Tag Erbrecht

Was passiert mit Urlaubsansprüchen eines Arbeitnehmers bei dessen Tod?

Ein Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers geht mit dessen Tod nicht unter, sondern er wandelt sich mit dem Tod des Arbeitnehmers um in einen Urlaubsabgeltungsanspruch der Erben.

Darauf hat das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin mit Urteil vom 07.10.2015 – 56 Ca 10968/15 – hingewiesen und in einem Fall, in dem

  • die Erblasserin, die Arbeitnehmerin der Beklagten war, im Zeitpunkt ihres Todes noch einen Erholungsurlaubsanspruch von 33 Tagen hatte und
  • ihre Erben von der Beklagten die Abgeltung dieses Urlaubsanspruchs gefordert hatten,

 

der Klage der Erben stattgegeben.

Nach der Entscheidung des ArbG Berlin waren die Voraussetzungen des § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BurlG),

  • wonach Urlaub, wenn er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann, abzugelten ist,

 

bei dem Tod des Arbeitnehmers gegeben.

Der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG), nach der mit dem Tod die höchstpersönliche Leistungspflicht eines Arbeitnehmers und damit auch ein (abzugeltender) Urlaubsanspruch erlischt, folgte das ArbG, wie es ausgeführt hat, deshalb nicht,

 

Das hat die Pressestelle des Landesarbeitsgerichts (LArbG) Berlin-Brandenburg am 01.12.2015 – Nr. 42/2015 – mitgeteilt.

 

Wenn das Original eines Testaments nicht mehr auffindbar ist

Die Fotokopie eines Testaments als solche erfüllt nicht die Anforderungen an ein formgültiges privatschriftliches Testament (Oberlandesgericht (OLG) Köln, Beschluss vom 14.02.2014 – 2 Wx 299/13 –).

  • Allein aus einer vorgelegten Testamentskopie kann ein Erbrecht daher nicht abgeleitet werden.
  • Das ändert aber nichts daran, dass auf andere Weise im Verfahren beim Nachlassgericht der Nachweis geführt werden kann, dass der Erblasser ein formgerechtes Testament mit dem aus der Kopie ersichtlichen Inhalt errichtet hat (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 20.09.2013 – 11 Wx 14/13 –).
     

An die Beweisführung, bei der die Feststellungslast nach allgemeinen Regeln dem vom Testament Begünstigten obliegt, sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen (OLG Naumburg, Beschluss vom 29.03.2012 – 2 Wx 60/11 –). Kommt es diesbezüglich auf die Angaben von Zeugen an, ist allein schon zur Wahrung des Anwesenheits- und Fragrechts der Beteiligten allein der Strengbeweis sachgerecht. Mit eidesstattlichen Versicherungen darf das Nachlassgericht sich in dem von ihm geführten Verfahren nicht begnügen.

  • Ist der Beweis der formgültigen Errichtung und des genauen Inhalts der Verfügung erbracht, ist die Rechtslage nicht anders als bei Vorlage eines Testaments in Urschrift zu beurteilen.

 

Ein formgültiges Testament behält seine Wirkung so lange, bis es vom Erblasser wirksam widerrufen wird.
Hat der Erblasser die Urkunde vernichtet, so wird zwar vermutet, dass er damit die Aufhebung des Testaments beabsichtigt habe (§ 2255 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)).
Bevor diese Vermutung eingreift, müssen jedoch ihre Voraussetzungen feststehen.

  • Die bloße Tatsache der Unauffindbarkeit der Urkunde besagt für sich allein noch nichts;
  • sie begründet insbesondere keine tatsächliche Vermutung oder einen Erfahrungssatz, dass das Testament durch den Erblasser vernichtet worden ist.

 

Die Erteilung eines Erbscheins beim Nachweis der Errichtung eines formwirksamen Testamentes darf deshalb nicht verweigert werden,

  • weil ein Ausnahmetatbestand – Widerruf dieses Testamentes – zwar nicht feststellbar ist,
  • aber auch nicht widerlegt werden kann.

 

Die Möglichkeit, dass der Erblasser seine letztwillige Verfügung vergessen hat, reicht zur Begründung des Widerrufs nicht aus, ebenso wenig die Äußerung des Erblassers, das Testament sei ungültig.

Darauf hat der 11. Zivilsenat des OLG Karlsruhe mit Beschluss vom 08.10.2015 – 11 Wx 78/14 – hingewiesen.

 

Erbeinsetzung erfordert klare Testamentsbestimmung

Haben sich Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt, so lässt weder der anschließende Satz,

     „Nach dem Tod des Letztversterbenden soll die gesetzliche Erbfolge eintreten,“

noch eine ergänzende Pflichtteilsstrafklausel den zwingenden Schluss darauf zu, dass eine Schlusserbeinsetzung der gemeinsamen Kinder nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge gewollt ist.
Deshalb ist der Überlebende in einem solchen Fall frei, eine abweichende letztwillige Verfügung zu treffen.

Darauf hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschluss vom 11.09.2015 – 15 W 142/15 – hingewiesen.

Wie der Senat ausgeführt hat, kann in einem solchen Fall dem gemeinschaftlichen Ehegattentestament bereits nicht entnommen werden, dass die gesetzlichen Erben zu Schlusserben eingesetzt werden sollten.

  • Eine ausdrückliche Bestimmung der Kinder der Eheleute zu Schlusserben fehlt im Testament,
  • die Formulierung „Nach dem Tod des Letztversterbenden soll die gesetzliche Erbfolge eintreten“, ist nach ihrem Wortsinn unklar, weil sie unterschiedlich verstanden werden kann und  
  • wenn sich, wie in dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall, die bestehende Unklarheit auch nicht durch weitere, bei der Auslegung der Testamentsurkunde zu berücksichtigende Umstände beseitigen lässt, kann vom Nachlassgericht eine testamentarische Schlusserbeneinsetzung nicht festgestellt werden.

 

Gemeint gewesen sein könnte nämlich,

  • eine Einsetzung der gesetzlichen Erben als Schlusserben,
  • aber auch nur eine Anerkennung des gesetzlichen Erbrechts oder
  • eine Abstandnahme von der Einsetzung eines testamentarischen Erben und

 

in den zuletzt genannten Fällen enthält das Ehegattentestament keine verbindliche Erbeneinsetzung nach dem Tode des letztversterbenden Ehegatten, so dass der Überlebende frei war, eine abweichende letztwillige Verfügung zu treffen.

Die Pflichtteilsstrafklausel trägt die Annahme einer Schlusserbeneinsetzung deshalb nicht, weil diese zwar Ansatzpunkt für die Auslegung im Sinne einer Schlusserbeneinsetzung sein kann, die Pflichtteilsstrafklausel selbst hierfür aber regelmäßig nicht ausreicht, da sich ihr Sinn auch in der bloßen Sanktionierung einer Inanspruchnahme des überlebenden Ehegatten erschöpfen kann (Quelle: Pressemitteilung des Oberlandesgericht Hamm vom 12.11.2015).

Fazit:
Die Entscheidung zeigt, dass es wichtig sein kann, sich vor der Abfassung eines Testaments von einem Rechtsanwalt beraten zu lassen.

 

Erbeinsetzung unter Bedingung

Kommt es

  • im Falle einer durch die Aufnahme von Tieren des Erblassers zur Pflege bedingten Erbeinsetzung
  • nachfolgend nicht zu einer Aufnahme der Tiere,

 

so wird dieser Testamentserbe nicht Erbe,

  • wenn es nach dem Tod des Erblassers zu einer anderweitigen Unterbringung der Tiere kommt und
  • der Testamentserbe trotz Aufnahmemöglichkeit die Aufnahme der Tiere ablehnt, weil sie anderweitig gut aufgehoben sind.

 

Das hat das Amtsgericht (AG) Lüdinghausen mit Beschluss vom 19.08.2015 – 27 VI 230/14 – in einem Fall entschieden,

  • in dem die Erblasserin verfügt hatte, dass „im Falle ihres Todes ihr gesamtes Vermögen an die gemeinnützige Privatstiftung X unter der Voraussetzung übergehen soll, dass ihr Hund und ihre drei Katzen auf einem Anwesen der Stiftung ihr Leben weiterführen können“,
  • nach dem Tod der Erblasserin der Hund durch einen so genannten „Schutzvertrag“ bei einer anderen Organisation untergekommen war sowie die drei Katzen von einer Familie übernommen worden waren und
  • die als Erbin eingesetzte Stiftung sich deshalb, trotz Aufnahmemöglichkeit, dazu entschlossen hatte, die Tiere nicht zu übernehmen.

 

Da die Erbeinsetzung bedingt war, ist die Privatstiftung X, wie das AG ausgeführt hat, nicht Erbin der Erblasserin geworden, wobei es dahinstehen lies, ob es sich bei der Bedingung im Testament um eine aufschiebende Bedingung, die noch nicht eingetreten ist oder um eine auflösende Bedingung, die durch die Nichtaufnahme bzw. die Ablehnung der Aufnahme der Tiere eingetreten ist, gehandelt hat.
Denn die Erbenstellung der Stiftung sollte jedenfalls dadurch bedingt sein, dass sich die Stiftung um die Tiere der Erblasserin auf einem Anwesen der Stiftung kümmert, was sie gerade nicht getan hat.

 

Unlesbar geschriebenes Testament ist ungültig

Ein eigenhändig geschriebenes Testament muss lesbar sein, um wirksam die Erbfolge zu regeln.

Darauf hat der Senat für Nachlassangelegenheiten des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (OLG) mit Beschluss vom 16.07.2015 – 3 Wx 19/15 – hingewiesen und

  • in einem Fall das Schreiben einer alten Dame, das sich auch mithilfe eines Schriftsachverständigen nicht vollständig entziffern ließ,
  • nicht als wirksames Testament angesehen.

 

Wie der Senat ausgeführt hat, kann ein Testament durch eigenhändige und unterschriebene Erklärung errichtet werden (vgl. § 2247 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)),

  • wobei die Eigenhändigkeit der Errichtung eines Testaments voraussetzt, dass der erklärte Wille in vollem Umfang aus dem Geschriebenen hervorgeht.
  • Damit ist zwingende Formvoraussetzung die Lesbarkeit der Niederschrift.

 

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war der Senat, trotz seiner langjährigen Erfahrung mit der Entzifferung schwer lesbarer letztwilliger Verfügungen nicht in der Lage, das Schriftstück soweit zu entziffern, dass es einen eindeutigen Inhalt erhielt und die Ungewissheit über den Inhalt des Geschriebenen hatte sich auch nicht unter Zuhilfenahme eines Schriftsachverständigen beseitigen lassen.

Das hat die Pressestelle des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts am 16.09.2015 – 12/2015 – mitgeteilt.

 

Der von der Erbfolge ausgeschlossene Pflichtteilsberechtigte

Ein Pflichtteilsberechtigter hat nach § 2303 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

  • einen Geldanspruch
  • in Höhe der Hälfte des Werts seines gesetzlichen Erbteils.

 

Eine bestimmte Wertberechnungsmethode für die Ermittlung des Nachlasswerts ist nicht vorgeschrieben.

§ 2311 Abs. 1 Satz 1 BGB stellt für die Bemessung des Anspruchs

  • auf den Bestand und
  • den Wert des Nachlasses

 

zur Zeit des Erbfalles ab.

 

Die Ermittlung des Verkaufswerts zum Stichtag besagt, dass die für den Verkaufswert maßgebenden Bewertungsdaten aus der Sicht des Stichtags zu ermitteln sind. Zu berücksichtigen sind daher alle naheliegenden und wirtschaftlich fassbaren zum Stichtag im Keim angelegten Entwicklungen.

Bei der Berechnung des Pflichtteils ist zu ermitteln, welchen Verkaufserlös der Nachlass am Tag des Erbfalles tatsächlich erbracht hätte; dabei ist grundsätzlich der Verkaufserlös, den die Erben inzwischen bereits erzielt haben, zu berücksichtigen (vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 08.04.2015 – IV ZR 150/14 –)
Hat ein Verkauf nicht stattgefunden und fehlt es an einem gängigen Marktpreis für den Nachlassgegenstand, muss der Wert geschätzt werden (§ 2311 Abs. 2 Satz 1 BGB). Da das Gesetz keine Bewertungsmethode vorschreibt, obliegt die sachgerechte Auswahl im Streitfall dem Tatrichter.

Fragt sich, wie im Rahmen eines Pflichtteilsanspruchs der Wert eines in den Nachlass fallenden halben Miteigentumsanteils bestimmt wird?

Dazu hat der IV. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 13.05.2015 – IV ZR 138/14 – entschieden,

„dass in solchen Fällen der im Rahmen eines Pflichtteilsanspruchs zu bestimmende Wert der nachlassgegenständlichen Miteigentumshälfte jedenfalls dann dem hälftigen Wert der Immobilie insgesamt entspricht, wenn der bisherige Eigentümer der einen ideellen Hälfte mit dem Erbfall auch die andere Hälfte des Eigentums erlangt hat, also der Alleinerbe bereits Eigentümer der anderen ideellen Miteigentumshälfte ist“.

Bei Fragen im Zusammenhang mit Pflichtteilsansprüchen ist es empfehlenswert, sich von einem Rechtsanwalt, insbesondere einem Anwalt der gleichzeitig die Qualifikation „Fachanwalt für Erbrecht“ hat, beraten zu lassen. 

 

Wenn zum Erbe (auch) erlaubnispflichtige Schusswaffen gehören.

Wer infolge eines Erbfalls eine erlaubnispflichtige Waffe erwirbt, erhält für diese Waffe eine waffenrechtliche Erlaubnis, wenn

  • der Erblasser berechtigter Besitzer war und
  • er selbst zuverlässig und persönlich geeignet ist,

ohne dass anders als sonst ein Bedürfnis für den Waffenbesitz nachgewiesen sein muss.
Allerdings müssen Erben, die kein eigenes Bedürfnis zum Waffenbesitz haben, nach § 20 Waffengesetz (WaffG) in der seit 01.04.2008 geltenden Fassung, ererbte Schusswaffen durch ein dem Stand der Technik entsprechendes Blockiersystem versehen.
Diese Pflicht, ererbte Schusswaffen durch ein Blockiersystem zu sichern, gilt auch für solche Waffen, die der Erbe aufgrund eines Erbfalles vor Einführung der Blockierpflicht in das Waffengesetz erworben hat.

Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) mit Urteil vom 16.03.2015 – BVerwG 6 C 31.14 – in einem Fall entschieden, in dem

  • die Klägerin als Erbin ihres 2001verstorbenen Ehemannes Eigentümerin von Schusswaffen geworden war,
  • das beklagte Polizeipräsidium ihr hierfür waffenrechtliche Erlaubnisse erteilt und
  • ihr nachfolgend im Jahre 2011 aufgegeben hatte, die Schusswaffen mit einem Blockiersystem zu versehen.

Die gesetzliche Blockierpflicht gilt danach für sämtliche erlaubnispflichtige Schusswaffen, die durch Erbfall erworben wurden, unabhängig vom Zeitpunkt der Erwerbs.
Die Blockierpflicht soll, wie das BVerwG ausgeführt hat, im Sinne einer konsequenten Risikominimierung die mit dem Besitz ererbter Schusswaffen verbundene abstrakte Gefahr einer Schädigung Dritter verringern, welche der Gesetzgeber bei fehlendem waffenrechtlichen Bedürfnis des Besitzers für nicht hinnehmbar erachtet hat.
Wären nur Erbfälle ab dem Jahr 2008 einbezogen, würde die angestrebte Risikoverringerung erst allmählich über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten eintreten.
Diese Erstreckung auf Altfälle ist mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar.

  • Der Gesetzgeber hat allgemein ein berechtigtes Interesse daran, die mit dem Waffengesetz jeweils verfolgten Sicherungszwecke möglichst rasch zur Geltung zu bringen.

Er handelt bei der Ausgestaltung des Waffenrechts mit dem Ziel, seine verfassungsrechtliche Schutzpflicht für Leben und körperliche Unversehrtheit der Bürger zu erfüllen.

  • Er kann deshalb in aller Regel das Recht zum Umgang mit Waffen verschärfen, ohne hieran durch den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes beschränkt zu werden.

Umgekehrt kann derjenige, dem der Umgang mit Waffen erlaubt ist, in aller Regel nicht berechtigterweise darauf vertrauen, dass die hierfür geltenden Anforderungen für alle Zukunft unverändert bleiben.

Das hat die Pressestelle des Bundesverwaltungsgerichts am 24.04.2015 – Nr. 31/2015 – mitgeteilt.

 

Ein Erbverzicht kann auch für die Kinder des Verzichtenden Folgen haben.

Die Auslegung einer Erbverzichtserklärung kann ergeben, dass

  • sich der Verzicht nicht nur auf ein etwaiges gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht,
  • sondern auch auf eine Erbeinsetzung

bezieht.

Nach § 2352 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in der ab dem 01.01.2010 geltenden Fassung erstreckt sich der Zuwendungsverzicht

  • auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden,
  • wenn die Parteien des Verzichtsvertrages nichts anderes bestimmen.

Verzichtet ein Miterbe auf seine verbindlich gewordene Erbeinsetzung in einem gemeinschaftlichen Testament mit Pflichtteilsstrafklausel, kann sich die Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments auf den zugewandten und den durch Zuwendungsverzicht angewachsenen Erbteil erstrecken, so dass der überlebende Ehegatte über den Erbteil des Verzichtenden nicht anderweitig, z. B. zugunsten eines Kindes des Verzichtenden verfügen kann.

Darauf hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschluss vom 28.01.2015 – 15 W 503/14 – hingewiesen und in einer Nachlasssache,

  • in der Eheleute V und M ein gemeinschaftliches Testament mit Pflichtteilsstrafklausel errichtet, den Überlebenden zum befreiten Vorerben und zwei ihrer drei Kinder, K1 und K2, zu gleichen Teilen als Nacherben eingesetzt hatten,
  • nach dem Tod von V, K1 auf sein Nacherbenrecht sowie sein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht durch notariellen Vertrag (§ 2348 BGB) verzichtet hatte und
  • von M, nach dem Tod von K1, in einem handschriftlichen Testament K2 und die Tochter T des verstorbenen K1 als Erben bestimmt worden waren,

festgestellt,

  • dass K2 nach dem Tod von M deren Alleinerbe geworden ist.

Danach ist die Erbeinsetzung des K1 dadurch weggefallen, dass dieser auf sein testamentarisches sowie sein gesetzliches Erbrecht verzichtet hat.

  • Die Tochter T des K1 ist nicht testamentarisch als Ersatzerbin berufen.
  • Denn der Erbverzicht erstreckt sich auch auf die Abkömmlinge des K1.

Die Vorschrift des § 2352 BGB in ihrer seit 01.01.2010 geltenden neuen Fassung (Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts) verweist in ihrem Satz 3 auch auf § 2349 BGB, ordnet also dessen entsprechende Anwendung an.
§ 2349 BGB lautet:
„Verzichtet ein Abkömmling oder ein Seitenverwandter des Erblassers auf das gesetzliche Erbrecht, so erstreckt sich die Wirkung des Verzichts auf seine Abkömmlinge, sofern nicht ein anderes bestimmt ist“.
Nach der neuen, ab 01.01.2010 geltenden Fassung des § 2352 BGB gilt (abweichend von der alten Rechtslage) mithin, dass sich ein Zuwendungsverzicht

  • grundsätzlich auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden erstreckt,
  • es sei denn, es ist von den Vertragsparteien des Verzichtsvertrages etwas anderes bestimmt.

Die neue Fassung gilt für alle Erbfälle ab 01.01.2010 (Art. 229 § 23 Abs. 4 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB)).

  • Da hier die Vertragsparteien nichts anderes bestimmt hatten, führte der Wegfall der testamentarischen Erbeinsetzung des K1 mit Erstreckung auf seine Abkömmlinge dazu, dass dieser Erbteil dem K2 gemäß § 2094 Abs. 1 BGB angewachsen ist.

Für einen von den Ehegatten V und M etwa gewollten Ausschluss der Anwachsung (§ 2094 Abs. 3 BGB), der hier nur durch Eintritt der gesetzlichen Erbfolge hinsichtlich dieses Erbteils denkbar wäre, ergaben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte.

  • Die Erblasserin M war nach dem Tod ihres Ehemannes V durch die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments gehindert, durch eine einseitige letztwillige Verfügung die Rechtsstellung des K2 als Alleinerbe zu beeinträchtigen (§§ 2271 Abs. 2 S. 1, 2289 Abs. 1 S. 2 BGB).
  • Diese Bindungswirkung erstreckt sich auf den Erbanteil des K2 insgesamt einschließlich des ihm durch den Zuwendungsverzicht angewachsenen Erbanteils, der ursprünglich K1 zugedacht war.
  • Diese Bindungswirkung setzt voraus, dass die Einsetzung des K2 als Schlusserbe im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit zu der Einsetzung der Erblasserin M als Vorerbin ihres erstverstorbenen Ehemannes V steht (§ 2270 BGB).

Die Testamentsauslegung führt hier zu dem Ergebnis, dass diese Wechselbezüglichkeit zu bejahen ist.

  • Die Wechselbezüglichkeit der Schlusserbeinsetzung des K2 ergibt sich im Ausgangspunkt bereits aus der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB.

Nach § 2270 Abs. 2 BGB ist anzunehmen, dass V seine Ehefrau M nur deshalb zur Vorerbin eingesetzt und damit seine Kinder enterbt hat, weil die Ehefrau/ Erblasserin ihrerseits zwei der gemeinsamen Kinder zu ihren Erben berufen hat.
Nach dem Willen der testierenden Ehegatten erstreckt sich diese gegenseitige Abhängigkeit der Verfügungen nicht nur auf den dem K2 ursprünglich zugedachten, sondern auch auf den ihm infolge des Zuwendungsverzichtes zugewachsenen Erbanteil. Die Wechselbezüglichkeit bezieht sich auf die Schlusserbeinsetzung des K2 so wie sie in dem gemeinschaftlichen Testament von V und M verfügt worden ist und damit unter Einschluss der bereits dargestellten Anwachsungswirkung, die sich aus dem inneren Gefüge des Testaments insgesamt ergibt.
Für den Fall, dass – wie auch hier – ein Ehegattentestament eine Pflichtteilsstrafklausel enthält und einer von mehreren Abkömmlingen durch ein Pflichtteilsverlangen die auflösende Bedingung seiner Schlusserbeinsetzung herbeiführt, ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die auf diese Weise begründete Anwachsungswirkung bei den Erbanteilen der übrigen Abkömmlinge an der Bindungswirkung für den überlebende Ehegatten teilnimmt (Bayerisches Oberstes Landesgericht (BayObLG), Beschluss vom 20.01.2004 – 1Z BR 134/02 –).

 

Erbunwürdigkeit im Fall der vollendeten oder versuchten Tötung des Erblassers.

Nach § 2339 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) „ist“ erbunwürdig, wer einen der im Einzelnen dort genannten Tatbestände erfüllt. Auf dieser Grundlage ist anerkannt, dass es auf die Motive des Erbunwürdigen nicht ankommt, er den Tatbestand des § 2339 Abs. 1 BGB mithin selbst dann erfüllt, wenn er aus anerkennenswerten Motiven gehandelt hat (so Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 27.02.2008 – IV ZR 138/07 –).

Die Geltendmachung der Erbunwürdigkeit erfolgt durch Anfechtung des Erbschaftserwerbs im Wege der Anfechtungsklage gemäß §§ 2340, 2342 BGB.
Entschieden wird durch Gestaltungsurteil (BGH, Beschluss vom 12.09.2012 – IV ZR 177/11 –).
Anfechtungsberechtigt ist jeder, dem der Wegfall des Erbunwürdigen zustattenkommt (§ 2341 BGB).
Es muss zumindest die Möglichkeit bestehen, dass der am Wegfall des Unwürdigen Interessierte selbst Erbe wird. Dies richtet sich nach § 2344 BGB.

  • Ist ein Erbe für erbunwürdig erklärt, so gilt der Anfall an ihn (rückwirkend) als nicht erfolgt (Abs. 1).
  • Die Erbschaft fällt demjenigen an, welcher berufen sein würde, wenn der Erbunwürdige zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte (Abs. 2).

Gemäß § 2339 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist unter anderem erbunwürdig,

  • wer den Erblasser vorsätzlich und widerrechtlich getötet oder zu töten versucht hat, d. h. eine vorsätzliche und widerrechtliche Tötung im Sinne des Strafrechts gemäß §§ 211, 212 Strafgesetzbuch (StGB) begangen oder versucht hat,
  • also grundsätzlich auch derjenige, der eine solche Tat als eingesetzter Betreuer durch den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen bei dem Erblasser begeht.

Das gilt jedenfalls dann, wenn

  • der Erblasser keine entsprechende Patientenverfügung hinterlassen hat,
  • keine Tötung auf Verlangen gemäß § 216 StGB vorliegt (was sich aus der Wertung des § 2343 BGB rechtfertigt, weil eine Tötung auf Verlangen ebenso zu behandeln ist wie die Verzeihung, die ebenfalls die Anfechtung wegen Erbunwürdigkeit ausschließt),
  • der Erbe nicht das Verfahren nach §§ 1901a ff. BGB eingehalten hat und
  • sich auch sonst kein tatsächlich geäußerter Wille des Erblassers zum Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen ermitteln lässt.

Erbunwürdigkeit setzt in den Fällen des § 2339 Abs. 1 Nr. 1 BGB allerdings

  • Schuldfähigkeit des Handelnden voraus,
  • wobei Darlegungs- und beweispflichtig für die Schuldunfähigkeit im Rahmen von § 2339 Abs. 1 BGB in entsprechender Anwendung von § 827 BGB derjenige ist, der sich auf seine Unzurechnungsfähigkeit beruft.

Darauf hat der IV. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 11.03.2015 – IV ZR 400/14 – hingewiesen.

 

Zur Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments das keine ausdrückliche Schlusserbeneinsetzung der Kinder enthält.

Eine Pflichtteilsklausel in Kombination mit der Anordnung der Gleichbehandlung der gemeinsamen Kinder kann dafür sprechen, dass nach dem Willen der Eheleute wechselbezüglich die Kinder zu gleichen Teilen als Schlusserben bestimmt sein sollen.

Darauf hat der 31. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) München mit Beschluss vom 23.02.2015 – 31 Wx 459/14 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte die am 14.02.2014 verstorbene Erblasserin

  • am 25.09.1984 mit ihrem am 10.12.1986 vorverstorbenen Ehemann in einem gemeinschaftlich errichteten Testament verfügt,  
    • 1. „Wir, die Eheleute … u. …, setzen uns gegenseitig als Erben auf das ganze Vermögen ein.
    • 2. Nach dem Tod des Erstversterbenden fällt das gesamte Vermögen an den verbleibenden Ehegatten. Dieser ist zur unbeschränkten Verfügung über das Vermögen berechtigt.
    • 3. Die Kinder sollen den Pflichtteilsanspruch nach dem Erstversterbenden nicht geltend machen. Sollte eines der Kinder seinen Pflichtteil dennoch verlangen, soll es auch nach dem Tode des Letztversterbenden nur den Pflichtteil erhalten.
    • 4. Die drei Kinder haben im Verhältnis unter sich die ihnen bei Lebzeiten von uns beiden und vom Letztversterbenden gemachten unentgeltlichen Zuwendungen zur Ausgleichung zu bringen. Jedes unserer Kinder soll gleich behandelt werden“,
  • sowie nachfolgend am 29.06.2013 ein handschriftliches Testament errichtet, in dem von ihr eines der Kinder zum Alleinerben eingesetzt worden war.

Die Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments vom 25.09.1984 nach den Grundsätzen im Sinne der §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) durch den 31. Zivilsenat des OLG München ergab hier, dass,

  • auch wenn dies nicht unmittelbar ausgedrückt war,
  • nach dem Willen der Eheleute in dem Testament – wechselbezüglich – die drei Kinder zu gleichen Teilen als Schlusserben bestimmt sein sollten,

so dass sich die Erbfolge nach dem gemeinschaftlichen Testaments vom 25.09.1984 richtete, weil die Erblasserin nach dem Tod ihres Ehemannes nicht mehr widersprechend verfügen konnte (§ 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB).

Dass den Kindern eine gleiche Erbenstellung eingeräumt werden sollte entnahm das Gericht der Formulierung des Testaments, insbesondere dem Satz 2 von Textziffer 4., mit der die Eheleute zum Ausdruck brachten, dass sie ihre Kinder sowohl hinsichtlich der Zuwendungen zu Lebzeiten als auch bei der Schlusserbeinsetzung gleich behandeln wollten, so dass im vorliegenden Fall davon auszugehen war, dass die drei Kinder gleichberechtigt als Erben eingesetzt werden sollten.

Die Schlusserbeinsetzung der drei Kinder zu gleichen Teilen war auch wechselbezüglich i. S. v. § 2270 BGB.

  • Denn wenn angeordnet ist, dass die Kinder gleich behandelt werden sollen, ergibt sich die ersichtlich gewollte Absicherung dieser Verfügung nur aus dem Umstand, dass diese nur im Benehmen beider Ehegatten abänderbar sein sollte.

Dagegen spricht nicht, dass in Textziffer 2. des gemeinschaftlichen Testaments angeordnet ist, dass der überlebende Ehegatte „zur unbeschränkten Verfügung über das Vermögen berechtigt“ sei. Daraus ergibt sich lediglich, dass die Eheleute davon ausgingen, dass der überlebende Ehegatte bis zum Eintritt des Schlusserbfalls frei über das gemeinschaftliche Vermögen verfügen können sollte. Dazu galt allerdings nach Ziffer 4. die Einschränkung, dass die Kinder untereinander etwa überschießende unentgeltliche Zuwendungen des Überlebenden zum Ausgleich bringen sollten und außerdem – im Schlusserbfall – gleich zu behandeln seien.
Die Eheleute gingen also davon aus, dass der Überlebende von ihnen

  • einerseits zu Lebzeiten frei verfügen können sollte,
  • andererseits im Erbfall dahin gebunden sein würde, dass die gemeinsamen Kinder zu gleichen Teilen erben sollten.