Ein Erbverzicht kann auch für die Kinder des Verzichtenden Folgen haben.

Ein Erbverzicht kann auch für die Kinder des Verzichtenden Folgen haben.

Die Auslegung einer Erbverzichtserklärung kann ergeben, dass

  • sich der Verzicht nicht nur auf ein etwaiges gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht,
  • sondern auch auf eine Erbeinsetzung

bezieht.

Nach § 2352 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in der ab dem 01.01.2010 geltenden Fassung erstreckt sich der Zuwendungsverzicht

  • auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden,
  • wenn die Parteien des Verzichtsvertrages nichts anderes bestimmen.

Verzichtet ein Miterbe auf seine verbindlich gewordene Erbeinsetzung in einem gemeinschaftlichen Testament mit Pflichtteilsstrafklausel, kann sich die Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments auf den zugewandten und den durch Zuwendungsverzicht angewachsenen Erbteil erstrecken, so dass der überlebende Ehegatte über den Erbteil des Verzichtenden nicht anderweitig, z. B. zugunsten eines Kindes des Verzichtenden verfügen kann.

Darauf hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschluss vom 28.01.2015 – 15 W 503/14 – hingewiesen und in einer Nachlasssache,

  • in der Eheleute V und M ein gemeinschaftliches Testament mit Pflichtteilsstrafklausel errichtet, den Überlebenden zum befreiten Vorerben und zwei ihrer drei Kinder, K1 und K2, zu gleichen Teilen als Nacherben eingesetzt hatten,
  • nach dem Tod von V, K1 auf sein Nacherbenrecht sowie sein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht durch notariellen Vertrag (§ 2348 BGB) verzichtet hatte und
  • von M, nach dem Tod von K1, in einem handschriftlichen Testament K2 und die Tochter T des verstorbenen K1 als Erben bestimmt worden waren,

festgestellt,

  • dass K2 nach dem Tod von M deren Alleinerbe geworden ist.

Danach ist die Erbeinsetzung des K1 dadurch weggefallen, dass dieser auf sein testamentarisches sowie sein gesetzliches Erbrecht verzichtet hat.

  • Die Tochter T des K1 ist nicht testamentarisch als Ersatzerbin berufen.
  • Denn der Erbverzicht erstreckt sich auch auf die Abkömmlinge des K1.

Die Vorschrift des § 2352 BGB in ihrer seit 01.01.2010 geltenden neuen Fassung (Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts) verweist in ihrem Satz 3 auch auf § 2349 BGB, ordnet also dessen entsprechende Anwendung an.
§ 2349 BGB lautet:
„Verzichtet ein Abkömmling oder ein Seitenverwandter des Erblassers auf das gesetzliche Erbrecht, so erstreckt sich die Wirkung des Verzichts auf seine Abkömmlinge, sofern nicht ein anderes bestimmt ist“.
Nach der neuen, ab 01.01.2010 geltenden Fassung des § 2352 BGB gilt (abweichend von der alten Rechtslage) mithin, dass sich ein Zuwendungsverzicht

  • grundsätzlich auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden erstreckt,
  • es sei denn, es ist von den Vertragsparteien des Verzichtsvertrages etwas anderes bestimmt.

Die neue Fassung gilt für alle Erbfälle ab 01.01.2010 (Art. 229 § 23 Abs. 4 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB)).

  • Da hier die Vertragsparteien nichts anderes bestimmt hatten, führte der Wegfall der testamentarischen Erbeinsetzung des K1 mit Erstreckung auf seine Abkömmlinge dazu, dass dieser Erbteil dem K2 gemäß § 2094 Abs. 1 BGB angewachsen ist.

Für einen von den Ehegatten V und M etwa gewollten Ausschluss der Anwachsung (§ 2094 Abs. 3 BGB), der hier nur durch Eintritt der gesetzlichen Erbfolge hinsichtlich dieses Erbteils denkbar wäre, ergaben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte.

  • Die Erblasserin M war nach dem Tod ihres Ehemannes V durch die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments gehindert, durch eine einseitige letztwillige Verfügung die Rechtsstellung des K2 als Alleinerbe zu beeinträchtigen (§§ 2271 Abs. 2 S. 1, 2289 Abs. 1 S. 2 BGB).
  • Diese Bindungswirkung erstreckt sich auf den Erbanteil des K2 insgesamt einschließlich des ihm durch den Zuwendungsverzicht angewachsenen Erbanteils, der ursprünglich K1 zugedacht war.
  • Diese Bindungswirkung setzt voraus, dass die Einsetzung des K2 als Schlusserbe im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit zu der Einsetzung der Erblasserin M als Vorerbin ihres erstverstorbenen Ehemannes V steht (§ 2270 BGB).

Die Testamentsauslegung führt hier zu dem Ergebnis, dass diese Wechselbezüglichkeit zu bejahen ist.

  • Die Wechselbezüglichkeit der Schlusserbeinsetzung des K2 ergibt sich im Ausgangspunkt bereits aus der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB.

Nach § 2270 Abs. 2 BGB ist anzunehmen, dass V seine Ehefrau M nur deshalb zur Vorerbin eingesetzt und damit seine Kinder enterbt hat, weil die Ehefrau/ Erblasserin ihrerseits zwei der gemeinsamen Kinder zu ihren Erben berufen hat.
Nach dem Willen der testierenden Ehegatten erstreckt sich diese gegenseitige Abhängigkeit der Verfügungen nicht nur auf den dem K2 ursprünglich zugedachten, sondern auch auf den ihm infolge des Zuwendungsverzichtes zugewachsenen Erbanteil. Die Wechselbezüglichkeit bezieht sich auf die Schlusserbeinsetzung des K2 so wie sie in dem gemeinschaftlichen Testament von V und M verfügt worden ist und damit unter Einschluss der bereits dargestellten Anwachsungswirkung, die sich aus dem inneren Gefüge des Testaments insgesamt ergibt.
Für den Fall, dass – wie auch hier – ein Ehegattentestament eine Pflichtteilsstrafklausel enthält und einer von mehreren Abkömmlingen durch ein Pflichtteilsverlangen die auflösende Bedingung seiner Schlusserbeinsetzung herbeiführt, ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die auf diese Weise begründete Anwachsungswirkung bei den Erbanteilen der übrigen Abkömmlinge an der Bindungswirkung für den überlebende Ehegatten teilnimmt (Bayerisches Oberstes Landesgericht (BayObLG), Beschluss vom 20.01.2004 – 1Z BR 134/02 –).

 


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