Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers infolge Alkoholabhängigkeit?

Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers infolge Alkoholabhängigkeit?

Eine Arbeitsunfähigkeit ist nur dann verschuldet i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (EntgFG), wenn ein Arbeitnehmer in erheblichem Maße gegen das von einem verständigen Menschen in seinem eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstößt. Nur dann verliert er seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
Bei einer Alkoholabhängigkeit handelt es sich um eine Krankheit.

  • Wird ein Arbeitnehmer infolge seiner Alkoholabhängigkeit arbeitsunfähig krank, kann nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht von einem Verschulden im Sinne des Entgeltfortzahlungsrechts ausgegangen werden.

Die Entstehung der Alkoholsucht ist vielmehr multikausal, wobei sich die unterschiedlichen Ursachen wechselseitig bedingen.

  • Dies gilt im Grundsatz auch bei einem Rückfall nach einer durchgeführten Therapie.
  • Im Hinblick auf eine Abstinenzrate von 40 bis 50 % je nach Studie und Art der Behandlung kann nach einer durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme jedoch ein Verschulden des Arbeitnehmers an einem Rückfall nicht generell ausgeschlossen werden.
  • Der Arbeitgeber kann deshalb in diesem Fall das fehlende Verschulden bestreiten.
  • Das Arbeitsgericht hat in einem solchen Fall dann ein medizinisches Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, ob der Arbeitnehmer den Rückfall schuldhaft i.S.d. § 3 Abs. 1 EntgFG herbeigeführt hat.

Lässt sich dies nicht eindeutig feststellen, weil ein Ursachenbündel hierfür vorliegt, geht dies zulasten des Arbeitgebers.

Darauf hat der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) mit Urteil vom 18.03.2015 – 10 AZR 99/14 – in einem Fall hingewiesen, in dem

  • ein bis zum 30.12.2011 bei dem beklagten Arbeitgeber beschäftigter alkoholabhängiger Arbeitnehmer, nach zwei stationären Entzugstherapien und mehreren Rückfällen am 23.11.2011 mit einer Alkoholvergiftung (4,9 Promille) in ein Krankenhaus eingeliefert worden sowie in der Folge für über zehn Monate arbeitsunfähig erkrankt war und
  • die Klage der gesetzlichen Krankenkasse, die für die Zeit vom 29.11. bis zum 30.12.2011 Krankengeld i.H.v. 1.303,36 Euro für den Arbeitnehmer, der Mitglied bei ihr ist, geleistet und in dieser Höhe Ansprüche auf Entgeltfortzahlung aus übergegangenem Recht (§ 115 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)) gegenüber dem beklagten Arbeitgeber geltend gemacht hatte, erfolgreich war, weil

das eingeholte sozialmedizinische Gutachten ein Verschulden des Arbeitnehmers unter Hinweis auf die langjährige und chronische Alkoholabhängigkeit und den daraus folgenden „Suchtdruck“ ausgeschlossen hatte.

Das hat die Pressestelle des Bundesarbeitsgerichts am 18.03.2015 – Nr. 14/15 – mitgeteilt.

 


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