…. bei Verfahren wegen – mittels eines sog. standardisierten Messverfahrens festgestellter – Geschwindigkeitsüberschreitung ein Recht auf Zugang u.a. auch
- zu der außerhalb der Bußgeldakte befindlichen Lebensakte des verwendeten Messgeräts und
- den sog. Rohmessdaten besteht,
wenn
- der Betroffene selbst ermitteln will, ob Anhaltspunkte für eine Fehlmessung vorliegen.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 12.11.2020 – 2 BvR 1616/18 – entschieden, dass im Bußgeldverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung Betroffene bzw. ihre Verteidiger,
- zur Ermöglichung einer eigenständigen Überprüfung des Messvorgangs, um – ggf. – bei Anhaltspunkten für die Fehlerhaftigkeit des Messergebnisses die Annahme des standardisierten Messverfahrens erschüttern zu können,
ein Recht auf Zugang zu Informationen, unter anderem
- der Lebensakte des verwendeten Messgeräts,
- dem Eichschein und
- den sogenannten Rohmessdaten in unverschlüsselter Form,
auch dann haben, wenn diese nicht
sind.
Danach folgt aus dem Recht auf ein faires Verfahren grundsätzlich auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren das Recht,
- Kenntnis von solchen Inhalten zu erlangen, die zum Zweck der Ermittlung entstanden sind, aber nicht zur Akte genommen wurden,
wenn
- diese der Betroffene bzw. sein Verteidiger verständiger Weise für die Beurteilung des Ordnungswidrigkeitenvorwurfs für bedeutsam halten darf und
- der Zugang zu diesen Informationen im Bußgeldverfahren frühzeitig gegenüber der Bußgeldstelle und mit Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG geltend gemacht wird.
Für Betroffene bzw. ihre Verteidiger bedeutet das, dass sie mit Hilfe dieses Anspruchs auf Zugänglichmachung zu den außerhalb der Bußgeldakte befindlichen Informationen
- die Möglichkeit einer eigenständigen Überprüfung des Messergebnisses haben,
- ggf. dabei ermittelte Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit des Messergebnisses vor Gericht darlegen und sie so
die – ansonsten bei standardisierten Messverfahren ohne konkrete Anhaltspunkte für Messfehler im Regelfall nicht gegebene – Amtsermittlungspflicht des Gerichts auslösen können, die Beweisaufnahme von Amts wegen zu erstrecken
- auf die Beiziehung weiterer Unterlagen,
- Daten oder
- auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens.