Tag Krankheit

Teilweise erwerbsgeminderte Arbeitnehmer sollten wissen, dass sie Anspruch auf volle Erwerbsminderungsrente haben können, wenn

…. praktisch keine Aussicht auf eine Teilzeitstelle besteht.

Mit Urteil vom 23.08.2019 – L 5 R 226/18 – hat das Hessische Landessozialgericht (LSG) in Darmstadt im Fall eines als Bauzeichner Beschäftigten, der 

  • aufgrund einer psychischen Erkrankung arbeitsunfähig geworden war, zunächst Krankengeld, anschließend Arbeitslosengeld und unter Hinweis darauf, nur noch drei bis sechs Stunden täglich arbeiten zu können, 

eine Rente wegen Erwerbsminderung beantragt hatte, darauf hingewiesen, dass gesetzlich rentenversicherte Arbeitnehmer, die aus

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Wichtig zu wissen für Arbeitnehmer, die sich im Urlaub wegen Kontaktes mit einer an Covid-19 erkrankten Person in Quarantäne

…. begeben müssen.

Mit Urteil vom 03.08.2021 – 3 Ca 362 b/21 – hat das Arbeitsgericht (ArbG) Neumünster in einem Fall, in dem ein Arbeitnehmer,

  • dem auf Antrag vom Arbeitgeber Urlaub gewährt worden war,

sich im Urlaub 

  • – ohne selbst infiziert zu sein – 

aufgrund eines Kontaktes mit einer an Covid-19 erkrankten Person auf Anordnung in 

  • Quarantäne

begeben musste, entschieden, dass die 

  • Quarantänetage auf den Urlaub angerechnet 

werden. 

Das ArbG Neumünster hat es abgelehnt § 9 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG),

  • der bestimmt, dass, wenn ein Arbeitnehmer während des Urlaubs erkrankt, die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet werden, 

auf den Fall der Anordnung einer Quarantäne analog anzuwenden und hat dies u.a. damit begründet, dass 

  • es sich bei § 9 BUrlG um eine nicht verallgemeinerungsfähige Ausnahmevorschrift handelt und 
  • eine klare Grenzziehung bei der Frage, wer das Risiko für die Urlaubsstörung trägt, nur möglich und praktikabel ist, wenn allein auf die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers abgestellt wird (Quelle: Pressemitteilung des Landesarbeitsgerichts (LArbG) Kiel).

Das bedeutet:
Bei einer während des Urlaubs angeordneten Quarantäne werden die Quarantänetage 

  • nicht wie Krankheitstage 

behandelt und besteht, 

auch dann, wenn Arbeitnehmer während eines gewährten Urlaubs wegen einer 

  • Infektion mit dem Coronavirus 

auf behördliche Anordnung in Quarantäne müssen, ein 

  • Anspruch auf Nach- bzw. Rückgewährung von Urlaubstagen 

nur, sofern für den 

  • Quarantänezeitraum Arbeitsunfähigkeit durch ein ärztliches Zeugnis 

nachgewiesen werden kann.

Gesetzlich Krankenversicherte, die eine medizinisch nicht indizierte Schönheitsoperation als Privatbehandlung durchführen

…. lassen, sollten wissen, dass, 

  • falls sie sich dadurch eine (behandlungsbedürftige) Krankheit zuziehen, 

die Krankenkasse sie nach § 52 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) 

  • in angemessener Höhe an den Kosten zu beteiligen und 
  • das Krankengeld für die Dauer dieser Behandlung ganz oder teilweise zu versagen oder zurückzufordern 

hat.

Das bedeutet, kommt es beispielsweise bei einer Frau nach einer schönheitschirurgischen Brustvergrößerung

  • zu Rissen an einem Silikonimplantat sowie 
  • aufgrund dessen zu einer Brustentzündung, die den Ausbau der Implantate dringend erforderlich macht, 

muss die Frau,

  • weil die Erkrankung, nämlich die Entzündung der Brust auf die eigenverantwortliche Entscheidung, sich Implantate einsetzten zu lassen, zurückzuführen ist, 

sich an den für die Entnahme der alten Implantate anfallenden Kosten beteiligen und

  • wenn sie die alten Implantat durch neue ersetzen lässt, auch die Kosten hierfür (wieder) privat bezahlen.

Die Höhe der Kostenbeteiligung hängt dabei ab von 

Wer eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließt sollte wissen, dass falsche Angaben die Versicherung zum Rücktritt

…. berechtigen können. 

Mit Urteil vom 13.08.2020 – 11 U 15/19 – hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Braunschweig in einem Fall, in dem ein Vater, 

  • bei dem Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung für seine 15-jährige Tochter, 

die Frage im Versicherungsformular 

  • nach aufgetretenen Krankheiten in den letzten fünf Jahren 

mit „nein“ beantwortet hatte, 

  • obwohl die Tochter damals bereits seit zwei Jahren an einer Psycho- und Verhaltenstherapie, unter anderem wegen Entwicklungs- und Essstörungen, teilnahm

und die Versicherung, als der Vater sie, 

  • weil seine Tochter wegen psychischer Beeinträchtigungen nicht in der Lage war, ihre Schulausbildung fortzusetzen oder eine Berufsausbildung zu beginnen, 

in Anspruch nehmen wollte, dies ablehnte und vom Vertrag (nach § 19 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG)), 

  • wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht zurücktrat, 

entschieden, dass,

  • aufgrund der im Versicherungsformular bei Vertragsschluss bewusst wahrheitswidrig beantworteten Fragen zum Gesundheitszustand der Versicherungsnehmerin,  

der Rücktritt der Versicherung berechtigt war. 

Begründet hat der Senat dies mit 

  • der Eindeutigkeit der Frage nach Vorerkrankungen in dem Versicherungsformular 

sowie damit, dass dem Vater die Störungen seiner Tochter bekannt gewesen seien und ihm,

  • weil er erkannt und gebilligt habe, dass von der Versicherung, hätte sie von der Krankheit der Tochter gewusst, der Vertrag über die Berufsunfähigkeitsversicherung nicht oder nur zu anderen Konditionen geschlossen worden wäre, 

arglistiges Handeln vorzuwerfen sei (Quelle: Pressemitteilung des OLG Braunschweig). 

Was man über sein Selbstbestimmungsrecht bei Entscheidungen über sein eigenes Leben wissen sollte und

…. was zu wissen insbesondere auch für die behandelnden Ärzte wichtig ist.

Nach dem Grundgesetz (GG) ist jeder Mensch,

  • der volljährig ist und
  • seinen Willen frei bilden sowie entsprechend handeln kann,

frei,

  • über den Umgang mit seiner Gesundheit

nach eigenem Gutdünken zu entscheiden.

Die Rechtsprechung leitet aus

  • dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 GG) und
  • dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG)

eine „Freiheit zur Krankheit“ ab, die es grundsätzlich einschließt, Heilbehandlungen

  • auch dann abzulehnen, wenn

sie medizinisch angezeigt sind.

  • Selbst bei lebenswichtigen ärztlichen Maßnahmen schützt das Selbstbestimmungsrecht des Patienten eine Entschließung, die aus medizinischen Gründen unvertretbar erscheint.

Das Grundgesetz garantiert dem Individuum das Recht, in Bezug auf die eigene Person aus medizinischer Sicht Unvernünftiges zu tun und sachlich Gebotenes zu unterlassen.

Durch die Erstellung einer Patientenverfügung (§ 1901a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) kann man sicherstellen, dass sein

  • in einwilligungsfähigem Zustand

ausgeübtes,

  • das Recht zur Selbstgefährdung bis hin zur Selbstaufgabe und
  • damit auch auf Ablehnung lebensverlängernder Maßnahmen, unabhängig von Art und Stadium einer Erkrankung sowie der ärztlichen Indikation der Behandlung einschließende,

Selbstbestimmungsrecht über

  • eine gewünschte Behandlung oder
  • eine nicht mehr gewünschte (Weiter)Behandlung

auch dann noch respektiert wird, wenn

  • man zu eigenverantwortlichem Entscheiden nicht mehr in der Lage ist.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 25.06.2010 – 2 StR 454/09 – demzufolge einen Behandlungsabbruch

  • – losgelöst von der Begehungsform –

als gerechtfertigt angesehen, wenn er

  • in Ansehung von § 1901a BGB dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Patientenwillen entspricht und
  • dazu dient, einem ohne Behandlung zum Tode führenden Krankheitsprozess seinen Lauf zu lassen (BGH, Urteil vom 07.2019 – 5 StR 393/18 –).

An Xanthelasmen leidende gesetzlich Krankenversicherte sollten wissen, wann die Krankenkasse die

…. Kosten für die Entfernung übernehmen muss und wann nicht.

Mit Urteil vom 28.05.2019 – S 42 KR 489/17 – hat das Sozialgericht (SG) Osnabrück darauf hingewiesen, dass bei gesetzlich Krankenversicherten eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse

  • für die Entfernung von Xanthelasmen
  • – gelbe Flecken oder Knötchen durch Einlagerung von Cholesterin im Gewebe des Aufgenober- und/oder Unterlids –

voraussetzt, dass der Versicherte durch die Xanthelasmen

  • entweder in seiner Körperfunktionen beeinträchtigt
  • oder objektiv entstellt

ist, weil

Das bedeutet, es müssen entweder

  • Beeinträchtigungen durch die Xanthelasmen wie beispielsweise Jucken, Nässen oder eine Gesichtsfeldeinschränkung durch ärztliche Befunde objektiviert werden können

oder

Schon erhöhtes Brustkrebsrisiko bei einer Frau kann als Krankheit im beihilferechtlichen Sinn zu werten sein

…. und Anspruch auf Beihilfe beispielsweise für eine vorsorgliche Brustdrüsenentfernung sowie die nachfolgende Implantatrekonstruktion begründen.

Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) mit Urteil vom 28.09.2017 – 5 C 10.16 – entschieden.

Danach kann

  • schon das wegen familiärer Vorbelastung und einer Genmutation bestehende erhöhte individuelle Risiko einer Frau,
  • innerhalb eines überschaubaren Zeitraums an Brustkrebs zu erkranken,

als Krankheit im beihilferechtlichen Sinn zu werten sein und

  • demzufolge ein Anspruch auf Gewährung von beamtenrechtlicher Beihilfe für eine vorsorgliche operative Maßnahmen bestehen.

Zwar sei, so das BVerwG, Voraussetzung für eine Krankheit nach dem beihilferechtliche Krankheitsbegriff, der sich im Grundsatz mit dem entsprechenden Begriff im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung deckt,

  • grundsätzlich eine körperliche oder geistige Funktionsbeeinträchtigung,
  • die bei einer noch nicht an Brustkrebs erkrankten Frau fehle.

Allerdings liege, so das BVerwG weiter,

  • wenn die auf Tatsachen gestützte konkrete Gefahr einer schwerwiegenden Gesundheitsschädigung bestehe und
  • die schädigenden Folgen, die im Falle des Ausbruchs der Krankheit einträten, so schwer sind, dass die Behandlungsbedürftigkeit bereits vor Realisierung der Gefahr zu bejahen sei,

auch ohne Funktionsbeeinträchtigung eine Krankheit im beihilferechtlichen Sinn deshalb vor,

Wichtig für gesetzlich Krankenversicherte zu wissen: Wann muss die Krankenkasse für eine kosmetische Operation zahlen

…. und worauf kommt es dabei an?

Mit Beschluss vom 10.07.2017 – L 16 KR 13/17 – hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in einem Fall, in dem es bei einem gesetzlich Krankenversicherten nach einer Schlauchmagenoperation

  • zu einem massiven Gewichtsverlust und
  • zu einem erschlafften Hautüberschuss im Bereich des Bauches, einer sogenannten Fettschürze, gekommen war,

darauf hingewiesen, dass ein Anspruch auf Zahlung einer Operation zur Bauchdeckenstraffung gegen die gesetzliche Krankenkasse

  • nicht schon dann besteht, wenn der Versicherte aufgrund der bestehenden Fettschürze unter seinem Aussehen psychisch leidet, er sich nirgends mit freiem Oberkörper zeigen möchte und sich den Blicken anderer Menschen ausgesetzt fühlt,
  • sondern nur dann, wenn eine entstellende Wirkung vorliegt, was im Streitfall das Gericht durch Inaugenscheinnahme festzustellen und wobei es abzustellen hat, auf das äußere Erscheinungsbild des Versicherten in üblicher Alltagskleidung und nicht auf den unbekleideten Zustand.

Um eine Entstellung

  • und damit eine Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung

annehmen zu können,

  • die einen operativen Eingriff in intakte, nicht in ihrer Funktion beeinträchtige Organsysteme rechtfertigt,

reicht nicht jede körperliche Anomalität aus.

Es muss sich dabei vielmehr, so das LSG, objektiv um eine so erhebliche Auffälligkeit handeln,

  • die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit auslöst und

die damit zugleich erwarten lässt,

  • dass der Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht,
  • zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und
  • sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzieht und zu vereinsamen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist (siehe auch Pressemitteilung des LSG Niedersachsen-Bremen vom 31.07.2017 – Nr. 11/2017 –).