Tag Erbrecht

OLG Celle konkretisiert welche Mindestnachforschungspflicht das Nachlassgericht zur Erbenermittlung trifft

…. bevor es das Erbrecht des Staates feststellen darf.

Hat ein Verstorbener 

  • keinen Ehe- oder Lebenspartner und 
  • keine Verwandten und 
  • hat er auch nicht durch ein Testament oder eine andere letztwillige Verfügung einen Erben eingesetzt, 

so erbt sein Vermögen der Staat (§ 1936 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)). 

Dieses sog. Erbrecht des Fiskus stellt das Nachlassgericht nach § 1964 BGB fest, wenn ein Erbe nicht 

  • innerhalb einer den Umständen entsprechenden Frist 

zu ermitteln ist. 

Mit Beschluss vom 20.04.2021 hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Celle zum einen darauf hingewiesen, dass 

  • Reichweite und Umfang der Erbenermittlungen zwar im pflichtgemäßen Ermessen des Nachlassgerichts stehen und 
  • das Nachlassgericht auch beispielweise nach § 1965 BGB von einer öffentlichen Aufforderung zur Anmeldung von Erbrechten absehen darf, wenn die dafür erforderlichen Kosten im Hinblick auf das Vermögen des Erblassers unverhältnismäßig hoch wären, 

zum anderen aber gleichzeitig auch hervorgehoben, dass 

  • die Anforderungen an die Erbenermittlungspflicht des Nachlassgerichts dabei nicht zu niedrig angesetzt werden dürfen

und in dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall, in dem

  • die Erblasserin in der von ihr gemieteten Wohnung tot aufgefunden worden war, 
  • das für die Bestattung zuständige Ordnungsamt keine Informationen zu Angehörigen hatte, 
  • das Zentrale Testamentsregister zwar auf eine namentlich benannte Tochter der Erblasserin hinwies, 
  • von dem Standes- und Einwohnermeldeamt an dem angegebenen Geburtsort dieser Tochter aber mitgeteilt worden war, dass diese dort nicht gemeldet sei,

entschieden, dass, 

  • bevor das Erbrechts des Staates festgestellt werden darf, 

regelmäßig mindestens Anfragen an 

  • Sterbe-, Ehe- und Geburtenregister der feststellbaren Lebensmittelpunkte eines Erblassers

gerichtet und wenn, wie hier,  

  • zudem der Name, das Geburtsdatum und der Geburtsort einer möglichen Tochter bekannt sind, auch ausgehend von diesen Informationen weitere Ermittlungen 

durchgeführt werden müssen (Quelle: Pressemitteilung des OLG Celle).

Übrigens:
Der Staat wird auch dann Erbe. wenn alle vorhandenen Verwandte und Ehegatten des Erblassers das Erbe ausschlagen.
Eine ihm als gesetzlichem Erbe angefallene Erbschaft kann der Fiskus nicht ausschlagen (1942 Abs. 2 BGB).

Was Erben und Pflichtteilsberechtigte wissen sollten wenn der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht hatte

Gemäß § 2325 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann der Pflichtteilsberechtigte, wenn der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht hat,

  • als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen,
  • um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird.

Nach § 2325 Abs. 3 Satz 1 BGB wird die Schenkung innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils ein Zehntel weniger berücksichtigt,

  • so dass kein Pflichtteilsergänzungsanspruch wegen einer Schenkung mehr besteht,
  • wenn die Zehnjahresfrist des § 2325 Abs. 3 Satz 2 BGB im Zeitpunkt des Erbfalls abgelaufen ist.

Für den Beginn der Zehnjahresfrist ist abzustellen,

  • auf den Eintritt des Leistungserfolges,
  • bei Grundstücken also auf die Umschreibung im Grundbuch.

Allerdings liegt eine Leistung im Sinne erst dann vor,

  • wenn der Erblasser nicht nur seine Rechtsstellung als Eigentümer endgültig aufgibt,
  • sondern auch darauf verzichtet, den verschenkten Gegenstand – sei es aufgrund vorbehaltener dinglicher Rechte oder durch Vereinbarung schuldrechtlicher Ansprüche – im Wesentlichen weiterhin zu nutzen.

Nicht als geleistet gilt eine Schenkung, wenn

  • der Eigentümer zwar seine Rechtsstellung formal aufgibt, wirtschaftlich aber weiterhin im „Genuss“ des verschenkten Gegenstandes bleibt,
  • der Erblasser den „Genuss“ des verschenkten Gegenstandes nach der Schenkung also nicht auch tatsächlich entbehren muss.

Wird bei einer Schenkung daher der Nießbrauch uneingeschränkt vorbehalten, ist der „Genuss“ des verschenkten Gegenstandes nicht aufgegeben worden.

Ob auch dann, wenn sich der Erblasser bei der Schenkung eines Grundstücks ein Wohnungsrecht an diesem oder Teilen daran vorbehält, wie ein Nießbrauch den Fristbeginn des § 2325 Abs. 3 BGB hindert, lässt sich nicht abstrakt beantworten. Maßgebend hierfür, ob dies der Fall ist oder nicht, sind die Umstände des Einzelfalles, anhand derer beurteilt werden muss, ob der Erblasser den verschenkten Gegenstand auch nach Vertragsschluss noch im Wesentlichen weiterhin nutzen konnte.

Darauf hat der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 29.06.2016 – IV ZR 474/15 – hingewiesen.

Kann Bank bei der der Erblasser ein Konto hatte, vom Erben stets einen Erbschein verlangen?

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) sagt „nein“ und hat mit Urteil vom 05.04.2016 – XI ZR 440/15 – in einem Fall,

  • in dem nach dem Tod des Erblassers sowie der Eröffnung seines handschriftlichen Testaments der darin eindeutig als Erbe Eingesetzte unter Vorlage einer beglaubigten Ablichtung des eigenhändigen Testaments nebst einer beglaubigten Abschrift des Eröffnungsprotokolls die Sparkasse zur Freigabe des dort vom Erblasser unterhaltenen Sparkontos aufgefordert hatte,
  • dies von der Sparkasse abgelehnt und die Vorlage eines Erbscheins verlangt worden war,

die Sparkasse verurteilt,

  • dem gemäß § 1922 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in die Kontoverträge mit ihr eingetreten Erben wegen schuldhaften Verstoßes gegen die ihr obliegende vertragliche Leistungstreuepflicht aus § 280 Abs. 1 BGB die Gerichtskosten in Höhe von 1.770 € zu erstatten,
  • die dieser für die Erwirkung des Erbscheins bei dem zuständigen Amtsgericht hatte aufwenden müssen und die von der von der Bank wegen der Eindeutigkeit der Erbfolge unnötigerweise verursacht worden waren.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat der Senat ausgeführt, dass, abgesehen von den gesetzlich gesondert geregelten Fällen, in denen der Erbe die Rechtsnachfolge grundsätzlich durch einen Erbschein nachzuweisen hat (§ 35 Abs. 1 Satz 1 Grundbuchordnung (GBO), § 41 Abs. 1 Satz 1 Schiffsregisterordnung (SchRegO), § 86 des Gesetzes über Rechte an Luftfahrzeugen (LuftFzgG)), der Erbe nicht verpflichtet ist, sein Erbrecht durch einen Erbschein nachzuweisen.
Vielmehr hat ein Erbe auch die Möglichkeit, diesen Nachweis in anderer Form zu erbringen (BGH, Urteile vom 10.12.2004 – V ZR 120/04 – und vom 07.06.2005 – XI ZR 311/04 –).

  • Dazu gehören neben dem öffentlichen Testament auch das eigenhändige Testament oder im Falle gesetzlicher Erbfolge Urkunden, aus denen sich diese ergibt.
  • Eine Bank oder Sparkasse bei der der Erblasser ein Konto hatte, kann deshalb bei einem eigenhändigen Testament auch nicht regelmäßig auf der Vorlage eines Erbscheins bestehen.

Zwar hat die Bank bzw. Sparkasse ein berechtigtes Interesse daran, in den Genuss der Rechtswirkungen der §§ 2366, 2367 BGB zu kommen und so der aus der Risikosphäre des Gläubigers stammenden Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme zu entgehen.
Daraus folgt aber nicht, dass sie einschränkungslos oder auch nur im Regelfall die Vorlegung eines Erbscheins verlangen kann (vgl. BGH, Urteile vom 07.06.2005 – XI ZR 311/04 – vom 08.10.2013 – XI ZR 401/12 –), weil

  • eine solche Sichtweise die Interessen des (wahren) Erben, der im Wege der Universalsukzession (§ 922 BGB) in die Stellung des Erblassers als Vertragspartner der Bank eingerückt ist, über Gebühr vernachlässigen würde.

Bei den Anforderungen an den Nachweis der Rechtsnachfolge ist nämlich auch den berechtigten Interessen des oder der Erben an einer möglichst raschen und kostengünstigen Abwicklung des Nachlasses Rechnung zu tragen.
Ihnen ist regelmäßig nicht daran gelegen, in Fällen, in denen das Erbrecht unproblematisch anders als durch Vorlage eines Erbscheins nachgewiesen werden kann, das unnütze Kosten verursachende und zu einer Verzögerung der Nachlassregulierung führende Erbscheinsverfahren anstrengen zu müssen.
Daran, auch in klaren Erbfolgefällen allein zur Erlangung des Gutglaubensschutzes der §§ 2366, 2367 BGB regelmäßig auf einem Erbschein bestehen zu können, hat die Bank kein schutzwürdiges Interesse (vgl. BGH, Urteile vom 07.06.2005 – XI ZR 311/04 – und vom 08.10.2013 – XI ZR 401/12 –).

Aufgrund dessen ist die Bank

  • in Fällen, in denen ein eröffnetes eigenhändiges Testament mit der im Rechtsverkehr erforderlichen Eindeutigkeit das Erbrecht des Erben nachweist, nicht,
  • sondern nur bei konkreten und begründeten Zweifeln an der Richtigkeit der durch das eigenhändige Testament belegten Erbfolge berechtigt, ergänzende Erklärungen des oder der Erbprätendenten einzuholen oder sich weitere Unterlagen, wie z.B. das Familienstammbuch oder einen Erbschein vorlegen zu lassen.

Kann man Wohn- oder Geschäftsräume auch verleihen?

Geht das bzw. wie geht das und was kann das für den Entleiher oder dessen Erben unter Umständen für Folgen haben?

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Urteil vom 27.01.2016 – XII ZR 33/15 – darauf hingewiesen, dass,

  • wenn sich beispielsweise ein Erblasser zu Lebzeiten schriftlich gegenüber einem Dritten schuldrechtlich verpflichtet hat, diesem in seiner Immobilie, befristet bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, unentgeltlich eine Wohnung, unter Ausschluss der Eigenbedarfskündigung, zur Verfügung zu stellen und die Wohnung, ohne dass der Dritte Betriebskosten zahlen muss, in gebrauchsfähigem Zustand zu erhalten,

es sich bei einem solchen Zurverfügungstellungsvertrag

  • nicht um eine gemäß § 518 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) formbedürftige Schenkung handelt,
  • sondern um einen wirksam befristeten Leihvertrag im Sinne des § 598 BGB, der dem Dritten aus § 985 BGB ein Recht zum Besitz im Sinne des § 986 BGB gegenüber dem Erben des Erblassers vermittelt.

Danach liegt, wie in Fällen der Vereinbarung eines unentgeltlichen schuldrechtlichen Wohnrechts, auch in der bloßen vorübergehenden Gebrauchsüberlassung einer Sache in der Regel keine das Vermögen mindernde Zuwendung, wie sie für eine Schenkung gemäß § 516 Abs. 1 BGB erforderlich wäre, da

  • die Sache im Eigentum und mithin im Vermögen des Leistenden verbleibt,
  • auch der unmittelbare Besitz dann nicht endgültig, sondern nur vorübergehend aus der Hand gegeben wird,
  • allein das Merkmal der Unentgeltlichkeit die Zuwendung noch nicht zu einer Schenkung macht und
  • auch in der mit der Gestattung des unentgeltlichen Gebrauchs verbundenen Zuwendung des Wertes einer sonst möglich gewesenen Eigennutzung deshalb keine Schenkung gesehen werden kann, wei dies gerade Gegenstand einer Leihe ist (BGH, Urteil vom 10.10.1984 – VIII ZR 152/83 – und Beschluss vom 11.07.2007 – IV ZR 218/06 –).

Insoweit macht es auch keinen Unterschied, wenn die Gebrauchsüberlassung über den Tod des Überlassenden hinaus andauern sollte, etwa weil eine Überlassung auf Lebenszeit des Wohnberechtigten vereinbart und ein Vorversterben des Überlassenden zu erwarten ist.

Auch gilt dann nichts anderes, wenn

  • in einem solchen Gebrauchsüberlassungsvertrag nicht lediglich eine Nutzung der Räume zu eigenen Wohnzwecken ermöglicht worden ist, sondern darüber hinaus auch eine Gebrauchsüberlassung an andere Dritte und/oder
  • sich der Entleiher abweichend von § 601 Abs. 1 BGB zur Übernahme der gewöhnlichen Erhaltungskosten verpflichtet hat und/oder
  • das Recht zur Eigenbedarfskündigung ausgeschlossen worden ist.

Ein derartiger Gebrauchsüberlassungsvertrag ist nicht formbedürftig, sondern auch dann formlos zulässig, wenn er nach den besonderen Umständen des Einzelfalls ein Risiko in sich birgt oder einen Nachteil mit sich bringen kann, wie dies mit der langfristigen Überlassung von Räumen zum unentgeltlichen Besitz und Gebrauch einhergeht.

(Wieder) Lösen von einer solchen Leihe auf Zeit kann sich der Verleiher nur durch eine Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 314 BGB.

Ein noch kurz vor dem Tod in sein Notizbuch geschriebener Vermerk kann ein Testament sein

Auch ein vom Erblasser kurz vor seinem Tod eigenhändig gefertigter und von ihm unterschriebener Vermerk in seinem Notizbuch kann ein wirksames Testament darstellen.

Darauf hat der 2. Senat des Oberlandesgerichts (OLG) Köln in einem Beschluss vom 22.02.2016 – 2 Wx 12/16 – hingewiesen und in einem solchen Fall u. a.

  • aufgrund der Wortwahl und
  • weil Vermerke in einem privaten Notizbuch üblicherweise nicht mit einer Unterschrift versehen werden,

 

festgestellt, dass es sich nicht nur um einen Entwurf, sondern um ein rechtlich verbindliches, mit sog. Testierwillen verfasstes Dokument gehandelt hat.

Auch konnte in dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall, obwohl der Erblasser wenige Stunden nach Abfassung der letztwilligen Verfügung verstorben war, nicht festgestellt werden, dass er nicht mehr in der Lage war, sich über die Tragweite seiner Anordnungen ein klares Urteil zu bilden.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Köln am 22.02.2016 mitgeteilt.

 

Nottestament vor drei Zeugen bei naher Todesgefahr

Gemäß § 2250 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann ein Erblasser,

  • der sich in so naher Todesgefahr befindet, dass er seinen letzten Willen voraussichtlich nicht mehr vor einem Notar (vgl. §§ 2231 Nr. 1, 2232 BGB) oder dem Bürgermeister (vgl. § 2249 BGB) beurkunden lassen kann,
  • sein Testament durch mündliche Erklärung vor drei Zeugen errichten.

 

Dabei gehört zu den zwingenden Erfordernissen für den Errichtungsakt auch

  • die Aufnahme einer Niederschrift (§ 2250 Abs. 3 Satz 1 BGB),
  • die von den Zeugen unterschrieben werden muss (§ 2250 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 13 Abs. 3 Satz 1 Beurkundungsgesetz (BeurkG) und § 2249 Abs. 1 S. 5 BGB).

 

Das Mitwirken von drei und nicht nur von zwei Zeugen ist unerlässlich für die Formwirksamkeit eines Testamentes gemäß § 2250 Abs. 2 BGB. Denn bei einem solchen Nottestament, bei dem wegen naher Todesgefahr weder ein Notar (§ 2232 BGB) noch ein Bürgermeister (§ 2249 BGB) hinzugezogen werden kann, übernehmen drei Zeugen die Beurkundungsfunktion.
Die Zeugen werden

  • hier nicht von einer Beurkundungsperson als zusätzliche Überwachungs-, Schreib- oder Genehmigungszeugen zugezogen,
  • sondern das Testament wird vor ihnen selbst errichtet.

 

Damit treten sie gewissermaßen an die Stelle der Amtsperson und übernehmen die Beurkundungsfunktion. Das bedeutet, dass alle drei Zeugen für die richtige Auffassung der Erklärung des Erblassers verantwortlich sind.
Zu diesem Zweck müssen Sie

  • gemeinsam bei der Erklärung zugegen sein und
  • diese anhören.
  • Darüber hinaus obliegt Ihnen die Verantwortung dafür, dass der erklärte letzte Wille zutreffend im Sinne des Erblassers schriftlich niedergelegt wird.

 

Um das zu gewährleisten, ist die Verlesung der über die letztwillige Erklärung aufzusetzenden Niederschrift angeordnet (§ 2250 Abs. 3 Satz 2 BGB i. V. m. § 13 Abs. 1 BeurkG), damit der Erblasser alsdann zum Ausdruck bringen kann, ob er bei der Abgabe seine Erklärungen richtig verstanden worden ist und ob die angefertigte Niederschrift seinem letzten Willen entspricht.
Ist das der Fall, dann muss der Erblasser die Niederschrift durch ausdrückliche Erklärung oder auf sonstige Weise genehmigen.
Dabei kann sich die Notwendigkeit ergeben, ein Zeichen oder eine Gebärde des Erblassers entweder im Sinne einer Zustimmung oder als Ablehnung zu deuten.
Hierzu sind wiederum anstelle einer Urkundsperson die drei Zeugen berufen, denen damit eine weitere, besondere Kontrollfunktion übertragen ist.

Erst wenn der Erblasser die Niederschrift nach der übereinstimmenden Beurteilung der drei Zeugen genehmigt hat, steht mit der vom Gesetz geforderten Sicherheit fest, dass ihr Inhalt der Erklärung über den letzten Willen entspricht.
Unter diesem Gesichtspunkt ist das Verlesen und die Genehmigung der Niederschrift durch den Erblasser ein ebenso wesentlicher Bestandteil der Testamentserrichtung wie die Abgabe der letztwilligen Erklärung selbst, und der Zweck der gesetzlichen Bestimmung des § 2250 Absatz 2 BGB erfordert demgemäß zur Gültigkeit des Nottestaments in gleicher Weise wie bei der Erklärung des Erblassers auch bei dem Verlesen und der Genehmigung der Niederschrift die Anwesenheit sämtlicher drei Zeugen.
Für diese Mitwirkung der Zeugen

  • genügt es nicht, dass sie die Erklärungen des Erblassers nur hören und richtig wiedergeben können,
  • sondern sie müssen auch die Absicht und das Bewusstsein ihrer gemeinsamen Mitwirkung und Verantwortung bei der Testamentserrichtung gehabt haben.

 

Als mitwirkende Zeugen können deshalb nur Personen gelten,

  • die zur Mitwirkung herangezogen worden sind oder
  • von sich aus ihrer Bereitwilligkeit zur Mitwirkung und die Übernahme der damit verbundenen Verantwortung erklärt haben.

 

Es genügt deshalb nicht, wenn neben zwei mitwirkenden Zeugen eine weitere Person bei der Errichtung des Testamentes zugegen war und die Erklärungen des Erblassers mit angehört hat, wenn sie nicht zugleich das Bewusstsein und den Willen hatte, für den Vorgang als dritter Zeuge mit verantwortlich zu sein.

Haben von den drei mitwirkenden Zeugen nur ein Zeuge oder zwei Zeugen die aufgenommene Niederschrift unterschrieben, dann ist dieser Mangel gemäß § 2250 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 2249 Abs. 6 BGB unschädlich, wenn mit Sicherheit anzunehmen ist, dass das Testament die Erklärung des Erblassers zuverlässig wiedergibt.
Denn bei der fehlenden Unterschrift eines Zeugen handelt es sich um einen Formfehler, der „bei Abfassung der Niederschrift“ über die Errichtung des Testamentes unterlaufen ist, und der unter den Voraussetzungen des § 2249 Abs. 6 BGB unschädlich ist.

Darauf hat der 6. Zivilsenat des Kammergerichts (KG) Berlin mit Beschluss vom 29.12.2015 – 6 W 93/15 – hingewiesen.

 

Hat der Erbe eines Verstorbenen Anspruch auf Zugang zu dessen Facebook-Account?

Die Eltern einer minderjährig Verstorbenen können als deren Erben von Facebook die Zugangsdaten zu dem Benutzerkonto ihrer verstorbenen Tochter herausverlangen.

Das hat die 20. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Berlin mit Urteil vom 17.12.2015 in einem Fall entschieden,

  • in dem die Tochter der Klägerin mit 15 Jahren unter ungeklärten Umständen durch eine in einen Bahnhof einlaufende U-Bahn tödlich verletzt worden war,
  • vom Fahrer der U-Bahn, die die Verstorbene erfasst hatte, gegen die Erben Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche wegen Verdienstausfalls geltend gemacht worden waren und
  • Facebook Ireland Limited (im Folgenden: Facebook) der Klägerin, die sich erhoffte, über den Facebook-Account ihrer Tochter und die dort ausgetauschten Nachrichten und Posts mehr über den Tod ihrer Tochter zu erfahren, insbesondere auch, ob es sich um einen Selbstmord gehandelt haben könnte, die Zugangsdaten zu dem in einen Gedenkzustand versetzten Account verweigert hatte.

 

Auf die von der Klägerin gegen Facebook erhobenen Klage verurteilte die 20. Zivilkammer des LG Berlin Facebook dazu, den Eltern der Verstorbenen, als deren Erben, Zugang zu dem Benutzerkonto ihrer verstorbenen Tochter und dessen Kommunikationsinhalten zu gewähren.

Diese (noch nicht rechtskräftige) Entscheidung ist von der Kammer u.a. damit begründet worden,

  • dass ein zur Nutzung der Facebook-Dienste abgeschlossener Vertrag wie jeder andere schuldrechtliche Vertrag auf die Erben übergehe,
  • eine unterschiedliche Behandlung des digitalen und des „analogen“ Vermögens des Erblassers nicht gerechtfertigt sei, da dies dazu führen würde, dass persönliche Briefe und Tagebücher unabhängig von ihrem Inhalt vererblich wären, E-Mails oder private Facebook-Nachrichten hingegen nicht,
  • auch das Datenschutzrecht keine andere Beurteilung gebiete, da vertrauliche Briefe, die ein Dritter verschickt habe, nach dem Tod des Empfängers von den Erben gelesen werden können, ohne dass ein Eingriff in die Rechte dieser Dritten vorliege und für digitale Daten nichts Anderes gelte sowie ferner
  • weder schutzwürdige Interessen von Facebook noch das postmortale Persönlichkeitsrecht der Verstorbenen einer Zugangsgewährung entgegenstünden, nachdem Erziehungsberechtige für den Schutz des Persönlichkeitsrechtes ihrer minderjährigen Kinder, auch nach deren Ableben zuständig und jedenfalls dann, wenn besondere Umstände wie hier die ungeklärte Todesursache der Tochter vorliegen, die Eltern als Erben berechtigt seien, sich Kenntnis darüber zu verschaffen, was ihre Tochter im Internet geäußert hat.

 

Auf die Gedenkzustands-Richtlinie, wie sie Facebook vor 2014 verwandt hat, konnte sich Facebook nicht berufen, weil diese nach Ansicht der Kammer wegen unangemessene Benachteiligung der Nutzer bzw. deren Erben unwirksam ist.

Das hat die Pressestelle des Kammergerichts Berlin am 07.01.2016 mitgeteilt.

 

Warum man sein Testament sorgfältig und auf Papier in üblicher Größe errichten sollte

Bei einem Testament handelt es sich um eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärung.
Ein Testament ist demnach nur dann wirksam, wenn der Erblasser bei seiner Errichtung einen ernstlichen Testierwillen hatte. Das ist dann der Fall, wenn der Erblasser ernstlich eine rechtsverbindliche Anordnung für seinen Todesfall treffen wollte. Bloße Entwürfe eines Testaments reichen nicht aus.

Zweifel am Vorliegen einem endgültigen Testierwillen können sich u. a. aus

  • ungewöhnlichen Schreibmaterialien,
  • ungewöhnlichen Errichtungsformen,
  • der inhaltlichen Gestaltung und
  • einem ungewöhnlichen Aufbewahrungsort ergeben.

 

Können diese Zweifel nicht ausgeräumt werden,

  • liegt kein gültiges Testament vor, da hierfür der ernstliche Testierwille außer Zweifel stehen muss,
  • sondern handelt es sich lediglich um einen (unverbindlichen) Testamentsentwurf.

 

Ist das vermeintliche Testament beispielsweise nicht auf einer üblichen Schreibunterlage, wie z. B. einem Blatt Papier in üblicher Größe (DIN A 4 oder DIN A 5), sondern auf einem ausgeschnittenen Stück Papier und/oder einem gefalteten Bogen Pergamentpapier errichtet worden, können Zweifel am ernstlichen Testierwillen des Erblassers begründet sein.
Aber auch aufgrund der äußeren und der inhaltlichen Gestaltung kann fraglich sein, ob ein Testament vorliegt, so wenn, obwohl der Erblasser der deutschen Sprache in Schrift und Grammatik hinreichend mächtig gewesen ist, die Überschrift gravierende Schreibfehler enthält und/oder im Text ein vollständiger Satz fehlt.

Darauf hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschluss vom 27.11.2015 – 10 W 153/15 – hingewiesen.

 

Was bei der Anfechtung der Annahme einer Erbschaft beachtet werden muss

Der Erbe kann eine Erbschaft gemäß §§ 1943, 1944 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht mehr ausschlagen,

  • wenn er sie angenommen hat oder
  • wenn die für die Ausschlagung vorgeschriebene Frist, die normalerweise sechs Wochen und sechs Monate lediglich dann beträgt, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz nur im Ausland gehabt hat oder wenn sich der Erbe bei dem Beginn der Frist im Ausland aufhält, verstrichen ist;
    mit dem Ablauf der Frist gilt die Erbschaft als angenommen.

 

Wird die Annahme einer Erbschaft gemäß §§ 1954, 1955, 119 BGB

  • durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht formgerecht gemäß § 1945 BGB angefochten,
  • hat das Nachlassgericht im Rahmen der Amtsermittlungspflicht gemäß § 26 FFG nicht von sich aus zu erforschen, ob zur Anfechtung berechtigende Tatsachen vorliegen, die der Anfechtende selbst nicht behauptet.

 

Die Ermittlungstätigkeit beschränkt sich vielmehr auf die Prüfung, ob die Anfechtungsgründe zutreffen, die der Anfechtungsberechtigte in der Anfechtungserklärung oder später geltend macht bzw. die aufgrund sonstiger Umstände für das Nachlassgericht ersichtlich sind.

Werden andere als die in der ursprünglichen Anfechtungserklärung genannten Gründe geltend gemacht, liegt eine neue Anfechtungserklärung vor, deren Rechtzeitigkeit binnen der Anfechtungsfrist gemäß § 1954 BGB nach dem Zeitpunkt ihrer Abgabe zu beurteilen ist.

Darauf hat der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 02.12.2015 – IV ZB 27/15 – hingewiesen.

Danach hat das Nachlassgericht im Rahmen seiner Ermittlungspflicht lediglich zu prüfen, ob sich der in der Anfechtungserklärung genannte Anfechtungsgrund einem bestimmten konkret umrissenen Sachverhalt zuordnen lässt.

  • Ist dies der Fall, so kann der Anfechtungsberechtigte die ursprüngliche Anfechtungserklärung auch später noch mit Erläuterungen und Ergänzungen versehen.
  • Fehlt es demgegenüber an einem sachlichen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Fehlvorstellungen, so handelt es sich bei dem „Nachschieben von Gründen“ tatsächlich um eine neue Anfechtungserklärung.

 

Ist ein Pflichtteilsberechtigter dem Erben auskunftspflichtig über auf den Pflichtteil anzurechnende Zuwendungen?

Mit Urteil vom 25.11.2015 – 5 U 779/15 – hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz in einem Fall,

  • in dem ein Pflichtteilsberechtigter von dem beklagten Erben, unter Aufstellung des um die Nachlassverbindlichkeiten bereinigten Nachlasses, einen Pflichtteil von 1/4 des Nachlassvermögens und
  • der Beklagte mit dem Einwand, der klagende Pflichtsteilberechtigte müsse sich lebzeitige Zuwendungen der Erblasserin nach § 2315 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) anrechnen lassen, im Wege der Stufenwiderklage auf erster Stufe die Erteilung einer Auskunft über anzurechnende lebzeitige Zuwendungen verlangt hatte,

 

entschieden,

  • dass der Pflichtteilsberechtigte dem Erben über lebzeitige, auf den Pflichtteil anzurechnende Zuwendungen in entsprechender Anwendung von § 2057 BGB auskunftspflichtig ist.

 

Der Umfang der Auskunft muss danach – wie auch hinsichtlich des Auskunftsanspruchs nach § 2057 BGB anerkannt – alle für und gegen eine Ausgleichungspflicht sprechenden Umstände enthalten.
Anzugeben sind

  • alle wertbildenden Faktoren,
  • der Zeitpunkt der Zuwendung und
  • etwaige Anordnungen des Erblassers.

 

Hat der Erbe konkrete Zuwendungen in den Raum gestellt, muss sich der Pflichtteilsberechtigte dazu substantiiert – nach Maßgabe der obigen Ausführungen – erklären (Anschluss an Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 27.01.2010 – IV ZR 91/09 –).

Anderer Ansicht als das OLG Koblenz sind

  • das OLG München (Urteil vom 21.03.2013 – 14 U 3585/12 –), nach dessen Auffassung ein Auskunftsanspruch eines Alleinerben gegen einen Pflichtteilsberechtigten nicht besteht und
  • das OLG Köln (Urteil vom 10.01.2014 – 1 U 56/13 –), das die Auffassung vertritt, dass der Erbe gegen den Pflichtteilsberechtigten einen Auskunftsanspruch aus § 242 BGB nur dann hat, wenn es eine zwischen beiden bestehende Rechtsbeziehung mit sich bringt, dass der Erbe in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umstand seines Rechts im Unklaren ist und der Pflichtteilsberechtigte die erforderliche Auskunft unschwer geben kann.