Einfahrlücke im sich stauenden Verkehr zu lassen kann risikobehaftet sein

Einfahrlücke im sich stauenden Verkehr zu lassen kann risikobehaftet sein

Landgericht Saarbrücken entscheidet: Wer Lücke lässt und mit durch die Lücke einfahrenden Fahrzeugen rechnen muss, kann im Falle einer Kollision mithaften.

Lässt ein Fahrzeugführer (hier: Lkw-Fahrer) im stockenden oder sich stauenden Verkehr vor einer Tankstellenausfahrt eine so große Lücke (hier: mindestens 5 m), dass Fahrzeuge hierdurch von einer angrenzenden Tankstelle auf die Straße einfahren können,

  • muss er nicht nur den ausfahrenden Verkehr vom Tankstellengelände beobachten,
  • sondern sich auch vor dem weiteren Anfahren durch geeignete Maßnahmen vergewissern, dass sich keine einfahrenden Fahrzeuge unmittelbar vor seinem Fahrzeug befinden.

Darauf hat das Landgericht (LG) Saarbrücken mit Urteil vom 26.02.2016 – 13 S 193/15 – hingewiesen und entschieden, dass einen Lkw-Fahrer,

  • der in einem solchen Fall beim Anfahren mit einem vom Tankstellengelände kommenden und auf die Straße auffahrenden Pkw kollidiert, auch dann eine Mithaftung trifft,
  • wenn er unter den gegebenen Umständen nicht in der Lage war, das vor ihm einfahrende Fahrzeug zu erkennen, weil sich dieses im toten Winkel befunden hatte.

Begründet hat das LG dies damit,

  • dass ein aufmerksamer Fahrer im Rahmen der gebotenen Rücksichtnahme gemäß § 1 Abs. 2 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) auch einen sog. „toten Winkel“ seines Fahrzeuges berücksichtigen sowie Maßnahmen treffen muss, um sich ggfs. durch Spiegel oder Einsatz von Beifahrern Einblick in nicht zugängliche Sichtbereiche zu verschaffen, zumindest wenn er damit rechnen muss, dass Fahrzeuge beim Einfahren sich in einem solchen „toten Winkel“ befinden könnten und
  • dass ein Lkw-Fahrer konkreten Anlass hat, mit einfahrenden Fahrzeugen zu rechnen, wenn sich vor ihm eine Fahrzeugschlange gebildet und er selbst in dieser Fahrzeugschlange eine Lücke von mindestens 5 m gelassen hat, die dem von der Tankstelle abfahrenden Verkehr ohne weiteres die Möglichkeit eröffnet, über diese Lücke auf die Straße einzufahren.

Dies gelte, so das LG,

  • unabhängig davon, ob die Grundsätze der sog. Lückenrechtsprechung in einem solchen Fall Anwendung finden (vgl. hierzu LG Saarbrücken, Urteil vom 16.11.2012 – 13 S 117/12 –; für eine Anwendung der Lückenrechtsprechung bei Tankstellen zuletzt Oberlandesgericht (OLG) Köln, VersR 2015, 1135 m.w.N.) und
  • insbesondere, wenn der Verkehr vor einer roten Ampel vollständig zum Halten gekommen ist, da es in einer solchen Situation durchaus der Lebenserfahrung entspricht, dass sich Fahrzeuge von angrenzenden Tankstellen durch Lücken, die die Fahrzeuge in der Schlange gebildet haben, in den sich stauenden bzw. stockenden Verkehr eingliedern.

Die überwiegende Haftung traf in dem der Entscheidung des LG zugrunde liegendem Fall allerdings den vom Tankstellengelände kommenden Fahrzeugführer, weil dieser gegen die ihm nach § 10 Satz 1 StVO obliegende höchstmögliche Sorgfalt verstoßen hatte.


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