Wenn Ehegatten getrennt leben (wollen), wem wird die Wohnung zugewiesen?

Wenn Ehegatten getrennt leben (wollen), wem wird die Wohnung zugewiesen?

Gemäß § 1361b Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) findet eine Wohnungszuweisung statt,

  • wenn die Ehegatten getrennt leben oder getrennt leben wollen
  • und einer der Ehegatten verlangt, dass ihm der andere die Ehewohnung oder einen Teil zur Benutzung überlässt,
    • soweit dies auch unter Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten notwendig ist,
    • um eine unbillige Härte zu vermeiden.

Der Begriff der unbilligen Härte im Sinne des § 1361b Abs. 1 BGB ist gesetzlich nicht definiert und daher einzelfallbezogen auszufüllen.
Das Richtmaß „unbillige Härte“ weist über den Bereich der häuslichen Gewalt hinaus. Durch ausdrückliche Erwähnung herausgehoben sind als Tatbestände, die eine unbillige Härte begründen können,

Entsprechende eine unbillige Härte begründende Umstände muss der Antragsteller für sich geltend machen.
Dass einer der Ehegatten alleiniger Mieter der bisher von ihnen bewohnten Wohnung ist, ist dabei nicht von Bedeutung. Ein schuldrechtliches Verhältnis ist grundsätzlich unbeachtlich, wie aus dem Umkehrschluss des § 1361b Abs. 1 S. 3 BGB zu entnehmen ist.

Eine Vergütung für die Nutzung der Wohnung fordern kann ein Ehegatte von dem anderen, dem die Ehewohnung überlassen wurde, soweit dies der Billigkeit entspricht (§ 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB).
Der Vergütungsanspruch

  • wird in der Regel nur bei dinglicher Berechtigung an der Wohnung (Allein- oder Miteigentum) geltend gemacht,
  • kann aber auch bei einem Mietverhältnis in Betracht kommen.

Dabei kommt es für den Anspruch auf Nutzungsentschädigung des weichenden Ehegatten nach § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB zunächst nicht darauf an,

  • ob er freiwillig ausgezogen ist oder
  • ob dem in der Ehewohnung verbleibenden Ehegatten die Ehewohnung in einem gerichtlichen Verfahren zugewiesen wurde oder
  • ihm ein entsprechender gesetzlicher Anspruch zusteht.

Die überwiegende Rechtsprechung gewährt seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 15.02.2006 – XII ZR 202/03 – einen Anspruch auf Entrichtung einer Nutzungsvergütung entsprechend § 1316b Abs. 3 Satz 2 BGB, auch wenn eine Nutzungsberechtigung und die korrespondierende Überlassungsverpflichtung fehlen (Oberlandesgericht (OLG) Hamm, Beschluss vom 30.09.2010 – 3 UF 154/10 –).

Allerdings ist die Nutzungsentschädigung nicht schematisch und allein nach dem Mietwert der Wohnung zu bemessen, wie es im Fall zwischen Mieter und Vermieter der Fall wäre, wenn der Mieter trotz wirksamer Kündigung nicht rechtzeitig aus der Wohnung auszieht.

  • Der Nutzungsentschädigungsanspruch nach § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB wird vielmehr durch die ehelichen Lebensverhältnisse und die über die Trennung der Eheleute hinausgehende Pflicht zur ehelichen Solidarität überlagert.
  • Er ist nur insoweit zu gewähren, als es der Billigkeit entspricht.
  • Die Billigkeit einer Vergütung hängt
    • von der Leistungsfähigkeit des in der Wohnung verbliebenen Ehegatten sowie
    • den Belastungen durch gemeinschaftliche Kinder ab (vgl. OLG Bremen, Beschluss vom 31.03.2010 – 4 WF 32/10 –; OLG Naumburg, Beschluss vom 07.07.2009 – 3 WF 157/09 –).

Dabei ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass zwischen den Ehegatten

  • etwa bestehende Unterhaltspflichten

in die Billigkeitsabwägung nach § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB jedenfalls insoweit einzubeziehen sind,

  • als bereits rechtskräftig über sie entschieden wurde.

Das folgt aus dem Verbot der Doppelverwertung.
Insbesondere darf

  • kein zusätzlicher Nutzungsentschädigungsanspruch

ausgeworfen werden,

  • wenn bereits ein titulierter Unterhaltsanspruch besteht,
  • bei dem der Wohnwert anspruchsmindernd berücksichtigt wurde (OLG Naumburg, Urteil vom 23.04.2009 – 8 U 17/08 –).

Der Vorrang der Unterhaltsregelung gilt dann insoweit, als der Wohnvorteil tatsächlich unterhaltsrechtlich ausgeglichen wurde (OLG Bremen, Beschluss vom 03.03.2014 – 4 UF 181/13 –; OLG Karlsruhe, Urteil vom 05.06.2008 – 4 U 72/06 –).

Auch in Fällen, in denen

  • der an sich unterhaltsberechtigte Ehegatte auf die Geltendmachung eines entsprechenden Unterhaltsanspruchs verzichtet hat,

kann der Ehegatte nicht auf die Geltendmachung von Trennungsunterhalt verwiesen werden,

  • um die geschuldete Nutzungsentschädigung auf diesem Wege wieder zu vereinnahmen.

Vielmehr ist

  • beim Fehlen einer Unterhaltsregelung

im Rahmen der bei der Prüfung

  • des Anspruchs auf Nutzungsentschädigung

vorzunehmenden Billigkeitsabwägung eine einheitliche wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten, welche darauf abstellt,

  • ob der in der Ehewohnung verbliebene Ehegatte
  • im Falle der von ihm abgelehnten Zahlung einer Nutzungsentschädigung gegen den anderen Ehegatten – unabhängig von dessen tatsächlicher Geltendmachung – einen Anspruch auf Trennungsunterhalt hätte.
  • Ist dies der Fall, wird die begehrte Zahlung einer Nutzungsentschädigung in Höhe des (fiktiven) Anspruchs auf Trennungsunterhalt regelmäßig unbillig sein (OLG Frankfurt, Beschluss vom 09.05.2012 – 4 UF 14/12 –).

Allerdings kann die Einbeziehung etwa bestehender Unterhaltspflichten nicht so weit gehen, dass die im Unterhaltsverfahren zu klärenden tatsächlichen und rechtlichen Fragen im Ehewohnungsverfahren nach § 1361b BGB entschieden werden.

In Fällen,

  • in denen der in der Wohnung verbleibende Ehegatte wirtschaftlich potent und
  • eine besondere Schutzbedürftigkeit nicht gegeben ist,

spricht dies dafür,

  • bei bislang fehlender Unterhaltsregelung

dem Ehegatten, der die Ehewohnung verlassen hat, aber an den finanziellen Lasten aufgrund dinglicher Berechtigung oder schuldrechtlicher Verpflichtung im Außenverhältnis beteiligt ist, eine Nutzungsentschädigung zuzusprechen (insbesondere dann, wenn der ausziehende Ehegatte seinerseits in beengten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt: OLG Bremen, Beschluss vom 31.03.2010 – 4 WF 32/10 –).
Die gegebenenfalls später ergehende Unterhaltsregelung muss sodann die Vergütungsregelung berücksichtigen, d.h. regelmäßig ist der Wohnvorteil dann nicht mehr zu berücksichtigen.

Von einer

  • Nutzungsentschädigung abzusehen

ist aber in Fällen, in denen der allein nutzende Ehegatte

  • eine Entschädigung finanziell nicht leisten kann und
  • der nutzungsberechtigte Ehegatte die Wohnung aufgeben müsste,

weil dann der mit § 1361b Abs. 1 BGB beabsichtigte Schutz leer laufen würde.

Nicht nur die Höhe, sondern bereits das Bestehen des Vergütungsanspruchs selbst hängen nach dem Wortlaut des § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB („soweit“) von der Billigkeit ab.

Darauf hat der Senat für Familiensachen des Kammergerichts (KG) Berlin mit Beschluss vom 25.02.2015 – 3 UF 55/14 – hingewiesen.

 


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