Haftet wer die Selbstgefährdung eines anderen veranlasst bei Realisierung der Gefahr?

Haftet wer die Selbstgefährdung eines anderen veranlasst bei Realisierung der Gefahr?

Wer einen anderen Erwachsenen zu selbstgefährdendem Tun veranlasst, haftet,

  • sofern sich seine Rolle auf die Förderung des Entschlusses zum selbstgefährdenden Tun und die aktive Teilnahme an dem gefahrenträchtigen Unternehmen beschränkt,

 

nicht für Schäden, die dem Erwachsenen entstehen, wenn sich die Gefahr realisiert, in die sich dieser eigenverantwortlich selbst begeben hat.

Darauf hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschlüssen vom 20.10.2015 – 9 U 142/14 – hingewiesen und in einem Fall,

  • in dem die Klägerin veranlasst und unterstützt durch den Beklagten, letztendlich aber selbst zum Tanzen auf eine dafür erkennbar ungeeignete, wackelige Bierbank gestiegen und sodann herab gestürzt war,

 

die Klage der Klägerin gegen den Beklagten auf Schadensersatz wegen ihrer bei dem Sturz erlittenen Verletzungen abgewiesen (vgl. Beschluss vom 25.11.2015 – 9 U 142/14 –)

Begründet hat der Senat die klageabweisende Entscheidung damit, dass

  • die Gefahr, dass die Bank dann, wenn Personen sie besteigen und auf ihr tanzten, wackeln würde und diese Personen letztlich aus dem Gleichgewicht und zum Sturz gebracht werden könnten, von vornherein bestanden habe und gleichermaßen für alle Beteiligten erkennbar gewesen sei, namentlich auch für die Klägerin,
  • der Beklagte durch sein Verhalten keine besondere zusätzliche Gefahr geschaffen, sondern sich vielmehr in dem streitgegenständlichen Unfall lediglich die (erkennbar) allgemein und von vornherein mit dem Besteigen der hierfür ungeeigneten Bank zum Tanzen verbundene Gefahr realisiert habe,
  • die Klägerin demzufolge für ihr Verhalten und für die damit verbundene Selbstgefährdung letztlich selbst verantwortlich sei und
  • ihre Schädigung dem Beklagten haftungsrechtlich nicht zugerechnet werden könne.

 

Denn es bestehe, wie der Senat weiter ausgeführt hat,

  • weder ein allgemeines Gebot, andere vor Selbstgefährdung zu bewahren,
  • noch ein generelles Verbot, sie zur Selbstgefährdung psychisch zu veranlassen, sofern nicht – was hier nicht der Fall war – das selbstgefährdende Verhalten durch Hervorrufen einer mindestens im Ansatz billigenswerten Motivation (wie etwa bei den sogenannten „Verfolgungsfällen“) „herausgefordert“ worden ist.

 

Beschränke sich die Rolle des für die Selbstschädigung des Geschädigten zur Mitverantwortung herangezogenen Schädigers – wie hier –

  • auf die Förderung des Entschlusses zum selbstgefährdenden Tun und
  • die aktive Teilnahme an dem gefahrenträchtigen Unternehmen,

 

so fehle es an dem für eine Haftung erforderlichen Zurechnungszusammenhang.

Etwas anderes würde nach Ansicht des Senats allenfalls dann gelten, wenn

  • der Beklagte durch Inanspruchnahme einer übergeordneten Rolle als „Experte“ o.ä. der Klägerin gegenüber eine Garantenstellung für die Durchführung des gemeinsamen Unternehmens übernommen oder
  • durch sein Verhalten einen zusätzlichen Gefahrenkreis für die Schädigung der Klägerin eröffnet hätte.

 

Hinweis:
Zur Frage, wann sich der, der eine Selbstgefährdung eines anderen veranlasst, ermöglicht oder gefördert hat, bei Verwirklichung des Risikos strafbar machen kann, vergleiche den Beschluss des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 05.08.2015 – 1 StR 328/15 –.

 


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