Über 580.000 Euro Schadensersatz nach grob fehlerhafter Hüftoperation einer an einer Gerinnungsstörung leidenden Patientin.

Über 580.000 Euro Schadensersatz nach grob fehlerhafter Hüftoperation einer an einer Gerinnungsstörung leidenden Patientin.

Es stellt einen sogenannten Befunderhebungsfehler dar, wenn vor einer Operation (Hüftimplantation) eine Blutgerinnungsstörung nicht abgeklärt wird, obwohl die anamnestischen Angaben und die pathologischen Blutwerte hierzu Veranlassung geben.
Wird eine Blutungsstörung präoperativ nicht behandelt, ist das ein grober Behandlungsfehler, weil dies aus objektiver Sicht nicht verständlich ist und einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf.
Zugunsten der Patientin greift dann eine Beweislastumkehr.
Der behandelnde Arzt trägt die Beweislast dafür, dass der Schaden auch bei einer zweckmäßigen Alternativbehandlung – präoperative Befunderhebung und Gerinnungstherapie – eingetreten wäre.

Das hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 21.03.2014 – 26 U 115/11 – entschieden und einer an einer Gerinnungsstörung leidenden Patientin, die ohne Behandlung ihrer Vorerkrankung an der Hüfte operiert wurde und bei der schwere Nachblutungen aufgetreten waren, über 580.000 Euro Schadensersatz zugesprochen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall machte die Klägerin als gesetzliche Krankenkasse ihres Mitglieds E, Schadensersatzansprüche aus übergegangenem Recht wegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers geltend.
Die Versicherte der Klägerin litt an einer Gerinnungsstörung (erworbene Faktor-VIII-Hemmkörper-Hämophilie) und der Autoimmunkrankheit „Systemischer Lupus-Eythematodes“ (SLE).
Der SLE war vor der streitgegenständlichen Behandlung bereits im September 2005 in einem anderen Krankenhaus behandelt worden.
Im November 2005 ließ die Versicherte im Krankenhaus der Beklagten eine Hüftgelenksoperation durchführen, bei der eine Endototalprothese implantiert wurde. Postoperativ kam es zu schweren Nachblutungen, da präoperativ von der Beklagten die Gerinnungsstörung weder diagnostiziert noch therapiert worden war.
Die Versicherte musste wegen der Nachblutungen mit zahlreichen kostenintensiven Behandlungen stationär und auch intensivmedizinisch versorgt werden.

Die Kosten dieser Behandlungen verlangte die Klägerin aus übergegangenem Recht vom beklagten Krankenhausträger als Schaden ersetzt.

Der 26. Zivilsenat des OLG Hamm hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin Schadensersatz aus übergegangenem Recht in Höhe von 588.798,69 EUR nebst Zinsen sowie 5.907,16 EUR außergerichtliche Kosten der Rechtsverfolgung zu zahlen.

Danach haftet die Beklagte der Klägerin aus übergegangenem Recht auf Schadensersatz wegen eines Befunderhebungsfehlers.
Vor der durchgeführten Hüftgelenks-Operation war nämlich die bei der Versicherten der Klägerin bestehende Gerinnungsstörung fehlerhaft nicht diagnostiziert und behandelt worden, obwohl die anamnestischen Angaben und die pathologischen Blutwerte der Patientin hierzu Veranlassung gab.
Auch war davon auszugehen, dass der grobe Behandlungsfehler bei der Patientin zu den postoperativen Nachblutungen geführt hat.
Den für die Schadenskausalität erforderlichen vollen Beweis gem. § 286 Zivilprozessordnung (ZPO) konnte die Klägerin führen, weil zu ihren Gunsten eine Beweislastumkehr eingriff.
Bei dem Befunderhebungsfehler der Beklagten handelte es sich um einen groben Behandlungsfehler, der dazu führte, dass nicht die Klägerin den Kausalitätsnachweis erbringen musste, sondern die Beklagte hätte beweisen müssen, dass die aufgetretenen Nachblutungen nicht auf der unterlassenen Gerinnungstherapie beruhten.
Diesen Gegenbeweis konnte der beklagte Krankenhausträger nicht führen.
Damit, dass bei einem rechtmäßigen Verhalten der Schaden „möglicherweise“ gleichfalls entstanden wäre konnte sich die Beklagte nicht verteidigen.
Die Beklagte war nämlich, nachdem zugunsten der Klägerin aufgrund der Beweislastumkehr von einer Kausalität des Behandlungsfehlers auszugehen und damit die Haftung dem Grunde nach bewiesen war, darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten – d.h. bei ordnungsgemäßer präoperativer Befunderhebung und Durchführung der Gerinnungstherapie – in gleicher Weise entstanden wäre. Dafür gilt der Maßstab des § 286 ZPO, so dass Voraussetzung für die erfolgreiche Geltendmachung des rechtmäßigen Alternativverhaltens war, dass derselbe Erfolg effektiv herbeigeführt worden wäre; die bloße Möglichkeit, ihn rechtmäßig herbeiführen zu können, reicht nicht aus. Nur wenn das Auftreten von Nachblutungen in jedem Fall gewiss gewesen wäre, wäre der Beweis rechtmäßigen Alternativverhaltens geführt und hätte sich die Beklagte mit Erfolg darauf berufen können.
Zu ersetzen waren die Kosten für die Behandlung der Nachblutungen, u.a. durch eine in einem Universitätsklinikum durchgeführte intensivmedizinische Therapie mit Beatmung und eine kostenintensive Medikation mit Novoseven.
Lediglich die mit 30.000 Euro anzusetzenden Kosten einer Gerinnungstherapie hatte die Klägerin selbst zu tragen, weil die Therapie auch ohne Operation erforderlich gewesen wäre.

 


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