Tag Versorgung

VG Frankfurt (Oder) entscheidet: Darauf, dass ihr Kind in der Kita ein erbsenfreies Mittagessen bekommt, haben Eltern keinen Anspruch

…. und zwar auch dann nicht, wenn das Kind unter einer ärztlich bescheinigten Unverträglichkeit von Erbsen leidet.

Mit Beschluss vom 30.05.2023 – 9 L 51/23 – hat das Verwaltungsgericht (VG) Frankfurt (Oder) den Antrag der Eltern eines,

  • unter einer ärztlich bescheinigten Unverträglichkeit von Erbsen leidenden

Kindes abgelehnt, mit dem sie erreichen wollten, dass ihr Kind von der Kindertagesstätte (Kita)

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Für Cannabis auf Kassenrezept bestehen derzeit weiterhin noch hohe Hürden

Der Erste Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat 

  • am 10.11.2022 – B 1 KR 21/21 R, B 1 KR 28/21 R, B 1 KR 9/22 R, B 1 KR 19/22 R – 

in vier Fällen, in denen von der Krankenkasse der Antrag von

  • unter Epilepsie, ADHS, chronischen Schmerzen oder psychischen Erkrankungen leidenden 

Patienten auf

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Querschnittgelähmte Versicherte sollten wissen, dass sie Anspruch auf eine Versorgung mit einer elektrischen Rollstuhlzughilfe

…. mit Handkurbelunterstützung (Handbike) anstelle eines Elektrorollstuhls haben können.

Mit Urteil vom 05.08.2021 – L 1 KR 65/20 – hat der 1. Senat des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) im Fall eines infolge eines mit 20 Jahren erlittenen Unfalls Querschnittsgelähmten, der

  • bisher mit einem Faltrollstuhl versorgt war

und dem die Krankenkasse die beantragte Versorgung 

  • mit einem Handbike – einer elektrischen Rollstuhlzughilfe mit Handkurbelunterstützung -, welche an den Faltrollstuhl angekoppelt werden kann (Kosten ca. 8.600 €)

verweigert und stattdessen

  • einen Elektrorollstuhl (Kosten ca. 5.000 €)

angeboten hatte, entschieden, dass der Antragsteller von der Krankenkasse nicht 

  • im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot 

auf den von ihr angebotenen Elektrorollstuhl verwiesen werden kann, sondern dem Antragsteller das

  • Handbike

gewährt werden muss.

Begründet hat der Senat dies damit, dass Versicherte gegenüber der Krankenkasse einen Anspruch auf Hilfsmittel haben, die 

  • im Einzelfall erforderlich sind, 

um eine Behinderung auszugleichen, die Versorgung mit dem begehrten 

  • Handbike

dem Ausgleich der Folgen der Querschnittslähmung dient, 

  • ohne das Maß des Notwendigen zu überschreiten,

weil der Antragsteller 

  • es ohne fremde Hilfe direkt an den Faltrollstuhl anbringen sowie
  • damit auch Bordsteinkanten und andere Hindernisse selbst überwinden 

kann und ihm dadurch das Grundbedürfnis nach Mobilität 

  • durch Erschließung des Nahbereichs und 
  • damit ein insoweit möglichst selbstbestimmtes und selbständiges Leben 

ermöglicht wird, während das Ziel, den Antragsteller am Leben in der Gesellschaft voll und gleichberechtigt teilhaben zu lassen, bei einer 

  • Versorgung mit einem Elektrorollstuhl 

nur unzureichend gefördert würde, weil der Antragsteller, 

  • da er keine Greifkraft in den Händen hat, mit welcher er beim Befahren z.B. von Bordsteinkanten die erforderlichen Kippbewegungen des Rollstuhls ausführen und auf Gefällstrecken bremsen könnte,

einen Elektrorollstuhl nur nutzen könnte, wenn er von einer Pflegekraft entsprechend umgesetzt wird (Quelle: Pressemitteilung des LSG Darmstadt).

An Multiple-Sklerose Leidenden darf die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl nicht wegen Blindheit verweigert werden

Mit Beschluss vom 04.10.2021 – L 16 KR 423/20 – hat der 16. Senat des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen im Fall eines an Multiple-Sklerose (MS) Erkrankten, 

  • dessen Sehfähigkeit zu 100 % eingeschränkt war, 

der, 

  • wegen der aufgrund seiner Erkrankung stark eingeschränkten Gehfähigkeit zuletzt mit einem Greifreifen-Rollstuhl versorgt worden war 

und dem, 

  • obwohl sich seine Krankheit verschlimmert hatte, sein Arm kraftlos geworden war und er seither den Rollstuhl nur noch mit kleinen Trippelschritten bewegen konnte, 

die Krankenkasse,

  • weil er blind und damit ihres Erachtens nicht verkehrstauglich war,

die beantragte Versorgung mit einem Elektrorollstuhl verweigert hatte, entschieden, dass die Krankenkasse zur 

  • Gewährung des Elektrorollstuhls 

verpflichtet ist.

Begründet hat der Senat dies damit, dass Sehbeeinträchtigungen 

  • kein genereller Grund 

sind, eine

  • Verkehrstauglichkeit bei Elektrorollstühlen 

abzulehnen, nach den Feststellungen eines gerichtlichen Sachverständigen der an MS Erkrankte auch 

  • nach seinen individuellen Fähigkeiten und 
  • seinem die mangelnde Sehfähigkeit ausgleichendem Langstocktraining 

mit einem Elektrorollstuhl umgehen könne, die dennoch mit der Nutzung eines Elektrorollstuhls bei gleichzeitiger Blindheit verbundenen Gefährdungen

  • dem Bereich der Eigenverantwortung zuzuordnen sowie 
  • in Kauf zu nehmen 

seien und deshalb ein Verweis des MS Erkrankten auf die behelfsmäßige Fortbewegung mit dem bisherigen Rollstuhl inakzeptabel sei.

Aufgabe des Hilfsmittelrechts, so der Senat weiter, ist es nämlich, Behinderten ein möglichst

  • selbstbestimmtes

Leben zu ermöglichen und nicht, sie von 

  • sämtlichen Lebensgefahren 

fernzuhalten und sie damit einer 

  • weitgehenden Unmündigkeit 

anheimfallen zu lassen (Quelle: Pressemitteilung des LSG Celle-Bremen).

Unter totalem Kopfhaarverlust leidende gesetzlich krankenversicherte Frauen sollten wissen, dass sie Anspruch auf eine Echthaarperücke

…. haben können.

Mit Urteil vom 18.02.2021 – S 18 KR 304/18 – hat das Sozialgericht (SG) Dresden entschieden, dass eine an 

  • dauerhaftem kompletten Haarverlust am Kopf 

leidende Frau die Versorgung mit einer Echthaarperücke 

  • von der Krankenkasse 

auch dann verlangen kann, wenn 

  • eine Kunsthaarperücke zwar optisch ausreichend wäre, um den Verlust des natürlichen Haupthaares für unbefangene Beobachter zu kaschieren,

sich die Versorgung mit einer Echthaarperücke aber,

  • aufgrund ihrer deutlich längeren Nutzungszeit vor einem wegen Unansehnlichkeit notwendigem Austausch 

langfristig als die kostengünstigste Variante darstellt (Quelle: Pressemitteilung des VG Dresden). 

LSG Baden-Württemberg entscheidet: Kein Anspruch auf Versorgung mit Cannabis bei Schlafapnoesyndrom

…. mit Zähneknirschen und Tagesmüdigkeit. 

Mit Urteil vom 26.02.2021 – L 4 KR 1701/20 – hat der 4. Senat des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg die Klage eines gesetzlich krankenversicherten 48-Jährigen abgewiesen, der 

  • von der Krankenkasse 

gefordert hatte, die Kosten für die 

  • Versorgung mit Medizinal-Cannabisblüten von abendlich 2,5g 

zur Behandlung 

  • seines Schlafapnoesyndroms mit Schlafstörungen, Tagesmüdigkeit und Zähneknirschen

zu übernehmen, 

  • da bei ihm alle bisherigen Therapieversuche nichts gebracht hätten. 

Begründet hat der Senat die Klageabweisung u.a. damit, dass der Anspruch auf 

  • Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten 

nach § 31 Abs. 6 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) voraussetzt,

  • das Vorliegen einer schwerwiegenden Erkrankung, d.h., 
    • einer lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden Erkrankung, 
    • die sich durch ihre Schwere oder Seltenheit vom Durchschnitt der Erkrankungen abhebt,
  • dass eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung 
    • nicht zur Verfügung steht oder 
    • im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der/des behandelnden Vertragsärztin/Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann 

sowie 

  • dass eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht,

in dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall Anhaltspunkte dafür fehlten, dass der Versicherte an einer 

  • schwerwiegenden Form eines Schlafapnoesyndroms mit ganz massiven Schlafstörungen und daraus resultierenden erheblichen körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen (wie etwa abnorme Einschlafneigung tagsüber) 

leidet und seine Erkrankung deshalb

  • weder als schwerwiegend,
  • noch als selten

anzusehen war (Quelle: Pressemitteilung des LSG Baden-Württemberg).

Wichtig zu wissen für Eltern von an spinaler Muskelatrophie (SMA) erkrankten Kindern

Mit Beschluss vom 28.09.2020 – L 10 KR 542/20 B ER – hat das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, im Fall eines über die Familienversicherung gesetzlich versicherten 13 Monate alten, 

  • an spinaler Muskelatrophie (SMA) leidenden, 

Kindes, 

  • das bisher mit Spinraza® behandelt worden war (lebenslange Injektionen, ca. 285.000 Euro pro Jahr), 

entschieden, dass die Krankenkasse verpflichtet ist, das Kind mit einer 

  • stationären Krankenhausbehandlung zur Durchführung einer Therapie mit dem in der EU seit Mai 2020 zugelassenen Zolgensma® (einmalige Injektion, ca. 2 Mio. Euro)

zu versorgen.

Begründet hat das LSG dies damit, dass bei dem 13 Monate alten Kind nach den glaubhaften Angaben des behandelnden Arztes die Therapie mit Zolgensma® 

  • indiziert und 
  • erfolgversprechend,

eine Verweisung auf die Behandlung mit Spinraza® wegen der 

  • erforderlichen Lumbalpunktionen und Sedierungen sowie 
  • der damit einhergehenden Risiken 

eine Verweisung auf die Behandlung mit Spinraza® zudem nicht mehr zumutbar, für die Behandlung mit Zolgensma®,

  • von der im übrigen auch nicht feststehe, dass sie überhaupt zu Mehrkosten führe,    

ein stationärer Krankenhausaufenthalt erforderlich sei,

  • da deren Ziel nicht durch teil-, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung erreicht werden könne

und 

  • nachdem das Erreichen der Grenze für eine sinnvolle Therapie in Anbetracht von Alter und Gewicht des betroffenen Kindes unmittelbar bevorstehe, 

Eilbedürftigkeit vorgelegen habe (Quelle: Pressemitteilung des LSG Nordrhein-Westfalen).