Ein Eigentümer, der die Inanspruchnahme seines Grundstücks durch einen Nachbarn (hier: durch unterirdisch verlegte Stromleitungen) jahrzehntelang gestattet hat, verliert hierdurch nicht das Recht, die Gestattung zu widerrufen und anschließend seine Ansprüche aus § 1004 BGB geltend zu machen.
Darauf hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 16.05.2014 – V ZR 181/13 – hingewiesen.
Der Eigentümer ist nicht deshalb, weil er seinen Anspruch auf Beseitigung einer Beeinträchtigung nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gegenüber dem Störer wegen des Eintritts der Verjährung nicht mehr durchzusetzen vermag, die Störung auch in Zukunft hinnehmen muss.
Die Verjährung des Beseitigungsanspruchs begründet kein Recht des Störers auf Duldung nach § 1004 Abs. 2 BGB.
Der Eigentümer ist vielmehr auf Grund seiner Befugnisse aus § 903 Satz 1 BGB berechtigt, die Beeinträchtigung seines Eigentums durch Entfernung des störenden Gegenstands von seinem Grundstück selbst zu beseitigen (BGH, Urteile vom 28.01.2011 – V ZR 141/10 – und – V ZR 147/10 –). Er kann deshalb in einem solchen Fall Klage erheben mit dem Antrag, festzustellen, dass er berechtigt ist …….. (hier: die in seinem Grundstück befindlichen, der Stromversorgung der Grundstücke des Nachbarn dienenden Kabel selbst zu beseitigen).
Anders ist es allerdings, wenn der Eigentümer nach § 1004 Abs. 2 BGB verpflichtet ist, die Beeinträchtigung zu dulden. Die Störung stellt sich dann nicht als eine Verletzung der Eigentümerrechte dar.
Eine Duldungspflicht im Sinne des § 1004 Abs. 2 BGB schließt daher nicht nur den Abwehranspruch gegen den Störer, sondern auch das Recht des Eigentümers aus, die Störung selbst auf eigene Kosten zu beseitigen.
Dulden muss der Eigentümer die Störung
- wenn eine gesetzliche Duldungspflicht besteht (beispielsweise nach § 8 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden (AVBEltV), § 12 Abs. 1 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für den Netzanschluss und dessen Nutzung für die Elektrizitätsversorgung in Niederspannung (NAV) oder den Nachbargesetzen der Länder, wie § 26 Abs. 1 Landesnachbarrechtsgesetz (LNRG) in Rheinland-Pfalz),
- wenn eine Leitungsdienstbarkeit nach § 1018 oder § 1090 BGB bestellt oder
- wenn eine schuldrechtliche Verpflichtung des Eigentümers gegenüber dem Nachbarn, dessen Leitung in seinem Grundstück zu dulden, besteht. Zu beachten dabei ist, dass Gestattungen eines Voreigentümers den Einzelrechtsnachfolger nicht binden (BGH, Urteil vom 29.02.2008 – V ZR 31/07 –), sofern dieser die Duldungspflichten nicht übernommen hat (nach § 415 BGB oder § 328 BGB) oder die Voraussetzungen der Vorschriften über den gesetzlichen Eintritt des Erwerbers in Miet- oder Pachtverträge (§ 566 Abs. 1, § 578 Abs. 1, § 581 Abs. 2, § 593b BGB) nicht vorliegen.
Schließlich darf das Recht des Eigentümers, die Störung ihres Eigentums durch die Leitungen selbst zu beseitigen, nicht verwirkt sein.
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