Arbeitsrecht – Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung – Kann Arbeitgeber Vorlage schon am ersten Tag verlangen?

Arbeitsrecht – Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung – Kann Arbeitgeber Vorlage schon am ersten Tag verlangen?

Dauert eine Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen.
Sofern durch Tarifvertrag keine klare, davon abweichende Regelung zugunsten der Arbeitnehmer getroffen ist (§ 12 EFZG), ist der Arbeitgeber jedoch nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen. Die Regelung eröffnet dem Arbeitgeber nicht nur das Recht der zeitlich früheren Anforderung, sondern daneben das Recht, den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung auch für Zeiten zu verlangen, die nicht länger als drei Tage andauern, z. B. auch für eine eintägige Arbeitsunfähigkeit.
Das Verlangen nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG bedarf weder einer Begründung noch eines sachlichen Grundes oder gar besonderer Verdachtsmomente auf Vortäuschung einer Erkrankung in der Vergangenheit. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG, der keinerlei einschränkende Voraussetzungen nennt.
Die Voraussetzungslosigkeit des Verlangens nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG bestätigt auch § 275 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b i. V. m. Abs. 1a Sozialgesetzbuch (SGB ) Fünftes Buch (V). Danach kann der Arbeitgeber verlangen, dass die Krankenkasse eine gutachterliche Stellungnahme des medizinischen Dienstes zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einholt, allerdings nur „zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit“. Eine derartige einschränkende Voraussetzung fehlt in § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG.
Die Ausübung des dem Arbeitgeber nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG eingeräumten Rechts steht im nicht gebundenen Ermessen des Arbeitgebers. Das ergibt sich aus dem Fehlen von Ausübungsvoraussetzungen in der Norm selbst.

Ihre Grenze findet das Verlangen nach einer Vorlage der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung schon ab dem ersten Tag einer Erkrankung an den allgemeinen Schranken jeder Rechtsausübung, insbesondere darf das Verlangen nicht schikanös oder willkürlich sein und weder gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz noch gegen Diskriminierungsverbote verstoßen. Schließlich darf sich der Arbeitgeber bei der Ausübung seines Rechts aus § 5 Abs. 1 S. 3 EFZG auch nicht durch eine betriebliche Übung gebunden haben.

Darauf hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 14.11.2012 – 5 AZR 886/11 – hingewiesen.

 

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