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Der Benutzer einer bevorrechtigten Straße – Wie lange ist er gegenüber Verkehrsteilnehmern, die auf einer einmündenden oder die Vorfahrtsstraße kreuzenden nicht bevorrechtigten Straße herankommen, vorfahrtsberechtigt?

Der Benutzer einer bevorrechtigten Straße ist gegenüber Verkehrsteilnehmern, die auf einer einmündenden oder die Vorfahrtsstraße kreuzenden nicht bevorrechtigten Straße herankommen, so lange vorfahrtsberechtigt, bis er die Vorfahrtsstraße mit der ganzen Länge seines Fahrzeugs verlassen hat.

Das hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 27.05.2014 – VI ZR 279/13 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall stritten die Parteien um Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall am 25. August 2009 zwischen einem Bus und einem Pkw.
Die Klägerin ist Halterin und Eigentümerin des Busses, der vom Drittwiderbeklagten gefahren wurde. Der Beklagte zu 1 ist Fahrer und Halter des bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Pkw.
Zum Unfallzeitpunkt befuhr der Drittwiderbeklagte mit dem Bus die vorfahrtsberechtigte T.-Straße.
Der Beklagte zu1 befuhr die untergeordnete S.-Straße und wollte an der Einmündung zur T.-Straße in diese nach links abbiegen (Zeichen 205 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO)).
Aus Sicht des Drittwiderbeklagten befindet sich unmittelbar nach der S.-Straße parallel zur vorfahrtsberechtigten T.-Straße eine Bushaltestelle. Um diese anzufahren, überfuhr der Drittwiderbeklagte mit dem Bus etwas die seinen Fahrstreifen begrenzende unterbrochene Linie zur S.-Straße. Dabei kam es zur Kollision mit dem an die Vorfahrtsstraße heranfahrenden Pkw des Beklagten zu 1.

Bei dieser Sachlage hat das Berufungsgericht auf Grund einer Abwägung gemäß § 17 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) eine volle Haftung der Beklagten angenommen und eine (Mit-)Haftung der Klägerin verneint, wobei es maßgeblich auf die vorliegende schuldhafte Vorfahrtsverletzung des Beklagten zu 1 abgestellt und die einfache Betriebsgefahr des Busses hat zurücktreten lassen.

Das ist vom BGH nicht beanstandet worden.

Danach war der Bus hier vorfahrtsberechtigt, auch wenn er die als Fahrbahnbegrenzung dienende unterbrochene Linie überfuhr, um die Haltestelle zu erreichen.

Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO hat an Kreuzungen und einer Einmündung Vorfahrt, wer von rechts kommt. Das gilt nicht, wenn die Vorfahrt – wie hier durch das Zeichen 205 – besonders geregelt ist (§ 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StVO).
Wer die Vorfahrt zu beachten hat, muss rechtzeitig durch sein Fahrverhalten, insbesondere durch mäßige Geschwindigkeit, erkennen lassen, dass er warten wird. Er darf nur weiterfahren, wenn er übersehen kann, dass er den, der die Vorfahrt hat, weder gefährdet noch wesentlich behindert (§ 8 Abs. 2 Satz 1, 2 StVO).
Die gesetzliche Vorfahrtsregelung soll den zügigen Verkehr auf bevorrechtigten Straßen gewährleisten und damit durch klare und sichere Verkehrsregeln auch der Sicherheit des Straßenverkehrs dienen.

  • Das Vorfahrtsrecht erstreckt sich auf die gesamte Fläche der Kreuzung oder des Einmündungsbereichs.
  • Der Vorfahrtsbereich wird bei rechtwinklig einmündenden Straßen und bei rechtwinkligen Straßenkreuzungen von den Fluchtlinien der Fahrbahnen beider Straßen gebildet.
  • Bei einer trichterförmig erweiterten Einmündung erstreckt sich die Vorfahrt nicht nur auf das durch die Fluchtlinie der Fahrbahnen beider Seiten gebildete Einmündungsviereck, sondern umfasst auch die ganze bis zu den Endpunkten des Trichters erweiterte bevorrechtigte Fahrbahn.
  • Danach hat der Fahrer, der dem Verlauf einer nach links abknickenden Vorfahrtsstraße nicht folgt, sondern geradeaus weiterfährt, in dem gesamten Kreuzungsbereich die Vorfahrt gegenüber dem von rechts kommenden Verkehr. Eine Markierung des Verlaufs des bevorrechtigten Straßenzugs auf der Kreuzung durch eine rechtsseitig verlaufende bogenförmige unterbrochene weiße Linie ändert nichts am Umfang der Vorfahrtsberechtigung. Vielmehr beschränkt sich die Bedeutung der Markierung darauf, den Verkehrsteilnehmern zur Erleichterung der Orientierung den Verlauf des bevorrechtigten Straßenzuges anzuzeigen.
  • Der Benutzer einer bevorrechtigten Straße ist gegenüber den Verkehrsteilnehmern, die auf einer einmündenden oder die Vorfahrtsstraße kreuzenden nicht bevorrechtigten Straße herankommen, auch dann vorfahrtsberechtigt, wenn er in diese Straße einbiegt, und zwar so lange, bis er die Vorfahrtsstraße mit der ganzen Länge seines Fahrzeugs verlassen hat.

Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall die Kollision zu einem Zeitpunkt erfolgt, als der drittwiderbeklagte Busfahrer vorfahrtsberechtigt und der Beklagte zu 1 wartepflichtig war.

Der Bus näherte sich unstreitig auf der vorfahrtsberechtigten Straße und war im Begriff, diese zu verlassen, um die kurz hinter der Einmündung der nachgeordneten Straße befindliche Bushaltestelle anzufahren. Er hatte die Vorfahrtsstraße zum Zeitpunkt der Kollision noch nicht mit der ganzen Länge verlassen, vielmehr befand sich der überwiegende Teil des Busses noch auf dieser. Demgemäß musste der Beklagte zu 1 bei der Annäherung an die Einmündung die Vorfahrt des Busfahrers beachten und durfte diesen weder gefährden noch wesentlich behindern (§ 8 Abs. 2 Satz 1 und 2 StVO).

Eine Ersatzpflicht des Drittwiderbeklagten sei mangels Verschuldens ausgeschlossen (§ 18 Abs. 1 Satz 2 StVG, § 823 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)).
Dieser musste, um im normalen Fahrverlauf ohne besonders starke Brems- oder Lenkbewegungen die Haltestelle zu erreichen, die unterbrochene Linie überfahren. Er fuhr mit geringer Geschwindigkeit. Auch wenn davon auszugehen ist, dass er das Fahrzeug des Beklagten zu 1 wahrgenommen hat, durfte er grundsätzlich darauf vertrauen, dass der Beklagte zu 1 rechtzeitig anhalten würde.
Dieser hatte selbst vorgetragen, dass er im Begriff war anzuhalten, und fuhr gemäß dem Sachverständigengutachten mit nur noch sehr geringer Geschwindigkeit. Es lagen mithin keine Umstände vor, aufgrund derer der Drittwiderbeklagte hätte erkennen können und müssen, dass der Beklagte zu 1 sein Vorfahrtsrecht missachten würde.
Andererseits war für den Beklagten zu 1 zu erkennen, dass sich der Bus näherte und möglicherweise die Bushaltestelle anfahren würde. Dies war für ihn bei der erforderlichen Aufmerksamkeit erkennbar, weil – wie bei trichterförmigen Einmündungen üblich – die Vorfahrtsstraße für den Beklagten zu 1 in beide Richtungen deutlich einsehbar war.

Der BGH hat auch nicht beanstandet, dass das Berufungsgericht bei der Abwägung nur von einer einfachen Betriebsgefahr des Busses ausgegangen ist.
Zwar können – im Hinblick auf die Wucht des Zusammenstoßes und die Schwere der Unfallfolgen – für die Betriebsgefahr auch Fahrzeuggröße, Fahrzeugart oder Gewicht des Fahrzeugs maßgebend sein mit der Folge, dass die Betriebsgefahr der größeren Masse in der Regel größer ist.
Ein Umstand muss aber erwiesenermaßen ursächlich für den Schaden geworden sein, sonst bleibt er außer Ansatz (vgl. BGH, Urteil vom 21.11.2006 – VI ZR 115/05 –).
Zwar hat der Bus eine erheblich größere Masse als der vom Beklagten zu 1 gefahrene Pkw. Dies hat sich aber im Streitfall nicht ausgewirkt. Der Bus ist zum Zeitpunkt der Kollision nur mit einer geringen Geschwindigkeit gefahren. Nicht er, sondern der Beklagte zu 1 ist in ihn hineingefahren. Dabei hat sich die Masse des Busses, welche grundsätzlich zu einem längeren Bremsweg führt, nicht ausgewirkt. 

 

Beweis des ersten Anscheins – Bei der Feststellung von Ursachen für Leitungswasserschäden in Wohnungen anlässlich von Trockenestrich- und Parkettverlegearbeiten.

Der Beweis des ersten Anscheins greift bei typischen Geschehensabläufen ein, also in Fällen, in denen ein bestimmter Tatbestand nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist, was grundsätzlich auch bei der Feststellung von Ursachen für Leitungswasserschäden in Wohnungen anlässlich von Trockenestrich- und Parkettverlegearbeiten in Betracht kommen kann.

Darauf hat der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 10.04.2014 – VII ZR 254/13 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall nahm der klagende Versicherer den Beklagten auf Schadensersatz aus einem Werkvertrag zwischen diesem und seinem Versicherungsnehmer auf Grund eines Wasserschadens aus übergegangenem Recht in Anspruch.
Der Beklagte hatte im Wohnzimmer des Anwesens des Versicherungsnehmers am 15.10.2008 eine Unterkonstruktion für einen Parkettfußböden und Trockenestrichelemente eingebaut und anschließend die Baustelle verlassen.
Am 17.10.2008 verlegte er das Parkett. Vier Tage später hatte der Versicherungsnehmer aufsteigende Feuchtigkeit an den Wänden des Wohnzimmers festgestellt.
Ursächlich hierfür war ein in den Trockenestrich geschlagener Stahlnagel, der ein direkt unter dem Trockenestrich verlaufendes, wasserführendes Heizungsrohr beschädigt hatte.
Die Klägerin regulierte den Schaden in Höhe der Klageforderung.

Das Amtsgericht (AG) gab der Klage statt.

Auf die Berufung des Beklagten wies das Berufungsgericht die Klage ab, weil es den Vollbeweis einer schadensursächlichen Pflichtverletzung des Beklagten als durch die Klägerin nicht erbracht ansah und der Meinung war, dass für die Klägerin kein Beweis des ersten Anscheins streite, weil dies voraussetzen würde, dass der Gläubiger bei der Abwicklung des Vertrages geschädigt worden sei. Hier stünde jedoch gerade nicht fest, dass der Nagel eingeschlagen wurde, während die Mitarbeiter des Beklagten Trockenestrichelemente verlegten. Denn die Mitarbeiter des Beklagten, die am Objekt vom 14. bis zum 20.10.2008 gearbeitet hätten, seien in der Zeit vom Nachmittag des 15.10.2008 bis zum 17.10.2008 nicht vor Ort gewesen. In dieser Zeit seien die Arbeitsräume aber für im Haus befindliche Personen frei zugänglich gewesen. Aufgrund dieser zeitlichen Zäsur sei der unmittelbare Zusammenhang zwischen werkvertraglicher Ausführungstätigkeit und Entstehung des Schadens nicht mehr gegeben. Es sei nicht auszuschließen, dass in dieser Zwischenzeit von einer anderen Person der Nagel in die Trockenestrichplatte geschlagen worden sei.

Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision, mit der die Klägerin ihre Ansprüche weiter verfolgte, führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, weil dieses, wie der VII. Zivilsenat des BGH ausführte, die Grundsätze des Anscheinsbeweises verkannt hat.

Danach greift der Beweis des ersten Anscheins bei typischen Geschehensabläufen ein, also in Fällen, in denen ein bestimmter Tatbestand nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist (BGH, Urteile vom 19.01.2010 – VI ZR 33/09 – und vom 01.10.2013 – VI ZR 409/12 –).
Dieser Schluss setzt eine Typizität des Geschehensablaufs voraus, was in diesem Zusammenhang allerdings nur bedeutet, dass der Kausalverlauf so häufig vorkommen muss, dass die Wahrscheinlichkeit eines solchen Falles sehr groß ist (vgl. BGH, Urteil vom 19.01.2010 – VI ZR 33/09 –).

Das Berufungsgericht habe nicht erwogen, ob es eine solche Typizität des Geschehensablaufes im vorliegenden Fall gibt.
Es hat nicht überprüft, ob Estrich- und Parkettleger abgebrochene oder lose Teile einer Trockenestrichplatte üblicherweise mit Nägeln oder in vergleichbarer Art im Boden fixieren, bevor sie auf ihnen das Parkett verlegen.
In diesem Fall würde ein Beweis des ersten Anscheins dafür sprechen, dass der Nagel von den Mitarbeitern des Beklagten eingeschlagen wurde.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die Anwendbarkeit des Anscheinsbeweises im Werkvertragsrecht nicht in dem Sinne beschränkt, dass der Gläubiger „bei Abwicklung des Vertrages geschädigt“ worden sein und diese Voraussetzung sodann in den Fällen verneint werden müsse, in denen der Schaden nicht „in Ausführung der Tätigkeit“ entstanden sei, was bedeute, dass der Anscheinsbeweis immer dann ausscheide, wenn nicht feststehe, dass sich das schädigende Ereignis während der werkvertraglichen Arbeiten ereignet habe und eine zeitliche Zäsur zwischen den Ausführungsarbeiten und dem Schadenseintritt liege.

Im Gegenteil ist der Zweck der Rechtsfigur des Anscheinsbeweises gerade die Überwindung der Beweisschwierigkeiten im Ursachenzusammenhang, wenn sich nicht völlig ausschließen lässt, dass auch andere als die vom Gläubiger genannten, nach typischem Geschehensablauf wahrscheinlichen Ursachen für die Schadensverursachung in Betracht kommen.
Seine Anwendung ist durch zeitliche Zäsuren von mehreren Tagen oder sogar Wochen nicht gehindert.

 

Unzureichende Motorleistung als Sachmangel.

Beim Neuwagenkauf stellt die in der Kaufvertragsurkunde enthaltene Angabe der Motorleistung eine Beschaffenheitsvereinbarung dar.
Ein Sachmangel liegt vor, wenn die für die Motorleistung erforderliche Drehzahl im gewöhnlichen Fahrbetrieb nicht erreicht werden kann und die maximal zu erzielende Motorleistung um ca. 10% hinter der vereinbarten Motorleistung zurückbleibt.

Darauf hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Nürnberg-Fürth mit Urteil vom 06.06.2014 – 12 O 8712/12 – hingewiesen und den Rücktritt des Käufers vom Kauf eines Neuwagens für berechtigt erklärt, weil es in dem Formular über die verbindliche Bestellung des PKW bei den Fahrzeugangaben u.a. hieß „KW (PS) lt. Fzg.-Brief: 120 (163)“, das Fahrzeug beim Fahren im öffentlichen Straßenverkehr jedoch lediglich eine Motorleistung von maximal 108,6 kW zu erbringen vermochte.

 

Download eines Hörbuchs nur zum Eigengebrauch.

Im Download erworbene Audiodateien wie z.B. Hörbücher dürfen so verkauft werden, dass dem Käufer das Kopieren und Weiterveräußern der erworbenen Computerdatei untersagt wird.

Das hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 15.05.2014 – 22 U 60/13 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall vertreibt die Beklagte, die ein Online-Versandhandel ist, über ein Internetportal Werke der Literatur in gedruckter Form, als Ebooks in Textform oder als Hörbücher mittels Audiodateien. Ihre digitalen Produkte bietet sie

  • auf physischen Datenträgern wie z. B. CD’s an oder
  • in der Weise, dass dem jeweiligen Kunden die Möglichkeit zum Download geboten wird, so dass er die Datei auf einem eigenen physischen Datenträger wie z.B. der Festplatte seines PC speichern kann.

In Bezug auf die zuletzt genannte Vertriebsform verwendet die Beklagte Allgemeine Geschäftsbedingungen, die dem Kunden ein “einfaches, nicht übertragbares“ Nutzungsrecht “ausschließlich zum persönlichen Gebrauch“ verschaffen und es ihm u.a. untersagen, den Download “zu kopieren“ oder “weiter zu veräußern“.

Diese Bedingungen hält der klagende Verein, der Verbraucherinteressen wahrnimmt, für unzulässig.
Die Beklagte könne, so die Rechtsauffassung des Klägers, die Weiterveräußerung des erworbenen Werkes nicht verbieten. Das untersage die in § 17 des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) geregelte “Erschöpfungswirkung“. Nach dieser dürfe ein urheberrechtlich geschütztes Werkstück, das mit Zustimmung des Berechtigten in Verkehr gebracht wurde, frei weiterveräußert werden.

Nach der Entscheidung des OLG Hamm sind die Einwände des Klägers gegen die in Frage stehenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten unbegründet. Diese seien rechtlich nicht zu beanstanden.

Die Regelung der “Erschöpfungswirkung“ in § 17 UrhG sei nicht einschlägig. Sie gelte nicht für zum Download im Internet bereitgestellte Audiodateien.
Einschlägig sei vielmehr die Regelung des § 19a UrhG über das Recht der öffentlichen Weiterverbreitung. Um eine solche Weiterverbreitung gehe es, wenn im Wege des Downloads erworbene Dateien einen anderen Nutzer überlassen würden. Nach der Regelung des § 19a UrhG werde das Verbreitungsrecht des Urhebers bei im Wege des Downloads erlangten Dateien nicht “erschöpft“. Diese Regelung untersage daher die in Frage stehende Vertragsklausel nicht, die auch im Übrigen gegen keine zwingenden gesetzlichen Vorschriften verstoße.
Daher könne zwar dem Erwerber eines physischen Datenträgers nicht verboten werden, den Datenträger nebst Datei frei weiter zu veräußern.
Demgegenüber könne der Händler dem Erwerber einer “downgeloadeten“ Datei aber die Veräußerung der Datei – auch nach ihrer Verkörperung auf einem Datenträger – in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vertraglich untersagen.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 11.06.2014 mitgeteilt.

 

Vermieter ist schadensersatzpflichtig wenn er dem Mieter die Erlaubnis zur Untervermietung pflichtwidrig verweigert.

Darauf hat der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 11.06.2014 – VIII ZR 349/13 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall waren die Kläger seit 2001 Mieter einer Dreizimmerwohnung der Beklagten. Sie hielten sich seit 15.11.2010 in Kanada auf, weil der Kläger zu 2 zum 01.01.2011 eine befristete mehrjährige Arbeitstätigkeit in Ottawa aufgenommen hat.
Mit Schreiben vom 19.08.2010 hatten sie die Hausverwaltung der Beklagten von ihrer Absicht unterrichtet, die Wohnung – mit Ausnahme eines von ihnen weiter genutzten Zimmers – ab dem 15.11.2010 voraussichtlich für zwei Jahre an eine namentlich benannte Interessentin unterzuvermieten, weil sie sich in dieser Zeit aus beruflichen Gründen regelmäßig im Ausland aufhalten würden.
Von der Beklagten war die Zustimmung zur Untervermietung verweigert worden.
Mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts (AG) vom 04.10.2011 wurde sie verurteilt, die Untervermietung der beiden vorderen Zimmer der Wohnung bis zum 31.12.2012 an die von den Klägern benannte Interessentin zu gestatten.

Im vorliegenden Verfahren nahmen die Kläger die Beklagte auf Zahlung entgangener Untermiete im Zeitraum vom 15.11.2010 bis 30.10.2011 in Höhe von insgesamt 7.475 € nebst Zinsen in Anspruch.

Das AG gab der Klage statt.

Das Landgericht (LG) wies die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurück.

Die vom LG zugelassene Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Der BGH hat entschieden, dass den Klägern nach § 553 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ein Anspruch auf Gestattung der Untervermietung der zwei vorderen Zimmer der Mietwohnung an die Untermietinteressentin zustand. Indem die Beklagte die Zustimmung zur Untervermietung verweigert hat, hat sie schuldhaft eine mietvertragliche Pflicht verletzt und ist zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens (Mietausfalls) verpflichtet.

Der Wunsch der Kläger, im Hinblick auf die (befristete) Arbeitstätigkeit des Klägers zu 2 im Ausland von berufsbedingt entstehenden Reise- und Wohnungskosten entlastet zu werden, stellt ein berechtigtes Interesse zur Untervermietung eines Teils der Wohnung dar.
Dem Anspruch auf Gestattung der Untervermietung stand auch nicht entgegen, dass die Kläger nur ein Zimmer der Dreizimmerwohnung von der Untervermietung ausnahmen und auch dieses während ihres Auslandaufenthalts nur gelegentlich zu Übernachtungszwecken nutzen wollten.
§ 553 Abs. 1 BGB stellt weder quantitative Vorgaben hinsichtlich des beim Mieter verbleibenden Anteils des Wohnraums noch qualitative Anforderungen bezüglich seiner weiteren Nutzung durch den Mieter auf. Von einer „Überlassung eines Teils des Wohnraums an Dritte“ im Sinne des § 553 Abs. 1 BGB ist regelmäßig bereits dann auszugehen, wenn der Mieter den Gewahrsam an dem Wohnraum nicht vollständig aufgibt. Hierfür genügt es, wenn er ein Zimmer einer größeren Wohnung zurückbehält, um hierin Einrichtungsgegenstände zu lagern und/oder es gelegentlich zu Übernachtungszwecken zu nutzen.

Die Beklagte kann sich hinsichtlich der verweigerten Zustimmung zur Untervermietung nicht auf einen unverschuldeten Rechtsirrtum berufen. Dass die Frage, ob ein Mieter Anspruch auf Zustimmung zur Untervermietung hat, wenn er einen mehrjährigen Auslandsaufenthalt antritt, während dessen er den ihm verbleibenden Teil des Wohnraums nur sporadisch nutzen wird, bislang noch nicht Gegenstand einer höchstrichterlichen Entscheidung gewesen ist, entlastet die Beklagte nicht von ihrer rechtlichen Fehleinschätzung. Denn sie hätte sich mit Rücksicht auf eine insoweit bestehende Rechtsunsicherheit nicht der Möglichkeit verschließen dürfen, dass sie zur Erteilung der Erlaubnis verpflichtet war, und durfte das Risiko einer Fehleinschätzung nicht den Mietern zuweisen.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 11.06.2014 – Nr. 92/2014 – mitgeteilt.

 

Gerichtliche Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen eines Betroffenen im Ordnungswidrigkeitenverfahren – Wann sind sie notwendig?

Im Ordnungwidrigkeitenverfahren sind wegen § 17 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 des Gesetzes über Ordnungwidrigkeiten (OWiG) Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen eines Betroffenen erforderlich, wenn Geldbußen von mehr als 250,- € verhängt werden (ständige Rechtsprechung des Senats: Oberlandesgerichts (OLG) Braunschweig, Beschlüsse vom 14.05.2009 – Ss (OWi) 46/09 –; vom 23.02.2012 – Ss (OWi) 20/12 –; vom 05.03.2013 – Ss (OWi) 30/13 –; vom 18.06.2013 – Ss (OWi) 98/13 –; vom 11.07.2013 – 1 Ss (OWi) 92/13 –; vom 16.12.2013 – 1 Ss (OWi) 153/13 –; vom 30.04.2014 – 1 Ss (OWi) 37/14 –; OLG Celle, Beschluss vom 16.07.2008 – 311 SsBs 43/08 –; OLG Köln, Beschluss vom 18.08.2005 – 81 Ss-OWi 31/05 –).
Die beispielsweise pauschale Feststellung, der Betroffene sei „als Kraftfahrer tätig“, genügt nicht, weil für das Rechtsbeschwerdegericht nicht erkennbar ist, in welcher Höhe der Betroffene Zahlungen erhält.
Selbst wenn ein Betroffener keine Angaben zu seinen Einkommensverhältnissen macht, entbindet das das Gericht nicht von der Amtspflicht, die notwendigen Feststellungen – beispielsweise durch Vernehmung des Arbeitgebers – zu treffen, wenn sie gemäß § 17 Abs. 3 S. 2 OWiG von Bedeutung sein können (OLG Braunschweig, Beschlüsse vom 28.02.2012 – Ss (OWi) 34/12 –; vom 05.03.2013 – Ss (OWi) 30/13 –; vom 18.06.2013 – Ss (OWi) 98/13 –; vom 11.07.2013 – 1 Ss (OWi) 92/13 –).

Darauf hat der Senat für Bußgeldsachen des OLG Braunschweig mit Beschluss vom 27.05.2014 – 1 Ss (OWi) 26/14 – (erneut) hingewiesen.

 

Wenn streitig ist ob das einem anderen Überlassene ihm geschenkt oder ohne Rechtsgrund überlassen worden ist – Wer muss was beweisen, wer was darlegen?

Beruft sich der Leistungsempfänger gegenüber dem Bereicherungsanspruch auf ein nicht notariell beurkundetes Schenkungsversprechen als Rechtsgrund, so beschränkt sich die ihn treffende Beweislast auf den Nachweis, dass die Leistung mit Wissen und Wollen des Leistenden bewirkt und der Formmangel damit geheilt worden ist.
Das Fehlen eines Schenkungsversprechens muss demgegenüber der Leistende beweisen

Darauf hat der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 11.03.2014 – X ZR 150/11 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall begehrte die Klägerin von der Beklagten, ihrer Tochter, die Rückzahlung eines Betrags von 36.450 € nebst Zinsen.
Die Hauptsumme hat die Klägerin der Beklagten mit mehreren teils durch Überweisung, teils in bar geleisteten Teilzahlungen überlassen.
Die Beklagte behauptet, es habe sich um eine Schenkung gehandelt. Die Klägerin macht geltend ihrer Tochter das Geld ohne Rechtsgrund überlassen zu haben.

Wie der X. Zivilsenat in seiner Entscheidung ausgeführt hat, trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung grundsätzlich der Anspruchsteller. Er hat das Risiko des Unterliegens im Prozess zu tragen, wenn sich die sein Begehren tragenden Tatsachen nicht feststellen lassen.
Dies gilt auch, soweit zur Anspruchsbegründung eine negative Tatsache wie das Fehlen eines Rechtsgrundes gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) oder das Ausbleiben eines mit einer Leistung bezweckten Erfolgs gemäß § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB gehört (vgl. statt vieler BGH, Urteile vom 14.11.2006 – X ZR 34/05 –; vom 18.02.2009 – XII ZR 163/07 –).

Diese Beweislast, die regelmäßig zum materiellen Recht zählt (vgl. BGH, Urteil vom 11.07.2007 – VIII ZR 110/06 –), ändert sich auch nicht aufgrund von Plausibilitätserwägungen; solche Erwägungen sind lediglich im Rahmen einer Beweiswürdigung von Bedeutung.

Der Beweis des Rechtsgrundes der geleisteten Zahlungen obliegt der Beklagten im Streitfall auch nicht deshalb, weil sie eine Schenkung behauptet.
Soweit der Leistungsempfänger sich gegenüber einem Bereicherungsanspruch mit einem nicht notariell beurkundeten Schenkungsversprechen als Rechtsgrund verteidigt, trifft ihn allerdings die Beweislast, dass die zu seinen Gunsten erfolgte Vermögensmehrung auf einer den Formmangel heilenden Leistungserbringung gemäß § 518 Abs. 2 BGB beruht, die Leistung also mit einem konkreten Willen des Leistenden an ihn erbracht wurde.
Diese zu Lasten des Leistungsempfängers abweichende Beweislastverteilung beruht auf dem Zweck der gemäß § 518 Abs. 1 BGB für einen Schenkungsvertrag erforderlichen notariellen Beurkundung, unter anderem eine sichere Beweisgrundlage für solche ohne Gegenleistung vereinbarten Vertragsbeziehungen sicherzustellen.
Im Falle eines Streits über dieses Sachverhaltselement hat der Leistungsempfänger nachzuweisen, dass die Vermögensverschiebung mit Wissen und Wollen des Leistenden bewirkt worden ist.
Dieser Nachweis kann zwar gegebenenfalls nur durch den Beweis eines Schenkungsvertrags erbracht werden.
Die den Leistungsempfänger treffende Beweislast beschränkt sich indessen auf den Willen des Leistenden zur Leistungsbewirkung.
Der Tatbestand der Leistungsbewirkung heilt den Formmangel für einen Schenkungsvertrag und genügt damit dem Zweck des § 518 Abs. 1 und 2 BGB, eine sichere Beweisgrundlage und Rechtsfrieden zu schaffen.
Dieser Zweck würde nicht erreicht, wenn der Leistungsempfänger zur Verteidigung gegen einen bereicherungsrechtlichen Herausgabeanspruch auch beweisen müsste, dass die mit Willen des Leistenden bewirkte Leistung tatsächlich auf einem Schenkungsvertrag mit entsprechendem Schenkungswillen beruht.
Eine so weitgehende Beweislast hätte zur Folge, dass der Beschenkte sich über die Beweisbarkeit der Leistungsbewirkung hinaus um weitere Beweismittel für den Schenkungswillen sorgen müsste. Damit würde allein die Leistungsbewirkung noch nicht den Rechtsfrieden schaffen, wie er von § 518 Abs. 2 BGB bezweckt ist, und die Möglichkeit der formfreien Handschenkung ausgehöhlt.

Kann der Leistungsempfänger

  • den Nachweis für eine mit Wissen und Wollen des Leistenden erfolgte Leistungsbewirkung erbringen oder
  • steht eine solche Leistungsbewirkung wie im Streitfall außer Streit,

obliegt es dem Anspruchsteller, die weiteren Voraussetzungen einer ungerechtfertigten Bereicherung nachzuweisen.

  • Die sekundäre Darlegungslast des Leistungsempfängers bleibt hiervon (allerdings) unberührt.

Wer geltend macht, ohne Rechtsgrund geleistet zu haben, muss nur denjenigen Rechtsgrund ausräumen, der sich aus dem Vortrag des Leistungsempfängers ergibt (vgl. BGH, Urteil vom 22.02.2011 – XI ZR 261/09 –); d. h. dieser muss also zunächst seiner sekundären Darlegungslast zu einem Rechtsgrund für die geleisteten Zahlungen genügen.

 

Bildberichterstattung über das Mieterfest einer Wohnungsbaugenossenschaft in deren an ihre Mieter gerichteten Informationsbroschüre – Ist sie (auch) ohne Einwilligung der Abgebildeten zulässig?

In dem vom VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 08.04.2014 – VI ZR 197/13 – entschiedenen Fall verlangten die Klägerinnen, Großmutter, Tochter und Enkelin, von der Beklagten, einer Wohnungsbaugenossenschaft, Zahlung einer Geldentschädigung und von Abmahnkosten wegen einer ohne ihre Einwilligung erfolgten Veröffentlichung und Verbreitung eines Fotos, das die Klägerinnen gemeinsam auf einem von der Beklagten veranstalteten Mieterfest zeigt.
Das beanstandete Foto war, neben anderen, bei dem jährlich stattfindenden Mieterfest der Beklagten gefertigt worden. Auf ihm waren im Vordergrund die Klägerinnen zu 1 und 2 zu sehen, wie sie die Klägerin zu 3, ein Kleinkind, füttern.
Dieses Foto hatte die Beklagte in ihrer Broschüre „Informationen der Genossenschaft“, Ausgabe 2010, neben weiteren neun Fotos, veröffentlicht, auf denen Teilnehmer des Mieterfestes, einzeln und in Gruppen, zu sehen sind. Die Broschüre war in einer Auflage von 2.800 Stück hergestellt und an Genossenschaftsmieter verteilt worden.

Nach der Entscheidung des VI. Zivilsenats des BGH haben die Klägerinnen gegen die Beklagte hier bereits deshalb keinen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1, Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i. V. m. §§ 22, 23 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bilden Künste und der Photographie (KUG), Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) auf Unterlassung der Veröffentlichung des beanstandeten Bildnisses, weil dieses Bild dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) und berechtigte Interessen der Abgebildeten nicht verletzt wurden (§ 23 Abs. 2 KUG).

Die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen ist nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen (vgl. grundlegend BGH, Urteile vom 06.03.2007 – VI ZR 51/06 –; vom 18.10.2011 – VI ZR 5/10 –; vom 22.11.2011 – VI ZR 26/11 –; vom 18.09.2012 – VI ZR 291/10 – und vom 28.05.2013 – VI ZR 125/12 –), das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 26.02.2008 – 1 BvR 1602/07, 1 BvR 1606/07, 1 BvR 1626/07 –) als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im Einklang steht (vgl. EGMR, Urteile vom 24.06.2004 – 59320/00 – sowie vom 07.02.2012 – 40660/08, 60641/08 – und – 39954/08 –).

  • Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG).
  • Hiervon besteht allerdings gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt.
  • Diese Ausnahme gilt aber nicht für die Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).

Nach diesen Grundsätzen war die von den Klägerinnen angegriffene Veröffentlichung der beanstandeten Bildberichterstattung auch ohne ihre Einwilligung zulässig.

Bei dem beanstandeten Foto der Klägerinnen handelte es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte.
Schon die Beurteilung, ob Abbildungen Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG sind, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten der Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) einerseits und den Rechten der Medien aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits (vgl. etwa BGH, Urteil vom 28.05.2013 – VI ZR 125/12 –).

Der für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, maßgebende Begriff des Zeitgeschehens umfasst alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse.
Dazu können auch Veranstaltungen von nur regionaler oder lokaler Bedeutung gehören (vgl. zu Sportveranstaltungen BGH, Urteil vom 28.05.2013 – VI ZR 125/12 –).

Ein Informationsinteresse besteht allerdings nicht schrankenlos,

  • vielmehr ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen und
  • es bedarf gerade bei unterhaltenden Inhalten im besonderen Maß einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen (vgl. BGH, Urteile vom 01. 07.2008 – VI ZR 67/08 –; vom 13.04.2010 – VI ZR 125/08 – und vom 28.05.2013 – VI ZR 125/12 –).
  • Der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung ist im Gesamtkontext, in den das Personenbildnis gestellt ist, zu ermitteln.

Die Bildberichterstattung in der Informationsbroschüre der Beklagten befasste sich mit dem – jährlich stattfindenden – Mieterfest der beklagten Wohnungsbaugenossenschaft im August 2010 und zeigte repräsentativ auf insgesamt zehn Bildern Teilnehmer, sowohl in Gruppen, als auch einzeln.
Die Bilder fingen Szenen des Mieterfestes ein, die ein harmonisches Zusammensein von Jung und Alt in fröhlicher und entspannter Atmosphäre zeigten.
Die Bildberichterstattung vermittelte den Eindruck, dass Mitbewohner aller Altersgruppen das Fest genossen haben und zwischen ihnen gute nachbarschaftliche Beziehungen bestehen. In diesen Zusammenhang passte gerade das Bild der Klägerinnen, welches drei Generationen vereint.
Zwar gab es – außer dem Hinweis auf das Mieterfest und der Ankündigung der entsprechenden Veranstaltung im Folgejahr – keine begleitende Textberichterstattung, doch bereits durch die Auswahl der gezeigten Fotos wurde dem Leser ein Eindruck über dessen Verlauf vermittelt.
Das Mieterfest ist ein Ereignis von lokaler gesellschaftlicher Bedeutung.
Die Informationsbroschüre der Beklagten, in der über das Fest berichtet wurde, war an ihre Mieter gerichtet, also an den (beschränkten) Personenkreis, der üblicherweise an dem Fest teilnahm und entsprechend der Ankündigung eingeladen war, im Folgejahr teilzunehmen.
Das Recht, über solche zeitgeschichtlichen Ereignisse aus dem gesellschaftlichen Bereich zu berichten, steht grundsätzlich auch der Beklagten zu, wenn sie eine Informationsbroschüre herausgibt; denn auch eine solche Broschüre gehört zu den Medien.

Die Beklagte kann sich unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG auf ein schützenswertes Interesse berufen, ihre Genossenschaftsmieter im Bild über den Ablauf und die Atmosphäre der Veranstaltung zu informieren.
Die Bildberichterstattung der Beklagten über das Mieterfest in ihrer Informationsbroschüre an ihre Mieter erfüllt eine wichtige Funktion, denn ein solches Fest pflegt und schafft gute nachbarschaftliche Beziehungen. Die Berichterstattung vermittelt den Eindruck, dass die Mitbewohner sich in der Wohnungsbaugenossenschaft wohlfühlen und es sich lohnt, dort Mitglied bzw. Mieter zu sein.

Die Beeinträchtigung der Rechte der Klägerinnen durch das – ohne Namensnennung – veröffentlichte Foto ist dagegen gering.
Es handelte sich um ein für alle Mieter und Mitbewohner zugängliches Fest, über welches die Beklagte schon in den Vorjahren in ihrer Mieterbroschüre in Bildern berichtet hatte. Insofern war zu erwarten, dass in entsprechender Weise auch über das Mieterfest 2010 berichtet werden würde.
Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass das Foto heimlich angefertigt wurde, auch wenn die Klägerinnen die Anfertigung der konkreten Aufnahmen möglicherweise nicht bemerkt haben.
Die Informationsbroschüre der Beklagten wurde schließlich nur an ihre Mieter verteilt, mithin an einen begrenzten Adressatenkreis, aus dem die Teilnehmer des Mieterfestes stammten.
Auch war nichts dafür ersichtlich, dass die Veröffentlichung des Bildes die kindgerechte Entwicklung der Klägerin zu 3 beeinträchtigen könnte.

Der Verbreitung des beanstandeten Bildnisses standen auch keine besonderen schützenswerten Interessen der Klägerinnen entgegen (§ 23 Abs. 2 KUG). Das Bild war in keiner Weise unvorteilhaft oder ehrverletzend.

War mithin die von den Klägerinnen angegriffene Veröffentlichung der beanstandeten Bildberichterstattung auch ohne ihre Einwilligung zulässig, besteht weder ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten noch ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. 

 

Wenn die vereinbarte Funktionstauglichkeit eines Werkes technisch nicht zu verwirklichen ist – Welche Mängelrechte stehen dem Auftraggebers dann zu?

Ist die vereinbarte Funktionalität einer Glasfassade (hier: uneingeschränkte Bruchsicherheit) technisch nicht zu verwirklichen, steht dem Auftraggeber als Mängelrecht ausschließlich ein Schadensersatzanspruch gemäß § 634 Nr. 4, § 311a Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu.

Das hat der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 08.05.2014 – VII ZR 203/11 – entschieden.

Nach § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB ist ein Werk mangelhaft, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit nicht hat.
Welche Beschaffenheit des Werkes die Parteien vereinbart haben, ist durch Auslegung des Werkvertrages zu ermitteln. Zur vereinbarten Beschaffenheit im Sinne von § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB gehören alle Eigenschaften des Werkes, die nach der Vereinbarung der Parteien den vertraglich geschuldeten Erfolg herbeiführen sollen. Dieser bestimmt sich nicht allein nach der zu seiner Erreichung vereinbarten Leistung oder Ausführungsart, sondern auch danach, welche Funktion das Werk nach dem Willen der Parteien erfüllen soll. Dies gilt unabhängig davon, ob die Parteien eine bestimmte Ausführungsart vereinbart haben oder die anerkannten Regeln der Technik eingehalten worden sind.
Ist die Funktionstauglichkeit für den vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Gebrauch vereinbart und dieser Erfolg mit der vertraglich vereinbarten Leistung oder Ausführungsart oder den anerkannten Regeln der Technik nicht zu erreichen, schuldet der Unternehmer die vereinbarte Funktionstauglichkeit (BGH, Urteil vom 08.11.2007 – VII ZR 183/05 –).

Birgt nach den Vorgaben des Auftraggebers das Werk (hier: Glasfassade) ein Risiko (hier: keine uneingeschränkte Bruchsicherheit), das der Besteller erkennbar nicht übernehmen will, muss der Unternehmer, wenn er dieses Risiko auch nicht tragen will, diesen darauf hinweisen und mit ihm vertraglich einen Ausschluss des Risikos vereinbaren (BGH, Urteil vom 11.11.1999 – VII ZR 403/98 –).
Das hat der VII. Zivilsenat des BGH gerade in den Fällen entschieden, in denen es darum ging, ob die vereinbarte Ausführung in der Lage ist, die nach dem Vertrag vorausgesetzte Funktion zu erfüllen (BGH, Urteil vom 04.06.2009 – VII ZR 54/07 –).
Ist durch die vom Besteller gewünschte Ausführung die nach dem Vertrag vorausgesetzte Funktion erkennbar gefährdet oder nicht erreichbar, kann der Unternehmer den Besteller nicht im Ungewissen lassen und für den Fall der Risikoverwirklichung die Auffassung vertreten, die Wahl einer bestimmten Ausführungsweise führe dazu, dass die vereinbarte Funktionstauglichkeit eine andere sei als der Besteller sich vorgestellt habe.

Ist bei dem Werk (hier: Glasfassade) die nach dem Vertrag vereinbarte Funktionalität (hier: uneingeschränkte Bruchsicherheit) nicht erreichbar, liegt ein Fall der dauerhaften objektiven Unmöglichkeit im Sinne von § 275 Abs. 1 2. Fall BGB vor.
Die Folge der Unmöglichkeit ist das Entfallen des Erfüllungsanspruches und damit ebenso des Nacherfüllungsanspruches (§ 634 Nr. 1, § 635 Abs. 1 BGB) und des Selbstvornahmerechts einschließlich des Vorschussanspruches gemäß § 634 Nr. 2, § 637 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 23.11.2000 – VII ZR 242/99 –).

Dem Auftraggeber steht dann aber ein Schadensersatzanspruch unter den Voraussetzungen von § 634 Nr. 4, § 311a Abs. 2 BGB zu.
Die in § 311a Abs. 2 BGB geregelte Schadensersatzpflicht umfasst auch die Erstattung von Folgeschäden. Nach dem mit der Konzeption des § 311a Abs. 2 BGB einhergehenden Willen des Gesetzgebers tritt § 311a Abs. 2 BGB als eigenständige Anspruchsgrundlage an die Stelle von § 280 BGB, so dass es für Folgeschäden eines Rückgriffs auf diese Norm nicht bedarf.
Damit gilt für alle Schadenspositionen einheitlich der Verschuldensmaßstab des § 311a Abs. 2 Satz 2 BGB.
Eine Haftung des Auftragnehmers ist deshalb nur ausgeschlossen, wenn er das dem Werk anhaftende Risiko nicht kannte und diese Unkenntnis nicht zu vertreten hat. 

 

Mehrbedarf bei Arbeitslosengeld II-Empfängern für die Umgangskosten mit Kind – Keine Bagatellgrenze von 10 % des Regelbedarfs.

Nach dem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 09.02,2010 – 1 BvL 1/09 – zum Leistungsrecht der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuh Zweites Buch (SGB II) ‑ landläufig „Hartz IV“ genannt ‑ haben Arbeitslosengeld II-Empfänger einen speziellen Anspruch auf Leistungen für einen unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf, der mittlerweile auch in § 21 Abs. 6 SGB II ins Gesetz geschrieben wurde.

In dem vom Bundessozialgericht mit Urteil vom 04.06.2014 – B 14 AS 30/13 R – hatte das beklagte Jobcenter des Antrag des Klägers, der Arbeitslosengeld II bezog, auf einen solchen Mehrbedarf im Juli 2010 wegen der Ausübung des Umgangsrechts (alle 2 Wochen) mit seiner im Jahr 2006 geborenen, aber nicht bei ihm, sondern in 17 km Entfernung bei ihrer Mutter lebenden Tochter abgelehnt. Es meinte, bei einer Entfernung von 17 km und jeweils zweimaliger Hin- und Rückfahrt mit dem PKW sowie einer Pauschale von 0,20 Euro je Entfernungskilometer ergebe sich nur ein Betrag von 13,60 Euro im Monat, der unter einer Bagatellgrenze von 10 % des Regelbedarfs ‑ damals 359 Euro ‑ liege.

Vor dem Sozialgericht (SG) und dem Landessozialgericht (LSG) war der Kläger erfolgreich. Sie sprachen ihm 27,20 Euro pro Monat bei einer Pauschale von 0,20 Euro pro Kilometer zu.

Das BSG hat die Auffassung des Klägers und der Vorinstanzen bestätigt.

Dass der Kläger, wie alle Eltern, die Arbeitslosengeld II beziehen, grundsätzlich Anspruch auf einen Mehrbedarf wegen der Kosten des Umgangsrechts mit seiner von ihm getrennt lebenden Tochter hat, ergibt sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 – und dem daraufhin vom Gesetzgeber geschaffenen § 21 Abs 6 SGB II.

Der Anspruch setzt zwar einen vom durchschnittlichen Bedarf erheblich abweichenden, unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen Mehrbedarf voraus. Ein solcher ist aber gegeben, wenn für die Fahrten zur Ausübung des Umgangsrechts jeweils 68 km mit einem PKW zurückgelegt werden müssen und das Umgangsrecht alle zwei Wochen besteht. Denn selbst wenn nur eine Kilometerpauschale von 20 Ct wie nach dem Bundesreisekostengesetz zugrunde gelegt wird, ergibt sich ein Betrag von 27,20 Euro pro Monat.
Dieser Betrag beinhaltet auch eine erhebliche Abweichung vom durchschnittlichen Bedarf hinsichtlich der Regelleistung von damals 359 Euro insgesamt und des in der damaligen Regelleistung enthaltenen Betrags für Fahrtkosten von hochgerechnet gut 20 Euro, zumal in diesen die Ausgaben für PKW nicht berücksichtigt wurden.

Eine Rechtsgrundlage für die von dem beklagten Jobcenter vertretene allgemeine Bagatellgrenze ist nicht zu erkennen.
Eine Heranziehung der 10 %-Regelung für die Rückzahlung von Darlehen nach § 42a SGB II scheidet aus. Bei einem Darlehen haben die Betroffenen das Geld vorher erhalten, das sie dann an das Jobcenter zurückzahlen, während es ihnen bei einer Bagatellgrenze vorenthalten würde, obwohl sie darauf einen Anspruch haben.

Das hat die Pressestelle des Bundessozialgerichts am 04.06.2014 – Nr. 13/14 – mitgeteilt.