Bundesgerichtshof erläutert, wann das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besonders grob ist und den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten zulässt.
Ein gegenseitiger Vertrag ist als wucherähnliches Rechtsgeschäft nach § 138 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sittenwidrig, wenn
- zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht und
- außerdem mindestens ein weiterer Umstand hinzukommt, der den Vertrag bei Zusammenfassung der subjektiven und der objektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen lässt.
Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten hervorgetreten ist.
- Ist das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besonders grob, lässt dies den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten zu (Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 19.01.2001 – V ZR 437/99 – und vom 24.01.2014 – V ZR 249/12 –).
Ausgehend von dem für die Annahme eines besonders groben Äquivalenzmissverhältnisses bestehenden Erfordernis,
- dass der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung,
- ist diese Voraussetzung grundsätzlich erst ab einer Verkehrswertüber- oder -unterschreitung von 90 % erfüllt (BGH, Urteil vom 24.01.2014 – V ZR 249/12 –).
Bei der Prüfung, ob bei einem Immobilienkaufvertrag eine Verkehrswertüberschreitung von 90% oder mehr und damit ein auffälliges bzw. besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, sind von dem Verkäufer übernommene, üblicherweise von dem Käufer zu tragenden Erwerbsnebenkosten (wie Grunderwerbssteuer, Beurkundungskosten, Kosten der Grundbuchumschreibung) von dessen Leistung abzuziehen (BGH, Urteile vom 18.04.2000 – XI ZR 193/99 –; vom 26.02.2008 – XI ZR 74/06 – und vom 10.12.2013 – XI ZR 508/12 –).
Besteht eine Verkehrswertüberschreitung von unter 90%, also noch kein besonders grobes, aber jedenfalls ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, kommt die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB nur dann in Betracht, wenn weitere Umstände hinzutreten, die in Verbindung mit einem auffälligen Missverhältnis den Vorwurf der sittenwidrigen Übervorteilung begründen (vgl. BGH, Urteile vom 24.01.2014 – V ZR 249/12 – und vom 10.12.2013 – XI ZR 508/12 –).
Darauf hat der V. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 15.01.2016 – V ZR 278/14 – hingewiesen.
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