringung für die Versicherungsnehmerin, 

  • ab Erhalt der Pflegestufe III, 

beantragt worden war, entschieden, dass 

  • die verspätete Anzeige des Versicherungsfalles unverschuldet war und deswegen

die Versicherung zur rückwirkenden Leistung verpflichtet ist.

Wie das OLG ausgeführt hat, war die verspätete Anzeige des Versicherungsfalls durch den Ehemann der Versicherungsnehmerin hier deshalb unverschuldet, weil die Versicherungsnehmerin,  

  • die den Versicherungsfall grundsätzlich selbst hätte anzeigen müssen,

aufgrund der gesundheitlichen Folgen ihres Schlaganfalls 

  • weder selbst zu der Anzeige, 
  • noch zu einer Information ihres Ehemanns über die bestehende Versicherung 

in der Lage war, sie auch nicht 

  • im Sinne einer vorausschauenden Verhaltenspflicht 

ihren Ehemann vor dem Eintritt des Versicherungsfalls 

  • über das Bestehen des Versicherungsvertrages 

hatte informieren müssen, von dem bevollmächtigten Ehemann der Versicherungsnehmerin selbst auch nicht 

  • schuldhaft und 
  • in einer der Versicherungsnehmerin zuzurechnenden Weise 

eine frühere Anzeige des Versicherungsfalls unterlassen worden ist, dieser

  • vielmehr unverschuldet keine Kenntnis vom Bestehen dieses Vertrages hatte und 

aufgrund der ihm bekannten monatlichen Abbuchungen der Versicherungsbeiträge i.H.v. 20 Euro/pM nicht vom Bestehen einer derartigen Versicherung ausgehen musste,

  • zumal sich aus dem Buchungstext nicht die Art der Versicherung ergeben hat, 
  • sondern nur, dass irgendein Versicherungsvertrag bestanden hat (Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt).  

Was, wer ein fabrikneues Auto geleast und für das Fahrzeug eine Vollkaskoversicherung auf Neuwagenbasis abgeschlossen hat, wissen sollte,

…. wenn der Leasingvertrag vorzeitig, 

  • beispielsweise aufgrund Zerstörung oder Diebstahls des Leasingfahrzeugs, 

beendet wird.   

Mit Urteil vom 09.09.2020 – VIII ZR 389/18 – hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in einem Fall, in dem ein fabrikneues Auto geleast, vom Leasingnehmer für das Leasingfahrzeug, 

  • wie vertraglich vorgesehen, 

eine Vollkaskoversicherung

  • auf, wozu keine Verpflichtung bestand, Neuwagenbasis 

abgeschlossen und der Leasingvertrag,   

  • aufgrund Diebstahls des Leasingfahrzeugs, 

vom Leasinggeber gekündigt worden war, entschieden, dass die

  • den Wiederbeschaffungs- und den Ablösewert übersteigende 

sog. Neuwertspitze der Versicherungsleistung 

  • aus der vom Leasingnehmer auf Neupreisbasis abgeschlossenen und finanzierten Vollkaskoversicherung 

dem Leasingnehmer 

  • und nicht dem Leasinggeber 

zusteht.

Begründet hat der Senat dies u.a. mit der bei einem Leasingvertrag bestehenden Interessenlage, nach der das Interesse, 

  • mit Hilfe der Neuwertentschädigung aufgrund einer vom ihm abgeschlossenen und von ihm finanzierten Kaskoversicherung 

beim Leasingnehmer liegt und nicht beim Leasinggeber, 

  • dessen Interesse dadurch schon in vollem Umfang entsprochen ist, dass er dem Leasingnehmer nach der vorzeitigen Kündigung eines Leasingvertrages den zu seiner vollen Amortisation führenden Ablösewert in Rechnung stellen kann,    

dass die  

  • den Wiederbeschaffungs- und den Ablösewert übersteigende 

sog. Neuwertspitze der Versicherungsleistung für den Leasinggeber ein

  • – im Sacherhaltungsinteresse oder im Sachwert des Fahrzeugs nicht begründeter – 

zusätzlicher Gewinn wäre und sich auch aus § 285 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), 

  • wonach, wenn der Schuldner – hier der Leasingnehmer – infolge eines Umstands, auf Grund dessen er die Leistung nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB nicht zu erbringen braucht, für den geschuldeten Gegenstand einen Ersatz oder einen Ersatzanspruch erlangt, der Gläubiger – hier der Leasinggeber – die Herausgabe des als Ersatz Empfangenen oder Abtretung des Ersatzanspruchs auch dann verlangen kann, wenn der Wert des Erlangten den Wert des Gegenstands übersteigt,

anderes nicht ergibt, nachdem 

  • leasingvertraglich die Rückgabe eines neuwertigen Fahrzeugs an den Leasinggeber nicht geschuldet ist, somit also 

der Leasingnehmer 

  • den Neuwertanteil der Vollkaskoversicherung 

nicht für das geschuldete und gestohlene Leasingfahrzeug erlangt hat.   

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall, in dem 

  • der Neuwert des Leasingfahrzeugs 70.437,93 €
  • der Wiederbeschaffungswert im Zeitpunkt des Diebstahls des Leasingfahrzeugs 39.800 € betrug,
  • sich der Ablösewert (d.h. der Betrag, der zur vollen Amortisation des Finanzierungsaufwands des Leasinggebers einschließlich seines kalkulierten Gewinns notwendig ist) auf 50.351,52 € belief und 

der Kaskoversicherer den Versicherungsfall (Diebstahl des Leasingfahrzeugs) auf Neuwagenbasis abgerechnet hatte, sind dem Leasingnehmer vom Senat 

  • 20.086,41 € (= 70.437,93 € – 50.351,52 €) 

aus der Versicherungsleistung zugesprochen worden.

Wer ein Auto geleast und damit einen fremdverschuldeten Unfall hat, der den vereinbarten Restwert des Leasingfahrzeugs mindert, sollte

…. wissen, dass Zahlungen des Schädigers oder dessen Haftpflichtversicherers ihm zugute kommen müssen. 

Ein Leasingnehmer, der mit einem für einen bestimmten Zeitraum geleasten Auto einen Unfall hat, der den 

  • mit dem Leasinggeber vereinbarten

Restwert des Leasingfahrzeugs mindert, muss die

  • nach Ablauf des Leasingvertrages vorhandene 

Differenz ausgleichen.

Allerdings ist der Leasinggeber, der 

  • für den bei einem Verkehrsunfall an dem Leasingfahrzeug erlittenen Schaden 

von dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer Zahlungen auf den Fahrzeugschaden erhält, verpflichtet, diese ihm als Fahrzeugeigentümer aus dem Schadensfall zustehenden Entschädigungsleistungen 

  • dem Leasingnehmer 

zugutekommen zu lassen, indem er 

  • sie für die Reparatur oder Wiederbeschaffung des Fahrzeugs verwendet oder 
  • diese bei Vertragsende auf den Schadensersatz- oder Ausgleichsanspruch anrechnet,

so dass eine Zahlung, die der Leasinggeber 

  • als Minderwertausgleich von dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer 

erhalten hat, 

  • – unabhängig davon, ob der Leasinggeber von einem vertraglich vereinbarten Andienungsrecht Gebrauch macht oder das Fahrzeug verwertet – 

zumindest bei der Abrechnung am Ende in der Weise berücksichtigt werden muss, dass die Zahlung den Anspruch 

  • des Leasinggebers 

auf Restwertausgleich mindert. 

Das hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 30. 09.2020 – VIII ZR 48/18 – entschieden.