Tag Sozialrecht

Auskunft der Arbeitsagentur muss richtig und unmissverständlich sein

Will ein Arbeitsloser von der Agentur für Arbeit wissen, bis wann ein Antrag auf Arbeitslosengeld zu stellen ist, muss die Antwort darauf klar und deutlich sein.
Erfolgt eine solche Auskunft ungenau, muss die Arbeitsagentur das gegen sich gelten lassen.

Das hat das Sozialgericht (SG) Gießen mit Urteil vom 08.07.2015 – S 14 AL 13/15 – in einem Fall entschieden, in dem

  • die Klägerin am 01.12.2010 einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben,
  • am 08.12.2014 Arbeitslosengeld beantragt hatte und
  • ihr Antrag von die Agentur für Arbeit mit der Begründung abgelehnt worden war, dass sie den Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen Versäumung der Vierjahresfrist nach § 161 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) nicht mehr geltend machen könne und sie sich hätte bis spätestens am 01.12.2014 arbeitslos melden müssen.

 

Da jedoch die Mutter der Klägerin im September 2014 bei der Agentur für Arbeit angerufen und dort die Auskunft erhalten hatte, die Arbeitslosmeldung müsse bis Ende des Jahres 2014 erfolgen,

  • gab das SG Gießen ihrer Klage statt und
  • verurteilte die Agentur für Arbeit, der Klägerin Arbeitslosengeld ab dem 08.12.2014 zu zahlen.

 

Begründet hat das Gericht seine Entscheidung damit, dass die Auskunft „bis zum Ende des Jahres 2014“ zeitlich ungenau sei und diese Ungenauigkeit zu Lasten der Agentur für Arbeit gehe, weil eine solche Auskunft durchaus auch den Schluss zulasse, dass der Anspruch bis zum Ende des Jahres geltend gemacht werden kann.
Erfolge auf eine konkrete Frage, wie sie die Mutter der Klägerin in dem Telefonat gestellt habe, eine ungenaue Auskunft, müsse eine Behörde dies gegen sich gelten lassen.
Denn ein Antragsteller habe Anspruch darauf, dass seine Fragen vollständig und richtig beantwortet werden.

Das hat die Pressestelle des Sozialgerichts Gießen am 30.07.2015 mitgeteilt.

 

Opferentschädigungsansprüche nach Verabreichung von Dopingsubstanzen?

Mit Urteil vom 10.07.2015 – S 14 VE 3/11 – hat das Sozialgericht (SG) Magdeburg entschieden,

  • dass die Verabreichung von Dopingsubstanzen an eine minderjährige Hochleistungssportlerin in der ehemaligen DDR einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Opferentschädigungsgesetz darstellt.

 

Nach dieser Vorschrift erhält,

  • wer infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat,
  • wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes.

 

In dem der Entscheidung das SG Magdeburg zugrunde liegendem Fall hatte die Klägerin, die zwischen ihrem 13. und 20. Lebensjahr in der ehemaligen DDR Hochleistungssportlerin war, geltend gemacht, ihre hochgradige Funktionseinschränkung der Hals- und Lendenwirbelsäule sei darauf zurückzuführen, dass man ihr in ihrer aktiven Zeit ohne ihr Wissen Dopingsubstanzen, z. B. in Vitamintabletten, Eiweißgetränken oder Schokolade, verabreicht habe.

Die Klage hatte Erfolg,

  • weil die Klägerin glaubhaft machen konnte, dass ihr Oral-Turinabol verabreicht worden war,
  • dies nach Auffassung des SG einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff im Sinne des Opferentschädigungsgesetzes darstellte und
  • da auch eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestand, dass die Wirbelsäulenschäden der Klägerin ohne die Gabe anaboler Steroide nicht oder nicht in dieser Schwere aufgetreten wären, diese Schädigungen, soweit sie – wie hier – auf den durch die Einnahme von Oral-Turinabol verursachten bzw. verstärkten Extrembelastungen im Hochleistungssport beruhten, somit als Schädigungsfolgen nach dem Opferentschädigungsgesetz anzuerkennen waren.

 

Der beklagte Leistungsträger wurde vom SG Magdeburg verurteilt, der Klägerin eine Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz zu gewähren.

Das hat die Pressestelle des Sozialgerichts Magdeburg am 30.07.2015 – Nr.: 001/2015 – mitgeteilt.

 

Jobcenter muss Mutter eines Neugeborenen Babybettwäsche zum Wechseln und Autobabysitz zahlen

Jobcenter muss Mutter eines Neugeborenen Babybettwäsche zum Wechseln und Autobabysitz zahlen.

Das hat das Sozialgericht (SG) Heilbronn mit Urteil vom 28.07.2015 – S 11 AS 44/15 – in einem Fall entschieden,

  • in dem das Jobcenter der Mutter eines Neugeborenen verschiedene Hartz IV-Leistungen bewilligt (u.a. lediglich eine Babybettwäsche als sog. Erstausstattung für die Geburt),
  • es aber abgelehnt hatte, die Kosten für einen Autobabysitz (sog. „Babysafe“; 20 Euro) und für eine zweite Babybettwäsche (25 Euro) zu übernehmen.

 

Die Klage der Mutter des Neugeborenen hiergegen war erfolgreich.

Nach der Entscheidung des SG Heilbronn beinhaltet die Erstausstattung bei Geburt nach § 24 Abs. 3 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) grundsätzlich eine komplette Babyausstattung, die die Befriedigung von einfachen und grundlegenden Bedürfnissen zulässt und im unteren Segment des Preisniveaus liegt.
Wie das Gericht weiter ausführte,

sei hier eine zweite Bettwäschegarnitur bereits deshalb notwendig, weil die von einem Säugling benutzte Kinderbettwäsche hygienebedingt besonders häufig gewechselt werden müsse.
Eine beispielsweise durch eine ausgelaufene Windel verunreinigte Bettwäsche lediglich mit einem Handtuch abzudecken, genüge nicht.

Auch die Kosten für einen Autobabysitz muss das Jobcenter übernehmen, weil das Neugeborene regelmäßig von den Großeltern in deren Pkw transportiert wird und Kinder bis zum 12. Lebensjahr im Auto grundsätzlich durch besondere Rückhaltesysteme, beispielsweise durch einen geeigneten Autobabysitz, geschützt werden müssen (§ 21 Abs. 1a Straßenverkehrs-Ordnung (StVO)), so dass eine Beförderung des Säuglings im Auto mit einer herkömmlichen Tragetasche eines Kinderwagens nicht in Betracht kommt.

Das hat die Pressestelle des Sozialgerichts Heilbronn am 30.07.2015 mitgeteilt.

 

Arbeitsunfall wenn Taxifahrer niedergeschossen wird?

Der 9. Senat des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) hat in einem Fall,

  • in dem ein nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) kraft Gesetzes versicherter Taxifahrer Personen, die sich lautstark dem Taxistand näherten, zur Ruhe aufgefordert hatte und daraufhin von einer dieser Personen niedergeschossen sowie schwer verletzt worden war,

 

entschieden (Az.: L 9 U 41/13),

  • dass dies jedenfalls dann von der gesetzlichen Unfallversicherung als Arbeitsunfall gemäß § 8 Abs. 1 SGB VII anzuerkennen ist, wenn
    • kein privates Überfallmotiv vorlag und
    • der Taxifahrer aus betriebsbezogenen Gründen gehandelt hat, was hier der Fall war, weil der Senat davon ausging, dass der Taxifahrer einen störungsfreien Taxibetrieb sicherstellen sowie verhindern wollte, dass potentielle Kunden durch den Lärm abgeschreckt werden.

 

Das hat die Pressestelle des Hessischen Landessozialgerichts am 21.07.2015 – 13/15 – mitgeteilt.

 

Wenn Arbeitnehmer wissen wollen, ob für sie Sozialversicherungsbeiträge entrichtet wurden

Ein Versicherter kann in begründeten Fällen von seiner gesetzlichen Krankenversicherung Auskunft darüber verlangen, ob sein Arbeitgeber für ihn die Sozialversicherungsbeiträge ordnungsgemäß entrichtet hat.

Das hat der 8. Senat des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) mit Urteil vom 14.07.2015 – L 8 KR 158/14 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall wollte eine Arbeitnehmerin, nachdem sie von einem früheren Arbeitskollegen erfahren hatte, dass ihr ehemaliger Arbeitgeber für ihn Beiträge zu den Sozialversicherungen nicht gezahlt haben soll, von ihrer Krankenkasse wissen, ob ihr ehemaliger Arbeitgeber für sie Sozialversicherungsbeiträge abgeführt hat.

Der Klage der Arbeitnehmerin auf Auskunft, die von ihr erhoben worden war, nachdem die Krankenkasse die Auskunft mit der Begründung verweigert hatte, es handle sich um Sozialdaten des Arbeitgebers, die sie ohne dessen Einwilligung nicht an Versicherte übermitteln dürfe, war erfolgreich.
Wie der Hessische LSG ausführte,

haben Versicherte nach § 83 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) einen gesetzlichen Anspruch auf Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Sozialdaten. Deshalb müsse die Krankenkasse einen bei ihr versicherten Arbeitnehmer darüber informieren, ob dessen Arbeitgeber für ihn Beiträge zur Sozialversicherung entrichtet habe. Bei diesen Informationen handele es sich um sogenannte Sozialdaten auch des Versicherten nach § 67 Abs. 1 SGB X.
Zwar sei allein der Arbeitgeber verpflichtet, die Beiträge zu zahlen. Der Arbeitnehmeranteil an den Beiträgen werde jedoch aus dem Vermögen des Arbeitnehmers erbracht (§§ 28d, 28h, 28e Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Auch lägen schützenswerte Geheimhaltungsinteressen des Arbeitgebers, die einer Auskunftserteilung entgegenstünden, nicht vor (§ 83 Abs. 4 SGB X).

Das hat die Pressestelle des Hessischen Landessozialgerichts am 14.07.2015 – 12/15 – mitgeteilt.

 

Einseitige Kniegelenksarthose kann Berufskrankheit sein

Arbeitet ein Handwerker jahrelang einseitig kniend in der sog. Fechterstellung, kann eine einseitige Kniegelenksarthose als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) anerkannt und entschädigt werden.

Das hat das Sozialgericht (SG) Dortmund mit Urteil vom 22.05.2015 – S 18 U 113/10 – im Falle eines Gas- und Wasserinstallateurs (im Folgenden Kläger genannt) entschieden, der mehr als 13000 Stunden kniebelastende Tätigkeiten mit einer Mindesteinwirkungsdauer von einer Stunde pro Schicht geleistet hat.

Begründet hat das SG Dortmund seine Entscheidung, nach der die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG) die Kniegelenksarthrose rechts als Folge der BK nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV anerkennen und dem Kläger eine Verletztenrente zahlen muss, damit,

„dass die einseitig ausgeprägte Kniegelenkserkrankung seiner jahrelangen kniebelastenden Arbeitshaltung in der Fechterstellung entspreche.
Der Kläger habe die einseitige Belastung mit dem überwiegenden Knien auf dem händigen, rechten Knie und Beugestellung im linken Knie plausibel dargelegt. Der altersvorauseilende Befund im rechten Kniegelenk, der erst nach Aufgabe der Tätigkeit festgestellt worden sei, spreche für die berufliche Verursachung.
Der BK-typischen Körperveränderung stehe die Einseitigkeit der arthrotischen Veränderung in den Knien nicht entgegen, sondern spreche hier für einen hinreichenden kausalen Zusammenhang.
Lediglich bei einer symmetrischen Belastung der Knie sei auch eine symmetrische Verteilung der Umbauschäden zu erwarten.
Schließlich stehe das Übergewicht des Klägers als konkurrierende Ursache der BK-Anerkennung nicht entgegen, weil die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK und ein geeignetes Krankheitsbild vorlägen“.

Das hat die Pressestelle des Sozialgerichts Dortmund am 23.06.2015 mitgeteilt.

 

Kinder- und Seniorenbetreuung nur mit entsprechender Qualifikation

Hat ein Empfänger von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II („Hartz IV“) keine entsprechende berufliche Vorbildung oder sonstigen ausreichenden Vorkenntnisse, die ihn zur selbständigen Kinder- und Seniorenbetreuung befähigen, darf ihm eine Arbeitsgelegenheit, die ihn zu einer solchen Tätigkeit verpflichtet, nicht zugewiesen werden.
 

Darauf hat der 3. Senat des Landessozialgerichts (LSG) Mainz mit Beschluss vom 28.04.2015 – L 3 AS 99/15 B ER – in einem Fall hingewiesen, in dem der Antragsteller,

  • der früher als Bankkaufmann tätig war, derzeit eine selbständige Nebentätigkeit als Versicherungsmakler ausübt sowie daneben mit seiner Familie seit mehreren Jahre Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II bezieht,

 

vom zuständigen Jobcenter, nach dem Scheitern einer Eingliederungsvereinbarung, durch einen Verwaltungsakt verpflichtet worden war,

  • im Rahmen einer sogenannten Arbeitsgelegenheit für eine GmbH und in über diese vermittelten Kooperationsbetrieben (Hausmeistertätigkeiten, Betreuungstätigkeiten von Senioren, Betreuungstätigkeiten von Kindern und/oder Jugendlichen, Betreuungstätigkeiten von behinderten Menschen, Hauswirtschaftshelfertätigkeiten, Botendienste) tätig zu werden.

 

Der vom Antragsteller, vertreten durch einen Rechtsanwalt, gestellte Antrag auf gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung des erhobenen Widerspruchs gegen diese Arbeitsverpflichtung hatte Erfolg, weil nach Auffassung des Senats Arbeitsgelegenheiten auf den konkreten Einzelfall zugeschnitten sein müssen und die Betreuung von Kindern, behinderten Menschen und Senioren wegen der hohen fachlichen Anforderungen nicht für Personen, wie den Antragsteller, ohne berufliche Erfahrung oder sonstige Vorkenntnisse geeignet ist.

 

Das hat die Pressestelle des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz am 01.06.2015 – 9/2015 – mitgeteilt.

 

Bei Fragen, wie man auf die Zuweisung einer Arbeitsgelegenheit reagieren sollte, ist es empfehlenswert sich von einem Rechtsanwalt, insbesondere einem Anwalt der gleichzeitig die Qualifikation „Fachanwalt für Sozialrecht“ hat, beraten zu lassen.

 

Wenn ein Arzt Arbeitsunfähigkeit bis auf weiteres bescheinigt hat

Hat ein Arzt in einer der Krankenkasse vorzulegenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

  • ohne Angabe eines Endzeitpunktes Arbeitsunfähigkeit „bis auf weiteres“ bescheinigt,
  • gleichzeitig aber einen Wiedervorstellungstermin genannt,

 

kann daraus nicht geschlossen werden, dass die Dauer der Arbeitsunfähigkeit bis zu dem Wiedervorstellungstermin beschränkt sein soll und

  • deshalb die zuständige Krankenkasse auch über den Wiedervorstellungstermin hinaus zur Zahlung von Krankengeld verpflichtet sein.
     

Darauf hat der 5. Senat des Landessozialgerichts (LSG) Mainz mit Urteil vom 16.04.2015 – L 5 KR 254/14 – hingewiesen und in dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall die Krankenkasse,

  • die Krankengeldzahlung über den Wiedervorstellungstermin hinaus u.a. mit der Begründung, dass die notwendige ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nicht vorgelegen habe, abgelehnt hatte,

 

für den Zeitraum, in dem Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 44 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bestand, zur Krankengeldzahlung verurteilt.
 

Dieser Fall zeigt, wie empfehlenswert es sein kann, sich als Betroffener ggf. von einem Rechtsanwalt, insbesondere einem Anwalt der gleichzeitig die Qualifikation „Fachanwalt für Sozialrecht“ hat, beraten zu lassen. 

 

Muss das Jobcenter auch Darlehen für Kauf eines Pkws gewähren?

Als Anspruchsgrundlage für die Gewährung eines Darlehens zum Erwerb eines Pkw kommt §16f Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Betracht.
Demnach kann die Agentur für Arbeit die Möglichkeiten der gesetzlich geregelten Eingliederungsleistungen durch freie Leistungen zur Eingliederung in Arbeit erweitern, wobei die freien Leistungen den Zielen und Grundsätzen des SGB II entsprechen müssen.
Leistungsträger nach dieser Vorschrift sind nicht nur die Bundesagentur für Arbeit, sondern auch die nach § 6a SGB II zugelassenen kommunalen Träger.

Bei § 16f SGB II handelt es sich um eine eigenständige Anspruchsgrundlage, die als Generalklausel ausgestaltet ist. Sie ist auch dann anwendbar,

 

was gerade bei sog. Aufstockern der Fall ist.

Aufgabe und Ziel der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist nämlich nach § 1 Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 SGB II unter anderem, den Umfang der Hilfebedürftigkeit durch eine Erwerbstätigkeit zu verringern.
Leistungen im Rahmen einer Einzelförderung können als Zuschuss, Darlehen oder als Kombination beider gewährt werden (vgl. die „Gemeinsame Erklärung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Ministerien der Länder als aufsichtsführende Stellen nach § 47 SGB II zu den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach § 16 SGB II i.V.m. §§ 45, 46 und nach § 16f SGB II“, 3. Aktualisierte Fassung: Oktober 2012, S. 25).

Hinsichtlich des möglichen Leistungsinhalts sind die nach § 16f SGB II denkbaren Leistungen allerdings an § 20 SGB II zu messen. Die vom Regelbedarf erfassten Leistungsinhalte können grundsätzlich nicht Gegenstand der sog. freien Leistungen sein.

Da der Erwerb eines Pkw nicht vom Regelbedarf abgedeckt ist, kommt insoweit grundsätzlich eine freie Förderung nach § 16f SGB II in Betracht.
Voraussetzung für die Leistungsgewährung ist, da es sich um eine Eingliederungsleistung handelt, ferner die Einhaltung der in § 3 Abs. 1 Satz 1 SGB II normierten Grundsätze.
Eine freie Leistung kann demnach nur dann erbracht werden, wenn sie zur Vermeidung oder Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit für die Eingliederung erforderlich ist.

Das hat der 11. Senat des LSG Niedersachsen-Bremen mit Beschluss vom 13.05.2015 – L 11 AS 676/15 B ER – in einem Fall entschieden, in dem von einer Bezieherin von Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), die einen Arbeitsvertrag über eine Tätigkeit als Pflegehelferin im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung abgeschlossen hatte, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung eines Darlehens in Höhe von 2.000 Euro zum Kauf eines Pkws beantragt worden war, nachdem ihr Auto, auf das sie für die Ausübung ihrer Tätigkeit angewiesen war, am Vortag endgültig liegengeblieben war.

 

Fettabsaugung auf Kosten der Krankenkasse?

Die Kosten des stationären Aufenthalts im Krankenhaus bei medizinisch notwendiger Fettabsaugung sind von den gesetzlichen Krankenkassen zu tragen.

Das hat das Sozialgericht (SG) Dresden mit Urteil vom 13.03.2015 – S 47 KR 541/11 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall litt die 51 Jahre alte Versicherte an beiden Beinen an einem Lipödem – sog. Reiterhose – im schwersten Stadium mit erheblichen Schmerzen und massiven Bewegungseinschränkungen der Beine. Weitere Beschwerden resultieren aus der fortgeschrittenen Arthrose in den Kniegelenken. Die konservativen Behandlungsmaßnahmen wie manuelle Lymphdrainage, Kompressionsbehandlung und Gewichtsreduktion blieben ohne Erfolg.

Von der Krankenkasse wurde die Übernahme der Kosten für eine stationäre operative Fettabsaugung zur Reduzierung des krankhaften Gewebes mit der Begründung abgelehnt, dass

  • es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode handle,
  • es eine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschuss über die Anrechnung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens, die notwendige Qualifikation der Ärzte und die operativen Anforderungen nicht gebe,
  • die Therapie auch nicht für den ambulanten Bereich zugelassen sei und
  • eine Umgehung durch Ausweichen auf eine stationäre Behandlung nicht möglich sei.

 

Das SG Dresden folgte dieser Argumentation nicht, sondern entschied, dass die Kosten durch die Krankenkasse zu übernehmen sind.

Begründet hat es seine Entscheidung damit,

  • dass allein durch die Fettabsaugung eine deutliche Schmerzlinderung, eine Verbesserung der Berührungsempfindlichkeit, eine bessere Beweglichkeit und eine Verbesserung der psychischen Gesamtsituation der Klägerin erreicht und
  • da die erforderliche Absaugung pro Behandlungseinheit von bis zu 6000 ml eine hochdosierte Schmerzmittelbehandlung und Infusionen zum Ausgleich des Flüssigkeitshaushalts erfordert, die Fettabsaugung nur stationär durchgeführt werden könne.

 

Des weiteren wies das SG Dresden darauf hin, dass, anders als bei neuen Behandlungsmethoden im ambulanten Bereich, im stationären Bereich neue Behandlungsmethoden grundsätzlich zugelassen sind, solange sie nicht durch den gemeinsamen Bundesausschuss negativ beurteilt wurden und der Nutzen der Methode durch wissenschaftliche Studien belegt ist. An den Umfang dieser Studien, dürfen nicht zu hohe Anforderungen gestellt werden. Anderenfalls käme es bei einem so erheblichen Erkrankungsstadium wie dem der Klägerin zu einer faktischen Behandlungsverweigerung.

Das hat die Pressestelle des Sozialgerichts Dresden am 21.05.2015 mitgeteilt.