Tag Betriebsgefahr

OLG Oldenburg verurteilt Rettungsdienst nach Unfall mit Rettungswagen zu Schadensersatz und Schmerzensgeldzahlung

Mit Urteil vom 17.05.2022 – 2 U 20/22 – hat der 2. Senat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg in einem Fall, in dem der Fahrer eines Rettungswagens bei einem Einsatz, 

  • mit eingeschalteten Martinshorn, 

mehrere Radfahrer überholen, deswegen eine 72-jährige Radfahrerin,

  • weil sie die Situation, da es insgesamt nur wenig Platz gab, zu Recht als gefährlich empfand,  

absteigen wollte, dabei,

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Was Kraftfahrzeughalter über die Haftungsverteilung bei einem durch mehrere Kraftfahrzeuge verursachten

…. Verkehrsunfallschaden wissen sollten.

Nach § 17 Abs. 2, Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) hängt die Haftungsverteilung davon ab, inwieweit die Schäden vorwiegend von 

  • dem einen oder 
  • dem anderen Teil 

verursacht worden sind, wobei die Abwägung 

  • aufgrund aller festgestellten Umstände des Einzelfalles 

vorzunehmen und dabei in erster Linie das Maß 

  • der Verursachung 

von Belang ist, in dem die 

  • Beteiligten zur Schadensentstehung 

beigetragen haben.

  • Das beiderseitige Verschulden ist dabei nur ein Faktor der Abwägung. 

Übrigens:
Auch wenn der Unfall für den Fahrer 

  • des einen beteiligten Fahrzeugs selbst 

nicht unabwendbar im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG war, kann, sofern die schwere Schuld der Gegenseite 

  • die eigene geringe Schuld oder 
  • die allein zu berücksichtigende Betriebsgefahr 

ganz zurücktreten lässt, der Halter des anderen am Unfall beteiligten Fahrzeugs 

  • allein für die Unfallschäden haften.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 15.06.2021 – VI ZR 1029/20 – hingewiesen.

Was Autofahrer, die ihren PKW auf einer Motorsport-Rennstrecke für eine sog. Touristenfahrt nutzen,

…. wissen sollten.

Mit Beschluss vom 05.01.2021 – 12 U 1571/20 – hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz in einem Fall, in dem ein Autofahrer seinen PKW für eine 

  • sogenannte Touristenfahrt auf einer Motorsport-Rennstrecke 

genutzt und dabei, nachdem er mit einer Geschwindigkeit von ca. 160 bis 170 km/h 

  • zunächst über eine Bergkuppe sowie durch die sich anschließende, nur eingeschränkt einsehbare Linkskurve 

gefahren war, wegen einer

  • von einem anderen Fahrzeug hinterlassenen 

Kühlmittelspur die Kontrolle über sein Auto verloren hatte und in die Leitplanke gekracht war, den geschädigten Autobesitzer darauf hingewiesen, dass er 

  • von dem Halter des Fahrzeugs, das die für den Unfall ursächliche Kühlmittelspur hinterlassen hatte, lediglich 75 % seines Schadens ersetzt verlangen könne,

weil er, aufgrund der von seinem Fahrzeug ausgehenden 

  • und mit 25 % anzusetzenden 

Betriebsgefahr, für den Unfallschaden mithafte.

Danach bleibt, wenn die konkrete Nutzung eines Kraftfahrzeugs,

  • wie hier das Fahren auf einer Rennstrecke bei eingeschränkter Sicht mit hoher Geschwindigkeit im „Rennmodus“,   

dessen Betriebsgefahr erhöht hat, die Haftung aus Betriebsgefahr nach § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) anspruchsmindernd bestehen und tritt

  • auch bei einem groben Verschulden des Unfallgegners

nicht dahinter zurück (Quelle: Pressemitteilung des OLG Koblenz).

Übrigens:
Zur (möglichen) Erhöhung der Betriebsgefahr bei 

  • Überschreitung der Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen und 
  • Begründung einer Mithaftung dadurch im Falle eines Unfalls, wenn nur dem Führer des anderen unfallbeteiligten Fahrzeugs ein Verschulden nachgewiesen werden kann,

vgl. Urteile des OLG Düsseldorf vom 21.11.2017 – 1 U 44/17 – und des OLG Koblenz vom 14.10.2013 – 12 U 313/13 – sowie Beschluss des OLG Hamm vom 21.12.2017 – 7 U 39/17 –).

LG München I entscheidet: Autofahrer, der einen Hundewelpen über die Pfote gefahren ist, muss dem Hundehalter 20.000 Euro

…. Schadensersatz zahlen.

Mit Urteil vom 15.09.2020 – 20 O 5615/18 – hat das Landgericht (LG) München I in einem Fall, in dem ein Autofahrer auf dem Privatgelände eines Gewerbeparks, 

  • auf dem eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 10 km/h galt, 

mindestens 20 km/h schnell und einem an der Leine spazieren geführten vier Monate alten Rhodesian Ridgeback Rüden, 

  • der künftig auf dem Gelände als Wachhund eingesetzt werden sollte,

über die linke Vorderpfote gefahren war, 

  • wodurch dieser eine Fraktur der linken Vorderpfote erlitten hatte, 
  • die bei dem noch im Wachstum befindlichen Hundes u.a. eine Physiotherapie medizinisch notwendig machte,

den Auto-Fahrer und dessen Kfz-Haftpflichtversicherung 

  • zur Zahlung der für die Behandlung des Hundes angefallenen Kosten sowie der Verfahrens- und Gutachterkosten von insgesamt rund 20.000 Euro und 
  • zur Haftung für zukünftige Verletzungsfolgen 

verurteilt.

Nach Auffassung des LG hatte sich bei dem Unfall 

  • die Betriebsgefahr des Pkws,
  • aber keine typische Tiergefahr 

verwirklicht, waren die Kosten für die Behandlung des Hundes  

  • angemessen

und lag ein

  • Mitverschulden des Hundehalters 

nicht vor (Quelle: Pressemitteilung des LG München I).

OLG Köln entscheidet: Fährt ein Autofahrer im Karneval nachts einen auf der Fahrbahn befindlichen Betrunkenen im Bärenkostüm an

…. und kann er nicht nachweisen, sich selbst wie ein „Idealfahrer“ verhalten zu haben,

  • haftet er (zumindest) für einen Teil der Unfallschäden.

Mit Beschluss vom 06.03.2020 – 11 U 274/19 – hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Köln in einem Fall, in dem ein Mann nachts am Rosenmontag von einem Auto angefahren und schwer verletzt worden war, als er sich 

  • mit rund 1,5 Promille im Blut, in einem in dunklem Braun gehaltenen Ganzkörperkostüm als Bär verkleidet, nicht auf dem dort auch vorhandenen Gehweg, sondern 

auf der linken Hälfte der Fahrspur einer Bundesstraße befunden hatte, ohne dass geklärt werden konnte, 

  • wann und wie er dorthin geraten war und 
  • ob er möglicherweise die Straße überqueren oder ein Auto anhalten und „trampen“ wollte, 

es für angemessen erachtet, dass 

  • der angefahrene Fußgänger zu 75% sowie
  • der Autofahrer und dessen Haftpflichtversicherung zu 25%

für die Unfallschäden haften.  

Begründet hat der Senat diese Haftungsquote damit, dass der Fußgänger 

  • aufgrund seiner alkoholbedingten enormen Sorglosigkeit und 
  • dem Verstoß gegen § 25 Abs. 3 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO)

die für die Entstehung des Schadens maßgeblichen Ursachen grob fahrlässig selbst herbeigeführt, sich bei dem Unfall aber auch die  

  • mit einem Kraftfahrzeug verbundenen sog. Betriebsgefahr 

verwirklicht habe und angesichts des ungeklärten Unfallhergangs 

  • nicht feststehe, 

dass der Autofahrer in der konkreten Verkehrssituation sich selbst wie ein „Idealfahrer“ verhalten habe (Quelle: Pressemitteilung des OLG Köln).

Was Autofahrer, die auf schmalen Straßen bei Dunkelheit und erkennbarem Gegenverkehr unterwegs sind,

…. wissen sollten.

Mit Urteil vom 04.03.2020 – 14 U 182/19 – hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Celle in einem Fall, in dem sich auf einer 4,95 m breiten Gemeindestraße

  • ohne Fahrbahnmarkierungen und nicht befestigtem Seitenstreifen

in einer leichten Rechtskurve

  • bei Dunkelheit

ein Verkehrsunfall zwischen

  • einem etwa 75 bis 85 km/h (bei erlaubten 80 km/h) fahrenden PKW und
  • einem überbreiten, ordnungsgemäß beleuchteten, etwa 25 bis 35 km/h fahrenden landwirtschaftlichen Gespann (Schlepper und Anhänger)

ereignet hatte, entschieden, dass

  • der PKW-Fahrer nicht mit einer den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen angepassten Geschwindigkeit gefahren ist und
  • den Unfall durch dieses verkehrswidrige Verhalten verursacht hat,

der Eigentümer des landwirtschaftlichen Gespanns jedoch,

  • weil er sich die – bei einem überbreiten landwirtschaftlichen Gespann mit einem Gewicht von 18 t erhöhte – Betriebsgefahr des § 7 Straßenverkehrsgesetz (StVG) anrechnen lassen müsse,

von dem PKW-Fahrer nur 70% seiner Schäden ersetzt verlangen kann.

Nach Auffassung des Senats hätte der PKW-Fahrer

  • einkalkulieren müssen, dass das für ihn im Gegenverkehr erkennbare Gespann (Fahrzeugbeleuchtung) überbreit ist und
  • angesichts der schmalen Straße sowie der Dunkelheit

so langsam fahren müssen, dass er sein Fahrzeug

  • mindestens innerhalb der Hälfte der übersehbaren Strecke

hätte anhalten können (§ 3 Abs. 1 Satz 5 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) [halbe Sicht]),

OLG Frankfurt entscheidet, dass ein Autofahrer bei einem berührungslosem Unfall mit einem Radfahrer für dessen Sturz

…. auch dann (mit)haften kann, wenn der Radfahrer

  • nicht beim Ausweichmanöver selbst stürzt,
  • sondern erst beim Wiederauffahren auf den ursprünglichen Weg.

Mit Urteil vom 19.03.2019 – 16 U 57/18 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem Fall,

  • in dem ein Radfahrer auf einem ca. 2 m breiten befestigten Feldweg einem entgegenkommenden Pkw auf den unbefestigten Seitenstreifen nach rechts ausgewichen und
  • nachdem beide Verkehrsteilnehmer berührungslos aneinander vorbeigefahren waren, beim Versuch, unmittelbar nach dem Passieren wieder auf den befestigten Weg aufzufahren, gestürzt war,

entschieden, dass

  • der Radfahrer 50% des ihm bei dem Sturz entstandenen Schadens von dem Halter des Pkws und dessen Haftpflichtversicherung ersetzt verlangen kann.

Begründet hat das OLG dies damit, dass,

  • auch wenn der Unfall nicht beim Ausweichen auf den unbefestigten Seitenstreifen, sondern erst beim Wiederauffahren auf den befestigten Weg nach dem erfolgreichen Passieren des Fahrzeugs geschehen und
  • zu diesem Zeitpunkt die eigentliche Gefahr – eine Kollision mit dem Pkw – vorüber gewesen ist,

ein insgesamt missglücktes Ausweichmanöver des Radfahrers vorgelegen habe, das nach § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) der Betriebsgefahr des entgegenkommenden Pkws deswegen zuzurechnen sei, weil

  • der Ausweichvorgang durch die Fahrweise des Führers des Pkws, also durch die von einem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr, veranlasst worden und
  • der Sturz im nahen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Ausweichmanöver erfolgt sei,
    • nämlich dem Versuch des Radfahrers das Ausweichmanöver durch Wiederauffahren auf den befestigten Weg zu Ende zu führen.

Ein hälftiges Mitverschulden des gestürzten Radfahrer sah das OLG darin, dass er die Möglichkeit gehabt hätte, sein Fahrrad anzuhalten und den Pkw passieren zu lassen (Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt vom 28.03.2019).

OLG Düsseldorf entscheidet: Überschreitung der Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen um 70 km/h (200 km/h statt 130 km/h)

…. erhöht die Betriebsgefahr und begründet im Falle eines Unfalls auch dann eine Mithaftung, wenn nur dem Führer des anderen unfallbeteiligten Fahrzeugs ein Verschulden nachgewiesen werden kann.

Mit Urteil vom 21.11.2017 – 1 U 44/17 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf in einem Fall, in dem ein mit 200 km/h auf der linken Fahrspur einer Autobahn fahrendes Fahrzeug mit einem vor ihm befindlichen Fahrzeug kollidiert war, weil

  • dessen Fahrer zwar links geblinkt hatte,
  • aber ohne sich zuvor zu vergewissern, dass er keinen anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet, zum Überholen von der rechten auf die linke Fahrspur gewechselt war,

entschieden, dass, wer die Richtgeschwindigkeit derart überschreite,

  • die Gefahr vergrößere, dass sich ein anderer Verkehrsteilnehmer auf diese Fahrweise nicht einstellen könne sowie die Geschwindigkeit unterschätze und

wegen der dadurch deutlich erhöhten Betriebsgefahr seines Fahrzeugs zu 30% für die Unfallschäden auch dann mithafte, wenn

Versetzt der Fahrer eines LKWs ein abgestelltes Motorrad und fällt dieses kurz danach um, haften für den dabei am Kraftrad

…. entstandenen Schaden der Halter des LKWs und dessen Haftpflichtversicherer aus § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG), § 115 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz – VVG),

  • wenn das Motorrad von dem LKW-Fahrer versetzt wurde,
  • um ihm das Abbiegen mit seinem LKW zu erleichtern bzw. zu ermöglichen.

Das hat das Amtsgericht (AG) Regensburg mit Urteil vom 14.03.2018 – 10 C 2535/17 – entschieden.

Danach liegt in einem solchen Fall ein Unfall vor, der sich bei Betrieb eines Kraftfahrzeugs i.S.v. § 7 Abs. 1 StVG ereignet hat, weil,

  • auch wenn das Kraftrad nicht durch einen direkten Anstoß des Lkw umgefallen ist,
  • wegen des Umsetzens des Kraftrades zur Erleichterung des Abbiegens,

ein unmittelbare Zusammenhang mit dem Betrieb des Kraftfahrzeugs bestanden hat und,

  • nachdem das Umfallen des Kraftrades kurz nach dem Versetzen erfolgte,

das Umfallen auf das Versetzen zurückzuführen ist und damit erklärt werden muss, dass das Kraftrad nicht sicher genug abgestellt wurde.

War das Kraftrad verkehrswidrig behindernd abgestellt, was der Schädiger beweisen müsste, könnte dieser Gesichtspunkt eine Mitberücksichtigung der Betriebsgefahr des abgestellten Kraftrades und damit eine Mithaftung des Eigentümers des Kraftrades begründen.