Tag Flug

EuGH entscheidet: Auch wenn wegen Streiks der Belegschaft einer Fluglinie aus Solidarität mit der Belegschaft der Muttergesellschaft

…. Flüge annulliert werden oder große Verspätung haben, können Fluggäste Anspruch auf Ausgleichszahlung haben.  

Mit Urteil vom 06.10.2021 in der Rechtssache C-613/20 hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) entschieden, dass ein Streik 

  • der Belegschaft einer Fluglinie (hier: Eurowings) 

aus Solidarität 

  • mit der Belegschaft der Muttergesellschaft (hier: Lufthansa) 

keinen 

darstellt, der die Fluglinie bei 

  • Flugannullierung oder
  • großer Verspätung von Flügen

zur Verweigerung der

  • Ausgleichszahlung nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c i.V.m. Art. 7 Abs. 1 FluggastrechteVO 

berechtigt.

Danach kann ein solcher Solidaritätsstreik weder als Ereignis angesehen werden, 

  • das nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit der Tochtergesellschaft ist, 

noch als Ereignis, 

  • das von dieser in keiner Weise beherrschbar ist,

weil, so der EuGH, vorsehbar sei, dass,

  • wenn eine Gewerkschaft die Beschäftigten einer Muttergesellschaft zum Streik aufrufe, 

sich die Beschäftigten anderer Konzernteile diesem Streik 

  • aus Solidarität oder 
  • mit dem Ziel anschlössen, bei dieser Gelegenheit ihre eigenen Interessen durchzusetzen,

und außerdem der Arbeitgeber,

  • da für ihn der Ausbruch eines Streiks ein vorhersehbares Ereignis darstelle, grundsätzlich über die Mittel verfüge, 

sich darauf vorbereiten und damit dessen Folgen gegebenenfalls abfangen könne, 

Übrigens:
Infos dazu, 

  • wann Fluggäste, deren Flug verspätet gegenüber der ursprünglich vorgesehenen Ankunftszeit am Zielflughafen ankommt, Anspruch auf eine Ausgleichszahlung haben, 

finden Sie hier.

EuGH entscheidet: Auch wenn aufgrund angekündigtem rechtmäßigem Pilotenstreik Flug annulliert wurde, haben Fluggäste

…. Anspruch auf Ausgleichszahlung.  

Mit Urteil vom 23.03.2021 hat die Große Kammer des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in der Rechtssache C-28/20, in dem ein Fluggast von dem Flugunternehmen,

  • bei dem er einen Flug nach Mallorca gebucht hatte, 

Zahlung einer Ausgleichsleistung 

verlangt hatte, weil der Flug von dem ausführenden Flugunternehmen am Abflugtag 

  • wegen eines von der Gewerkschaft der Piloten – nach dem Scheitern der Verhandlungen zum Abschluss eines neuen Tarifvertrages – ausgerufenen Streiks 

annulliert worden war, entschieden, dass ein  

  • solcher Streik 

keinen „außergewöhnlichen Umstand“ i.S.v. Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO darstellt, der das Flugunternehmen zur Verweigerung der Ausgleichszahlung berechtigt.

Danach fallen durch einen Streikaufruf einer Gewerkschaft 

  • von Beschäftigten eines ausführenden Luftfahrtunternehmens 

eingeleitete Streikmaßnahmen, 

  • bei denen die Anforderungen des nationalen Rechts – insbesondere die darin für die Vorankündigung vorgesehene Frist – beachtet werden, 
  • mit denen Forderungen der Beschäftigten dieses Unternehmens (beispielsweise Gehaltserhöhungen) durchgesetzt werden sollen und 
  • denen sich eine für die Durchführung eines Fluges erforderliche Beschäftigtengruppe anschließt, 

nicht unter den Begriff 

  • „außergewöhnlicher Umstand“ im Sinne der FluggastrechteVO, 

der die Fluggesellschaft von ihrer Verpflichtung 

  • zur Leistung von Ausgleichszahlungen wegen Annullierung oder großer Verspätung der betroffenen Flüge 

befreien kann (vgl. ferner EuGH, Urteil vom 17.04.2018 in den verbundenen Rechtssachen C-195/17, C-197/17 bis C 203/17, C-226/17, C-228/17, C-254/17, C-274/17, C-275/17, C-278/17 bis C-286/17 und C-290/17 bis C-292/17, wonach auch „wilde“ Streiks des Flugpersonals keine „außergewöhnlichen“ Umstände sind).

Hinweis:
Vorliegen kann ein zur Verweigerung der Ausgleichszahlung berechtigender „außerwöhnlicher Umstand“ allerdings dann, 

  • wenn dem Streik Forderungen zugrunde liegen, die nur von staatlichen Stellen erfüllt werden können und die daher für das Luftfahrtunternehmen nicht tatsächlich beherrschbar sind oder
  • wenn es sich um einen nicht von eigenen Beschäftigten des betroffenen Luftfahrtunternehmens, sondern einen von Fluglotsen oder von dem Flughafenpersonal ausgelösten und befolgten Streik handelt (Quelle: Pressemitteilung des EuGH).

AG Frankfurt entscheidet, wann alkoholisierten Fluggästen die Mitnahme auf einem Flug verweigert werden darf

Mit Urteil vom 27.05.2020 – 32 C 784/19 (89) – hat das Amtsgericht (AG) Frankfurt am Main in einem Fall, in dem einem Ehepaar,

  • das bei einer Fluggesellschaft einen Flug von Bogota nach Stuttgart in der Business Class gebucht hatte,

von dem Flugkapitän die Beförderung auf dem Flug verweigert worden war, 

  • weil die Ehefrau bei Betreten des Flugzeugs alkoholbedingte Ausfallerscheinungen aufwies, nach einem Wortwechsel die Anweisung des Pursers, das Flugzeug zu verlassen ignoriert, diesen mit ihrem Finger körperlich an der Schulter attackiert sowie versucht hatte, den herbeigerufenen Flugkapitän am Revers zu greifen, 

entschieden, dass

  • dieses Verhalten im Flugzeug hinreichenden Anlass zur Beförderungsverweigerung durch den Flugkapitän gegeben habe 

und 

  • wegen Verursachung der Nichtbeförderung durch ihr eigenes Verhalten,

die Klage der Eheleute gegen das Flugunternehmen 

  • auf Entschädigungsleistung nach der Fluggastrechteverordnung und 
  • weiteren Schadensersatz wegen ungerechtfertigter Nichtbeförderung 

abgewiesen.

Danach darf der Flugkapitän 

  • – im Rahmen der ihm durch § 12 Abs. 2 Luftsicherheitsgesetz verliehenen Polizeigewalt –

Fluggästen, deren

  • alkoholbedingte Ausfallerscheinungen oder deren alkoholbedingtes aggressives Verhalten 

geeignet ist die Luftsicherheit zu gefährden bzw. bei denen 

  • aufgrund ihrer alkoholbedingten Ausfallerscheinungen oder ihres alkoholbedingten aggressiven Verhaltens 

die begründete Gefahr besteht, 

  • dass sie Sicherheitsanordnungen nicht Folge leisten werden oder
  • dass es bei ihnen zu gesundheitlichen Problemen während des Fluges kommen könnte,

die Mitnahme auf einem Flug verweigern und haben Fluggäste dann,

  • wenn eine solche Nichtbeförderungsentscheidung vom Kapitän ermessensfehlerfrei getroffen wurde,  

weder Ansprüche auf Schadensersatz, noch auf Ansprüche nach der FluggastrechteVO (so auch AG München, Urteil vom 23.07.2019 – 182 C 18938/18 –).

AG Hannover entscheidet: Luftfahrtunternehmen muss einem Kleinkind wegen Flugverspätung 400 Euro Ausgleichszahlung leisten

Mit Urteil vom 04.06.2020 – 515 C 12585/19 – hat das Amtsgericht (AG) Hannover in einem Fall, in dem ein, 

  • von Eltern für sich und ihrem noch nicht ein Jahr altem Kleinkind bei einem deutschen Luftfahrtunternehmen 

gebuchter Flug, von Heraklion nach Nürnberg, erst mehr als drei Stunden später als vorgesehen das Endziel erreicht hatte, auch dem Kleinkind   

  • nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b), Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004 – FluggastrechteVO)  

die Ausgleichsleistung in Höhe von 400 Euro zugesprochen. 

Begründet hat das AG dies damit, dass   

hier jedoch davon auszugehen sei, dass für das Kleinkind ein Flugpreis in Höhe von 15 Euro gezahlt worden sei, nachdem

  • einerseits in der Buchungsbestätigung eine Auflistung erfolgt war, unter der sich 
    • neben den Gepäckstücken und der Verpflegung auch der Eintrag „1x Kleinkind(er)“ fand, 
  • andererseits aber es in den Fluginformationen der Flugunternehmens unter der Überschrift „Kinderermäßigung“ geheißen hatte: 
    • „Kleinkinder im Alter von 0 bis einschließlich 1 Jahr zahlen 15 EUR pro Flugstrecke“, 

dies somit nicht klar habe erkennen lasse, ob es sich bei den 15 Euro handeln sollte,

  • um eine erhobene Verwaltungsgebühr, 
    • wofür die Auflistung in der Buchungsbestätigung sprechen könnte oder
  • um einen für Kleinkinder reduzierten Flugpreis, 
    • wofür die Überschrift „Kinderermäßigung“ in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Flugunternehmens spricht   

und diese Unklarheit bei der Auslegung gemäß § 305c Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu Lasten des Flugunternehmens gehe (Quelle: Pressemitteilung des AG Hannover).

Hinweis:
Dazu, 

  • wann gegen ein Luftfahrtunternehmen bei verspäteter Ankunft ein Ausgleichsanspruch in welcher Höhe besteht, 
  • worauf bei der Bestimmung des Ausmaßes der Verspätung abzustellen ist, 
  • was maßgebend für die Entfernungsberechnung ist und 
  • was außergewöhnliche Umstände sein können, die einem Ausgleichsanspruch entgegenstehen können,

vgl. auch den Blogeintrag: