Tag Risiko

Eine gebuchte Pauschalreise vor Reiseantritt kostenfrei stornieren – wann ist das möglich?

Von einem mit einem Reiseveranstalter geschlossenen Pauschalreisevertrag (§ 651a Abs. 1 – 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) kann 

  • vor Reiseantritt jederzeit 

(wieder) zurückgetreten werden (§ 651h Abs. 1 Satz 1 BGB).

Wird der Rücktritt von einem Pauschalreisevertrag vor Reiseantritt erklärt, 

  • verliert der Reiseveranstalter den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis (§ 651 h Abs. 1 S. 2 BGB) und 

kann vom Reiseveranstalter,

  • ohne dass diesem nach § 651 h Abs. 1 S. 3 BGB eine angemessene Entschädigung (Rücktritts- bzw. Stornogebühr) zusteht,

die Rückzahlung des vollen schon (an)gezahlten Reisepreises innerhalb von 14 Tagen verlangt werden (§ 651h Abs. 5 BGB, vgl. dazu Amtsgericht (AG) Frankfurt am Main, Urteil vom 15.10.2020 – 32 C 2620/20 (18) –), wenn (der Rücktritt darauf gestützt werden kann, dass)

  • am Bestimmungsort oder 
  • in dessen unmittelbarer Nähe 

unvermeidbare, außergewöhnliche 

  • Umstände

auftreten, die die 

  • Durchführung der Pauschalreise oder 
  • die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort 

erheblich beeinträchtigen bzw. mit gewisser Wahrscheinlichkeit erheblich beeinträchtigen werden (§ 651 h Abs. 3 BGB).

Solche unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände stellen beispielsweise 

  • Naturkatastrophen oder 
  • schwere Krankheitsausbrüche mit bestehenden erheblichen Risiken für die menschliche Gesundheit  

am Reiseziel zum Reisezeitpunkt dar und ein erhebliches Indiz für das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände stellt darüber hinaus eine 

  • amtliche Reisewarnung für das konkrete Reiseziel 

dar.

Ob für die Beurteilung 

  • des Vorliegens außergewöhnlicher Umstände und 
  • damit der Berechtigung deswegen vom Reisevertrag zurückzutreten,  

allein 

  • auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung 

abzustellen ist, also allein maßgeblich ist, ob 

  • aus ex-ante Sicht zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung die Prognose zutreffend erschien, 

dass   

  • mit einer gewisse Wahrscheinlichkeit zum Reisezeitpunkt eine konkrete erhebliche Beeinträchtigung der Reise durch außergewöhnliche Umstände vorliegen wird, 

beispielsweise

  • wegen des Auftretens eines Hurrikans eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 25% Gefahr für Leib und Leben oder
  • COVID-19 pandemiebedingt am Reiseort im Vergleich zum Wohnort des Reisenden und der Zeit der Reisebuchung ein deutlich erhöhtes Ansteckungsrisiko und damit ein konkretes Risiko für einen erheblichen Gesundheitsschaden 

bestehen wird und es unerheblich ist, wenn sich im Nachhinein 

ist streitig.

Allerdings soll eine solche 

  • ex ante 

Betrachtung zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung des Reisenden jedenfalls dann nicht maßgeblich sein,

  • sondern die volle Rückzahlung des Reisepreises verlangt werden können,  

wenn der Reiseveranstalter die Reise vor Reisebeginn 

  • selbst aufgrund eines unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstands 

absagt.

Das hat die 24. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Frankfurt am Main mit 

entschieden und damit begründet, dass die Frage, 

  • ob eine Prognose-Entscheidung des Reisenden hinsichtlich des Auftretens unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung zutreffend war, 

sich nur dann stellen kann, wenn die Gefahr von unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umständen, 

  • wegen der der Reisende den Rücktritt erklärt hat, 

sich tatsächlich später nicht realisiert hat. 

Was Fußball- und Handballspieler, die sich vor Beginn eines eigentlichen Trainings unter Benutzung des Balls aufwärmen,

…. wissen sollten. 

Mit Urteil vom 29.10.2020 – 1 U 66/20 – hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg in einem Fall, in dem eine Frau,

  • als sie ihre Tochter vom in der Sporthalle stattgefundenen Fußballtraining abholen wollte und 
  • auf diese, nach Beendigung des Trainings, in der Nähe des Fußballtores wartete, 

im Gesicht von einem Fußball getroffen worden war, den ein Mitglied der nachfolgend trainierenden Altherrenmannschaft,

  • vor Beginn von ihrem eigentlichen Training,

während des Aufwärmens 

  • mit einiger Kraft 

Richtung Tor geschossenen hatte, für die dadurch bei der Frau verursachten Verletzungen, eine 

  • Haftungsquote von 70% zu 30% zu Gunsten der Frau

für gerechtfertigt erachtet.

Begründet hat der Senat dies damit, dass, nachdem 

  • das eigentliche Training der Altherrenmannschaft noch nicht begonnen hatte, sondern

die Mannschaft noch beim Aufwärmen gewesen sei, auf 

  • in der Halle anwesende Personen 

Rücksicht genommen werden musste und der Schütze, dessen fehlgegangener Torschuss die Frau versehentlich im Gesicht getroffen hat, dadurch, dass von ihm der Ball in Richtung Tor 

  • kraftvoll geschossen wurde,
  • statt nur zu lupfen, 

fahrlässig gehandelt und sich nicht (mehr) im Rahmen des erlaubten Risikos bewegt hat.

Ein Mitschulden von 30%, so der Senat weiter, müsse die verletzte Frau sich deswegen zurechnen lassen, da 

  • sie hätte sehen können, dass Mitglieder der Altherrenmannschaft bereits mit dem Ball spielten und 
  • für sie eine Notwendigkeit, sich gerade in der Nähe des Tores aufzuhalten, nicht bestanden habe (Quelle: Pressemitteilung des OLG Oldenburg).

LG München I entscheidet, wer wann die Kosten einer wegen Corona abgesagten Hochzeitsfeier tragen muss

Mit Urteil vom 29.04.2021 – 29 O 8772/20 – hat die 29. Zivilkammer des Landgerichts (LG) München I in einem Fall, in dem von einem Hochzeitspaar für ihre 

  • Hochzeitsfeier Räumlichkeiten 

angemietet worden waren, die geplante Hochzeitsfeier aber,

  • wegen der durch die nachfolgend erlassene Infektionsschutzmaßnahmenverordnung auferlegten Kontaktbeschränkungen, 

nicht hatte stattfinden können, entschieden, dass das Hochzeitspaar die 

  • für die Räumlichkeiten vereinbarte 

Miete jedenfalls dann zahlen muss, wenn 

  • es sich an vom Vermieter angebotenen Ersatzterminen nicht interessiert zeigt.      

Begründet hat das LG dies damit, dass bei einer bloßen Anmietung von Räumlichkeiten für eine Hochzeitfeier der Vermieter 

  • nicht zur Ausrichtung der Hochzeit, sondern

allein zur Überlassung der dafür angemieteten Räumlichkeiten verpflichtet ist, ihm dies, 

  • durch die zur Pandemiebekämpfung angeordneten Kontaktbeschränkungen 

nicht unmöglich geworden ist, das Risiko, die angemieteten Räume nicht 

  • zu dem im Vertrag festgehaltenen Zweck 

nutzen zu können, beim Mieter liegt und 

  • wegen der schwerwiegenden Veränderung der Umstände nach Vertragsschluss durch die Corona-Maßnahmen,

ein Recht der Mieter zum Rücktritt vom Mietvertrag, ausnahmsweise nur dann bestehen könnte, wenn 

  • die primäre Folge einer solchen schwerwiegenden Veränderung der Geschäftsgrundlage, nämlich 

eine Anpassung des Vertrages in gegenseitiger Kooperation, 

  • hier durch die Vereinbarung eines Ersatztermins, wie vom Vermieter angeboten, 

unzumutbar für die Mieter wäre (Quelle: Pressemitteilung des LG München I). 

Hundehalter sollten wissen, dass, wenn ihr nicht angeleinter Hund einen Menschen zu Fall bringt, sie der Körperverletzung

…. schuldig sein können.

Das Landgericht (LG) Osnabrück hat mit Urteil vom 20.01.2021 – 5 Ns 112/20 – den Besitzer eines Schäferhundes 

  • wegen fahrlässiger Körperverletzung 

zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sein Hund, 

  • als er mit ihm in einem Wohngebiet spazieren ging, ohne dass er ihn davon hatte abhalten können,

auf eine Frau zugesprungen, die Frau

  • als sie den Hund mithilfe ihrer Einkaufstasche versuchte abzuwehren, 

zu Fall gekommen war und sich dabei eine Halswirbeldistorsion und eine Kopfprellung zugezogen hatte.

Danach verletzt ein Hundehalter, der mit einem, 

  • nicht aufs Wort hörenden 

größeren Hund, 

  • ohne diesen vorsorglich anzuleinen, 

in einem Wohngebiet spazieren geht, 

  • die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten, 

schafft durch dieses sorgfaltswidrige Verhalten das absehbare Risiko, 

  • dass der Hund sich anderen Personen unkontrolliert nähern kann 

und dass diese Personen dann 

  • bei instinktiven Abwehrreaktionen stürzen und 
  • sich verletzten können, 

ist für ihn vorhersehbar (Quelle: Pressemitteilung des LG Osnabrück).

Hundebesitzer sollten wissen, wann die Tierhalterhaftpflichtversicherung bei einem Schadensfall durch einen Hundebiss

…. sich auf einen Haftungsausschluss berufen kann und wann nicht.

Ist in den einer Tierhalterhaftpflichtversicherung zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen bestimmt, dass

  • „Ausgeschlossen bleiben Ansprüche gegenüber jedem Versicherungsnehmer oder Versicherten, der den Schaden durch bewusstes Abweichen von der Haltung und Züchtung von Hunden dienenden Gesetzen, Verordnungen und behördlichen Verfügungen oder Anordnungen am Wohnort des Versicherungsnehmers verursacht hat,“ 

muss die Tierhaftpflichtversicherung,

  • wenn sie sich bezüglich der Folgen eines Hundebisses auf diesen Risikoausschluss berufen will,

dem Versicherungsnehmer oder Versicherten einen von ihm     

  • zumindest bedingt vorsätzlich begangenen

Verstoß 

  • gegen die Haltung und Züchtung von Hunden dienenden Gesetzen, Verordnungen und behördlichen Verfügungen

nachweisen.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main mit Urteil vom 20.07.2020 – 7 U 47/19 – hingewiesen und in einem Fall, in dem von dem angeleinten Mischlingshund einer Hundehalterin und Versicherungsnehmerin (im Folgenden: VN),

  • während sie sich mit dem Hund in einer öffentlichen Parkanlage mit Spielplatzgelände aufhielt,
  • dort auf einer Bank saß und 
  • sich mit einer Bekannten unterhielt, 

ein 2-jähriges Kind, 

  • das sich dem Hund genähert und 
  • ihn gestreichelt hatte, 

durch einen Biss des Hundes ins Gesicht schwer verletzt worden war und die Tierhaftpflichtversicherung der VN, weil 

  • der Hund schon einmal ein 10-jähriges Mädchen gebissen und 
  • das zuständigen Kreisverwaltungsreferat deswegen angeordnet hatte, „dass Begegnungskontakte des Hundes mit Kindern bis ca. 14 Jahren … zu vermeiden seien“,

sich auf den Risikoausschluss nach den allgemeinen Versicherungsbedingungen berufen hatte, die Tierhaftpflichtversicherung dazu verurteilt, für den 

  • bei dem 2-jährigen Mädchen durch den Hundebiss entstandenen 

Schaden einzustehen.

Grund dafür,

  • dass die Tierhaftpflichtversicherung sich nicht erfolgreich auf den Risikoausschluss nach den allgemeinen Versicherungsbedingungen berufen konnte, 

war, dass der VN ihre Einlassung, 

  • den Spielplatz zuvor nicht gekannt und 
  • das Annähern des 2-jährigen Kindes nicht bemerkt zu haben, 

nicht widerlegt und somit eine bewusste Pflichtverletzung der VN, 

  • in Form eines zumindest bedingt vorsätzlichen Verstoßes gegen die Anordnung des Kreisverwaltungsreferats, 

nicht festgestellt werden konnte (Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt).