Tag Gefährdung

LG Köln entscheidet: Schadensersatzansprüche gegen einen Hundehalter aus Tierhalterhaftung können ausscheiden, wenn der Geschädigte 

…. sich sowohl die Tiergefahr des eigenen Hundes als auch ein Verschulden (gegen sich selbst) anrechnen lassen muss.

Mit Urteil vom 10.07.2024 – 2 O 207/23 – hat das Landgericht (LG) Köln die Klage 

  • einer Hundehalterin 

abgewiesen, die 

  • von einer anderen Hundehalterin (im Folgenden: Beklagte) 

Schmerzensgeld

  • wegen einer Verletzung 

wollte, die sie erlitt, weil sie  

  • während eines gemeinsamen Spaziergangs mit der Beklagten, bei dem ihre beiden abgeleinten Hunde zunächst im Jagdspiel vorausgelaufen waren, 

von dem nicht auf sie achtenden Hund der Beklagten 

  • umgerannt

worden war, als dieser, 

  • womit sie nicht gerechnet hatte, jedoch hätte rechnen müssen, 

ihrem kurz vorher zurückkehrenden Hund

  • aufgrund der von diesem weiter ausgehenden und auf ihn einwirkenden Reize

nachlief.

Die Klageabweisung begründete das LG damit, dass, wenn ein Hund 

  • in Verwirklichung der von ihm ausgehenden typischen Tiergefahr 

einen Menschen umrennt, der Tierhalter, also hier Beklagte, 

  • nach § 833 Satz 1 BGB 

zwar grundsätzlich zum Ersatz des dadurch entstandenen Schadens verpflichtet ist, vorliegend jedoch die Klägerin sich sowohl 

  • die mitwirkende Tiergefahr ihres eigenen Hundes bei der Entstehung ihres Schadens, 

als auch 

  • ein eigenes Verschulden 

anrechnen lassen müsse und dies 

  • im Innenverhältnis zur Beklagten im Ergebnis 

dazu führt, dass die Klägerin, nachdem 

  • sie zusätzlich ein Verschulden (gegen sich selbst) trifft,
  • während die Beklagte nur aus Gefährdungsgesichtspunkten haften würde (Sinngehalt des § 840 Abs. 3 BGB),

allein verpflichtet ist (Quelle: Pressemitteilung des LG Köln).

OLG Zweibrücken entscheidet: Showbeleuchtung eines Sattelzugs führt nicht immer zum Erlöschen der Betriebserlaubnis

Der Bußgeldsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts (OLG) Zweibrücken hat mit Beschluss vom 24.05.2022 – 1 OWi SsBs 101/21 – in einem Fall, in dem der Betroffene eine von ihm an seiner Sattelzugmaschine angebrachte Zusatzbeleuchtung, 

  • bestehend aus mehr als 110 zusätzliche LED-Leuchteinheiten
  • – gesondert schaltbar durch einen eigenen Stromkreis -, 

die der Verwendung des Fahrzeugs bei einer Showveranstaltung diente,

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Wer kann wann wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht schadensersatzpflichtig sein?

Derjenige,

  • der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft oder 
  • in dessen Verantwortungsbereich eine Gefahrenlage eintritt

ist grundsätzlich verpflichtet, die 

  • notwendigen und 
  • zumutbaren

Vorkehrungen zu treffen, um 

  • eine Schädigung anderer 

möglichst zu verhindern. 

Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst dabei diejenigen Maßnahmen, die ein 

  • umsichtiger und 
  • verständiger,
  • in vernünftigen Grenzen vorsichtiger 

Mensch für 

  • notwendig und 
  • ausreichend

hält, um andere vor Schäden zu bewahren.

Zu berücksichtigen ist jedoch, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. 

  • Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre, da eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, im praktischen Leben nicht erreichbar ist, utopisch 

Haftungsbegründend wird eine Gefahr somit erst dann, wenn sich 

  • für ein sachkundiges Urteil 

die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass 

  • Rechtsgüter anderer 

verletzt werden. 

  • Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. 
  • Vielmehr sind nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. 

Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) ist genügt, wenn im Ergebnis 

  • derjenige Sicherheitsgrad 

erreicht ist, den 

  • die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält bzw. 
  • der Verkehr erwarten darf.

Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein 

  • verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise 

für ausreichend halten darf, 

  • um andere Personen vor Schäden zu bewahren 

und die den Umständen nach zuzumuten sind.

Kommt es in Fällen, in denen hiernach 

  • keine Schutzmaßnahmen 

getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung anderer 

  • zwar nicht völlig ausgeschlossen, 

aber nur 

  • unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen 

zu befürchten war, 

  • ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden, 

so muss der Geschädigte – so hart dies im Einzelfall sein mag – den Schaden selbst tragen.

Darauf hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 19.01.2021 – VI ZR 194/18 – hingewiesen. 

Schüler sollten wissen, dass, wenn sie mit anonymen, als Scherz gedachten, Instagram-Beiträgen einen Polizeieisatz auslösen,

…. ihnen die Kosten für den Polizeieinsatz auferlegt werden können.

Mit Urteil vom 26.08.2020 – 10 A 3201/19 – hat die 10. Kammer des Verwaltungsgerichts (VG) Hannover in einem Fall, in dem ein 15-jähriger Schüler über einen anonymen „Instagram“-Account 

  • verklausulierte lateinische Botschaften sowie 
  • einen Countdown mit dem Zusatz „RIP KGS“ geteilt und 
  • Mitschüler in den Beiträgen verlinkt hatte,

von der Schulleitung daraufhin die Polizei eingeschaltet und 

  • nach Aufnahme der polizeilichen Ermittlungen, 

von dem Schüler das Benutzerkonto entfernt sowie,

  • allerdings ohne seine Identität zu offenbaren,

über ein neues, ebenfalls anonymes „Instagram“-Benutzerkonto gegenüber der Schulleitung versichert worden war, dass, 

  • was auch stimmte, da es sich lediglich um einen Streich handeln sollte, 

eine Gefahr nicht droht, entschieden, dass der Schüler die 

  • durch den Polizeieinsatz entstandenen Kosten

tragen muss.

Begründet hat die Kammer dies damit, dass der Schüler Anlass für den Polizeieinsatz gegeben hat, weil, 

  • gerade bei anonymen Drohungen im Internet es den Polizeibehörden obliege, den drohenden Schaden gegen die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts im Rahmen einer Gefährdungsabschätzung abzuwägen und auf dieser beruhend, Maßnahmen zu ergreifen,

in Anbetracht des Phänomens von Amokläufen in Bildungseinrichtungen auch bei uneindeutigen Anhaltspunkten für eine bevorstehende Gewalttat an einer Schule die Aufnahme von Ermittlungen geboten ist und ein 15-Jähriger sich nicht darauf berufen könne, 

  • dass ihm die möglichen Folgen seines Verhaltens nicht bewusst gewesen seien, 
  • es sich bei seinen Instagram-Beiträgen nur um einen erkennbaren Scherz gehandelt und
  • er dies gegenüber der Schulleitung auch nachträglich aufgeklärt habe,

sondern für ihn, in seinem Alter, die Tragweite seines Verhaltens erkennbar gewesen sein müsse (Quelle: Pressemitteilung des VG Hannover).

PKW- und LKW-Fahrer sollten wissen, was ein, durch einen sog. Sekundenschlaf verursachter Verkehrsunfall für sie

…. insbesondere aus strafrechtlicher Sicht für Rechtsfolgen haben kann.

Kommt es bei einem Fahrzeugführer während der Fahrt zu einem 

  • „Sekundenschlaf“

und dadurch zu einem Verkehrsunfall, bei dem 

  • Leib oder Leben eines anderen Menschen oder 
  • fremde Sachen von bedeutendem Wert 

gefährdet werden, liegt nicht nur eine fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs 

  • nach § 315c Abs. 1 Nr.1 Buchst b, Abs. 3 Nr. 2 Strafgesetzbuch (StGB)  

vor, sondern droht dem Fahrzeugführer, 

  • neben der Strafe hierfür, 

auch 

  • der Entzug der Fahrerlaubnis (§ 69 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB).

Ein Sekundenschlaf ist für einen, 

  • nicht an Narkolepsie (einer Krankheit des Nervensystems) leidenden,

Fahrzeugführer nämlich 

  • kein unvorhersehbares Ereignis, sondern

stets jedenfalls zumindest „einfach fahrlässig“ vorhersehbar.

Denn nach dem gegenwärtigen Stand der ärztlichen Wissenschaft besteht der Erfahrungssatz, dass ein 

  • nicht an Narkolepsie leidender

Kraftfahrer,

  • bevor er am Steuer seines Fahrzeugs während der Fahrt einschläft oder vorübergehend einnickt,

stets deutliche Anzeichen der Ermüdung (Übermüdung) bzw. einer erheblichen Müdigkeit an sich

  • wahrnimmt oder 
  • wenigstens wahrnehmen kann

und zwar auch dann, wenn der Kraftfahrer 

  • die Fahrt nach ausreichendem Schlaf in der vorausgegangenen Nacht in ausgeruhtem Zustand angetreten hat.

Solche an sich wahrnehmbare Frühsymptome, die zuerst den Eintritt der Müdigkeit und damit die Gefahr begründen, 

  • dass es zu einem Einnicken bzw. Sekundenschlaf und 
  • dadurch zu einem Unfall 

kommen kann, können 

  • etwa Lidschwere, Konvergenzschwäche, Fremdkörperreiz in den Augen, das Sehen von Doppelbildern, Gähnen u. dergl.

sein und wenn Kraftfahrer gleichwohl, 

  • ohne Fahrtunterbrechung bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit (zum Zwecke des Schlafens oder mindestens des Sichausruhens, Sichbewegens und Sichauffrischens),

weiterfahren,

  • setzen sie sich entweder über diese Warnzeichen bewusst hinweg bzw. ignorieren diese,
    • was grob fahrlässig wäre, 
  • oder sind sie der ihnen obliegenden Selbstbeobachtung nicht hinreichend nachgekommen,
    • was als einfach fahrlässig anzusehen ist (so Bayerisches Oberstes Landesgericht (BayObLG), Urteil vom 18.08.2003 – 1St RR 67/03 – und Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 18.11.1969 – 4 StR 66/69 – sowie Oberlandesgericht (OLG) Celle, Urteil vom 01.07.2020 – 14 U 8/20 – dazu, wann im Zivilprozess Sekundenschlaf als Unfallursache angenommen werden kann). 

Hinweis:
Das oben Ausgeführte zeigt, dass Kraftfahrer, die 

  • aus Unachtsamkeit einen Verkehrsunfall verursacht haben, aber 

meinen nicht belangt werden zu können, wenn sie sich darauf berufen, 

  • am Steuer eingenickt zu sein, 

einem fatalen Irrtum unterliegen.   

  • Tatsächlich kann sich eine solche Angabe bzw. Einlassung bei der informatischen Befragung an der Unfallstelle oder einer nachfolgenden Vernehmung nachteilig auswirken.

OLG Oldenburg entscheidet: Blendung durch die tiefstehende Sonne entschuldigt einen Autofahrer im Falle eines Unfalls nicht

Mit Beschluss vom 19.03.2020 – 1 W 60/20 – hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg in einem Fall, in dem ein links abbiegender Autofahrer mit zwei entgegenkommenden Motorradfahrern,

  • weil er diese wegen der tiefstehenden Abendsonne übersehen hatte,   

kollidiert war und die beiden Motorradfahrer dabei tödlich verletzt worden waren, die Staatsanwaltschaft,

  • die das Verfahren gegen den Autofahrer wegen fahrlässiger Tötung mit der Begründung eingestellt hatte, es sei nicht auszuschließen, dass 
    • der Autofahrer, der zum Zeitpunkt des Unfalls gegen die tiefstehende Sonne habe blicken müssen, die Motorradfahrer wegen der Sonnenblendung nicht habe erkennen und 
    • deswegen den Unfall nicht habe vermeiden können,

auf Beschwerde der Hinterbliebenen der Motorradfahrer 

  • gegen die Einstellung des Verfahrens und deren Antrag nach § 172 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) hin, 

angeordnet, dass die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den Autofahrer 

  • wegen tateinheitlich begangener zweifacher fahrlässiger Tötung nach § 222 Strafgesetzbuch (StGB) 

erheben muss. 

Nach Auffassung des Strafsenats darf ein Autofahrer 

  • nicht einfach „blind“ weiterfahren, ohne eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen,

sondern muss, wenn es nicht anders geht, 

  • so lange warten, bis er wieder richtig sehen kann, was vor ihm ist bzw.
  • am Fahrbahnrand anhalten, bis sich seine Augen an die Blendung gewöhnt haben (Quelle: Pressemitteilung des OLG Oldenburg).