Tag Fahrverbot

Von der Verhängung eines indizierten Fahrverbots nach § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG kann (auch) abzusehen sein, wenn  

…. der zu ahndende Verkehrsverstoß erhebliche Zeit zurückliegt. 

Mit Beschluss vom 08.07.2022 – 1 OLG 53 Ss-Owi 241/22 – hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG) darauf hingewiesen, dass das 

  • nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) 

zu verhängende Fahrverbot, das als 

  • Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme gedacht und ausgeformt

ist und nach der gesetzgeberischen Intention in erster Linie eine

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Wichtig für Auto- und Kraftradfahrer zu wissen: Die Fahrverbotsregelungen in der neuen StVO sind wahrscheinlich nichtig

Die verschärften Neuregelungen in der 54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften 

  • über die Verhängung von Fahrverboten,

die u.a. bereits ein Fahrverbot vorsehen bei einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (mit einem Pkw und anderen Kraftfahrzeugen bis 3,5 zulässigem Gesamtgewicht)  

  • von 21 km/h innerhalb geschlossener Ortschaften und 
  • von 26 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften 

sind,

  • wegen eines formellen Fehlers,
  • nämlich des „fehlenden Verweises auf die notwendige Rechtsgrundlage“ in der Präambel,

wahrscheinlich nichtig (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 18.06.2019 – 1 BvR 587/17 –).

Deshalb sollten Auto- und Kraftradfahrer, gegen die wegen einer 

  • nach dem 27.04.2020 begangenen 

Verkehrsordnungswidrigkeit

  • aufgrund der verschärften Neuregelungen in der geänderten Bußgeldkatalogverordnung (BKatV) 

mit Bußgeldbescheid ein Fahrverbot festgesetzt worden ist, gegen den Bußgeldbescheid 

  • Einspruch 

einlegen.

Denn sind die verschärften Neuregelungen nichtig, gilt weiter der alte Bußgeldkatalog, nach dem u.a. ein Fahrverbot wegen Geschwindigkeitsüberschreitung in der Regel erst droht 

  • ab einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit 
    • von 31 km/h innerorts sowie 
    • von 41 km/h außerorts 

oder 

  • wenn innerhalb von 12 Monaten zweimal Geschwindigkeitsverstöße von 26 km/h oder mehr begangen wurden.

Was Auto- und Kraftradfahrer wissen und beachten sollten, nachdem Verkehrsminister Scheuer die neue StVO-Novelle überarbeiten lassen will

Verkehrsminister Scheuer will 

  • die erst am 28.04.2020 in Kraft getretene 54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften und 
  • die damit geänderten Tatbestände der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) 

teilweise überarbeiten lassen. 

Insbesondere, dass nach der mit der StVO-Novelle einhergehenden neuen BKatV bereits bei einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (mit einem Pkw und anderen Kraftfahrzeugen bis 3,5 zulässigem Gesamtgewicht)  

  • von 21 km/h innerhalb geschlossener Ortschaften und 
  • von 26 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften

die Verhängung 

  • eines Fahrverbots 

droht, wird als unverhältnismäßig angesehen.

Deshalb sollten Auto- und Kraftradfahrer, denen eine 

  • nach dem 27.04.2020 begangene 

Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen wird und gegen die

  • lediglich aufgrund der obigen, verschärften Regelung in der geänderten BKatV 

mit Bußgeldbescheid ein Fahrverbot festgesetzt worden ist, gegen den Bußgeldbescheid 

  • Einspruch 

einlegen.

  • Eine (teilweise) Zurücknahme bzw. Wiederabmilderung der verschärften Neuregelung über die Verhängung eines Fahrverbots bereits bei einer Überschreitung der zulässigen Überschreitung von mehr als 20 km/h innerorts und mehr als 25 km/h außerorts – vor der letzten gerichtliche Entscheidung über den Einspruch – könnte sich nämlich ggf. zugunsten des Betroffenen auswirken.  

Zur Erinnerung:
Nach der bis zum 28.04.2020 geltenden BKatV drohte ein Fahrverbot in der Regel 

  • erst ab einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit 
    • von 31 km/h innerorts sowie 
    • von 41 km/h außerorts 

oder 

  • wenn innerhalb von 12 Monaten zweimal Geschwindigkeitsverstöße von 26 km/h oder mehr begangen wurden.

LG Nürnberg-Fürth entscheidet: Erst ab einem Betrag von 2.500,00 € netto liegt bei einer Unfallflucht ein einen Fahrerlaubnisentzug

…. rechtfertigender bedeutender Fremdsachschaden i.S.v. § 69 Abs. 2 Nr. 3 Strafgesetzbuch (StGB) vor.

Entfernt sich ein Unfallbeteiligter nach einem Unfall im Straßenverkehr unerlaubt vom Unfallort (§ 142 StGB), obwohl

  • er weiß oder
  • wissen kann,

dass bei dem Unfall

  • ein Mensch getötet oder
  • nicht unerheblich verletzt worden oder
  • an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist,

wird ihm, bei einer Verurteilung, im Urteil,

  • wegen Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen,

in der Regel (neben der Strafe auch)

  • die Fahrerlaubnis entzogen (§ 69 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 StGB) sowie zugleich eine Sperre für die (Wieder)Erteilung bestimmt

oder, wenn er keine Fahrerlaubnis hat,

  • (nur) eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis angeordnet (§ 69a Abs. 1 StGB).

Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass ein (endgültiger) Fahrerlaubnisentzug (im späteren Urteil) erfolgen wird,

  • kann schon vorher

ein vorläufiger Führerscheinentzug nach § 111a Abs. 1 Satz 1 Strafprozessordnung (StPO) erfolgen.

Mit Beschluss vom 15.01.2020 – 5 Qs 4/20 – hat das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth entschieden, dass

  • ein bedeutender Fremdschaden im Sinne von § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB

(erst) ab einem Betrag von 2.500,00 € netto vorliegt.

Danach kann, sofern bei einem Unfall

  • weder ein Mensch getötet,
  • noch mehr als nur unerheblich verletzt

worden ist, einem Unfallbeteiligten,

  • der sich des unerlaubten Entfernens vom Unfallort schuldig gemacht hat,

die Fahrerlaubnis grundsätzlich nur dann (vorläufig) entzogen werden, wenn

  • bei dem Unfall ein Fremdsachschaden von mindestens 2.500,00 € netto entstanden ist und
  • der Unfallbeteiligte weiß oder wissen konnte, dass ein Fremdsachschaden in dieser Höhe entstanden ist.

Liegt der entstandene Fremdsachschaden

  • unterhalb von 500,00 € netto

kommt nach der Entscheidung des LG Nürnberg-Fürth nur die Verhängung eines Fahrverbots von ein bis zu sechs Monaten nach § 44 Abs. 1 StGB in Betracht.

Wann macht man sich wegen Unfallflucht strafbar, was droht einem in einem solchen Fall und wann kann eine Entziehung der Fahrerlaubnis

…. bei einer Unfallflucht auch dann unzulässig sein, wenn an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist?

Schuldig des unerlaubten Entfernens vom Unfall nach § 142 Strafgesetzbuch (StGB) nach einem Unfall im Straßenverkehr,

  • also der „Unfallflucht“,

macht sich ein Unfallbeteiligter

  • – und das ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann –

nicht nur, wenn er sich vom Unfallort entfernt,

  • bevor er zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, dass er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht (§ 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB) oder
  • eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne dass jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen (§ 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB),

sondern nach § 142 Abs. 2 StGB auch derjenige, der sich

  • nach Ablauf der Wartefrist (§ 142 Abs. 1 Nr. 2) oder
  • berechtigt oder
  • entschuldigt

vom Unfallort entfernt hat und

  • die Feststellungen nicht unverzüglich nachträglich ermöglicht.

Verhängt werden kann gegen einen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort Schuldigen nicht nur

  • eine Geldstrafe oder
  • eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.

Vielmehr droht daneben auch entweder die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 StGB, wenn

  • der Schuldige Führer eines Kraftfahrzeugs war und
  • er wusste oder wissen konnte, dass
    • bei dem Unfall ein Mensch getötet, nicht unerheblich verletzt worden oder
    • an fremden Sachen bedeutender Schaden (der ab einer Größenordnung von ca. 1.300,- € beginnt) entstanden ist

oder (zumindest) ein Fahrverbot nach § 44 StGB für die Dauer von einem Monat bis zu sechs Monaten.

Allerdings kann, abhängig von den Umständen des Einzelfalles, nach einer Unfallflucht

  • auch dann, wenn bei dem Unfall ein Sachschaden entstanden ist, der über der Wertgrenze für den bedeutenden Sachschaden liegt,

eine Entziehung der Fahrerlaubnis unzulässig sein, wenn der des unerlaubten Entfernens vom Unfallort Schuldige

  • vor der Tat langjährig beanstandungsfrei als Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilgenommen hat und
  • ebenso über einen längeren Zeitraum nach der Tat nicht auffällig war,
  • bereits durch die lange Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a Strafprozessordnung (StPO) nachhaltig beeindruckt worden ist oder
  • sich die Tat in einer für ihn außergewöhnlichen, beispielsweise emotional belastenden Situation ereignet hat (Hanseatisches Oberlandesgericht (OLG) Hamburg, Beschluss vom 27.07.2018 – 2 Rev 50/18 – 1 Ss 91/18 –).

Was Fahrzeugführer, die wegen starken Drangs zur Verrichtung der Notdurft einen Geschwindigkeitsverstoß

…. begangen haben, wissen sollten.

Mit Beschluss vom 25.02.2019 – (1 B) 53 Ss-OWi 41/19 (45/19) – hat das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) darauf hingewiesen, dass, wenn ein Autofahrer deswegen,

  • weil er dringend auf die Toilette muss,

die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreitet, ohne weiteres

  • weder davon ausgegangen werden kann,
    • dass die Geschwindigkeitsüberschreitung durch einen Notstand (§ 16 OWiG), der im Ergebnis einen Freispruch zur Folge hätte, gerechtfertigt war,
  • noch davon,
    • dass eine notstandsähnliche Lage vorgelegen hat, die ein Absehen von einem verwirkten Regelfahrverbot rechtfertigt.

Ob in einem solchen Fall

  • ein Notstand oder
  • zumindest eine notstandsähnliche Lage

vorgelegen hat, hängt danach vielmehr ab,

  • zum einen, dass die Angabe des Fahrzeugführers, dass er infolge einer dringenden Notdurft selber zu einer Toilette gelangen wollte, glaubhaft sind

sowie zum anderen auch u.a. davon,

  • wann und wo der Fahrzeugführer die Fahrt angetreten hat, wie lange er bereits unterwegs gewesen war und
  • ob es ihm möglich gewesen wäre,
    • seine Notdurft bereits vor Fahrtantritt oder während der Fahrt zu einem früheren Zeitpunkt zu verrichten bzw.
    • einen Ort zur Verrichtung der Notdurft mit angemessener Geschwindigkeit zu erreichen (vgl. dazu, wannein Absehen von einem verwirkten Regelfahrverbot bei nur noch eingeschränkter Kontinenz oder einer schwache Blase in Betracht kommen kann, auch OLG Hamm, Beschluss vom 10.10.2017 – 4 RBs 326/17 –).

Autofahrer sollten wissen, wann wegen eines Augenblicksversagens ein Absehen von einem verwirkten Regelfahrverbot

…. in Betracht kommen kann.

Liegen die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) vor, in denen,

  • wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers,

die Anordnung eines Fahrverbots,

  • als Denkzettel- und Erziehungsmaßnahme,

in der Regel in Betracht kommt, wie bei Verwirklichung eines Tatbestands

  • der Nummern 9.1 bis 9.3, der Nummern 11.1 bis 11.3, jeweils in Verbindung mit Tabelle 1 des Anhangs,
  • der Nummern 12.6.3, 12.6.4, 12.6.5, 12.7.3, 12.7.4 oder 12.7.5 der Tabelle 2 des Anhangs,
  • der Nummern 19.1.1, 19.1.2, 21.1, 21.2, 50.1, 50.2, 50.3, 135, 135.1, 135.2, 83.3, 89b.2, 132.1, 132.2, 132.3, 132.3.1, 132.3.2, 152.1 oder
  • der Nummern 244, 246.2, 246.3 oder 250a

des Bußgeldkatalogs, kommt ein Absehen von einem Fahrverbot u.a. dann in Betracht, wenn

  • ein Augenblicksversagen offensichtlich gegeben ist und
  • deshalb erkennbar nicht der von § 4 Abs. 1 BKatV erfasste Normalfall vorliegt.

In Betracht kommt ein solches Augenblicksversagen, wenn die begangene Pflichtverletzung darauf zurückzuführen sein kann, dass

  • ein unübersichtliches Verkehrsgeschehen falsch gedeutet,
  • eine verwirrende Verkehrsregelung falsch verstanden,
  • auf eine überraschend eingetretene Verkehrslage falsch reagiert oder
  • ein Verkehrszeichen schlicht übersehen wurde und die sichtbaren äußeren Umstände auch nicht auf eine Beschränkung oder ein Ge- oder Verbot hingedeutet haben.

Nicht auf ein Augenblicksversagen berufen können sich Autofahrer,

  • die nicht nur einfache Fahrlässigkeit,
  • sondern eine grobe Nachlässigkeit und/oder Unaufmerksamkeit an den Tag gelegt haben, obwohl sie aufgrund vorhandener Umstände verpflichtet gewesen wären erhöhte Vorsicht und Aufmerksamkeit walten zu lassen (vgl. Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe, Beschluss vom 24.01.2019 – 2 Rb 8 Ss 830/18 – zum Fall der Verwechslung eines Wechsellichtzeichens nach vorherigem Anhalten bei Rotlicht, auch als „Mitzieheffekt“ oder „Frühstart“ bezeichnet).

War sehr starker Drang zur Verrichtung der Notdurft ursächlich für eine Geschwindigkeitsüberschreitung kann dies

…. im Einzelfall ausnahmsweise ein Grund sein von einem an sich verwirkten Regelfahrverbot abzusehen.

Darauf hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschluss vom 10.10.2017 – 4 RBs 326/17 – hingewiesen

Voraussetzung für einen solchen Ausnahmefall ist allerdings, dass der für die Überschreitung der Geschwindigkeit beispielsweise starke Harndrang durch eine besondere körperliche Disposition,

  • wie etwa eine nach einer Prostataoperation nur noch eingeschränkte Kontinenz oder
  • eine schwache Blase,

bedingt gewesen ist.

  • Dies allein reicht jedoch nicht aus, weil andernfalls der betroffene Personenkreis gleichsam einen „Freibrief“ für pflichtwidriges Verhalten im Straßenverkehr erhalten würde.

Vielmehr muss ein Betroffener mit einer solchen körperlichen Disposition,

  • damit ein Absehen von einem Regelfahrverbot in Betracht kommt,

auch glaubhaft dartun können, dass er,

  • um zu verhindern, dass ihn ein starker Drang zur Verrichtung der Notdurft zu pflichtwidrigem Verhalten verleitet,

seine Fahrt

  • entsprechend geplant,
  • gewisse Unwägbarkeiten (wie etwa Stau, Umleitungen etc.) in seine Planungen eingestellt und
  • entsprechende Vorkehrungen getroffen oder
  • auf anfänglich aufgetretenen Harn- oder Stuhldrang rechtzeitig reagiert hat.

Insbesondere Betroffene,

  • die häufiger in eine Situation kommen,
  • in der bei ihnen dringender Harndrang auftritt,

müssen sich hierauf entsprechend eingestellt haben, weil sich das Maß ihrer Pflichtwidrigkeit erhöhen würde, wenn sie ein Fahrzeug führen,

  • obwohl sie wegen jederzeit auftretenden quälenden Harndrangs, um schneller zu einer Toilette zu gelangen, der zulässigen Höchstgeschwindigkeit keine Beachtung mehr schenken können (Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm vom 03.11.2017).

Wenn wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung ein Regelfahrverbot droht

….. wird von einem bußgeldrechtlich verwirkten Fahrverbot abgesehen, wenn der Betroffene irrtümlich der Meinung war, die angeordnete Geschwindigkeitsbegrenzung beziehe sich nicht auf ihn?

Wird von einem Kfz-Führer eine Geschwindigkeitsüberschreitung begangen, weil er

  • das Verkehrszeichen über die zulässige Höchstgeschwindigkeit (Zeichen 274) zwar optisch wahrgenommen hatte,
  • aber beispielsweise wegen eines darunter befindlichen Überholverbotszeichens (Zeichen 277) sowie hierzu angebrachter Zusatzschilder

irrtümlicher Weise der Meinung war, die angeordnete Geschwindigkeitsbegrenzung beziehe sich nicht auf ihn, ist er

  • einem vermeidbaren Verbotsirrtum i.S.v. § 11 Abs. 2 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) unterlegen,

da er sich über den Bedeutungsgehalt verkehrsrechtlicher Anordnungen geirrt und ihm deshalb die Einsicht gefehlt hat, Unerlaubtes zu tun.

Ein solcher vermeidbarer Verbotsirrtum kann Anlass geben, von einem an sich verwirkten Regelfahrverbot Abstand zu nehmen.

Dies gilt allerdings nicht bei jedem vermeidbaren Verbotsirrtum gleichsam zwangsläufig, sondern ist beschränkt auf solche (Verbots)Irrtümer,

  • die ihre Ursache in einem Augenblicksversagen haben,
  • die also als lediglich spontane Fehleinschätzung angesehen werden können, wie sie auch dem sorgfältigen und pflichtbewussten Kraftfahrer unterlaufen kann.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg mit Beschluss vom 27.01.2017 – 3 Ss OWi 50/17 – hingewiesen.

Betroffene sollten wissen, wann ein im Bußgeldbescheid festgesetztes Regelfahrverbot wegfallen kann

Ist in einem Fall,

  • in dem gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) oder gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV bei begangenen Ordnungswidrigkeiten nach § 24 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) die Anordnung eines Fahrverbots (§ 25 Abs. 1 S. 1 StVG) in der Regel in Betracht kommt,
  • von der Bußgeldbehörde im Bußgeldbescheid ein Fahrverbot festgesetzt und
  • gegen den Bußgeldbescheid vom Betroffenen Einspruch eingelegt worden,

darf der Bußgeldrichter, falls er den Betroffenen wegen der entsprechenden Ordnungswidrigkeit verurteilt, das Fahrverbot nur dann wegfallen lassen,

  • wenn entweder die Würdigung der Tat und der Persönlichkeit des Betroffenen ergibt, dass bestimmte besondere Umstände vorliegen nach denen es ausnahmsweise der Warn- und Denkzettelfunktion eines Fahrverbots bei dem Betroffenen nicht bedarf, wie beispielsweise bei einem sog. „Augenblicksversagen“, wie es auch dem sorgfältigen und pflichtbewussten Kraftfahrer unterlaufen kann oder
  • wenn die Anordnung eines Fahrverbots eine für den Betroffenen – durch andere Maßnahmen nicht kompensierbare – Härte ganz außergewöhnlicher Art bedeuten würde und demzufolge unverhältnismäßig wäre.

Eine Härte ganz außergewöhnlicher Art kann beispielsweise vorliegen,

  • oder wenn ein Betroffener krankheitsbedingt auf die Kfz-Nutzung angewiesen ist.

Beruft sich ein Betroffener auf das Vorliegen einer solchen Härte ganz außergewöhnlicher Art, muss er entsprechende Tatsachen dafür vortragen und Beweismittel hierfür anbieten (OLG Bamberg, Beschluss vom 29.10.2012 – 3 Ss OWi 1374/12 – und Beschluss vom 17.01.2017 – 3 Ss OWi 1620/16 – zum Absehen vom Fahrverbot wegen krankheitsbedingter Angewiesenheit auf Kfz-Nutzung).